Cover

Vorspiel


Versuchter Mord, daran konnte man sich aufhängen. Vorbei die Zeit, in der öde Steuerhinterziehungen und immer gleiche Vorfälle vermeintlichen Sexismus diskutiert wurden. Nun drängte der Pöbel auf die Bänke. Die Familien Hinz und Kunz gaben vor, am Recht interessiert zu sein, und folgten doch nur den bunten Plakaten, die – mit höchstrichterlichem Siegel versehen – ein munteres Spektakel für Jung und Alt versprachen. In prekären Zeiten galt es, kreative Lösungen zu finden. Ein versuchter Mord, noch dazu an einem Säugling, das war Anfang und Ende des Lebens, reine Unschuld gepaart mit größter Bosheit, das Alpha und Omega der Rechtssprechung; daraus musste sich doch etwas machen lassen! Gerichtsdiener mit klimpernden Beuteln verkauften vor der Tür Eintrittskarten und hinter ihr geröstete Erdnüsse in kleinen Papiertüten; eine eigens herbeigerufene Kapelle spielte – aus Platzgründen draußen auf der Straße – heitere Märsche, die durch die geöffneten Fenster klangen; Buchmacher drängten sich vorbei an schwatzenden Weibern und mit vermeintlichem Rechtswissen prahlenden Jungspunden und nahmen Wetten auf den Ausgang der Verhandlung an. Zu einem vollwertigen Dorffest fehlte, das kann man mit Fug und Recht behaupten, nur noch ein Bierausschank und hübsche Mädchen, die auf den Tischen tanzten.

Diese Situation sei kurz als Volkstrubel bezeichnet, im Kontrast zur bleiernen Ruhe, die später, wohl erst in den frühen Stunden des nächsten Tages und nach einem Abend mit den beiden Substanzen der Begierde, die im Gerichtssaal noch fehlten, eintreten würde. Beide Zustände können, je nach Kontext, in verschiedenen Ausprägungen auftreten, und es sei dem Leser überlassen, aus den sparsam gestreuten Andeutungen Rückschlüsse auf das Umfeld der Verhandlung zu ziehen.

 

1. Akt


Der Richter betrat den Raum, bat beiläufig um Ruhe, ohne mit dieser halbherzigen, formal jedoch zu vollziehenden Aufforderung den Volkstrubel eindämmen zu können, und übergab die Angelegenheit, mit deren Klärung er nicht belästigt werden mochte, der Anklagebank. Auf dieser saß das örtliche Sternchen am Ruhmeshimmel, ein vom Volk zum Philosophen stilisierter Selbstdarsteller.


Popolus
: Ein Mensch, der Böses schafft, ist böse, und wer böse ist, gehört bestraft. Dieser Mann hier hat, wie wir alle wissen, Böses geschaffen, indem er das Leben eines jungen Kindes durch seine unerhörte Tat beinahe beendet hätte. Ich konstatiere: Er ist zu bestrafen!


Die Menge, deren größter Teil schon beim ersten Nebensatz nicht mehr folgen konnte, murmelte zustimmend. Ein solch kluger Mensch wie Popolus musste einfach recht haben.


Popolus
: Ich wiederhole: Er ist böse und daher zu bestrafen!


Jetzt erkannten sie ihren Einsatz und das Gemurmel, erst noch einem Bache gleich, türmte sich auf zu einer tosenden See: »Wir hassen den, der Böses tut und böse ist! Wir hassen ihn!« Dies ließ nur einen Schluss zu: die Causa war beendet. So rollten die Wellen mit brachialer Gewalt vor zum Richterpult, um den Angeklagten zu zerschmettern, und erst, als sie dort schäumend zerschlugen, ward der herrischen See bewusst, kein Ziel zu kennen.

Ein Volk, ein Richter und der hochverehrte Popolus – doch niemand, der zu strafen war? Dies konnte nicht sein, und so sah sich Dr. Boese im Sinne einer größeren Sache genötigt, seinen gemütlichen Stuhl zu verlassen und sanft wie eine Feder auf das Meer zu treiben. Im Irrenhaus des Volkstrubels wurde er von niemandem wahrgenommen; erst, als er sein schelmisches Grinsen gegen den herben Klang seiner Stimme eintauschte, stand er wahrlich und wie in plötzlicher Lust aus dem Boden geschossen in dieser Welt.


Dr. Boese
: Liebe Kinder, es gab einst einen Wurzelzwerg. Er hauste tief an einer Eiche, schon seit vielen, vielen Jahren. Vergraben unter der Erde labte sich der Wurzelzwerg am Wurzelsaft, und ab und zu, auch wenn das eklig ist, verspeiste er einen unvorsichtigen Wurzelwurm. Ansonsten tat der Wurzelzwerg niemandem ein Leid an und gut und gerne hätte er noch tausend Jahre leben können. Eines Tages jedoch entschied sich der Wurzelzwerg, genug Wurzelsaft getrunken und schon viel zu viele eklige Wurzelwürmer gegessen zu haben. Also schloss er seine Augen und schlief so tief und fest, dass ihn nicht einmal die Wurzelwürmer wecken konnten, die an seinen Wurzelfüßen knabberten.


Es mochte an der beruhigenden Stimmlage oder an den Erinnerungen an alte Zeiten mit Großmutter, einem Buch und einer warmen Decke liegen, vielleicht auch an etwas anderem, das mit Mitteln dieser Welt nicht zu erklären ist, aber wie es auch sein mochte, der gesamte Saal war während der Erzählung in bleierne Ruhe verfallen. Mehr noch: die Kinder waren eines nach dem anderen, selig lächelnd wie im Schlaf, nach vorne gelaufen, um dem wunderlichen Onkel zu lauschen. Nun saßen sie im Kreisrund um seine Füße und die Eltern und selbst Popolus rätselten noch immer, wer dieser fein gekleidete, wunderlich sprechende Herr sein mochte. Um mehr Würze in das Spiel zu bringen, ergänzte er eine Pointe.


Dr. Boese
: Es war für den Wurzelzwerg an der Zeit gewesen, diese Welt zu verlassen, und niemand wird deswegen zürnen, ein jeder wird nur verständnisvoll nicken und meinen, dies sei der Lauf der Welt. Wenn nun aber der Sonne, deren beständiges Kreisen euer aller Ende vorherbestimmt, als Sklavin physikalischer Begebenheiten keine böse Tat unterstellt wird, so nehme ich für meine Tat selbiges in Anspruch. Sie war nichts mehr als die Summe physikalischen Wirkens in meinem Kopf, meinen Gliedern und nicht zuletzt auf dem Abhang, welchen der Kinderwagen, einmal aus der instabilen Ruhelage gebracht, auf einer von newtonscher Mechanik in guter Näherung vorherbestimmten Bahn hinab rollte.


Popolus verfügt über den nötigen Antrieb, sich zuerst vom Bann zu befreien. Zornesrot sprang er auf und erkannte seinen Feind, der es wagte, mit den gestelzten Worten zu sprechen, die nur ihm allein zu eigen sein sollten. Er war es, der dem Volk die Gedanken ins Hirn sprach, nicht ein alter Kinderschänder.


Popolus
: Seht das Böse in Person, wie es uns verwirren will! Was will er sagen mit seinen Worten, die das Wesentliche verschleiern? Ich stelle es klar: dass er nicht böse sei, weil die Welt sich dreht! So sicher aber, wie die Sonne jeden Abend untergeht, ist sicher, was schon bekannt ist: Er ist böse und daher zu bestrafen!


Mit ungebrochenem Lächeln nickt ihm Dr. Boese zu, ihm war es schließlich gleich, ob die Anklage nun unbewusst seinen Vorschlag aufgriff oder bewusst daran arbeitete, das strahlende Selbstbild aufrecht zu erhalten.


Dr. Boese
: Da kommen wir uns schon entgegen, möchte ich meinen. Mein Freispruch hat noch Zeit und es genügt mir vorerst, meine Tat nicht mit dem Beisatz ›böse‹ ausgezeichnet zu sehen. Sie ist kausal und frei jeder eigenen Wahl, und wenn hier jemand als ›böse‹ zu bezeichnen ist, dann wohl ich selbst und niemand sonst.


Der Richter sah den Konsens und schlug mit seinem Holz zu. »Ich geb ihm recht.«

2. Akt

 
Volkstrubel, ganz wie bekannt. Einige Mütter versuchten, ihre Kinder zurück zu bringen, doch diese weigerten sich mehrheitlich und zogen dem netten Onkel in der Hoffnung auf eine neue Geschichte an der Hose. Nach einigem Gemecker und noch mehr Tränen und nachdem die Gerichtsdiener kleine Erfrischungen verkauft hatten, blieb alles wie gehabt, und der Richter mahnte, die Verhandlung zügig fortzusetzen.


Popolus
: Nun … dann mag er keine böse Tat begangen haben, dies sei nun festgehalten, doch noch immer hat er eine Tat begangen, das steht ebenso fest, und so ist er als böser Mensch, der Taten tut, tunlichst zu bestrafen.


Man kann sich denken, wie das Volk reagierte, solange es in seinem Trubel frei war: »Wir hassen den, der böse ist, wir hassen ihn!« Ihr Feind allerdings setzte seine Geschichte unbeirrt fort – und obgleich der gebrüllte Lärm alle Ohren verstopfte, erklang seine Stimme allgegenwärtig in jedem Kopf.


Dr. Boese
: Liebe Kinder, kennt ihr noch den Wurzelzwerg? Das schöne an seiner Geschichte ist, dass man sie immer wieder erzählen kann, auch wenn er längst schläft und schläft und – er gähnte herzhaft und steckte damit den gesamten Saal an, der nun gebannt lauschte – schläft.

Eines Tages schlürfte der Wurzelzwerg etwas Wurzelsaft, und als er gerade einem Wurzelwurm den Kopf, der übrigens am ekligsten schmeckt, abgebissen hatte, grub sich ein anderer Wurzelzwerg herbei und – glaubt es oder glaubt es nicht – es war Liebe auf den ersten Blick.

»Aber, sie saßen doch unter der Erde, wie haben sie sich da gesehen?«, fragte ein Junge ungläubig.


Dr. Boese
: Das ist eine gute Frage, Florian. Wieso dachten sie zu sehen, ohne sehen zu können? Ganz einfach: sie kannten es nicht anders. Sie befingerten und begrabbelten ihre kleinen Wurzelkörper, befühlten ihre Gesichter und schleckten sich gegenseitig ab. So erkannten sie sich und nannten dies ›sehen‹, obwohl sie blind waren.

Dann aber, kurz bevor die beiden Wurzelzwerge gemeinsam schlafen wollten, sah – oder besser fühlte – der neue Wurzelzwerg den angefressenen Wurzelwurm, der noch aus der Stelle blutete, an der einst der Kopf gesessen hatte. Da fing er lauthals an zu schreien: ›Wie kannst du nur?‹, ›Der arme Wurm!‹, ›Er hat doch Gefühle!‹, ›Du wildes Tier!‹ Dann folgten einige wüste Schimpfwörter, die nur in der Sprache der Wurzelzwerge Sinn ergeben: ›Wirzelwik!‹, ›Warzawak!‹ und ganz schlimm: ›Wurzenfurzen!‹ Der arme Wurzelzwerg, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, wurde ganz traurig und vergoss so viele Tränen, dass die Eiche, an deren Wurzeln er saß, vor lauter Salz ein ganzes Jahr lang keine Eicheln mehr trug. So sehr er aber auch weinte, das Herz des Geliebten konnte er nicht erweichen und so blieb er für immer allein.


»Das war eine traurige Geschichte«, meinte ein Mädchen mit blonden Zöpfen, das weit vorne, ganz nah bei Dr. Boese saß. »Wieso haben sie sich nicht einfach in die Arme genommen?«


Dr. Boese
: So ist das, wenn Meinungen aufeinander treffen, die sich über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte gebildet haben. Es gibt so viele Gründe, die für das Essen von Würmern sprechen, etwa der Kampf ums Überleben, der Erhalt der eingepegelten natürlichen Ordnung oder auch diverse Studien, die die positive Wirkung auf die Darmflora belegen, und ebenso viele Gründe, die dagegen sprechen, etwa eine lang gehegte Freundschaft, das Leid des Wurmes oder auch diverse Studien, die die negative Wirkung auf die Darmflora belegen. Man hätte darüber, so wie Menschen es gelegentlich zu pflegen meinen, in Ruhe reden können, doch alles, was geschah, war das Beharren auf die eigene Moral und die Hingabe an überschäumende Emotionen.

Nun denn …


Beherzt klatschte der Redner in die Hände und erlöste die Menge von der bleiernen Ruhe. Etwas Trubel gab doch viel mehr her als eintöniger Gleichklang, vor allem, da nun einjeder seine eigenen Vorstellungen von Gutem und Bösem in der Welt dem Nebenmann an den Kopf knallte. Der Dirigent im feinen Zwirn stand weiterhin vorne und leitete das Orchester mit schwungvollen Armbewegungen. Nebenbei legte er seine Meinung weiter dar.


Dr. Boese
: Wie die Moral der Wurzelzwerge ist auch die hiesige irdische Moral, die gleichfalls auf längst überholten Meinungen beruht, in höchstem Maße zweifelhaft. Wer kann da, bei all diesem kosmopolitischen Einheitsbrei guten Herzens behaupten, ich wäre böse, nur weil ich einem wehrloses Kleinkind einen sanften Stoß gegeben habe? Es stand fahrbereit vor mir, blickte mich aus großen, bittenden Augen an und dachte ganz fest, es würde von einer kurzen Fahrt den Hügel hinab nur Gutes erlangen. Ich jedenfalls verurteile nichts und habe meine helle Freude an allem Trubel dieser Welt, und wenn eine einzelne Person an der Gültigkeit seines moralischen Systems wahrhaft festhalten sollte, so stelle ich sie hier vor allen Anwesenden in Frage. Wer bist du, zwischen gut und böse unterscheiden zu wollen?


Zeit seiner Worte war der Volkstrubel stetig, teils auch sprunghaft angestiegen, und nur wenig fehlte, um den Richter, der, ohne eine Wirkung zu erzielen, wild auf den Tisch klopfte, völlig in die Bedeutungslosigkeit zu verbannen. Es ist dem von unsichtbarer Hand gestützten Popolus zu verdanken, dass die Verhandlung dennoch weiterlief. Er stellte sich vor das Volk, und lauter, als es einem solchen Menschen möglich ist, brüllte er zur Masse und lenkte das wilde Treiben gegen seinen Dirigenten.


Popolus
: Seht den an, der Böses getan hat, obwohl wir es nicht so nennen dürfen. Seht den an, der nur getan hat! Seht den an, der böse ist, obwohl wir ihn nicht so nennen dürfen. Seht den an, der nur ist! Seht den an, der uns entzweit, der Zweifel schürt, seht den an, der strahlt und lacht! Er mag nur tun, er mag nur sein, doch eines, das ist wirklich wahr: Wir hassen ihn!


Und das Volk, dem damit ein gemeinsames Ziel vorgegeben war, stimmte ein und skandierte: »Wir hassen ihn! Wir hassen ihn! Wir hassen den, der vor uns steht!«

Gemeinsam sahen sie den Feind erkannt und stürmten hinab, ihn zu richten.

3. Akt

 
Diabolisch grinsend rieb sich der Doktor die Hände. Wegen solcher Szenen liebte er die Menschen über alles. Diese blanke, willenlose, allzu leicht zu steuernde Wut. Ein Rädchen aber fehlte noch in seinem Werk, und so hob er gebietend die Hände, um sich ein wenig Zeit für seine Worte zu verschaffen. Die brüllenden Menschen  – einer hatte sogar eine brennende Fackel herbeigezaubert – erstarrten mitten in ihrer Wut, und nur die Kinder waren frei, sich in aller Ruhe die letzte Geschichte anzuhören.


Dr. Boese
: Der Wurzelzwerg, liebe Kinder, hat in seinem Leben viel erlebt. Er trank Wurzelsaft, aß Wurzelwürmer und kannte andere Wurzelzwerge. Dennoch wusste niemand von den Menschen um seine Existenz, da er nicht zu sehen war. Er lebte unter der Erde und knabberte an den Wurzel einer Eiche.

Eines Tages, als er schon lange geschlafen hatte, wachte er wieder auf und bemerkte ein großes Zittern. Die Eiche, dieser einstmals so große und stolze Baum, war krank geworden und stürzte um. Dabei flogen alle Wurzeln nach oben und der Wurzelzwerg hinterher. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, und noch während er versuchte, gegen das helle Licht der Oberfläche anzublinzeln, kamen die Tiere des Waldes herbei und betrauerten die alte Eiche. Sie wussten nicht, warum sie krank geworden war, doch sie dachten sich: Der Wurzelzwerg hat an ihren Wurzeln geknabbert, deshalb wurde sie krank.

Was also, liebe Kinder, geschah?


Die Kinder versuchten, die Frage ernsthaft zu klären. Ihr Freund der Wurzelzwerg, so viel stellten sie fest, hatte nichts Böses getan und war auch nicht böse, denn er hatte einfach nur gelebt. Allein es stand im Raum, dass durch ihn die Eiche umgestürzt war, und daher würden wohl die Tiere, die es nicht besser wussten, ihrerseits böse auf den Wurzelzwerg sein.

»Aber das war doch bestimmt nicht so schlimm«, meinte das Mädchen mit den blonden Zöpfen. Sie überlegte kurz und kam dann zu einer Lösung: »Wenn die Eiche auf dem Boden liegt, können an ihr viele, viele Pilze wachsen. Dann ist alles gut.«


Dr. Boese
: Recht so, meine Kinder! Viel wichtiger, als das, was geschieht, ist die Frage, was es bewirkt und was die Alternativen wären. Diese Welt lässt sich nicht auf den Fakt reduzieren, dass das Kind samt Kinderwagen den Hügel hinab gerollt ist; diese Welt besteht aus Zusamenhängen, die, wenn man sein Werk richtig machen will, mein lieber Popolus, erkannt und untersucht werden sollten. Einerseits bestand für das Kind nie eine ersthafte Gefahr, denn es rollte direkt in ein flaches Gewässer, in dem es wenn schon nicht schwimmen, doch zumindest von den hilfsbereiten Badegästen gerettet werden konnte, und andererseits brannte, wohl von der Zigarette der achtlosen Mutter entfacht, die dünne Decke des Kindes, womit schnelles Handeln notwendig war.


Die Zeitblase löste sich, nachdem alle die neue Faktenlage genügend durchdacht hatten, und Popolus selbst war es, der zuerst bei seinem alten Rivalen stand und ihm feierlich die Hand reichte. »Ein großer Mann«, so sprach er, »sollte einsehen, wenn er nicht den leibhaftigen Teufel, sondern eine Gestalt vor sich hat, die gottesgleich die Zukunft plant.« Dann wurden beide von der heranstürmenden Masse überrannt, die laut skandierte: »Wir lieben ihn! Wir lieben ihn! Wir lieben ihn!«

Nachspiel

 
Versuchter Mord, daran konnte man sich wahrlich aufhängen, aber noch viel schöner war es doch, einen Mitbürger zu feiern, der nicht nur von den Kindern geliebt wurde, sondern auch die Kinder liebte. Die Festwiese erstrahlte noch bis tief in die Nacht im Glanz der Laternen, Popolus, der Richter und Dr. Boese tranken auf die Freundschaft und einen Verurteilten gab es, sehr zur Freude des Volkes, auch noch, nämlich die Mutter, mit der kurzer Prozess gemacht wurde. Barbarische Zeiten herrschten nicht mehr, so viel sei gesagt, aber das Sorgerecht wurde der fraglichen Person nach dieser Erkenntnis ohne Federlesen aberkannt. Wie gut, dass es den verehrten Herrn Dr. Boese gab, dem man, aus tiefem Respekt, aber auch als eine Art Wiedergutmachung und als Folgerung der Ereignisse, das junge Kind besten Herzens anvertrauen konnte. So verabschiedete er sich denn auch recht bald von den Feierlichkeiten, um sein Mündel der neuen Heimat zuzuführen. »Ich werde dir lehren«, versprach er auf dem Weg feierlich, »zwischen den Menschen Feuer zu säen und eine jede Lüge so aufzubauen, dass sie als Wahrheit anerkannt wird. Aber wenigstens eine Sache musst du von deiner Mutter beibehalten: den eisernen Vorsatz, nie zu rauchen. So ein Lungenkrebs verdirbt dir das ganze Leben.«



Impressum

Texte: Covasol Libri
Bildmaterialien: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2015

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /