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Die Morgensonne kitzelte in meiner Nase und von draußen gelang leises Vogelgezwitscher an meine Ohren. Der Wind rauschte sanft durch die grünen Baumkronen. Ich lag in meinem Bett und lauschte den Geräuschen des Sommers. Doch da war noch etwas; das sachte Plätschern von Wasser, welches mit jeder kleinen Welle an den Rumpf des Schiffes traf, das Quietschen der Fender, die ans steinige Ufer gedrückt wurden und das Knarzen des Holzes, aus dem meine „River Lady“ gebaut war. Ein Geräusch fehlte mir, ich spitze die Ohren und als ich dann doch das zufriedene Schnarchen meines Hundes Oscar hörte, wusste ich, dass es ein Tag wie jeder andere sein würde.
Ich schlug die Decke schwungvoll zurück und bereute es sofort. In meinem Zimmer war es trotz des Sommers kühl. Schnell zog ich mir Jeans, T-Shirt und Weste an und öffnete leise die Tür. Oscar hatte schon längst gemerkt, dass ich wach war und blickte mich fröhlich an. Ich knuddelte ihn einmal richtig durch, und dann machte ich uns Frühstück. Eine Tasse Brennnesseltee, ein Frühstücksei, ein Käse- und ein Wurstbrot; und von letzterem bekam Oscar ein kleines Stück ab. Nachdem ich alles abgespült und wieder weggeräumt hatte, öffnete ich die Luke, die zum Deck führte, und mein kleiner Schäferhund sprang sofort nach oben. Bevor wir die Leinen los machen konnten musste ich jedoch erst mit Oscar Gassi gehen. Ich legte ihm sein Halsband, nahm ihn unter den Arm und ging mit ihm von Bord. Dort setzte ich Oscar auf den Boden- eine Leine brauchten wir hier nicht, es war ja niemand da- und er rannte sofort freudig durch das hohe Gras davon. Ich beeilte mich mit ihm Schritt zu halten, doch nach einigen Metern blieb er sowieso wieder stehen, da er „sein Geschäft“ erledigen musste.
Nach einer viertel Stunde rief ich den verspielten Racker zu mir und wir begaben uns zurück aufs Schiff. Dann holte ich mir noch eine Flasche Wasser mit ans Steuer und ließ den Motor an. Schnell machte ich die vordere Leine los, dann die hintere und die Fahrt konnte beginnen. Für heute hatte ich mir eine Route mit nur wenigen Schleusen ausgesucht, und so würde es eine gemütliche Fahrt werden.
Die Landschaft zog an uns vorbei und das Sieben-Meter-Schiff flog langsam über das Wasser. Die Enten schwammen mit uns mit und kurzzeitig auch ein Schwan mit seinen Jungen. Oscar beäugte die Vögel misstrauisch und knurrte leise, wenn sie der „River Lady“ zu nah kamen-er musste sein „Revier“ bis aufs Äußerste verteidigen.
Als wir zur ersten Schleuse kamen-es war kurz vor Mittag- musste ich Oscar anleinen, damit er mir nicht im Weg stand. Das Schleusentor wurde geöffnet und ich fuhr hinter einem anderen Schiff zwischen die hohen Keilmauern. Ich hakte den Enterhaken so ein, dass der hintere Teil der „River Lady“ nicht davon treiben konnte, dann kümmerte ich mich um die vordere Leine. Oscar schaute mir gelangweilt zu, für ihn war das ein tagtägliches Schauspiel, wie ich auf dem Schiff hin und her flitzte.
„Na du Einzelkämpferin, wie läuft‘s denn so mit der Fahrerei?“ Das war der Schleusenwerter, der mich bereits von früher kannte, da die Strecke meiner Praxisprüfung vor zwei Jahren auch durch seine Schleuse gegangen war und ich mich wie der Letzte Volltrottel angestellt hatte. Das Schiff stand am Ende quer zwischen den Keilmauern und ich hatte Panik geschoben, bis der Prüfer mich beruhigt und ich die Sache wieder einrenkt hatte. Seitdem fragte er mich immer wie es denn mit der „Fahrerei“ denn so liefe.
„Jaja, mach dich nur lustig über mich. Oscar, fass!“, antwortete ich lachend.
„Wie alt ist der kleine denn jetzt schon?“, fragte der Werter
„Ein halbes Jahr. Aber ich glaube er will vom Schiff gar nicht mehr runter. Gell mein Schatzi.“ Ich kraulte Oscar hinter den Ohren.
Der Wasserpegel in dem kleinen Becken stieg langsam an und ich musste wieder vorn und hinten gleichzeitig sein. Oben angekommen, machte ich die Leinen los und verabschiedete mich vom Schleusenwerter.
Zehn Minuten später legte ich an einem der unzähligen unbefestigten Stege an und machte mir ein schnelles Mittagessen, welches aus einer Gulaschsuppe und einem Glas Apfelschorle bestand. Oscar bekam ein Stück Hundeleckerli. Als ich mich wieder ans Steuer stellte, musste ich feststellen, dass während der dreiviertel Stunde, in der ich gegessen hatte, in der Ferne dunkle Wolken auftauchten. Ich betete, dass das kein Unwetter war, sondern eben einfach ein paar, etwas dunkel geratene, Wolken…
Während den letzten zwei Stunden hatte ich die Wolken kaum aus den Augen gelassen, doch als ich schon dachte wir würden noch trocken in den Hafen kommen, frischte ein kühler Wind auf und es begann zu nieseln. Ich zog meine Kapuze über und Oscar verkroch sich ins Innere des Schiffes. Wieder eine halbe Stunde später prasselte der Regen nur so ins Wasser und in der Ferne hörte man leises Donnergrollen.
„Das war’s dann wohl mit der Gemütlichen Fahrt, hmm Oscar?“, die braunen Hundeaugen sahen mich traurig an. Oscar mochte keine Regentage und schon gar nicht Gewitter. Langsam machte ich mir Sorgen, da das Grollen und der Wind immer stärker wurden. Der Hafen in dem ich anlegen wollte, lag an einem See, und wenn dort ein Sturm tobte, hatte ich ein Problem. Noch zwei Schleusen, dann hatte ich es geschafft. Der Regen war kaum schwächer geworden und der Wind wurde immer stärker. Endlich kam das Ausfahrtsschild des Kanals in Sicht und der See, der dahinter lag, wurde von der umher brausenden Luft aufgepeitscht. Es war noch nicht so schlimm, dass ich nicht hätte Fahren dürfen, aber ein Vergnügen würde es bestimmt auch nicht werden. Oscar hatte sich inzwischen in einer Ecke verkrochen und winselte leise.
Das Schiff schaukelte, nein es schwankte und torkelte über das wellenreiche Wasser. Ich sah den Hafen, hatte aber das Gefühl, ich würde ihm kein Stückchen näher kommen, da die Wellen mich immer wieder zurück trieben. Nach einer qualvollen viertel Stunde erreichte ich die Hafenmauer, musste aber trotzdem aufpassen, dass ich nicht an den harten Beton gedrückt wurde. Vorsichtig fuhr ich ins Innere der Anlage und einige der schon angelegten Schifffahrer kamen mir zur Hilfe; es wurden Leinen Geschmissen und knoten gemacht.
Als das Schiff einigermaßen fest war, ging ich von Bord. Auch im Innenteil des Hafens war das Wasser nicht gerade ruhig. Oscar hatte sich strikt geweigert von mit mir zum Hafenmeister zu gehen, wo ich mich anmelden musste. So ging ich allein am äußersten Steg entlang, drehte mich noch einmal zur „River Lady“ um und „platsch!!!“. Ein Wasserschwall war über den Steg geschwappt und hatte mich voll von hinten erwischt; ich war nass bis auf die Haut. Triefend vor Wasser machte ich auf halbem Weg kehrt und eilte zum Schiff zurück, wo ich mir erst mal frische Klamotten anzog. Oscar schaute mich mit einem Blick an, der so viel heißen könnte, wie „Ich hab‘s dir ja gesagt, rauszugehen ist keine gut Idee!“ Ich schaute meinen Hund an, dachte mir „ach zum Teufel mit dem Hafenmeister ich warte bis der Regen weg ist“ und warf einen Blick auf die Uhr. Ohh Schreck…jetzt wusste ich auch, warum Oscar so schaute: Es war halbsechs. Normalerwiese bekam er immer um fünf Uhr Essen, doch durch das Wetter hatte ich die Zeit komplett vergessen. Also bekam mein Schatzi sein lecker Futter, bevor ich mir eine wärmende Tasse Tee machen konnte. Da eine Milderung des Unwetters noch nicht in Sicht war und Oscar langsam auch mal raus müsste, startete ich einen zweiten Versuch heil zu dem kleinen blauen Hafenbüro zu kommen. Oscar musste so dringend, dass er sogar den Regen vergaß, der inzwischen doch noch etwas nachgelassen hatte, und sprang fröhlich im feuchten Gras umher. Nachdem ich die River Lady angemeldet hatte, beschloss ich im Hafenlokal zu essen- heute hatte ich keinen Nerv mehr zum kochen- und so setzte ich mich in die volle Stube, möglichst nah an einer Heizung, damit mein Hund wieder trocken wurde.
Ich verließ die Gaststädte gegen acht Uhr und was mich draußen erwartete, konnte ich zuerst nicht fassen. Es hatte zum eine aufgehört zu regnen zum andern waren von Sturm und Wind keine Spur zu sehen, als hätte es sie nie gegeben. Nur der feuchte Boden und die umherliegenden Blätter zeugten noch von dem Unwetter. Und was das schönste war: Die Sonne ging gerade unter. Der Himmel leuchtete in den verschiedensten Goldschattierungen und die helle runde Scheibe spiegelte sich tanzend im Wasser des ruhig daliegenden Sees. Ich betrachtete dieses Bild so lange, bis dessen Zauber verflogen war, dann begab ich mich mit Oscar zurück aufs Schiff. Heute war eben doch nicht ein Tag wie jeder andere…

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Texte: Text copyright by Alex Sunbird. Cover copyright by Alex Sunbird. Hintergrund copyright by Alex Sunbird.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

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