Cover

Vergissmeinnicht

Das Handy summt – eine SMS von meinem Bruder. Ich drücke sie weg. Die Besprechung mit dem Chef ist wichtiger.
Fünf Minuten später piept das Telefon erneut.
Verdammt, was ist denn?!
Ich öffne die Nachricht.
»Oma liegt im Sterben, Rachel … Komm sofort her!«
Das trifft mich völlig unvorbereitet. Eine Heidenangst durchströmt mich.
»Ist was nicht in Ordnung?«, fragt mein Chef.
»Ein Notfall … in der Familie.«
Ich laufe los, ohne auf seine Antwort zu warten.


Vor dem Bürogebäude stoppe ich ein Taxi, das mich zum Flughafen bringen soll. Glücklicherweise hebt in zwanzig Minuten eine Maschine nach Cleveland ab.
Der Airport ist riesig. Ich sprinte zum Gate – geschlossen. Verdammt!
Der nächste Flug geht in einer Stunde. Ich sitze in der Lounge und warte. Allerlei Gedanken fluten meinen Kopf. Ich muss an Oma denken.
»Der Tod gehört zum Leben dazu, mein Kind … Sei nicht traurig!«, sagte sie einst, als mein geliebter Wellensittich gestorben war. »Komm! Wir säen ein paar Samen Vergissmeinnicht aus! Das zeigt ihm, dass wir an ihn denken.«
Damals war ich sieben, aber jetzt fühlt es sich an, als wäre es gestern geschehen.


Wir kreisen über Cleveland. Ich will meinen Bruder anrufen, doch das Handy ist in der Lounge liegen geblieben …
Endlich setzt die Maschine zur Landung an. Ich ergattere ein Taxi, wenig später stehen wir im Stau. Oh, ich hasse diese Stadt!
Nach einer Stunde Fahrzeit treffe ich bei Oma ein. Mein Bruder blickt mich traurig an.
»Sie ist vor fünf Minuten gestorben …«, sagt er. »Sie hat nach dir gefragt.«

Impressum

Texte: W. A. Wolff
Bildmaterialien: Pixabay
Cover: W. A. Wolff
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /