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Schon seit Stunden schlich er um das Gebäude, den Tod im Gepäck. Das heute der Nachthimmel vollkommen bedeckt war, machte ihm nichts aus. Seine Augen waren die Dunkelheit gewohnt. Die Nacht, sein Freund und Helfer, verschluckte jedes Geräusch. Einen festen Plan hatte er nicht. Irgendwie fand sich meistens eine Möglichkeit hineinzukommen. Und wenn nicht, gab es weitere Nächte und andere Orte. Er hielt sich zwar erst seit einigen Tagen in dieser Gegend auf, hatte aber schon zweimal zuschlagen können, um seine Gier zu befriedigen. Alle besaßen sie etwas, das er begehrte, darum mussten sie sterben. Es war leicht gewesen, so leicht. Natürlich hatten sie geschrien, aber als er die Kehlen durchtrennt hatte, erstickten die Schreie im Geräusch des gurgelnden Blutes. Allein bei dem Gedanken daran zitterten seine Lippen und der Geschmack des Blutes legte sich wie ein warmer Pelz auf seine Zunge. Vorfreude verschlug ihm für einen kurzen Moment den Atem, dann riss er sich zusammen. Nichts durfte seine Vorsicht trüben, wenn er Erfolg haben wollte.
Wieder und wieder suchten seine Augen die Wand ab, hinter der er sein ahnungsloses Opfer im Schlafe wusste. War da nicht ein loses Brett? Seine Augen leuchteten auf, er hatte die Schwachstelle gefunden. Mehr brauchte er nicht und niemand würde ihn jetzt noch aufhalten können. Er wusste, einmal im Gebäude drin, gäbe es kein Halten mehr für ihn. Ohne Rücksicht würde er sein Opfer töten, um seine Gier zu stillen. Die Schwärze der Nacht würde es ihm möglich machen zu verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. Aufgeschreckt durch die Todesschreie würden sie ihn zwar jagen, aber er war um so vieles schlauer und flinker. Befriedigt gluckste er in sich hinein und machte sich geduldig an sein Werk.

Peter Harmsen lag angezogen und in gespannter Haltung auf seinem Bett. An Schlaf war nicht zu denken. Zuviel hing von seiner Wachsamkeit ab. In den letzten zwei Nächten war es zwar ruhig geblieben, aber er nahm das nicht zum Anlass sich in Sicherheit zu wiegen. Natürlich wäre es ihm lieber gewesen, der Mörder hätte die Gegend wieder verlassen, doch alles sprach dagegen. Erst gestern hatte Nachbar Leukers berichtet, dass jemand versucht hätte bei ihm einzudringen. Die Spuren waren eindeutig, er war dort gewesen. Nach den ersten zwei Morden hatte man sich, auf einer eilig anberaumten Sitzung, entschlossen, die Behörden nicht einzuschalten. Bisher hatte man alles in diesem Dorf selbst erledigt, und so sollte es auch bleiben. Streifengänge wurden geplant, und wer eine Waffe sein eigen nannte, sollte sie auch benutzen, im Falle des Falles. Peter Harmsen hielt nichts von Gewalt. Er gedachte die Angelegenheit anders zu erledigen.
Aufgeschreckt durch ein leises Knacken setze er sich im Bett auf. Da, da war es wieder.
Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit. Das Fenster der Dachstube war geöffnet, und er versuchte aus den üblichen Nachtgeräuschen, dieses eine herauszufiltern. Bewusst hatte er die Dachstube gewählt, die unteren Etagen hatte er hermetisch verschlossen. Nachdem er seine Sinne orientiert hatte, und neben dem zeitweiligen Knacken auch noch ein schabendes Geräusch ausmachte, war ihm klar, dass der Mörder auf seinem Hof war. Wut stieg in ihm auf und nur mit Mühe konnte er den Drang unterdrücken aufzuspringen. Die Ungewissheit, was nun folgen würde, zerrte an seinen Nerven. Das Blut rauschte in seinem Kopf und er hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Den Gedanken , dass sein Plan nicht funktionieren könnte, klammerte er völlig aus. Das beruhigte ihn etwas. Zum Sprung bereit wandte er sich wieder den Geräuschen zu, die zu ihm ins Zimmer drangen.

Nur noch wenige Zentimeter trennten ihn von seinem Opfer. Das lose Brett zu entfernen war ein Kinderspiel für ihn gewesen. Die Aussicht auf seine Tat versetzte ihn in eine freudige Erregung. Völlig davon ergriffen, taumelte er leicht. Geduld, Geduld, rief er sich zur Ruhe.
So kurz vor dem Ziel, durfte er sich nicht von seinen Gefühlen beeinflussen lassen.
Er zwängte seinen Körper durch die Öffnung und sog tief den Duft des Fleisches ein.

Ein Krachen durchbrach die Stille und alle Anspannung der letzten Stunden fiel von Peter Harmsen ab. Er hatte es geschafft. Zufrieden stand er auf blickte aus dem Fenster in die Nacht. Er lauschte noch ein wenig den immer leiser werdenden Schreien des Mörders bevor er sich seiner Kleidung entledigte und sich zu Bett begab. Beseelt fiel er in einen wohlverdienten Schlummer.

Das Netz hatte sich fest um ihn geschlungen. Je mehr er um sich geschlagen hatte, desto fester zogen sich die Maschen. Anfangs hatte er noch geschrien, jetzt war er verstummt. Er lebte, das war das einzige was zählte. Dennoch hielt ihn die Angst fest im Griff. Sein Herz raste und er zitterte am ganzen Leib. Er verstand nicht, was mit ihm passiert war. Wo hatte er den Fehler begangen? Keine klaren Gedanken mehr fassend, verfiel er allmählich in eine tödliche Starre. Im Morgengrauen blieb das Mörderherz stehen.

Peter Harmsen grinste, als er den Sack vor dem Gemeindehaus auf den Boden warf.
"Die Mühe hat sich gelohnt, hier habt ihr den Mörder. Der Kerl wird uns nicht mehr schaden". Sichtlich erleichtert blickten die Augen aller Dorfbauern auf den Sack. Leukers öffnete ihn schließlich.
" Gut gemacht, Harmsen!", sagte er beifällig.
" Das beste ist, wir verbrennen ihn. So klein und so gierig, dass hat er nun davon. Die Eier, die er im Grunde nur wollte, könnte man ja verschmerzen. Aber jedesmal ein Huhn zu verlieren..."
Peter Harmsen nickte in die Runde, schnappte sich den Sack und marschierte mit dem Marder auf dem Rücken wieder zu seinem Hof zurück. Eine halbe Stunde später durchzog der Geruch verbrannten Fleisches den Hühnerstall.

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Texte: copyright by Perdita Klimeck
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2009

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