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Lucas erster Fall         

 

 

Ich blickte in zwei Gläser, eingefasst in ein goldfarbenes Gestell, das die graublauen Augen umrahmte.

Die Augen schienen zu lächeln, der Mund aber wirkte seltsam verkniffen und ernst.

 

Jetzt bewegte sich der Mund und schien doch irgendwie unbeweglich. „Nun, wie gefällt es Ihnen hier in der der Psychiatrie?“, drang es kalt und bedrückend anteilnahmelos aus dem Mund. Der Glanz, das scheinbare Lächeln in den Augen war verschwunden.

Nach einem unterdrückten Schlucken versuchte ich mein keimendes Unbehagen mit einer schnellen Antwort abzulenken, was mir nicht sehr gut gelang, wie ich glaubte.

„Doch, doch, sehr gut. Ach, ich habe durch Zufall Ihre Fallstudien über die Fallsucht gefunden und gelesen. Hochinteressant, muss ich sagen.“

 „Nun ja, ja ja, das ist schon länger her. Heute aber betreibe ich andere Fallstudien“, sagte er, stand auf und ging zur Tür. „Ich werde Sie jetzt mit Ihrem ersten Fall bekannt machen, ein hoffnungsloser Fall, wie ich denke, aber das wird Sie sicherlich nicht davon abhalten, sich diesem Fall anzunehmen.“ 

Er öffnete die Tür mit einem kurzen „Folgen sie mir“, und ging hinaus in den Gang.

Ich folgte ihm mit leicht zitternden Knien. Mir war gar nicht wohl zumute.

Der Gang war nur spärlich beleuchtet und wirkte beklemmend. Die Leuchten spiegelten sich mattgelb auf dem Linoleumboden wider und waren die einzigen Lichtquellen, denn das Fenster am Ende des Ganges war schon nachtdunkel.

„Wo sind denn die Patienten?“, fragte ich, das sonst multireale bunte Treiben vermissend.

„Die brauchte ich für meine neuen Fallstudien, Fall für Fall. Sie werden sie hinterher treffen.“

Er blieb plötzlich vor einer Tür stehen, sodass ich fast auf ihn auflief.

Genauso plötzlich ging das Licht aus und ich fühlte eine Hand, die mein Handgelenk wie ein Schraubstock umklammerte.  

„Keine Angst“, sagte er zu mir, als ich ein leises Quietschen vernahm.

Ich fühlte einen Ruck am Arm und einen Stoß am Rücken. Mein Ausfallschritt trat ins Leere. Ich hatte keinen Boden mehr unter den Füßen und fiel, fiel mit einem Schrei in die Tiefe. Im Fallen noch sah ich das Licht wieder angehen und hörte sein schrilles, hysterisches Schreien.

„Ihr erster Fall, ein Reinfall, klarer Fall, ha, ha, ha, ha, ha, ha!“

 

Noch schreiend wachte ich schweißgebadet auf. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich war schon wieder an das Bett geschnallt.

„Sie sind mein erster Fall“, sagte jemand in einem weißen Kittel, den ich erst erblickte, als ich meinen Kopf drehte.

 

Ich blickte in zwei Gläser, eingefasst in ein goldfarbenes Gestell, das die graublauen Augen umrahmte.

Die Augen schienen zu lächeln, der Mund aber wirkte seltsam verkniffen und ernst.

Impressum

Texte: Raimund J. Höltich
Bildmaterialien: Raimund J. Höltich
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2009

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