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Ja, ich weiß. Auch ich bin nicht perfekt. Ich habe nie behauptet perfekt zu sein. Aber meine Mutter wirft mir immer wieder vor, dass ich „meine Nase zu weit oben trage“. Ich sehe das anders. Sie ist ständig diejenige die anderen etwas vorwirft, doch sie könnte sich selbst an der eigenen Nase packen. Ja, ich weiß auch, dass ich auch oft Schuld habe, aber sie sieht nicht ein, dass auch sie falsch liegen könnte. Das ist das einzige, was mich so richtig an ihr stört. Sonst ist sie eigentlich echt toll und erlaubt mir sehr viel, aber wenn sie mal wieder so rummeckert, hasse ich sie. Es ist oft verletzend, was sie mir vorwirft, aber auch ich verletzte sie dann, weil ich will, dass sie auch solche innerlichen Schmerzen hat wie ich. Aber dann bin immer ich diejenige, die nicht auf die Gefühle anderer achte. Wenn ich ihr dann sage, dass sie mich auch verletzt hat, sagt sie, das stimmt nicht und ich habe damit angefangen. Sie will es einfach nicht einsehen, dass sie nicht perfekt ist. Es ist schwierig mit ihr. Na gut, sie hat viel mehr Lebenserfahrung als ich mit meinen 16 Jahren, aber warum sehe ich dann ein, dass Menschen nicht perfekt sein können und sie nicht? Warum versucht sie mir immer Sachen weiszumachen, die ich doch schon weiß? Ich bin kein kleines Kind mehr, aber das will sie wohl nicht einsehen. (Das typische Familiendrama – meine Eltern denken immer noch ich wäre ein kleines Kind, das ständig ihre Hilfe braucht...) Ich meine, wie soll man denn da selbstständig werden, wenn man nicht seine eigenen Fehler machen darf? Ich denke, so fühlen sich viele Teenager – unverstanden und falsch behandelt. Doch unsere Eltern wollen uns nur beschützen, vor den Gefahren der großen, weiten Welt. Sie sollten sich doch mehr Gedanken darüber machen, selbst nicht so große Fehler zu machen. Doch genug von meiner Meinung zum erwachsen werden. Ich beginne mit meiner Geschichte, eine ziemlich miserable Geschichte, wie ich finde.
Es war an einem sonnigen Tag im April. Ich räumte gerade meinen Balkon auf, um ihn gemütlicher zu machen. Meine Mutter kam und fragte mich, ob ich mitfahren wollte in einen Gottesdienst (Ich bin nicht gerade der gläubigste Mensch –meine Mutter schon – und hatte eigentlich besseres vor als in die Kirche zugehen). Also sagte ich, dass ich noch lernen müsse und auch eigentlich keine Lust hätte, mitzukommen. Das schien sie wohl weiter nicht zu stören. Später kam sie noch einmal daher und fragte, ob ich mitkommen wollte zu meiner Oma. Doch an diesem Tag wollte ich einfach nur draußen liegen und den schönen Tag genießen. Also sagte ich auch dazu nein. Sie machte ein komisches Gesicht und ging. Wenig später kam sie wieder und sagte, dass ich entweder mit in den Gottesdienst fahren müsse oder mit zu meiner Oma, wenn ich eins von beiden nicht tat, würde sie irgendeine Konsequenz finden. Das machte mich wütend, weil es bei ihr immer so war – sie fragte zuerst ganz nett und wenn man dann nicht wollte, musste man die Konsequenzen dafür tragen. Ich schrie sie an, sie solle mich nicht zu etwas zwingen, doch sie sah ihre Art des Zwangs nicht als solches an. Aber weil ich keine Konsequenzen tragen wollte, entschied ich mich, mit zu meiner Oma zu fahren. Doch das was jetzt kommt ist eigentlich ziemlich unglaubwürdig, aber wahr. Sie meinte, jetzt brauchte ich gar nichts mehr zu machen, weil ich es nicht freiwillig täte, und ich brauchte auch nicht mehr zu kommen, wenn ich Hilfe bräuchte. (Das war anscheinend dieses Mal die Konsequenz) Was sollte das?! Das ist ihre Art – zuerst nett fragen, dann zwingen und dann sagen, unfreiwillig geht’s nicht. Das machte mich immer so wütend. Ihre Art – sie war mir komplett verhasst. Und es war wirklich nicht nur dieses eine Mal so, es war immer so. Ich glaube, jeder der das jetzt liest, wird mir nicht glauben; eine nette Fantasiegeschichte oder so; aber es ist wahr. Meine Eltern waren damals schon etwas eigen. Wenn ich mit meiner besten Freundin, die gleichzeitig meine Cousine ist, zusammen war, hieß es, ich würde mein Hirn „ausschalten“ in der Zeit. Einmal verboten sie mir es sogar, mich mit ihr zu treffen. Aber ich schaltete mein Hirn nicht aus, ich lebte mein Leben. Zuhause hatte ich das Gefühl, nicht ich sein zu können, weil ich in Wirklichkeit nicht so lebte wie sie wollten. Also begann ich, mein Leben nur dann zu leben, wenn meine Freunde da waren. Wenn meine Eltern es nicht mitbekamen, dass ich anders sein wollte. Die Eltern begehen immer denselben Fehler, sie verbieten ihren Kindern zu viel und denken sie würden es nicht machen. Aber genau diese Verbote machen es noch interessanter. Genau deshalb habe ich Alkohol getrunken, mich zugesoffen bis ich nicht mehr gehen konnte und k*tzen musste. Deshalb traf ich mich mit den Leuten, die angeblich schlechten Einfluss auf mich hatten, die aber nur ein ähnliches Leben führten wie ich. Ich bin nicht perfekt. Aber wer ist das schon? Jeder hat seine Macken, auch ich. Und auch meine Eltern, die wollen das aber nicht einsehen. Manchmal werfen sie mir sogar vor, schizophren zu sein. Nur weil ich an manchen Tagen super gut gelaunt und total nett bin und an anderen Tagen eben etwas bockig und miesepetrig. Aber deshalb bin ich doch nicht schizophren! Ich kann eben nicht jeden Tag gut gelaunt sein oder das vorspielen. Es geht einfach nicht! Dann wären sie ja auch schizophren!?
Es ist keine Geschichte, es ist eine Nacherzählung. Eine Nacherzählung meines Lebens. Ein Leben, das keinen Sinn zu haben vermag. Keinen sichtbaren Sinn. Ich bin oft auf der Suche nach mir selbst. Manchmal macht es mich sogar sehr traurig, wenn ich nicht weiß, wie ich sein möchte. Dann probiere ich immer neue Sachen aus, solange bis ich mich in etwas wohlfühle. Das mache ich solange, bis ich mein eigenes „ICH“ gefunden habe. Von außen mag ich so scheinen, dass ich mich wohlfühle, dass ich stolz darauf bin, ich zu sein. Abe in meinem Inneren bin ich kaputt, versuche mich zu reparieren, einzelne Teile wiederzufinden. Es ist schwierig, meine Gefühle Tag für Tag zu verbergen und zu unterdrücken. Es tut gut, sie niederzuschreiben, mit anderen zu teilen. Es hilft einem, seine Gedanken etwas zu ordnen und den Kopf für anderes frei zu bekommen.
Es ist keine lange Geschichte; Nacherzählung. Aber sie sollte mir helfen. Das tut sie. Mein Name ist Lucie. Ich bin 16 und fühle mich unverstanden und falsch behandelt. Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin, ich habe Probleme mit meinen Eltern und bin auf der Suche nach mir selbst. Ich lebe das Leben eines ganz normalen Teenagers. Eines Teenagers, der leicht unreine Haut hat, Freunde – wahre und falsche – und gerne Neues ausprobiert. Eines Teenagers, der erwachsen werden will. Ich bin normal.

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Tag der Veröffentlichung: 10.04.2011

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