Ich trinke ein Bier zum Zeitvertreib.
An mir vorbei schiebt sich ein Frauenleib.
Ich sehe ihr nach; sie sieht gut aus.
Doch im Moment habe ich Zuhaus eine kleine ‘Maus’.
Frauen und Männer warten, dass etwas geschieht.
Gitarrenklänge, sanft beginnt das erste Lied.
Der gesungene Text, wie von einem Dichter,
wird begleitet vom Pulsieren der Lichter.
Im Einklang mit dem Takt leuchten sie auf.
Die Musik wird schneller. Es nimmt seinen Lauf.
Die vielen Menschen beginnen zu tanzen.
Sie gleichen einem zähflüssigen Ganzen.
Der Rhythmus schlägt Wellen, einer Brandung gleich.
Der Sänger treibt die Massen in sein mystisches Reich.
Ein Meer aus sich bewegenden Köpfen und Armen.
Die Musik wird schneller. Sie kennt kein Erbarmen.
Musik in ihrer heftigsten Phase.
Die Masse wiegt schwitzend in Ekstase.
Der Saal ist fast am Überkochen,
die Begrenzungen fast zerbrochen.
Von Helfern werden untergehende Menschen erblickt.
Diese waren zusammengebrochen und fast erstickt.
Das Rote Kreuz kümmert sich um sie.
Die anderen feiern euphorisch wie nie.
Die schwitzende Masse betet den Sänger an.
Einem Zauberer gleich, magisch ist der Mann.
Schweiß durchtränkt seine Hose und Schuhe.
Das letzte Lied wird leise, dann ist Ruhe.
Es ist still, doch die Masse ist noch wild.
Entgeistert starren die Menschen auf das leere Bühnenbild.
Bei einer Zugabe können sie es sich noch einmal geben,
denn das Morgen bringt wieder Alltagsleben.
Die Musik verstummt. Die Scheinwerfer gehen aus.
Das Deckenlicht geht an. Die Masse strömt hinaus.
Schwitzend, müde und befriedigt gehen sie nach Haus.
Ich gehe zum Bahnhof, hab nichts weiter vor.
Vergangene Bilder im Hirn und Musik noch im Ohr.
Auf dem Bahnsteig, die Bahn ist noch nicht da,
erzählt eine Angetrunkene dem jungen potenziellen Selbstmörder wie es mal war.
Stolz zeigt er ihr seine Narben auf dem Arm.
Sie schaut ihn an. Ihr Blick erscheint mir warm.
„Bist du stolz auf deinen Schmerz und deinen Selbstmitleid?
Sagtest du, zum Sterben wäre es für dich Zeit?
Dann schau mich an; wie bin ich runtergekommen.
Ich hab schon alles gesoffen und alles genommen.
Doch ich hab mich noch niemals aufgegeben.
Denn das einzige, was ich liebe, ist mein Leben.
Schön blöd, wenn du für eine Verflossene dir die Pulsadern aufschneidest,
denn nur der Schmerz zeigt dir, dass du intensiv lebst und leidest.
Nur wer gelitten hat, weiß wie schön die Freude ist.
Wer etwas Anderes sagt, der erzählt nur Mist.
Nach der Dunkelheit kommt immer wieder helles Licht.
Vertraue mir und fürchte dich nicht.“
Das Gespräch verstummt. Die Bahn fährt ein.
Schade eigentlich. Ich steige hinein.
Die beiden bleiben sitzen auf der Bank.
Für ihr Alter ist die Frau noch sehr schlank.
Ein Pfeifton, und die S-Bahntür geht zu.
Der Zigarettenkippen verschwindet unter meinem Schuh.
Ich setze mich. Zwei Gothics schauen mich an.
Hinter ihnen sitzt schlaftrunken ein alter Mann.
Ich schließe die Augen. Ich bin müde und will nach Hause.
Ich höre für heute auf zu schreiben und mache eine Pause.
Er dauerte nicht lange,
der Ritt auf der Schlange,
denn eins war gewiss,
er hatte Angst vor dem Biss.
Die Schlange war nicht dumm
und schnellte plötzlich herum.
Ein schneller Biss, ein langer Schrei,
dann verschlang sie ihn wie ein rohes Ei.
Oh weih, oh weih,
wann ist es endlich vorbei?
Manchmal ist der Tod
auch ganz kommod,
gerade in der Not,
ohne blutiges Rot
oder Wut, die wie ein wildes Feuer loht.
Lieber sanft sterben, als immer der Idiot,
bei Wasser und schimmligem Brot
ohne Rettungsboot
im Zivilisationskot
einer Welt, dumm und verroht.
Irren ist menschlich,
sonst gäbe es ja keine Irren.
Meine Flügel sind gestutzt,
meine Hörner abgenutzt.
Ich bin auf einer Straße ohne Wiederkehr.
Müde und schwach, ich glaub, ich kann nicht mehr.
Alles schon mal erlebt, alles schon mal gesehn.
Abschiedsstimmung wird in mir wach. Ich glaub, ich werd bald gehn.
Wenn man Drogen benutzt,
sollte man sich nicht von ihnen benutzen lassen.
Sie sind ein Kampf mit dem Ich,
eine Wette mit dem eigenen Kopf.
Ein Betrunkener schreit: „Drogenschwein“,
und trinkt noch ein, das Drogenschwein.
Ich bleibe lieber allein
und lasse Besoffene Besoffene sein.
Wie kommt es, dass ihr nicht wisst,
dass Alkohol die Einstiegsdroge ist?
Legalität macht es leicht.
Millionen sterben jedes Jahr daran. Es reicht.
An den Drogen Haschisch oder Kaffee stirbt niemand
und so habe ich wieder den Kaffeebecher in der Hand.
Ich sah so viel Dunkelheit,
ich sah so viel Licht,
hasste mich und tat mir selbst leid,
doch unterkriegen konnte man mich nicht.
Erst als ich mich nicht mehr wichtig nahm,
schwerelos in meinem Kopf war,
verlor ich meinen Ego-Wahn
und sah endlich klar.
Ich fand Wege in der Kunst und in der Schrift,
ehrlich und nicht künstlich,
und so schwinge ich den Pinsel oder den Stift,
intensiv, sprich: inbrünstig.
Meine müden Augen
ergeben sich der Sonne.
Endlich,
gelöst von der Anspannung,
sie offen zu halten,
schließen sie sich
und öffnen die paradiesischen Pforten
der Phantasie.
Warmer Wind
liebkost
gleitend ,
in Form von sanften Wellen,
die noch seidene
kalte Haut.
Es ist, als würden Hunderte von zarten Engelshänden
meinen Körper berühren,
streicheln
und
davontragen.
Mein Geist,
endlich
gelöst,
wird Teil des Traumes,
Teil des großen Spiralstromes
in den schwerelosen Ebenen
der Metaphysik.
Mein Blick: verklärt.
Mein Mund: versperrt.
Meine Zeit: erschwert.
Vom Leben entehrt,
vom Leid beschert,
vom Schmerz verzehrt,
von Tränen ernährt,
vom Tod begehrt.
Die Zukunft? Verwehrt.
Wozu sind Gefühle da,
wenn sie doch so sehr brennen, so sehr schmerzen,
wenn sie mir die Tränen in die Augen treiben
und ich endlich endlich dem Ende entgegensehen will,
dem Ende entgegengehen will?
Meine Liebe, meine Sehnsucht ist mein Tod.
Nichts war für mich, was ich liebte, was ich sah.
Nur noch Scherben und Splitter in meinem Herzen.
Mich zieht ein bittersüßes Weh hinunter. Meine Seele will nicht mehr bleiben.
Ich gehe. Meine Sehnsucht treibt. Meine Sehnsucht schreit. Dann ist sie endlich still,
dann ist sie endlich, unendlich endlich still.
Meine Liebe, meine Sehnsucht ist mein Tod.
Immer das gleiche Theater.
Die Traumfrau kommt ins Spiel.
Der Narr verschwindet ohne Ziel.
Ja, Angst hat er viel.
Er macht sich vom Acker, auf die Socken.
Zum Abschied läuten noch mal die Glocken.
Doch der Film geht immer weiter,
Stufe um Stufe, eine endlose Leiter.
Es gibt viele Frauen,
die einen übers Ohr hauen.
und viele Männer,
die nicht mehr lieben, werden Penner.
Ich will mir nicht mehr Gedanken machen,
wegen Menschen, die über mich lachen,
Unvollkommene, die nur der Lust entgegen streben.
Ich möchte frei sein, doch mein Gefängnis heißt Leben.
Mich braucht keiner zu bedauern.
Um mich braucht niemand zu trauern.
Niemand soll mich missen.
Ich bin allein mit meinem Wissen.
Ja, inzwischen mag ich das Alleinsein
und steigere mich in die Künste hinein.
Ich bin ein einsamer Mann
und sterbe wohl einsam irgendwann.
Offen ist die Tür,
frei der Blick zu ihr,
hell im Glanze, erstrahlt im Licht.
Zurücksehen möchte ich nicht.
Hinter mir Chaos und Dunkelheit,
Kälte, Lüge und Übelkeit.
Sie hatte den Mund zu voll genommen
bei ihrer mündlichen Prüfung.
Gute Werte der Menschheit,
Rute, Gerte der Menschlichkeit,
sie verbleibt
einverleibt,
regierend,
erigierend.
Meine Moral
war wie weggeblasen,
denn die Moral
verschwand oral.
Ohne Gewehr
ist sie eben nur
ohne Gewähr,
verbal
leer, kahl.
Der Moment gehört mir.
Wollen wir ihn uns teilen,
hier ein wenig verweilen?
Der Moment gehört dir.
Lass uns im Moment baden,
um eins zu werden mit diesem Traum,
um eins zu werden mit Zeit und Raum.
Lass uns unsere aufgestaute Phantasie entladen.
Ewig scheint der Moment, so scheint es,
der Moment, der ewig zu scheinen scheint,
der Moment, der uns beide, uns beide vereint.
Zeitlos ist dieser, unser Moment, zeitlos unser Exzess.
Kreischend öffnet sich die Tür,
doch niemand kommt herein.
Die Kerze beginnt zu flackern.
Es wird kalt im Raum.
Meiner ängstlichen Neugier mich ergebend,
folge ich meinem Schatten, vom Kerzenschein.
Den Raum verlassend, erreiche ich den Flur,
in der Hoffnung, dies sei nur ein Traum.
Der Flur ist scheinbar endlos in seiner Länge
und scheint nur aus Türen zu bestehen,
zu beiden Seiten, zu beiden Richtungen dasselbe Bild,
sich fast real widerspiegelnd im glatten Boden.
Ein Schrei unterbricht die Stille.
Besorgnis gepaart mit Angst treiben mich ihm nachzugehen,
bis er lauter und lauter, lauter und lauter wird.
Es verkrampft sich Herz, Hirn und Hoden.
Die Ursache des Schreis tötet den Verstand,
die Ursache am Ende des Ganges eingerahmt.
Augen und Mund aufgerissen,
sehe ich mich und schreie.
Der Kreis schließt sich ironisch und spiegelnd.
Die Erkenntnis hallt durch den Gang,
wieder und immer wieder
öffnet der Schrei eine Tür.
Draußen ist es dunkel, drinnen ist es hell.
Ein beschissenes Hell, doch das ändere ich schnell.
Jetzt ist es dunkler, doch mir ist immer noch nicht gut.
Ein bittersüßes leises Brennen, schon wieder bin ich voll Wehmut.
Ist es die Jahreszeit? Nein, das liegt wohl an mir.
Tränen laufen im Gesicht hinunter. Was mach‘ ich eigentlich hier?
Vom Leben getäuscht,
vom Leben enttäuscht,
wollte ich den Rest meiner Freunde besuchen,
das, was noch übrig blieb von ihnen,
ihnen,
den Freunden
der Freiheit,
den Freunden
einer großen Zeit,
meine Freunde.
Ich fuhr zum Friedhof,
denn das, was noch übrig blieb von ihnen,
lag unter der Erde,
begraben,
ihre Körper,
ihre Asche,
nicht mehr sichtbar,
doch noch erahnbar,
anwesend,
bezeugt
nur noch von verwitterten Steinen
mit bemoosten Inschriften.
Auch die Erinnerungen lägen begraben
unter dem Staub der Zeit,
würde der frische Wind der Zeitlosigkeit
nicht den Staub beizeiten beseitigen,
hinfortfegen,
hinfortheben,
hinforttragen,
als sei dieser Staub,
der Staub des Vergessens,
nie gewesen.
Es war dunkel.
Es war kühl.
Es war sehr spät.
Der Friedhof war schon geschlossen,
die schweren schmiedeeisernen Tore
verschlossen.
Über den Zaun steigen wollte ich nicht
und so setzte ich mich vor dem Friedhof
auf eine Bank,
meine Freunde,
und all die Anderen,
im Rücken.
Ich möchte nicht denken an lebenden Bekannten,
die ihre Ideale verbrannten
oder sie gar nicht kannten,
deren freien Geist
sie schon lange aus dem Körper verbannten,
leer,
geistlos,
wie die verwesenden Kadaver meiner Freunde.
Und so ist die Vergangenheit
gegenwärtig
in meinen Gedanken.
Überflutend
durchströmt
als morphosierende,
als metamorphosierende
Erinnerung,
besänftigend,
befriedigend,
wie Opium,
wie Morphium,
wie Heroin,
das schmerzlindernd,
schmerzbefreiend,
die Realität
der Gegenwart
in Vergessenheit taucht,
träumend
versunken
in der Realität
der gegenwärtigen Vergangenheit,
unanfassbar,
aber nicht unfassbar.
Erfassbar
in der Metaphysik
meines einsamen Gehirns,
die angenehmen
euphorisierenden
Gedanken
an den befreienden Selbstmord,
aus dem scheinbar
endlos
quälenden
Leben
beiseitelegend,
bis der Schmerz
oder die Sinnlosigkeit
zu unaushaltbarer Größe anschwillt
und explodierend,
oder die Logik,
aus der Sinnlosigkeit herausgewachsen,
herausgepresst,
letztmalig schlussfolgert
und Energien freisetzt,
die den letzten Satz,
die letzte Tat begleitend,
offenbaren.
Endlich endlich das Leben
im unendlichen Leben.
Der Verlust,
das Sehnen,
formt Trauer,
formt Schmerz.
Der Schmerz
formt Worte,
formt Tränen,
die das Feuer
des Schmerzens
nicht zu löschen vermögen.
Risse des Herzens,
die es fast zum Zerspringen bringen.
Risse im ausgetrockneten Boden,
trotz der Tränen vom Trauern,
die vor den Augen
alles verschwimmen lassen
und den Boden salzig nässen,
im Andenken der Aufopferung vom Bauern,
der der Dame, der Heroin, dem Heroin,
zum Opfer gefallen ist.
Im Angesicht
der Endgültigkeit
des Todes,
die die eigene Hilflosigkeit
und Verzweiflung
ins Bewusstsein brennt,
vermag ich nicht mehr das heiße Wachs
in meinen zitternden Händen zu halten.
Das Wachs,
das Blut
der erlöschenden Kerze,
die die im Schatten stehenden wilden Rosen
noch Licht spendet
hinter dem flachen Grabstein
mit dem Namen darauf,
der Erinnerungen
zu Schmerz morphosieren lässt,
im Bewusstsein
des Verlustes
und dass alles,
alles endet.
Der Wachs
tropft zu Boden,
um sich seinen Weg zu suchen,
um sich seinen Weg zu bahnen
und um irgendwo
in einem der Risse,
weit entfernt
vom Licht
und Wärme,
zu erkalten.
Der Sinn der Sinnlichkeit
ist meist gefühlvolle Zweisamkeit.
Ein sanfter Austausch von Gefühlen, weit entfernt von der Sinnlosigkeit.
Zart verführen, zart berühren, zart entführen in die liebliche Liebe des Beisammenseins.
Das Paar wird zum zärtlichen Eins.
Vermissen tut es keine, keinen, keins.
Der Sinn der Sinnlosigkeit
ist der höhere Sinn,
der sich aus der Polarität
von Sinn und Sinnlosigkeit ergibt.
Der Sinn der Sinnlosigkeit
ist das Wechselspiel
von Pol und Gegenpol,
von Sinn und Sinnlosigkeit,
das Suchen
des nicht wahrnehmbaren Sinns
in der Sinnlosigkeit
und das Finden des Sinns
in der dann
nicht mehr wahrnehmbaren Sinnlosigkeit.
Und doch bleibt alles individuell betrachtbar.
Was bei einen Sinn hat, hat bei einen anderen keinen.
Was bei einen sinnlos ist, hat bei einen anderen Sinn.
Allgemein ist die Sinnlosigkeit nur scheinbar,
weil man den Sinn nicht wahrnimmt.
Alles hat Sinn.
Die Frage ist nur,
ob man sich mit dem Sinn zufrieden gibt
oder weitersucht.
Nur wer sucht findet.
Wer nicht sucht befindet,
befindet sich auf einem Standpunkt.
Wer sucht findet.
Finden, um weiterzusuchen.
Wer weitersucht findet mehrere Standpunkte,
sucht weiter,
entwickelt sich weiter.
Evolution.
Eigentlich wollte ich mich ja umbringen,
aufrecht und aufrichtig in den Tod gehen,
aber ich fand gerade heute niemanden, mir den Tod zu verkaufen,
wo sie doch sonst wie Fliegen einen umringen,
so bleibe ich mitten im Hauptbahnhof stehen
und sehe ein göttliches, weibliches Wesen an mir vorbeilaufen.
Oh, diese Schönheit schmilzt das Eis, erwärmt mein Herz.
Welch ein Fehler hätte ich fast begangen?
Nein, etwas fehlt. Alles habe ich doch noch nicht erlebt.
Was ist schon Trauer, Verzweiflung, Angst, Kummer und Schmerz?
Fast wäre ich für Vergangenes in den Tod gegangen,
doch der Geist der Zukunft sagt in der Gegenwart: „Er lebt.“
Texte: Raimund J. Höltich
Bildmaterialien: Raimund J. Höltich
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2010
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