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Auf dem Weg

Ein Dompfaff hüpfte eilig vorbei und hoffte, durch ein schnelles Eintreffen belohnt zu werden. Ein paar Flügel wären nett, ganz sicher, und der Meister hatte immerhin schon einem Bluthänfling geholfen. Auch Fitis, Mittelsäger, Merlin, Rot-, Grün- und Gelbschenkel wurden reich beschenkt.

Allen im Garten war es daher gleich, so schnell wie möglich zum Versammlungsort zu streben – nur die Köpfe kullerten gemächlich, und der Dompfaff wusste wahrlich nicht, wieso sich diese Köpfe solche Zeit ließen.

Diese freilich wussten es, denn schließen war der Intellekt der Köpfe ungeschlagen. 3K, der Älteste von ihnen, schleppte seinen müden Körper langsam vorwärts und stellte nüchtern fest: „Dies ist der dritte Akt.“ Lange musste er dies nicht mehr aushalten, da war er sich sicher. Diese Strapazen würden ein Ende nehmen, wären sie endlich da, genügend spät nach dem Ende des Tages.

2K, der zweite Kopf ihrer Gruppe, pflichtete ihm bei. „Wenn du es so sehen willst, ganz sicher. Danach ereignet sich das Finale, aber davon müssen wir wohl nicht berichten.“ Er legte seinen Nacken auf einer ebenen Stelle ab. Diese Bewegung, diese nicht enden wollende Bewegung!

„Das Ergebnis ist klar.“ 1K, der Schlaueste von ihnen, verschnaufte ebenfalls kurz. „Ich frage mich nur, ob sie eines Tages noch wissen werden, welch großer Geist in uns schlummert.“

Nun, dies ist doch nicht von Belang, oder? Der reine Geist, das ist, was zählt.

Das Ziel des Weges

Auf einem Podest in der Mitte des Gartens war eine Hand voll Schnongs eifrig dabei, ein Spiel zu meistern, bei dem es darum ging, Karten möglichst sauber auszulegen. Daher bemerkten sie nicht das kleine Ding, eher eckig als rund, das sich hinter ihnen materialisierte. Von oben herab betrachtete es die Schnongs ein Weilchen, aber da sie seiner nicht gewahr wurden, stieß es sie mit einem Tritt hinunter.

Als die Schreie der Verletzten verklungen waren, plusterte dieses Ding sich auf und schrie so laut, dass es im gesamten Garten zu hören war:

„ICH … BIN … DAS LEBEN!“

Ein Schnongs, der gerade einem guten Blatt beraubt worden war und sich unbekümmert am süßen Rest eines Kameraden labte, lästerte höhnisch, dass dies ja wohl jedem bewusst sei, und lachte lautstark.

Daraufhin zeigte das Leben mit einem seiner eckigen Auswüchse auf den Schnongs und er erstarb zu einer leblosen Nascherei. Dem Leben war heute nicht nach Spaßen zu mute, es wollte sich seine Macht beweisen.

Damit hatte das Leben die Aufmerksamkeit der Umstehenden sicher, die ihm gewiss gebührte, und ein weiteres Mal schrie es grollend:

„ICH … BIN … DAS LEBEN!“

Dampf stob aus seinen diversen Löchern, und im gesamten Garten erklangen seine Worte:

„KOMMT HERBEI, ALL IHR LEBENDEN WESEN, EMPFÄNGER MEINES GESCHENKS, AUF DASS IHR MIR TRIBUT ZOLLEN DÜRFT!“

Der Grund des Weges

„Und dies ist nun das Ende vom ersten Akt?“, fragte 2K, der sich schon davor grauste, aufstehen zu müssen.

„Ja, so ist es“, antwortete 1K. „Das Leben geht hinfort und es hat den Plan, alle herbei zu rufen. Wie einfältig es doch ist.“ Dabei grinste er sogar ein wenig, wenngleich er eine Emotion niemals zugeben würde.

K3 ließ seine Knochen knacken. Er litt am meisten unter diesem Körper, und zweifelte: „Wird es funktionieren?“

„Gewiss“, versicherte ihm 1K. „Du kennst das Leben. Hat es sich etwas einreden lassen, so hält es daran fest. Auch wenn wir es auf die Idee gebracht haben.“

Die Blicke der Köpfe fielen mit Behagen auf ein paar Steine am Wegesrand. Gemeinsam seufzten sie: „Nur noch liegen und denken, das wird schön.“

„Ich sehe nur ein Problem“, meinte da plötzlich 2K und schreckte die beiden anderen auf. „Wir werden unsere Namen ändern müssen.“

Lachend stießen 1K und 3K ihn an, auch wenn 1K sofort verstummte, als er dies bemerkte. „In der Tat“, meinte er, nun wieder ernst. „Die Nummerierung wird weiterhin ihren Zweck erfüllen, aber das K muss einem S weichen.“

Dann trotteten sie los, so langsam, wie nur möglich, ohne nicht zurück zu laufen. Auf dem Weg unterhielten sie sich, nur unterbrochen von den schrillen Tönen des Lebens, über die Möglichkeit, ihr unendliches Wissen einem Medium übertragen zu können.

„Wenn mein Plan funktioniert“, stellte 1K seine These auf, „wird bald jeder den Namen 1S kennen.“

Impressum

Texte: Covasol Libri
Tag der Veröffentlichung: 17.05.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Den Steinen, weise wie eh und je

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