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Hoch oben auf der Alm im schönen Allgäu lebte einst eine kleine glückliche Bärenfamilie: Mama Bär, Papa Bär und der kleine Säugling Bubi Bär. So kurz nach dem Krieg war das Leben weiß Gott nicht einfach, aber die kleine Familie war nicht anspruchsvoll und zufrieden mit dem, was sie hatte. Morgens in aller Herrgottsfrühe trieb Papa Bär die Kühe auf die saftigsten Weideplätze, die er kannte, und wenn er zurückkam, brachte er stets einen vollen Eimer frisch gemolkener Milch mit nach Hause, um Frau und Kind gesund zu ernähren. Gesund war die Milch tatsächlich, denn die glücklichen lila Kühe hielten sich nicht nur den ganzen Tag in der frischen Alpenluft auf, sondern knabberten überdies auch gern an würzigen Kräutern und Sträuchern.

Das Leben hätte so harmonisch weiter verlaufen können, wäre Papa Bär nicht eines Tages wie vom Erdboden verschwunden gewesen. Erst suchte Mama Bär ihn verzweifelt im Umkreis ihrer Sennerhütte, doch vergebens. Dann weitete die Bergwacht die Suche aus. Hubschrauber kreisten mit dröhnenden Rotoren erst über der Alm, und dann über den Bergen, so dass sich sogar die genervten Gämsen wegen der Ruhestörung beschwerten. Aber es musste sein, denn es war ja nicht auszuschließen, dass Papa Bär von einem Felsen hinabgestürzt war und nun mit gebrochenen Beinen in irgendeiner Schlucht lag. Als auch diese Suche ohne Erfolg blieb, wurde schließlich der Marlboro Cowboy angeheuert, um alle Felsspalten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Pferd, so dachte die geplagte Bärenmutter, ist doch um ein Vielfaches solider als ein lärmender Hubschrauber. Einsam zog nun der Marlboro Cowboy tagsüber über die Bergpässe, um dann abends stundenlang betrübt ins Lagerfeuer zu schauen und von Wildpferden, Freiheit und Abenteuern zu träumen. Doch nach einigen Tagen intensiver Suche war auch er mit seinem Latein am Ende. Ratlos verabschiedete er sich von der enttäuschten Bärenmutter und ritt in den Sonnenuntergang hinein.

Es versteht sich von selbst, dass in dieser Zeit der Ungewissheit und Verwirrung den Kühen und der gesunden Milch nicht mehr so viel Aufmerksamkeit gewidmet werden konnte wie zuvor. Noch viele Jahre später rätselten die größten medizinischen Koryphäen des Landes darüber, ob dieses vorübergehende Chaos in der Familie die eigentliche Ursache dafür gewesen sein könnte, dass sich das kleine Bärenkind so gar nicht richtig entwickeln wollte. Selbst heute noch im Alter von mehr als einem halben Jahrhundert hält es sich am liebsten auf dem Arm seiner Mutter auf.

Nachdem mehrere Wochen ins Land gegangen waren, wurden alle Suchaktionen ohne Ergebnis eingestellt, und Mama Bär musste sich jetzt nicht nur um den Haushalt und ihr unmündiges Kind, sondern auch noch um die Kühe kümmern. Es war gar nicht so einfach für sie als allein erziehende Mutter, alle Pflichten unter einen Hut zu bringen. Schließlich war schon allein die Milchkanne, mit der sie sich täglich abplagen musste, extrem schwer. Darum war es enorm wichtig, die anstrengende Hausarbeit so zu organisieren, dass sie auf ein Minimum begrenzt werden konnte. Also holte sie sich bei ihrer besten Freundin Clementine, der Waschfrau der Nation, Rat, wie sie das allwöchentliche Problem mit der großen Wäsche angehen sollte. Die patente Frau mit der weißen Latzhose und dem rot-weiß karierten Hemd legte sofort den Hauptwaschgang ein und zeigte ihr, wie die Wäsche nicht nur sauber, sondern auch rein wurde. Heute flattert Mama Bärs Wäsche lustig auf einer nicht enden wollenden Wäscheleine vor ihrer bescheidenen Almhütte.

Für den Hausputz empfahl die patente Klementine auch gleich ihren Kollegen mit dem goldenen Ring im Ohr, den diplomierten Putzmeister Proper, der Mama Bär mit einem Augenzwinkern in das Geheimnis einweihte, wie man so sauber putzt, dass man sich drin spiegeln kann und sein Haus in Null-Komma-Nichts auf Vordermann bringt. Nun konnte die Bärin wieder ein wenig durchatmen. Zwar musste sie sich auch weiterhin mit der schweren Milchkanne abrackern, doch war jetzt der Rest ihres Lebens besser durchorganisiert. Außerdem tat sie alles, was sie tat, aus Liebe zu ihrem unschuldigen Kind.

Wie erstaunt war sie eines Tages, als plötzlich eine bunte Ansichtskarte aus dem schottischen Heiratsparadies Gretna Green ins Haus flatterte. Darin teilte ihr ihr Ehemann und Vater ihres Kindes mit, dass er mit einer Haribo-Goldbärin mit Himbeergeschmack durchgebrannt war und sich mit dem Gedanken trug, diese so schnell wie möglich zu ehelichen. Über ihren Anwalt schickte ihm die geplagte Bärenmutter umgehend die Rechnung über unterlassene Unterhaltszahlungen für sie und ihren Sohn Bubi Bär, mit dem Hinweis, sie würde nicht eher in die Scheidung einwilligen, bis die Zahlung eingegangen sei. Nun, das Geld wurde nie überwiesen und die lebenslustige Goldbärin wandte sich nach einer Zeit des vergeblichen Wartens enttäuscht einem Kuschelweichbären zu. Papa Bär hat nie wieder etwas von sich hören lassen. Er soll aber anschließend eine Affäre mit einer crispigen Pom-Bärin der Geschmacksrichtung Ketchup gehabt haben, zumindest munkelten das die Leute hinter vorgehaltener Hand.

Wie ging es nun mit Mama und Bubi Bär weiter? Zunächst einmal lebten sie ihr bescheidenes Leben auf der Alm mit vielen Entbehrungen und wenig Lohn weiter. Doch als Bubi Bär in die Pubertät kam, war er es leid, ständig nur mit der Milchflasche ernährt zu werden. Auch fragte er sich neugierig, was sich wohl jenseits der Berge, von denen er umgeben war, abspielte. Also wartete er ab, bis Mama Bär sich eines Abends unten im Tal einen Vortrag der Landfrauen anhörte. Er schnürte seinen Rucksack und ergriff seinen Wanderstab. Dann schloss er die Tür der Sennerhütte ab und hängte den Schlüssel für jeden gut sichtbar an einen großen Nagel direkt neben der Tür. Unter Alphornklängen machte er sich auf, das schöne Bayernland zu erkunden.

Überall waren die Menschen sehr freundlich zu ihm. Insbesondere die jungen Mädchen im Dirndl-Outfit auf den Feldern, die bei der Ernte mithalfen, winkten und jodelten ihm zu, sobald sie ihn erspähten. Und Bubi - ganz der Vater - warf ihnen schon von weitem charmante Handküsschen zu. Auch die Kühe auf den grünen Weiden begrüßten ihn mit lautem Glockenklang und einem freudigen Muh auf den Lippen. Hier in der Fremde stellte er das erste Mal in seinem Leben staunend fest, dass es außer lila auch noch braune und schwarz-weiße Kühe gab. Um sich die Zeit der einsamen Wanderschaft ein wenig zu vertreiben, dachte er sich unterwegs einige naive Kinderlieder aus, von denen ihm eines besonders gut gefiel: „Nichts geht über Bärenmarke, Bärenmarke zum Kaffee.“

Indessen war seine Mutter in tiefer Sorge um ihn und machte sich Gedanken, wer ihm wohl täglich sein Milchfläschchen geben würde. Da der Marlboro Cowboy ohne eine Adresse hinterlassen zu haben gerade irgendwo über die Prärie ritt und mit dem Lasso Wildpferden nachjagte, engagierte sie den Camel-Mann, der ebenfalls einen ausgezeichneten Ruf genoss, da er bereits seine große Hartnäckigkeit unter Beweis gestellt hatte, indem er meilenweit für eine Camel Filter gegangen war. Der heftete sich nun an Bubis Spuren und verfolgte ihn bis zur Landeshauptstadt, doch kurz bevor er zuschlagen konnte, hatte Bubi sich in einen Lkw geschwungen und war auf und davon gefahren. Entnervt brach der Camel-Mann die Suche ab und zeigte Mama Bär resigniert seine Wanderschuhe, deren Sohlen vollständig durchgelaufen waren.

Bubi hatte es sich derweil auf dem Beifahrersitz des Lastwagens bequem gemacht und spielte verträumt mit der Snoopy-Figur aus seiner Happy-Meal-Tüte einer bekannten Fastfoodkette. „Wo soll’s denn hingehen, junger Mann?“, fragte der Fahrer ihn. Doch darauf konnte der kleine Bär keine genaue Antwort geben, denn das Rama Mädchen, das er kurz in dieser lauten, abgasgeschwängerten Großstadt kennen gelernt hatte, hatte ihm nur gesagt, dass die Welt in München noch lange nicht zu Ende sei. Der Fahrer, der erkannte, dass es dem niedlichen Anhalter ein wenig an Weltgewandtheit fehlte, sagte: „Weißt du was, ich fahre nach Hamburg. Wenn du willst, kannst du gern mitkommen.“ Der kleine Bär nickte dankbar und schlief auf der Stelle fest ein. Zu viel war auf seiner Wanderschaft bisher auf ihn eingestürmt. Später, als er wieder wach war, unterhielt er den Fahrer mit seinen unterwegs komponierten Kinderliedern.

Da ihm das Geld ausgegangen war, nahm Bubi in Hamburg mehrere Aushilfsjobs in Feinkostläden an, wo er Dosen mit Kondensmilch von einem Stapel nehmen musste, um sie den Kundinnen mit einer eleganten Verbeugung in den Einkaufskorb zu legen. Den langjährigen Kundinnen überreichte er außerdem ein Sträußchen Alpenblumen. Darüber waren die Damen so begeistert, dass einige ihm sogar einen Kuss auf die Nase hauchten. Viele Kinder wollten sogar, dass der niedliche Bär auf der Stelle bei ihnen einzog. An den Wochenenden aber ließ sich Bubi auf dem Segelschiff des umweltbewussten Seebären Käpt’n Iglo für eine gesunde und leckere Fischstäbchen-Mahlzeit den Wind um die Nase wehen. Da er vorher das Meer noch nie gesehen hatte, war dies eine wertvolle Erfahrung für ihn.

Seine Bildungsreise führte Bubi Bär in die wichtigsten Großstädte des Landes, und überall wurde er begeistert empfangen. Berlin gefiel ihm am besten von allen Städten, denn da hatten die gastfreundlichen Einwohner an vielen öffentlichen Gebäuden ihm zu Ehren Fahnen gehisst, auf denen ein Bär abgebildet war. Dort war es auch, wo amerikanische Werbeleute an ihn herantraten, um ihn für eine Werbekampagne für Bären-Cola zu engagieren. Sein Ruf war nämlich über den großen Teich bis nach New York gedrungen, wo man darauf erpicht war, die rote Coladose gegen eine weiße Barenmarkedose mit dem amerikanischen Nationalgetränk auszutauschen Obwohl man ihm 35 Millionen Dollar dafür bot, lehnte Bubi den Werbevertrag nach reiflichen Überlegungen ab. Er sehnte sich zurück nach Hause zu Mama Bär und den glücklichen lila Kühen und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sein weiteres Leben fernab der Heimat zu verbringen.

So kam es, dass er eines Tages von Heimweh geplagt im fernen Berlin alles stehen und liegen ließ, um sich per Anhalter wieder in das schöne Bayernland zu begeben. Mama Bär aber war heilfroh, dass sie ihren kleinen Liebling endlich wieder in ihre Arme schließen konnte.

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Texte: bei der Autorin
Bildmaterialien: Die Marke Bärenmarke sowie der Slogan sind Eigentum der Hochwald Nahrungsmittel-Werke GmbH in Thalfang
Tag der Veröffentlichung: 19.02.2012

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