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Ni hao! - Oder für die, die noch kein Chinesisch sprechen: Hallo zusammen!

Ich bin eine 60-Watt-Glühbirne und heiße Lucia. Ich bin sehr stolz auf meinen Namen. Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ‚die Leuchtende’. Eigentlich stamme ich ja aus Deutschland, aber zurzeit lebe ich in China im Exil. Ich musste Deutschland, wo es mir eigentlich sehr gut gefallen hat, im Jahr 2011 bei Nacht und Nebel verlassen, denn da war Schluss mit dem sorglosen Leben für uns 60er Glühlampen. Es wurde allerhöchste Zeit, von dort bzw. aus dem gesamten EU-Gebiet zu verschwinden. Soviel ich weiß, bin ich die einzige 60-Watt-Glühbirne aus der EU, die die Ausrottung überlebt hat, denn auf meinen Aufruf vor zwei Jahren hat sich bisher niemand gemeldet. Da alle meine Verwandten und Freunde in dieser grausamen Zeit entsorgt wurden, musste ich mich allein durchs Leben schlagen, und das war weiß Gott nicht einfach. Wenn es euch interessiert, möchte ich euch ein wenig aus meinem Leben erzählen.

Angefangen hatte alles damit, dass ich eines Tages von einem jungen Ehepaar aus einem staubigen Regal im Baumarkt genommen und gekauft wurde. Das war ein großer Tag für mich. Doch, um ehrlich zu sein, hatte ich auch ein wenig Angst, denn ich wusste nicht so recht, was nun auf mich zukommen würde. Ich hatte in dem Regal zwar das ein oder andere Gerücht gehört, das besagte, dass der Zweck unseres Daseins das Leuchten sei, aber so recht konnte ich mir darunter nichts vorstellen. Bis eine 40-Watt-Kerzenbirne ins Nebenregal zurückgelegt wurde, die von einem Kunden reklamiert worden war. Illustra erzählte uns, dass sie von ihrem Käufer in eine Lampenfassung geschraubt worden war, ohne dass etwas passierte, und er sie daraufhin fluchend wieder herausgedreht hatte. Da sie aber die Nacht in der Wohnung verbringen durfte, hatte sie mitbekommen, wie die Glühlampe im Flur plötzlich erstrahlte, als es dunkel wurde. Warum das so war, wusste Illustra auch nicht zu sagen, aber sie war von diesem Ereignis noch immer so überwältigt, dass sie ständig darüber reden musste.

Als wir zuhause ankamen, wurde ich in die Deckenlampe im Kinderzimmer geschraubt. Ich hatte größeres Glück als Illustra, denn gleich beim Betätigen des Schalters leuchtete ich auf und sandte mein helles Licht in alle Teile des Zimmers. Der kleine Peter und sein Vater nickten zufrieden und machten mich wieder aus, bevor sie das Zimmer verließen. Ich lebte mich sehr schnell in der Familie ein. Tagsüber hatte ich frei und konnte tun und lassen was ich wollte, nur abends – im Winter oft sogar schon nachmittags – musste ich meinen Beleuchtungsjob ausüben. Ich will mich ja nicht selber loben, aber ich meine, dass ich ihn auch gut gemacht habe, zumindest habe ich diesbezüglich keine Klagen gehört.

Wenn die Mutter des kleinen Peter vormittags die Zimmer aufräumte und dabei die Türen offen ließ, hatte ich Gelegenheit, mich mit meinen neuen Freunden zu unterhalten, die schon über ein bisschen mehr Lebenserfahrung verfügten als ich. Da war zunächst einmal Elektor, der seine vollen 75 Watt im Wohnzimmer ausleben durfte, und sich seiner Bedeutung auch voll und ganz bewusst war. Anfangs erschien er mir etwas eingebildet, aber das Gefühl legte sich schnell, nachdem wir uns einige Male unterhalten hatten. Und im Flur konnte ich Candela sehen, eine etwas schüchterne 40er Glühbirne.

Elektor, der zum Philosophieren neigte, machte mich darauf aufmerksam, dass unser weiches und warmes Licht es durchaus mit der Sonne aufnehmen konnte. Er hatte wohl irgendwann einmal im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen. Über solche Dinge hatte ich noch nie nachgedacht. Aber er hatte Recht. Schon am nächsten Tage überprüfte ich seine Aussage. Ich beobachtete die Sonne, wenn sie nachmittags ins Fenster schien und stellte fest, dass sich der kleine Peter in ihrem goldenen Schein immer sehr wohl fühlte. Und genauso wohl fühlte er sich, wenn ich abends mein weiches Licht erstrahlen ließ. Von Candela lernte ich, dass man sich schützen musste, wenn einmal jemand vergaß, das Licht auszumachen, was im Flur wohl öfters der Fall war. Denn schützte man sich nicht, so bestand die Gefahr des schnellen Durchbrennens. „Du musst anfangen zu flackern“, beantwortete sie meine diesbezügliche Frage, „denn ein flackerndes Licht wird schneller bemerkt.“ Ja, es war schon eine interessante und lehrreiche Zeit für mich.

Umso schlimmer empfand ich es, als Elektor uns eines Tages zuflüsterte, dass große Veränderungen im Land vor sich gingen. „Einige von diesen willfährigen Eurokraten in Brüssel haben entschieden, dass wir Glühbirnen abgeschafft werden müssen, weil wir angeblich an dem Klimawandel Schuld sind“, sagte er mit einer Stimme, die ich vorher noch nie so niedergeschlagen gehört hatte. Ich wollte das zunächst gar nicht glauben und widersprach ihm heftig: „Du hast doch neulich selbst gesagt, dass wir Glühbirnen schon seit mehr als einhundert Jahren existieren und fest mit der Wohnkultur der Menschen verwurzelt sind. Wieso sollten wir dann plötzlich so mir nichts, dir nichts abgeschafft werden?“ „Tja Lucia“, antwortete er, „ich hatte Gelegenheit, mich täglich durch das Fernsehen im Wohnzimmer weiterzubilden. Darum kannst du davon ausgehen, dass ich nicht mehr so naiv wie eine Durchschnittsglühlampe bin. Das, was der Bevölkerung gerade als umweltschädlich verkauft wird, ist nichts anderes als die Meinung der Beleuchtungswirtschaft, die in Brüssel offensichtlich eine rührige Lobby hat. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar von Schmiergeldzahlungen im großen Stil gemunkelt. Mit uns traditionellen Lampen kann man nicht das große Geld machen, also hat man so genannte Energiesparlampen erfunden, die natürlich viel teurer sind als wir. Und wenn alle EU-Bürger in den 27 Mitgliedsstaaten ihre Lampen austauschen müssen, kannst du dir ja sicher vorstellen, dass ein netter Profit für die Wirtschaft zusammenkommt.“

Seine letzten Worte beruhigten mich dann doch wieder, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Menschen so dumm waren und auf diesen Schwindel hereinfallen würden. Doch auch hier behielt Elektor das letzte Wort: „Ja siehst du, Lucia, darum wurde ja auch das Zauberwort ‚Umweltschutz’ ins Spiel gebracht. Immer, wenn dieses Wort genannt wird, löst sich sofort jeglicher Widerstand in der Bevölkerung in Wohlgefallen auf. Unglücklicherweise leben wir auch noch in einem Land, das auf allen Gebieten ständig die Vorreiterrolle übernehmen will.“

An dieses Gespräch musste ich zurückdenken, als im Herbst 2010 Elektor aus seiner Lampenfassung im Wohnzimmer herausgeschraubt und brutal in den Müll geschmissen wurde. Ich hörte sein Glas splittern, während er mir mit sterbender Stimme zuflüsterte: „Leb wohl, kleine Lucia! Vergiss nichts von dem, was wir neulich besprochen haben, und sieh zu, dass du von hier verschwindest, bevor es zu spät ist!“

Doch wie verschwindet man, wenn man fest mit einer Lampe verschraubt ist? Das hatte mir der gute Elektor leider nicht verraten. Ich denke mal, hätte er es gewusst, wäre er sicher nicht so schrecklich zu Tode gekommen. Nachdem sich unser Schock über seinen grausamen Tod ein wenig gelegt hatte, diskutieren Candela und ich dieses Problem Tag für Tag von vorn bis hinten durch, doch wir fanden einfach keine Lösung. Die Zeit verging, und ich musste mich ranhalten, denn die 60er Birnen waren die Nächsten, die dran glauben mussten. Im Herbst 2011 war unsere Deadline. Candela konnte sich ja noch bis 2012 Zeit lassen. Das Einzige, das mir dazu einfiel, war das Flackern. Wenn ich Glück hatte, würde ich aus der Fassung herausgeschraubt und auf den Tisch oder Schrank gelegt, also nicht gleich entsorgt werden. Und wenn nicht? - Darüber wollte ich erst gar nicht nachdenken.

Aber zunächst einmal war da der Ersatz für Elector - ein merkwürdiger Bursche, der, als ich ihn nach seinem Namen fragte, antwortete: „Ich bin eine 17-Watt- Energiesparlampe.“ „Und wie heißt du genau?“, hakte ich nach. „Das habe ich dir doch gerade gesagt, Energiesparlampe. Sonst noch was?“ Genauso unpersönlich wie er sich gab, war auch das Licht, das er ausstrahlte: kalt und qualitativ schlecht, mit dem Charme einer Neonröhre. Mit ihm wurden wir einfach nicht warm. Wir waren auch erstaunt darüber, dass es mehrere Minuten dauerte, bis es überhaupt einmal hell wurde, nachdem man den Lichtschalter gedrückt hatte. Tja, und sein Design war absolut indiskutabel: plump und unästhetisch. Ob die Kopfschmerzen, über die Peters Mutter in letzter Zeit klagte, mit der neuen Lampe zusammenhingen, weiß ich nicht, aber zu Electors Zeiten hatte sie nie Probleme damit gehabt.

Ich versuchte mein Glück, als Peter einmal allein zu Hause war, denn bei ihm war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er mich nicht so einfach entsorgen, sondern vorher das Urteil seines Vaters einholen würde. Also fing ich plötzlich wie wild an zu flackern. Nach ein paar Minuten holte Peter eine Leiter und eine Taschenlampe und versuchte, mich zunächst einmal fester einzuschrauben. Als das nichts nutzte, schraubte er mich schließlich ganz heraus und überzeugte sich, ob mein Glühdraht unversehrt war. Dann legte er mich kopfschüttelnd beiseite und ging zu Bett.

Ich ließ mich sofort vom Tisch auf den dicken, weichen Teppich fallen und rollte mich zur Wohnungstür, wo ich warten musste, bis Peters Eltern heimkamen. Es blieb mir somit genügend Zeit, mich von meiner Freundin Candela zu verabschieden. Die Trennung tat uns beiden sehr weh, und wir weinten bittere Tränen, aber es musste sein. Als dann die Tür geöffnet wurde, sah ich zu, dass ich wegkam. Ich rollte mich bis zum Bürgersteig und wurde dort sofort von einer Windböe erfasst, die mich quer durch die Stadt vor sich hertrieb. Nach einiger Zeit verhedderte ich mich irgendwo in einem Strauch und blieb mit wahnsinnigen Schmerzen liegen.

Ich kam erst wieder zu mir, als ich aufgehoben wurde. „Sieh mal, was ich hier gefunden habe“, sagte ein junges Mädchen, das mit seinem Freund auf einer Bank saß, „das scheint eine der alten Glühbirnen zu sein. Ich glaube, wir müssen sie bei der europäischen Glühbirnenaufsichtsbehörde abliefern. Erst gestern wurde im Fernsehen durchgegeben, dass diejenigen, die Glühbirnen von 60 Watt aufwärts nicht entsorgen oder in einer Sammelstelle abliefern, mit empfindlichen Strafen zu rechnen haben.“ Als ich das hörte, begann ich zu zittern. Dann wäre ja alles, was ich gerade durchgemacht hatte, vergebens gewesen, denn in der Sammelstelle würde man sofort kurzen Prozess mit mir machen, das war klar. „Zeig mal her“, sagte der junge Mann und nahm mich seiner Freundin aus der Hand. „Die ist ja noch so gut wie neu, wenn auch ein bisschen verschmutzt. Ich glaube, da habe ich eine bessere Idee.“

Und so kam ich zu Sun Liang, der mich dem Pärchen für dreißig Euro abkaufte. Das war ein stolzer Preis für eine durchschnittliche Glühbirne wie mich, und ich fragte mich, was Sun Liang wohl bewog, so viel Geld für mich auszugeben. Zunächst einmal säuberte er mich sorgfältig, denn mein nächtlicher Ausflug hatte doch einige Spuren auf meinem Glas hinterlassen. Als ich wieder blitzblank war, schraubte er mich in eine Lampenfassung und lächelte zufrieden, als ich sofort hell erstrahlte. Ich dankte meinem Schicksal, dass ich so ganz ohne Beschädigung davongekommen war.

Mein neuer Besitzer wickelte mich sorgfältig in ein dickes, weiches Tuch und verstaute mich in einem großen Blechkasten, in dem er ein Sammelsurium von Dingen aufbewahrte wie CDs, DVDs oder Handys, und zu meiner größten Freude lag dort, genauso sorgfältig verpackt wie ich, eine der verbotenen 75-Watt-Glühbirnen. Zunächst dachte ich, es sei mein Mentor Elektor, aber er stellte sich höflich als Chiaro aus Italien vor. Schon bald konnte ich feststellen, dass er über eine ebenso gute Allgemeinbildung verfügte wie der verstorbene Elektor. Das hing wohl damit zusammen, dass sein Einsatzort das Billardzimmer von Don Vittorio, einem gefürchteten Mafiaboss in Kalabrien, gewesen war. Natürlich hatte Chiaro immer die Ohren gespitzt, wenn sich die ehrenwerte Gesellschaft zu einem Spielchen versammelte. Bei einer dieser Zusammenkünfte hatte er auch erfahren, dass die kalabresische Mafia plante, im großen Stil in das Schmuggelgeschäft mit Glühbirnen einzusteigen. Unter mysteriösen Umständen war Chiaro dann in Sun Liangs Besitz geraten. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass einer von Don Vittorios Leuten ihn eines Tages einfach mitgenommen hatte. Aber er hatte wirklich keinen Grund zu klagen, denn wir hatten es überaus bequem bei Sun Liang und mussten überhaupt nicht arbeiten.

Nach ein paar Wochen war es dann so weit. Unsere Kiste wurde zum Flughafen gefahren und als Diplomatengepäck nach Peking aufgegeben. Das war sehr geschickt, denn Diplomatengepäck wird ja bekanntlich von den Zollbehörden nicht durchsucht. Sun Liang hatte für sich einen Platz in derselben Maschine gebucht. Er wollte in seine Heimat zurückfliegen, wo er jedoch nie ankam. Wir warteten einen ganzen Tag in der Pekinger Gepäckaufbewahrung auf ihn. Ich war ganz aufgeregt, doch Chiaro nahm es gelassen und zuckte nur mit den Schultern. Ihm war klar, dass Don Vittorio nicht der Mann war, dem man ungestraft sein Eigentum entwenden konnte. Am nächsten Tag kam ein älterer Herr mit vier stämmigen Burschen vorgefahren, um die Kiste abzuholen. Er wies sich als Professor Xiao Hui von der Eliteuniversität Beida in Peking aus, und mit vielen Verbeugungen wurde ihm die Kiste ausgehändigt.

Es stellte sich heraus, dass Professor Xiao Hui der führende chinesische Wissenschaftler auf dem Gebiet der Beleuchtungstechnik war. Eigensinnig wie er war, hatte er sich in den Kopf gesetzt, der als Umweltschutz getarnten Kulturvernichtung in der EU Einhalt zu gebieten und der traditionellen Glühbirne nicht nur dort, sondern auch in seinem Heimatland China wieder den Platz zuzuweisen, der ihr seiner Meinung nach zustand. Da China an der Schwelle stand, die führende Weltwirtschaftsmacht der Welt zu werden, würde es für die Chinesen auch ein Leichtes werden, den EU-Markt mit den traditionellen Glühbirnen zu überschwemmen. Als Einstieg stellte er sich den Vertrieb über die unzähligen China Restaurants und Asia Märkte vor.

Um die Glühbirnen in der Qualität anzufertigen, wie sie die EU-Bürger gewohnt waren, hatte der Professor Sun Liang gebeten, ihm Originalglühbirnen zu besorgen, die er als Prototypen verwenden konnte. Stundenlang untersuchten er und seine Assistenten Chiaro und mich, vermaßen uns, stellten komplizierte Berechnungen an und zeichneten Pläne, bis sie nach einigen Monaten Glühbirnen in der gewohnten Qualität im großen Stil fertigen konnten. Ihr werdet euch fragen, wie es möglich war, trotz der EU-Glühlampen-Verordnung den europäischen Markt damit zu überschwemmen. Ich kann mich an eine Vorlesung erinnern, in der ein Student des ersten Semesters genau diese Frage stellte. Der Professor lächelte dem jungen Mann wohlwollend zu und sagte: „Im Rahmen der Globalisierung haben wir schon einige der größeren EU-Firmen übernommen, und es ist damit zu rechnen, dass es immer mehr werden. Sollte man uns Steine in den Weg legen, werden wir einfach mit Massenentlassungen drohen. Du wirst staunen, mein Sohn, welche Wunder das bewirkt.“

Eben dieser ehemalige Student, Zhong Li, ist inzwischen Leiter eines großen Glühbirnen-Konzerns in Holland, der von den Chinesen vor einem Jahr übernommen wurde. Neulich erhielt der Professor von ihm eine Ansichtskarte, die eine überdimensionale, brennende Glühbirne vor dem Gebäude des Europa-Parlaments in Brüssel zeigt. Von ihrem Gewindesockel führen dicke, kabelartige Wurzeln in den Boden, die auf die tiefe Verwurzelung der Glühbirne mit der menschlichen Kultur hindeuten. Zhong Li schreibt, dass es sich um ein Mahnmal handele, das auf die fehlgeschlagene Glühbirnenoffensive zu Anfang dieses Jahrhunderts aufmerksam machen soll. Diese Gedenkstätte werde sehr gern von Eltern mit ihren Kindern und sogar von ganzen Schulklassen besucht, um den europäischen Nachwuchs für diese Probleme zu sensibilisieren. Die Glühbirnenverordnung der EU sei außer Kraft gesetzt worden, und in die europäischen Wohnungen sei wieder die frühere Gemütlichkeit zurückgekehrt, so dass aus den einstmals frustrierten EU-Bürgern wieder zufriedene Menschen geworden seien.

So hat sich schließlich alles wieder eingerenkt, und es stünde eigentlich einer Rückkehr in unsere europäische Heimat nichts mehr im Wege. Ich habe gestern das Thema mit meinem Freund Chiaro besprochen. Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2020. Das heißt, dass wir beide nicht mehr die Jüngsten sind. Weder er noch ich haben große Lust, China zu verlassen, denn unser Exil ist mittlerweile zu unserer Heimat geworden. Wir lieben die Chinesen und die Chinesen lieben uns. Nicht umsonst haben sie uns einen Ehrenplatz in der Universität zugewiesen, wohin jeden Tag viele Studenten kommen, um uns zu bewundern und aus unserer Geschichte zu lernen. Für die Studenten des ersten Semesters ist es eine große Ehre, die Scheiben unserer Ausstellungs-Vitrine täglich auf Hochglanz zu polieren. Wer diese wichtige Aufgabe vergisst, kann sich bei Professor Xiao Hui keine großen Chancen mehr ausrechnen. Zum Einsatz kommen wir eigentlich nur noch, wenn der Professor einmal im Jahr die Diplome verleiht oder bei anderen besonders feierlichen Anlässen. Dann erstrahlen wir wieder wie einst in unserem herrlichen Licht und fühlen uns als etwas ganz Besonderes. Ansonsten respektiert man unsere Privatsphäre und lässt uns unser Leben so leben wie wir es gerne möchten. Warum sollten wir also nach Europa zurückkehren?


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Texte: Das Copyright liegt bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2011

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