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Zwei Welten




Das Feuer prasselte in der Mitte des Raumes, Schatten tanzten über die Wände. Um das Feuer herum standen Bänke, angeordnet in einem Kreis. Die ganze Hütte war aus Holz erbaut. An den Innenwänden hingen viele Wandteppiche, auf ihnen Darstellungen von Sagen und Legenden.
Wenn Jena eine ihrer Geschichten erzählten schaute Shizara immer auf den dazu gehörigen Teppich, dann wenn die Funken wie Feen aufstoben und durch die Luft wirbelten, wenn Jenas Stimme weich eine Welt in die Luft malten, dann begannen die Abbildungen sich zu bewegen für sie.
Seufzend wandte sich das Mädchen wieder dem Flechten des Korbes zu, ihre Finger schon ganz wund von den schneidenden Weidenzweige. Sie war jetzt 16 Sommer alt, ihr Körper hatte mit 13 Sommern begonnen sich zu Verändern. Ihre Brüste wuchsen, sie bekam langsam weiche Rundungen, wie sie jede erwachsene Frau besaß. Als sie zum ersten mal erwachte, auf ihrem Nachtlager und ihrem Unterkleid ein Fleck dunklen Blutes, dachte sie in ihrer Kindlichkeit, sie müsse sterben. Doch Arma, ihre Mutter, beruhigte sie, erzählte ihr das es der Lauf der Dinge sei, das sie nicht fürchten müsse. Nun war sie eine Frau. Ab da trug sie das Haar zurück gebunden unter einem Tuch, nur vereinzelte blonde Strähnen fanden einen Weg nach draußen. Sie war bereits einem Jungen versprochen, Calvin, der Sohn des Schmiedes. Mit seinem kräftigen Körper, und der Sicherheit, das er die Schmiede, wie auch das Haus seines Vaters erben würde, galt er als eine gute Wahl.
„Shizara?“
Vor ihr stand Jena, eine Frau mit 39 Sommern, sie war eine sehr schöne Frau, mit klugen uralten Augen. Selbst als ihr Mann starb machten ihr noch Männer, jünger als sie, den Hof. Ihr dickes Kastanienbraunes Haar immer so schön glänzten und ihre dunklen Augen schimmerten geheimnisvoll.
„Hör auf mit der Arbeit, wir wollen zu Abend essen.“
Sie raffte ihre Röcke und erhob sich von ihrer Arbeitsstätte, um das Feuer saßen viele kleine Kinder und ihre Mütter, die keine Männer hatten, denn vor zwei Jahren gab es eine Schlacht zwischen zwei Stämmen. Daraufhin hatte Jena viele der überforderten Mütter bei sich im Langhaus aufgenommen. Die Mütter töpferten, nähten, machten Körbe oder Schmuck, das Verkauften sie dann um aus dem Gewinn zu leben. Shizaras Mutter starb auch, so kam sie in dieses Haus.
„Shiziiiii, Shizii...?“
Ein kleines Mädchen zupfte an ihrem Rock, ihre kleinen Hände packten fest zu und mit großen blauen Augen sah sie auf. Lachend nahm die junge Frau die Jüngere hoch, setzte sie sich auf die Hüften, ging mit ihr zu den Bänken. Jeder nahm sich eine schlichte Holzschale und ein Löffel, bekam dann die Schüssel mit einer Suppe aus Wurzeln und Rindfleisch gefüllt, dazu gab es einen Brei aus Gerstenkörnern. Nachdem alles etwas bekommen hatten und um das Feuer saßen, da kehrte Stille ein. An dem Tage war ein ganz besonderer Tag, denn es wurde das Fest der Ahnen gefeiert. An solchen Tagen pflegte Jena Legenden zu erzählen. Alle Kinder sahen sie schon aufgeregt an, da sie sich vorbeugte, mit diesem tiefgründigen Blick in die züngelnden Flammen.
„Jena, erzähl uns von den Sternen, erzähl uns von den Seelen der Krieger die zu Sternen werden,“ jauchzte Ludis.
Die reife Frau musterte dem übermütigen Jungen kurz, ihre Augen schweiften durch die Runde, um schließlich Shizara an zu schauen.
„Wie wäre es Lieber, wenn ich euch die Legende vom Mond und der Dunkelheit erzähle, von einer Verbotenen Liebe, als es nur eine Sonne gab und keine Nacht? Als unser Volk noch jung und wild war?“
Interessiert erwiderte die Jüngere den Blick, die Kinder quietschten vor Aufregung, denn es war etwas, was die Geschichtenerzählerin noch nie zum Besten gab.
„Gut, dann erzähle ich euch, wie es sich einst begab, vor Äonen von Jahren. Dort als es noch den Stamm der Dunklen gab, und den der Lichten, als sie in Zelten lebten, nach ganz eigenen Regeln. Zu dieser Zeit, da lebte eine Kriegerin namens Schattenfeder. Sie war eine anerkannte Frau in ihrem Stamm, eine Kämpferin. Nur wenige Frauen durften das. Doch sie war in ihrer Wildheit und der Schönheit dem Sohn des Anführers versprochen.
Die Frau jedoch dachte nicht daran, sich einem Mann zu untergeben, dann auch noch einem, den sie nicht liebte.
Eines Tages, in dem Weidenwald der sich durch das Tal zog, da begegnete sie einer Frau der Lichten, an einer Quelle, drumherum bogen sich die Weiden zu einem Hain, an den Ästen baumelten glitzernde Dinge. Davon verzauberte beobachtete die Dunkelhaarige der Hellen, mit ihrem silbrigen Haar und der Porzellanhaut. Die Kriegerin wurde von vollkommen neuen Gefühlen überrollt.
Natürlich redeten die beiden miteinander, und sie trafen sich ab da immer an dieser Quelle, bis sie sich küssten und miteinander der Liebe huldigten, mit all ihren schönen dingen, immer weiter verliebten sie sich. Und die Lichte, sie trug den Namen Lichthall.
Der Sohn des Anführers wurde misstrauisch, denn seine Versprochene ging immer öfter weg, so befürchtete er gar, das ein anderer Mann sich mit ihr traf. Also beschloss er, ihr zu folgen. Schattenfeder traf sich wie immer mit Lichthall an der Quelle, die mit ihrem plätschern das Lied der Reinheit sang. Hinter Ästen versteckt beobachtete er, wie seine Frau eine andere Küsste. Für ihn etwas nicht natürliches und vollkommen tabu. Rasend ergriff er seinen Dolch, damit stürmte er auf die Frau mit dem Silberenden Haar zu, und ehe seine Versprochene reagieren konnte, da stieß er sie weg und rammte den Dolch ihr zwischen die Rippen. Schattenfeder sprang ihn von hinten an, sie biss ihm in die Beuge zwischen Hals und Schultern, worauf der Blonde aufschrie. Als nächstes zog sie ihr eigenes Messer, um damit auf ihn ein zu stechen, denn sie Überkam eine Trauer, so tief wie der Ozean.
Sie dachte er wäre Tod, deshalb wandte sie sich ihrer Geliebten zu, um ihr noch zu helfen. Es war zu spät, den Lichthall lag dort, leblos und totenblass. Ihre Hand haltend weinte Schattenfeder Tränen des Schmerzes, in dieser Trauer merkte sie nicht, wie der Totgeglaubte seine letzten Reste Kraft sammelte und sie zu Boden auf den Rücken warf.
Ehe sie sah, schwand das Licht und dunkel kehrte ein, den er hatte ihres und Lichthalls herzen durchstoßen.
So ward Lichthall zum Mond, denn Liebe ist stärker als der Tod, Schattenfeder wurde zur Dunkelheit in der Nacht. Und auch der Sohn des Anführers hegte ein starkes Gefühl, den Hass auf beide, und er war zur Sonne geworden. So konnten die Dunkelheit und der Mond für immer beisammen sein, und die Sonne jagte ihnen am Tage hinterher.“
Die weiche Stimme der älteren Frau verging wie Rauch. Das Schweigen lastete schwer auf allen, schien jeden zu erdrücken. Frauen die sich liebten, ein Mann der tötete. Solch eine Geschichte hatte Shizara noch nie gehört, schon gar nicht von einer solchen Liebe. Die Mütter schauten bedächtig in das Feuer, als würden sie darüber nachdenken, was sie von dem Erzählten halten sollten. Die Kinder saßen traurig da, auch wenn sie nicht alles verstanden, so konnten sie sehen, was für eine Traurigkeit in den Wörtern lag, die fast noch in der Luft zu hingen schienen. So blieb es auch für die Verbliebene Zeit des Abends, sie räumten die Schüsseln weg, zuletzt gingen alle zu Bett.
Das Mädchen dachte lange noch über die Liebe zwischen Frauen nach, denn bis jetzt hatte sie noch nie davon gehört, und es kam ihr Fremd vor, doch nicht abwegig. Vielleicht wäre das auch besser, als sich einem Mann zu verpflichten. Da auch viele Frauen sagten das der Beischlaf Schmerz brachte. In der Nacht träumte sie von Schattenfeder und Lichthall...

***
Es war früh am morgen, wie immer, wenn sich Shizara aus ihrem Bett erhob. Es waren gerade einmal die ersten Vorboten der Morgenröte zu sehen am Horizont. Sie würde sich hinter dem Haus, in einer Nische zwischen einer Bretter-und Hauswand waschen, ihre Haare und den Körper. Dazu nahm sie sich ein abgegriffenes Stück Seife aus dem Vorrat, ein Händler brachte alle drei Vollmonde neue mit, fern aus dem Süden. Sie nahm sich auch noch ein Tuch, mit dem sie sich abtrocknen würde. Langsam schlich sie aus dem Haus, die Kinder schliefen noch, genauso wie einige Mütter. Sie trat hinaus in die Kälte eines frostigen ersten Monats, nur in einem leichten Unterkleid. Ihre zarten nackten Füße berührten knisterndes Gras, überzogen mit weißen Frost. Schnell lief sie hinter das Haus, sie wollte nicht lange in der Kälte bleiben. Als sie in der Nische stand zog sie sich den Stoff über den Kopf, in einer Art großes abgedichtetes Fass war Wasser bis oben hin, nur das eine dünne Schicht Eis es überzog, das sie zuvor durchbrechen musste, ehe sie mit ihrem schlanken Körper über eine Kiste in das Wasser glitt. Nun war sie bis zu den Hüften in Nadeln, so fühlte es sich an. Schnell tauchte sie bis zum Kinn hinab, sie hockte in dem engen Fass. Sie tauchte mit dem Kopf unter und begann ihr langes blondes Haar ein zu seifen. Schon nach weniger Zeit erhob sie sich und seifte auch ihren Körper ab. Um nicht zu erfrieren stieg sie aus dem Fass, schnappte sich das Tuch und begann ihren Körper trocken zu rubbeln. Das Kleid angezogen rannte sie in das Langhaus zurück. Drinnen in dem durch Tücher abgetrennten Bereich, da stand ein spiegel, einer der Wertvollsten besitze in dem Haus. Hier konnten sich die Frauen für Feste zurecht machen.
Shizara saß vor ihrem Spiegelbild, sie betrachtete das nasse schwere Haar, es störte sie, schön seitdem sie es unter dem Tuch verstecken musste, sie durfte es nicht kürzen, zumindest sagten das die meisten Frauen. Sie hasste es, in die Rolle einer braven Frau gedrängt zu werden, eine Frau die züchtig ihr Haar bedeckte. Eine Frau das Hochgeschlossene Kleider trug, die wie Säcke an ihr herab hingen. Sie sollte Calvin heiraten, gegen ihren willen, sie war nie gefragt worden. Die Frauen im Langhaus hatten einfach den Antrag angenommen, ihm und seinem Vater zugesichert, das sie seine Frau würde.
Sie schrie wütend auf und schlug auf den Tisch. Ein Schluchzer schüttelte ihren Körper, aus ihr drang ein kaum hörbares Wimmern. Langsam quollen ihre Augen über, die Tränen rannen in Strömen ihre Wangen hinab. Sie verschränkte ihre Arme, ballte in ihrer Hilflosigkeit die Fäuste, doch sacht bettete sie ihren Kopf darauf.
Eine Hand strich ihr plötzlich beruhigend über den Rücken, auf und ab, regelmäßig. Es beruhigte ihren aufgewühlten Geist.
„Shhh, Mädchen, Shhh shhh....“
Jena, ihre Stimme, warm und weich.
„Was ist los, Zara?“
Es war eine vorsichtige Frage, sie wollte nur wissen, wie es einer ihrer Schützlinge ging. Aber es tat gut, das jemand nachfragte, die anderen taten es nicht. Die anderen meinten Frauen müssten stark sein, Frauen dürften keine Gefühle zeigen, nicht so.
Langsam richtete sich das junge Mädchen auf, ihren Blick hob sie zu diesen uralten Augen. Jena war eine Mutter, mit ihrer sanften Güte, doch das sah nicht jeder. Einige sahen sie als ungehorsames Weib, da sie ihr Haar zuweilen offen trug.
„Wieso muss ich Calvin heiraten?“
Sie stellte diese unverschämte Frage der Herrin dieses Hauses.
Jena bekam einen gütigen Ausdruck, ihre Mundwinkel hoben sich leicht.
„Du musst doch nicht, mein Kind, es ist deine Entscheidung, mit wem du dein Leben verbringen willst.“
Es hörte sich so schön einfach an, doch die Realität war hart und kalt, deshalb schüttelte sie energisch den Kopf.
„Nein, es ist genauso wenig erlaubt, das eine Frau bestimmt wen sie heiratet, wie ob sie ihr Haar kurz geschnitten trägt.“
Die Ältere lachte herzlich auf, dabei kniff sie ihre Augen zusammen, so dass sich in ihren Augenwinkeln Falten fächerten.
„Du willst also kurzes Haar haben und den Burschen nicht Heiraten? Hai, was für eine Aufregung wird’s unter den Weibern geben!,“meinte Jena amüsiert.
Völlig verwirrt von der sonst verschlossenen Frau, versuchte Shizara hinter den Sinn der Worte zu steigen.
„Komm, Mädchen, lass uns dein Haar kurz scheren, so kurz, das es für die anderen obszön ist, und dann musst du meines schneiden.“
Damit griff Jena nach einer Schere.

***
Die Menschen scharten sich um die Straße, gespannt auf das, was sich auf ihr abspielte. Das kleine Dorf war versammelt, nur um diese Art von seltenen Gast zu begrüßen. Ein Händler, dessen Handelsroute auch mal an Virgil heranreichte. Er saß auf der Bank, wovon er aus seine Maulesel lenken konnte. Ein gut genährter Mann mit hochrotem Gesicht und einem graumelierten Bart. Hinten auf der Ladefläche des Fuhrwerkes stapelten sich seine vielfältigen Waren. Jetzt erst bemerkte sie, was den Blick der Leute wirklich in den Bann zog.
Neben dem Händler schritt eine hochgewachsene Gestalt einher, völlig in schwarz gehaltener Stoff umhüllte sie. Unter dem Wams trug er ein langärmeliges Kettenhemd, das am Ellbogen endete, zwischen den geschwärzten Armschienen und dem ende des eisernen Hemdes lugte Stoff hervor. Um den Hüften hing locker ein Gürtel mehrmals gewickelt. Die Oberschenkel verschwanden unter den Rock des Wamses. Die Unterschenkel und Füße steckten in hohen Stiefeln. Sein Kopf verhüllt von einer Kapuze. Auf dem Rücken ein Schwert. Neben der dunklen Erscheinung trottete elegant ein schwarzer Wolf her, mit schwarzem zottigen Fell, überragte er den Kämpfer mit seinem Rücken. Für einen Wolf ein großes Exemplar.
Viele Dorfbewohner zogen erschrocken die Luft ein, Wölfe waren gefürchtet, sie galten als schlechtes Omen im alten Aberglaube. Sie töteten Menschen, rissen Pferde, aber auch machten sie die Straßen unsicher.
Shizara versuchte etwas weiter nach vorne zu gelangen, da sie dank ihrer geringen Größe nicht über die Köpfe anderer hinweg schauen konnte. Jedoch machte ihr niemand platz. Verärgert schnaubte sie und starrte vernichtend die Rücken dieser Ignoranten an, hingegen der Tatsache das es nichts brachte. Seit dem Zeitpunkt, wo sie wie ein Junge bekleidet und mit kurzen Haaren, aus der Ecke getreten war, neben Jena, zerrissen sich die Gemeinde über sie ihre Mäuler. Hurenkind, schrien die Bälger außerhalb der Hütte, verzogenes Gör, keifte so manche Frau und die Männer würdigten ihrer keines Blickes. Calvin wollte sie blau und grün schlagen, es zu wagen, ihn, gerade ihn so zu demütigen. Sein Vater und andere Männer mussten ihn wegzerren. Er beruhigte sich, doch eines Abends, wo sie draußen hinter dem Haus die Wäsche waschte, da kam er zu ihr.
Er setze sich auf einen Holzklotz ihr gegenüber. Seine Mine versteinert, seine Augen wachsam auf jede ihrer Bewegungen gerichtet, gleich einem lauernden Wolf. Er beugte sich vor.
„Hör mir zu.“
Seine Stimme grollte tief aus seiner Brust.
„Solltest du, wenn wir den Bund eingegangen sind, weiterhin Hosen tragen und dein Haar nicht verdecken, dann werde ich voll von meinem Recht gebraucht machen, als Ehemann, dich zu züchtigen.“
In ihr gefror alles, im Angesicht dieser Drohung, äußerlich wahrte sie eine starre Maske. Somit hob sie den Kopf, begegnete furchtlos seinem Blick.
„Ich werde nicht einmal daran denken dich zu heiraten, eher sterbe ich!,“ zischte sie ihm entgegen, wie eine bissige Schlange.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, schleuderte der viel größere Junge sie gegen die Wand hinter ihr. Mit einer Hand umfasste er ihre Kehle und schob sie daran soweit hoch, das sie gerade noch den Boden berührte. Ihr blieb die Luft weg, weshalb sie auch versuchte seine Hand dort weg zu ziehen.
„Du wirst meine Frau, dafür sorge ich.“
Sein Gesicht ihrem ganz nahe, eine verzerrte Grimasse der Wut.
„Und du wirst für all das büßen, versprochen.“
Er presste seine rauen Lippen auf ihre, brutal strengte er sich an in ihren Mund zu gelangen.
Es gelangte ihm.
Mit letzter Kraft schlug sie gegen seinen Arm, sie wollte so nicht enden.
Überraschend ließ er sie fallen, ihre Knie schlugen hart auf dem Boden auf, ihr Oberkörper kippte vorn über. Auf allen vieren versuchte sie unter dem Husten Luft zu holen. Calvin hockte sich ein letztes Mal neben sie, flüsterte ihr unheilvoll ins Ohr:„Vergiss das nicht, es war nur ein sanfter Vorgeschmack auf das, was dich bei mir erwartet. Entweder bleibt es dabei oder es wird schlimmer. Alles liegt allein bei dir...“


Immer noch klangen die Worte in ihrer Erinnerung nach, genauso wie die Schmerzen an ihrem Hals, die Abdrücke seiner Hand. Die Hochzeit würde niemals stattfinden, das schwor sie sich.
Gleich dem Erwachen aus einem tiefen Traum nahm sie ihre Umgebung wieder wahr, die Leute gingen dem Händler und seinem Gefährten hinterher. Auch sie machte sich daran, der Menge zu folgen. Irgendwann standen alle vor dem Langhaus Jenas, welches einst dem Dorfführer eigen war. Die ältere Frau stand auf einer der Stufen, die hinauf zu dem Eingang führten.
„Händler!,“ ihre Stimme donnerte hallend über den Platz, „ sag, was ist Euer Begehren?“
Die Augen der Sprecherin visierten die zwei schwarzen Wesen neben dem Karren an, ruckartig deutete ein Finger von ihr auf diese.
„Weshalb bringt Ihr einen Krieger und einen Wolf in dieses Dorf?“
Der Händler erhob sich schwerfällig von seiner Bank, unter müh stieg er aus seinem Transportmittel. Er stapfte bist zum Treppen Ansatz, legte den Kopf in den Nacken. Er blinzelte zu der Frau auf.
„Gnädige....ich will sie nicht verärgern, keineswegs, nur sind die Zeiten gefährlicher als sie es je waren. Deshalb steht mir ein Schutz zur Seite, bewaffnet von oben bis unten. Außerdem bin ich hier, um Waren zu tauschen, vielleicht auch, um hier einige Tage zu verweilen.“
Er hatte die Stimme eines Säufers, genauso wie er aussah.
Jena schweifte mit ihrem Blick über das Versammelte Dorf, sie suchte die Zustimmung, ihn beherbergen zu dürfen. Viele der Anwesenden nickten.
Shizara hob verächtlich eine Braue, was wenn der Wolf durchdrehte? Sie wollte nicht darauf vertrauen, das er ein zahmes Hündchen wäre.
„So sei es, seit willkommen in meinem Langhaus und ihr auch, Krieger der Nacht. Nur Euer Wolf muss außerhalb der Stadt warten.“
Shizara schob sich näher an den dunklen Mann heran, sie wollte versuche im dunklen seiner Kapuze Umrisse seines Gesichtes zu erkennen. Elegant wirbelte der Kerl herum zu seinem Wolf, kurz wisperten seine Lippen lautlose Worte, so glaubte sie, wie etwas nicht hörbares. Der Wolf drehte sich um, er trabte leicht davon, die Menge spaltete sich, um dem Koloss Durchlass zu gewähren.
Das kurzhaarige Mädchen blickte dem ungebunden Wesen wehmütig hinterher, dieses Tier besaß eine Freiheit, nach der sie nie greifen konnte.


***

An der Decke des Hauses Hing ein feiner Rauch von den Feuer, das nur für den Gast entfacht wurde. Gelächter tönte durch den weitläufigen Raum, in erster Linie konnte man allerdings die Männer hören. Nur sie nahmen sich ein solches Verhalten heraus. Die Frauen rannten umher, brachten allen Gästen eine Schale mit deftiger Suppe. Die Herrin des Hauses, Jena, sie stütze sich auf ihre Knie, vorne über gebeugt zu dem Händler. Anscheinend diskutierte sie mit dem beleibten Mann über Preise für Sachen, die die reife Frau erwerben wollte.
Es ging ihr gegen den Strich, und alles andere, das sie inmitten von den Dorfbewohner Virgils ihren Abend verbringen musste. Eher würde sie jetzt in die Nacht hinausgehen wollen, um dem Mond bei seinem Aufstieg zu beobachten und die Dunkelheit um sich zu spüren. Sie wusste instinktiv, das die Legende von Schattenfeder und Lichthall wahr sein musste. Die Verbundenheit zu der Nacht, die sie in sich trug, diese bewies es ihr.
Das junge Mädchen seufzte.
Ein Blick gleich Dolchen fixierte sie immer wider, sie wusste es, sein Besitzer saß auf der anderen Seite des Ganges, den die Bänke bildeten. Sie tat so, als bekäme sie seine versuche, ihren Körper mit seinem Stieren zu verbrennen nicht mit. In seinen grau-grünen Augen spiegelte sich der Hass auf seine Zukünftige wieder.
Shizara biss sich auf die Unterlippe und schaute sich unruhig um, auf der Suche nach einem Grund sich zu erheben. Ihr Streifzug endete bei der schattenhaften Gestalt des Kriegers, der auf einer Bank ein Buch las, mit Überschlagenden Beinen. Im Dorf konnten nur wenige Leute lesen, sie besaß das Privileg. Der Anteil von ungebildeten Bauern übertraf den der intelligenteren Menschen bei weitem.
Entschlossen dem Mann mit zu Essen zu bewirten, erhob sie sich von der harten Bank. Sie schlängelte sich an den aufgescheuchten Frauen vorbei, um eine der Holzschüsseln zu ergattern, in die sie nun die dampfende Suppe einfüllen konnte. Ein Löffel in das Essen gesteckt ging sie zu der düsteren Ecke, wo der Mann las. Die schritte trugen den zierlichen Körper von der Runde Menschen fort. Am Ende ihres Ganges blieb sie vor dem Gast stehen. Was würde der Unbekannte dazu sagen, das sie ihm unaufgefordert Essen gab?
Eine geraume Zeit blieb sie vor ihm reglos stehe, hielt sie dem Atem an, um nichts falsch zu machen. Sie wartete darauf, das er sie bemerkte und die Schüssel entgegen nahm. Er ignorierte sie, ob er es bewusst tat konnte sie nicht sagen, doch nach einigen Minuten räusperte sie sich aufgeregt, das er es nicht einmal für erforderlich hielt, einmal etwas zu sagen.
„Herr?“
Der geheimnisvolle Mann regte sich keinen Zentimeter.
Am Rande des Wahnsinns wollte sie ihn die Schüssel vor die Füße zu schmeißen und um zu drehen.
„Stell sie einfach ab.“
Ihr klappte der Mund vor Erstaunen auf.
Eine weiche warme Stimme schmiegte sich an ihr Gehör, sie könnte einen mit dem himmlischen Klang verführen. Der Klang so klar, so rein, bepudert mit Goldstaub.
Es war die Stimme einer Frau.
„D-du du....bist.....“
Sie starrte hinab auf die in schwarz gehüllte Gestalt.
Plötzlich ruckte deren Kopf hoch, ein wenig rutsche dazu die Kapuze nach hinten. Rabenschwarzes glänzendes Haar fiel auf eine helle Stirn. Unter den dunklen Brauen schauten wunderschöne Augen hervor, um sie herum fächerten sich dunkle Wimpern. Von der Stirn lief die Form elegant in eine gerade Nase über,die Spitze etwas nach oben geschwungen. Unter ihr saß eine schön gezeichnete Oberlippe, sie lag auf einer weichen prallen Unterlippe. Die Form dieses Gesichtes schien zuerst undefinierbar, mit einer angedeuteten Herzform durch die hohen, doch weich gerundeten Wangenknochen. Ihr Kinn war nicht spitz, eher weicher in der Form.
Ein schönes Antlitz.
Nur über die linke Wange zogen sich drei verblasste Narben von einem Tier.
„Du bist eine Frau....“
Kalt blickten ihr die Augen entgegen, obwohl ihre Farbe eine solche Harmonie hätte verstrahlen können. Ein seichtes Grün, von innen heraus leuchtend, ein Ring aus einem schönen Braun und in der Mitte ein Kranz aus Gold.
„Ja,“ ein nüchterner Tonfall, „ ist das etwas verwerflich?“
Die Frage brachte sie beinahe aus der Fassung, sie war nicht darauf vorbereitet. War es verwerflich, als Frau eine Beschützerin für einen Händler zu spielen?
„Ähm....,“sie wand sich vor dieser Person, die so viel Selbstsicherheit ausstrahlte, „nein.“
Die Frau betrachtete sie, eingehend.
„Du bist auch eine Frau.“
Damit wandte sie sich wieder ihrer Lektüre zu, interessiert verfolgte sie den Lauf der Zeilen. Das war ein Zeichen, das Shizara sich entfernen durfte. Die stellte somit die Schale neben der Lesenden auf die Bank und wirbelte herum. Geradewegs marschierte sie auf den Ausgang zu, dabei versuchte sie nicht zu denken, das ließ sich auf draußen verschieben.

***
In der ferne zeichnete sich der nahende Morgen an dem Horizont über den Wäldern ab, die tiefhängenden Wolken wurden von Rosa tönen durchflossen. Die Luft war Klar und ungetrübt, so schneidend wie ihre Klinge. Über Nacht hatte es geschneit, weiß überzogen mit einem Mantel aus Eiskristallen lag ihr die Welt zu Füßen. Von hinten wehte ein Kalter Wind, Reiter der Freiheit auf ihren Luftpferden die dem Sonnenaufgang entgegen jagten. Ihr Umhang wehte nach vorne, wie ein Schatten der ihrem Körper anhaftete und an seiner Verankerung zerrte.
Sie drehte sich nach Westen, wo der Mond unterging und auch die letzte Dunkelheit schwand. Die Frau schloss ihre Augen, mit einem tiefen Atemzug sog sie die klirrende Luft in ihre Lungen. Sie spürte das Unbehagen, welches jeden Tag sie doch heimsuchte, wenn die Sonne vom Himmel aus strahlte. Die Nacht war vorbei.
Noch einmal tief einatmen, sie sprang von der Dachspitze auf die Schrägung, um in mit dem nach vorne gelegten Bein das Gewicht dorthin zu verlagern. Auch ihr Oberkörper lehnte sich unwillkürlich so das der Wind den geringsten Widerstand hatte. Kurz vor der Kante stieß sie sich ab und sprang.
Und sie landete sicher mit einem aufgestellten Bein, zu beiden Seiten die Arme wie Stützen.
Voller Anmut, die auf ihre Gewandtheit schließen ließ, erhob sie sich. Die Kapuze tief in das Gesicht gezogen, zumal schon eine Person im Dorf von ihrem Geschlecht wusste. Über ihrer Brust verlief ein Gurt, der auf ihrem Rücken das Schwert hielt, den Umhang hatte sie darüber gebunden.
Mit schwungvollem Schritt bewegte sie sich in Richtung den Ort, den sie vom erhobenen Posten aus erspäht hatte.
Ein Übungsplatz für das Kämpfen.
Sie hatte gewusst, das die Dörfer immer auf Kämpfe vorbereitet waren. Die Männer pflegten es zu trainieren, mit allem, was sich für eine Schlacht eignete. Virgil schien etwas fortgeschrittener zu sein, jedenfalls konnte sie Schwertkämpfer von weitem erblicken.
Geschmeidig wie eine Katze bewegten sich ihre Muskeln unter der Polsterung, die sie vor dem kalten Kettenhemd schütze. Man konnte ihrem Busen mit sehen, da die Erhebung von der schwere ihrer Rüstung erdrückt wurde. Die Kriegerin befand sich einige Meter entfernt von dem Übungsplatz, noch immer darauf zu strebend.
Als sie ihn erreichte, verstummte der Kampflärm.
Die Jungen, die hier in der Kälte übten, hielten inne um zu ihr zu starren. Es war eine gewöhnliche Reaktion auf sie, denn sie erschien wie ein Schatten und konnte genauso schnell wieder verschwinden. Ein großer Junge, er mochte 18 Jahre alt sein, er kam auf sie zu gestampft, in der rechten Hand ein breites Schlachtschwert. Sein dunkelbraunes Haar viel ihm ins Gesicht, grau-grüne Augen blickten höhnisch. Damit wusste sie sofort, das er der beste Kämpfer war, von niemandem klein zu kriegen. Er würde mit ihr einen Kampf austragen wollen, er wollte den Beschützer des Händlers demütigen und einen weiteren Sieg präsentieren können.
„Los, Schattenmann, kreuze deine Klinge mit mir. Ich will sehen ob du deinen Preis wert bist.“
Im inneren hielt sie eine Bestie in Schach, die bei dieser Bemerkung die Klauen wetze und Zähne fletschte. Ein Bluthund, ihm dürstete nach dem roten Nass.
Doch sie zog Kommentarlos blank, und ging dabei ruhig weiter.
Die umher stehenden Menschen zogen schienen zu erstarren, bei dem Anblick ihres Schwertes.
Allein das Aussehen von Form und Gegebenheit unterschied sich deutlich von anderen. Die Linie der ungeschliffenen Seite begann mit dem zur Scheide geneigten Knauf die dann zu dem Griff überging. Am Anfang des Blatte schwang sie sich einmal zu einem flachen Zacken um mit einem Schwung solchen noch einmal zu vollführen. Ab diesem teil bog sie sich minimal nach außen. Die eine geschärfte Seite hatte die Gleiche Linie parallel zu der anderen und etwas abweichend, sodass sich beide zu einer leicht gebogenen spitze zulaufen konnten.
Die Farbe des Materials war Schwarz, nur feine Linien auf einem leuchtend tiefem Blau durchzogen diese Finsternis.
Jeyladia. Die Schwerter der Nacht, so wurden sie auch genannt, das Material geschürft in der Nacht. Sie waren durch viele legenden bekannt, und nur noch wenige gab es von ihnen. Getragen von Assassine.
Auch wenn ihre Klinge ungemein schmaler und dünner, wie auch kürzer war, so wusste sie, das ihre keinen Nachteil mit sich brachte.
Die dunkle Frau ging weiter selbstsicher, völlig ohne Furcht, auf den hünenhaften Jungen zu. Er wich einige Schritte zurück, als sie zu nahe kam, bis er sich eines Besseren besann. Sein Gesicht entschlossen, trat er ihr entgegen und holte zu einem Schlag von rechts unten aus.
Sie parierte, indem sie einen Streich direkt aus der entgegengesetzten Richtung führte, Stahl auf Stahl. Sie zog ihr Schwert aus seinem heraus, es hatte eine Kerbe in die Schneide gegraben.
Die grau grünen Augen beobachteten jede ihrer sanften Bewegungen. Er hatte Blut geleckt, er wollte sie jetzt noch viel mehr demütigen als am Anfang.
Mit erhobener Klinge rannte er auf seinen Gegner zu, ein Schlachtruf schallte aus seiner Kehle, die Waffe hätte mit einem Hieb ihren Schädel spalten können. Ihr kam es vor, als bewege er sich in einer Geschwindigkeit gleich der Zeitlupe. Für sie war es ein Spiel, das gerade ein wenig Abwechslung brachte. Leichtfüßig drehte sie sich aus dem Gefahrenbereich, zu schnell für seine Reaktion, denn er lief ins Leere an ihr vorbei. Unterdessen stolperte er, fiel beinahe nach vorne.
In diesem Moment bemerkte sie aus dem Augenwinkel die vielen Zuschauer, die sich um das Geschehen scharten. In kleinen Dörfern wie dieses, kamen aufregende Kämpfe so gut wie nie vor. Selbst das aufdringliche Mädchen mit den kurzen Haaren hatte ihre Wasser Eimer abgestellt, um das Treiben gespannt zu beobachten.
Der Junge drehte sich wieder um, die Miene verzerrt vor Wut, blitzende Augen eines Löwen, der sich für ein Gemetzel bereit machte. Er fuchtelte horizontal mit dem Schwert herum, als wolle er so irgendwie ihren Hals aufschlitzen. Damit kam er immer näher, jede Bewegung voller Aggression, geballte Kraft seines aufbrausenden Temperaments.
Genau als er zu nahe kam, bog sie ihren Rücken unnatürlich weit zurück, wie es kein normaler Mensch vermochte. Selbst ihren Kopf warf sie dabei zurück, auf dass auch ihre Kapuze herab rutsche. Das war kein Spaß mehr.
Es reichte.
Sie schwang sich hoch in eine Drehung um mit vollem Schwung ihre Schneide auf die seine rasen zu lassen. Das Metall durchtrennte sein eisernes Schwert vollkommen, glatt durchgeschlagen. Er hielt nun ein halbes Schwert in der Hand.
Sieh blieb in der Bewegung, wirbelte erneut, nun auf nur einem Bein, herum. In einer hohen Geschwindigkeit, perfekt ausbalanciert auf den Zehenspitzen. Der Fuß traf sein rechtes Handgelenk, der Schmerz ließ ihn die Hand öffnen und den Schwertstumpf fallen.
Die Kriegerin wechselte schnell das Bein, derweil fasste sie der Gepeinigte an sein Handgelenk in einer Ruckartigen Bewegung. Sie winkelte ihr Knie an, ließ ihr Körper in seine Richtung fallen. Ihr Bein streckte sich in einem Stoß, der seine Magengegend traf.
Er fiel durch den Aufprall rücklings in den Schnee.
Stille kehrte ein.
Winzige Flocken tanzten durch die Luft, sie umkreisten einander, vollführten tollkühne Kreise. Der Wind machte dies, auch glitten seine eisigen Finger durch ihr rabenschwarzes Haar, das wild und kurz in ihr Gesicht fiel. Es glänzte in den letzten Sonnenstrahlen, bevor sich Wolken vor sie schoben. Sie atmete langsam aus, rau strömte die Luft über ihre Lippen, rau und warm. Vor ihren Lippen hing ein weißer Schleier.
Er blickte zu ihr empor, stand die Frau breitbeinig über ihm. Ein harter Blick traf den seinen, sie stand über solchen. Der Junge wirkte gedemütigt, er mochte in diesem einen Augenblick seinen ganzen Hass auf sie zu richten.
Die Assassine bot ihm ihre behandschuhte Hand helfend dar, eine Geste der Freundlichkeit.
Allerdings verharrte der Geschlagene einige Momente in seiner Haltung, bis er sich hoch schwang, die Hand ignorierend.
Er begutachtete kurz seine zerstörte Waffe, die glatte Schnittstelle besonders ins Augenschein nehmend. Kurz wandte er sich ab, seine Nackenmuskulatur spannte sich bedrohlich an. Sie hörte förmlich seinen Kiefer mahlen.
In ihm brodelte es.
„Was fällt dir ein? Du verdammte Hure! Mannsschwein, das du bist!“
In der dunklen Stimme schwang ein Ton des Hasses mit. Er drehte sich zu ihr, ruhig. Doch seine vibrierende Stimme zeigte sein hässliches Antlitz.
„Schämst du dich nicht, wie ein Mann gekleidet zu reisen....zu kämpfen? Du bist ein Drecksweib, kein Mann will dich, dein widernatürliches Wesen, eher bringt er sich um!“
Indes scholl seine Stimme zu einem grässlichem Brüllen an.
„Du dreckiges Tier! Gerichtet gehörst du, du....“
Stählernd traf ihre Faust seine Nase, unter dem eigenen bekannten Schmerz knackten Knochen. Aus seinen Nasenlöchern quoll dunkles Blut hervor, er stolperte zurück. Er fasste sich ungläubig an seine Nase, das Blut benetze seine Hand. Sie folgte ihm, umfasste schnell seine Schultern, um im nächsten Moment mit voller Wucht und ganzer Stärke ihm ein Knie in in seine Rippen zu rammen. Wie aus Reflex umklammerte sie sein rechtes Handgelenk um sich darunter hindurch zu drehen, in der Zeit verdrehte auch der Arm. So stemmte sie ein Bein in sein Hohlkreuz, er ging auf die Knie. Sie hielt das Gelenkt weiter fest im griff um ihn längst auf seine Seite zu zerren. Mit voller Wucht sauste ihr Fuß auf seine eh schon ramponierten Rippen nieder. Sie brachen kreischend.
Ein letztes Mal beugte sie sich zu ihm.
„Wag es noch einmal, mich so zu reizen. Das war nur ein leichter Vorgeschmack auf das was dich sonst erwartet.“

***

Sie hockten oben auf den Querbalken die in regelmäßigen abständen wie Brücken über den Raum führten. Dämmriges Licht waberte durch den Raum, kaum drang es in Winkel, viele Ecken lagen im Dunkeln. Nur einige Kerzen brannten und ein Feuer flackerte in der Mitte der Halle.
Sie fragte sich, wie die dunkle Frau bei dem kargen Schimmer lesen konnte, auf ihren Beinen lag ein Buch, worin sie schon länger Blätterte.
Von dem Augenblick an, wo sie Calvin eine Rippe brach und hoch erhobenen Hauptes vom Platz schritt, da mieden die Dorfbewohner ihre Erscheinung. Nun wusste jeder, was oder besser wer sie war. Bis zu dahin hatte es niemand gewagt sie auf das Geschehen an zu sprechen, zu sehr herrschte Angst vor, wo sie doch den besten Krieger wie eine Maus zerquetscht hatte.
Shizara streckte sich, ihre Knochen knackten dabei, sie hatte viel zu lang gesessen. Es war zeit einen Spaziergang zu machen, in der Nacht war es am schönsten, wie sie fand. Die anderen schliefen schon, nur die eine Schattenfrau nicht.
Sie erhob sich von der Liege mit den Fellen und der dünnen Decke, zu ihrer Erleichterung hatte sie ihre Schuhe noch an, so zog sie nur einen Umhang über die Schultern. Leise schlich sie aus dem langen Gebäude, darauf bedacht, niemanden aus den Träumen zu reißen. Hinter sich dumpf die schwere Tür schließen entkam sie der schläfrigen Wärme, um direkt von den kalten Armen des Winters umschlungen zu werden. Die eisige Nacht schlug sie mit ihrer Unbarmherzigkeit, die sie trotzdem wollte.
Ihre Füße trugen sie über den weißen Schnee, kleine Fußabdrücke hinterließen sie. Der Wind fuhr ihr unter den Umhang, so musste sie noch mehr frösteln. Der Stoff schlug auf einmal zurück, schnell packte sie seinen Saum um ihn wieder vor sich zu schließen. Sie war auf dem Weg zum See, am Himmel funkelten millionen Sterne, wie kostbare Edelsteine. Der Mond, er stand weiß und prachtvoll am dunklen Himmelszelt, Vollmond.
Der Weg führte sie aus dem Dorf hinaus, schlängelte sich durch Bäume und Sträucher, nur ein schmaler Trampelpfad. Der Schnee warf das matte Mondlicht zurück, auf dass es sich nicht schwierig gestaltete durch den Wald zu finden. Sie war auf den Weg zu einem Ort ihrer Kindheit, oft schwamm sie mit anderen Kindern im Sommer dort, ihre Mutter ging mit ihr dort spazieren.
Nach einiger Zeit lichteten sich die Bäume und gaben den Blick auf eine weite freie Fläche frei, bestehend aus Eis, auf dem Schnee lag. Der Jodursee.
Erleichtert ihr Ziel erreicht zu haben, beschleunigte das Mädchen ihre Schritte, sie wollte einfach ein wenig umher schweifen. Am Ufer blieb hielt sie an.
Sie blickte über den gefrorenen See, hinauf in den Himmel zum Mond. In ihr kribbelte es bei dem Gedanken an die Legende vom Mond und der Dunkelheit. Wenn sie Stimmte, schwebte dort oben eine weiße Frau umschlungen von der Dunklen.
Lichthall und Schattenfeder...
Die Namen hatten etwas leichtes an sich, wie die Samen einer Pusteblume, die vom Wind getragen wurden. So sanft war der Klang in ihren Ohren, so weich.
Die beiden Liebenden durften die Ewigkeit miteinander verbringen, in der Selben Welt, doch immer auf der Flucht vor einem Mann.
„Hat deine Mutter dir nicht gesagt, das es Nachts gefährlich sein kann?“
Erschrocken fuhr sie herum.
Hinter ihr stand im Halbdunkel die Kriegerin aus der Hütte, großgewachsen in ihrer vollen Bedrohlichkeit. Das Haar bewegte sich sanft im winde, was trotzdem nicht den harten Zug aus ihrem Gesicht verschwinden ließ. Auf ihrem Rücken trug sie ihr magisches Schwert.
„Anscheinend ja nicht..,“ erwiderte sie mit wenig Mut.
Die Frau kam näher, im Mondschein glänzten dieses geheimnisvollen Augen. Im Schatten des Waldes regte sich etwas großes, im nächsten Moment verschwand es wieder und sie musste an ihrer eigen Auffassungsgabe zweifeln.
„Du gehst am besten zurück ins Dorf, kleine Mädchen wie du sollten brav in ihrem Bette schlummern und von ihrem Verlobten träumen.“
Shizara hob eine braue und lächelte leicht bitter.
„Da gibt es nichts zu träumen...“
Die andere sah sie an und fragte:„Bist du etwa noch nicht versprochen...?“
Kurz tastete ihr blick über das Mädchen.
„Doch, aber zufällig ist er der Kerl dem du heute mehrere Knochen gebrochen hast,“ die Worte entschlüpften ihr ohne das sie mit einer Wimper zuckte.
„Dann liege halt brav im Bett und hab Alpträume.“

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Texte: by Sue
Bildmaterialien: by Sue
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2013

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