Ich konnte nicht schlafen und stieg wieder aus dem Bett. Leise zog ich mir ein T-shirt und eine Hose, Schuhe und eine Jacke an. Dann schlich ich runter in die Küche und nahm den Schlüssel aus dem kleinen Blumentopf im Küchenfenster. Ich tapste leise wieder die Treppe herauf und schloss das Schloss an meinem Fenster auf. Vorsichtig kletterte ich hinaus auf das Dach und sprang leichtfüßig herunter, um in der Hocke auf dem Boden zu landen. Schnell sprang ich auf und rannte Richtung Park, immer wieder umdrehend, ob jemand mir folgte. Völlige Dunkelheit umarmte mich, doch ich kannte den Weg auswendig und fand schnell dahin.
Erschöpft ließ ich mich auf einer morschen Parkbank nieder und rang nach Atem. Meine Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt und ich konnte die Umrisse der Bäume und Büsche sehen. Mein Atem war in weißen Wölkchen in der Luft zu sehen. Ein kalter Wind fegte durch die Bäume und umhüllte mich mit seinen kalten Armen. Ich rollte mich einsam auf der Parkbank zusammen und versuchte mich zu wärmen.
Plötzlich hörte ich 2 Paar Schritte aufeinander zukommen. Ein Mann und eine Frau erschienen mit Taschenlampen in der Hand. ,,Jetzt haben sie mich!”, dachte ich bei mir und schloss die Augen. Nichts passierte! Ich öffnete sie einen Spalt breit und sah, wie sich die Lippen des Mannes auf die der Frau senkten. Liebe, etwas so Schönes, so vergängliches…
Plötzlich wusste ich, was zu tun war. Leise, damit ich das Paar nicht störte, stand ich auf und ging zu dem Ort, der mir Sicherheit geben würde. Ich ging schnell den bekannten Weg entlang und kam an diesem besonderen Ort an. Ich ließ mich auf meinem Lieblingsplatz nieder und dachte noch einen Augenblick nach, bevor ich ihn nie wieder sehen würde, nie wieder Schmerz oder Hass fühlen würde oder die Verachtung der Anderen zu spüren bekäme.
Sollte ich einen Brief für meine beste Freundin zurücklassen? Nein! Eigentlich war sie nicht meine Freundin! Wir schliefen bloß im gleichen Zimmer und ab und an tauschen wir ein paar nette Worte. Aber Freundschaft war das nicht! Wir wären uns nie begegnet hätte mein Vater mich damals nicht im Irrenhaus abgegeben, wie einen lästigen Hund im Tierheim. Er meinet ich sei verrückt, alle sagten ich sei verrückt, doch das war ich nicht! Sie sagten, ich sei krank, litte unter Halluzinationen und Depressionen, aber ich kenne die Wahrheit! Mir geht es gut! Ich bin bloß ein Mädchen, dass seine Mutter vermisst. Nicht verrückt! Nicht ich! Die Anderen sind verrückt! Ich sehe die Welt mit den richtigen Augen, nicht sie. Sie sehen nur das, was sie sehen wollen! Ich hingegen habe die Augen immer geöffnet und sehe das Leid nicht nur in meiner Welt! Ihre Augen sind meist geschlossen und sie sehen nur ihre eigenen kleinen Ängste!
Ein kleiner, lila Schmetterling erschien und schwebte eine Weile sanft in der Luft, als tanze er, zu einer Musik, die nur er hören konnte. Er vollführte Pirouetten und flog einen Schlenker nach rechts, nach links, eine Weile geradeaus und einen Salto, bevor er sich sachte auf meiner Schulter niederließ. Ich schaute wieder geradeaus und sah die ersten goldenen Strahlen der Sonne am Himmel erblühen. Der Himmel füllte sich mit roten und blauen, lila und rosa Wölkchen, wie eine Weide voller Schafe. Die Strahlen der Sonne kitzelten mich an der Nase, umschlossen mich mit ihrer Wärme und forderten mich auf, endlich zu meiner Mutter zurückzukehren. Zu meiner Freiheit zurückzukehren! Wie der Morgen jetzt zurückkehrte.
Also ließ ich mich sanft nach vorne gleiten, mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen, und sprang, sprang zusammen mit dem kleinen, lila Schmetterling auf meiner Schulter von der Brücke, in die Schlucht der Erlösung, mit dem Gedanken, den Morgen würde ich nicht mehr erleben!
Texte: Das Bild ist von Google.
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2011
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Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner Familie, meiner Freundin und meinen Lesern.