Endlich! So wie sie die Landung auf der Erde herbeigesehnt hatte, so freute sie sich jetzt auf Dagaar. Hier war ihr Zuhause. Stöhnend zwängte sie sich in eine viel zu enge Hose. Ihr Umfang hatte beängstigend zugenommen und Amorin drehte sich um, damit sie seine heitere Miene nicht bemerken sollte. Doch sie schien eine Art sechster Sinn entwickelt zu haben.
"Amorin du Scheusal, dreh dich ruhig um. Ich weiß, dass du über mein hässliches Aussehen lachst.“
"Ich lache nicht über dein Aussehen, für mich bist du genau so schön wie immer. Ich lache über deine Bemühungen, mit Gewalt etwas anzuziehen, das dir nicht mehr passt. Komm her meine Göttin, ich habe dir etwas mitgebracht.“
Überrascht nahm sie ein Päckchen in Empfang und öffnete es neugierig. Eine silbergraue Hose und ein dazu passendes Oberteil. Mit einem Freudenschrei umarmte und küsste sie ihn: "Ich danke dir, wenn es auch zu klein ist aber ich freue mich trotzdem.“
"Dummkopf“, lachte er erheitert, "das ist nicht zu klein. Dieser Stoff passt sich deinem Körper an, wie eine zweite Haut. Probiere die Hose und du wirst es sehen.“ Es stimmte. Das Material schmiegte sich weich an ihren Körper und das lange, elegant geschnittene Oberteil ließ sie schlanker erscheinen. "Wo hast du das her?“
"Mein Geheimnis“, schmunzelte er.
"Das hast du bei dem mitternachtsblauen Kleid damals auch gesagt.“
"Das weißt du noch?“
"Ich weiß alles, was mit dir zu tun hat. Auch dass Ombra dich beauftragt hat, mich genauestens zu beobachten und ich kann dir mitteilen, dass es mir immer noch hervorragend geht.“
"Wenn du wüsstest, wie mich das freut und beruhigt. Ich muss in die Zentrale. Wir landen in einigen Stunden, kommst du mit?“
"Ja, denn jetzt sehe ich wieder wie ein Mensch aus“, lachte sie und hängte sich an seinen Arm.
Faul lag sie auf der Terrasse, Nomir zu ihren Füßen. War Amorin nicht im Haus, wich er keinen Meter von ihrer Seite. Sie war gerührt über die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ihr alle angedeihen ließen. Noch eine Woche, dann hatte sie sieben Monate ihrer Schwangerschaft hinter sich. "Nomir, ich sehe aus wie eine Tonne“, beklagte sie sich bei dem Tiger.
*Aber eine sehr anspruchsvolle und gereizte Tonne,* dachte er und wälzte sich auf die andere Seite.
"Du bist ekelhaft, weißt du das?“
"Meinst du mich?“
"Amorin du bist schon zu Hause?“
"Wie du siehst. Wie geht es meinem Liebling?“
"Den Umständen entsprechend gut“, lachte sie und legte seine Hand auf ihren Bauch. "Fühle mal, wie die zwei sich bewegen. Ich glaube fast, sie bekämpfen sich.“ Amorins Augen leuchteten hell auf und liebevoll küsste er sie auf die Lippen. "Fühlst du dich so gut, dass du mit mir wegfahren kannst?“
"Ich bin doch nicht krank, natürlich kann ich mit dir fahren“, lachte sie und ließ sich von ihm auf die Beine helfen. "Wohin willst du mich entführen?“
"Wirst du schon sehen.“
Nomir gähnte ausgiebig, streckte sich und verschwand durch die Terrassentüre in den nahen Wald. Er hatte Hunger.
Vergeblich versuchte Jenny das Ziel der Reise zu erfahren, doch Amorin gab sein Geheimnis nicht preis. Er lachte nur und schwieg.
"Amorin?“
"Ja?“
"Weißt du, dass ich Angst habe?“
"Angst wovor?“
"Nicht wovor, sondern um was. Ich habe Angst, dass der Junge nicht am Leben bleiben wird.“
"Wie kommst du auf eine so unsinnige Idee?“
"In acht Tagen ist die Zeit um und ich werde von dem Mädchen entbunden. Was wird mit dem Jungen?“
"Hat Ombra dir das gesagt?“
"Ja, der Junge ist noch so klein, während das Mädchen viel größer und voll entwickelt ist.“
"Du sollst dir keine Sorgen machen, Ombra weiß doch immer einen Ausweg.“
"Ich hoffe du hast Recht“, seufzte sie.
"Wir sind da.“ Amorin ließ den Gleiter einen Meter über dem Boden langsam auf ein großes Haus zu schweben.
"Ist es hier schön! So viele Bäume und erst das Haus. Ich glaube es hat tausend Ecken“, lachte sie und schaute bewundernd auf die vielen Erker, Ecken und Winkel. "Dieser Baustil würde auf der Erde niemals genehmigt.“
"Wohl kaum“, lachte er und half ihr aus dem Gleiter, was bei ihrem Umfang gar nicht so einfach war. Mit einer Selbstverständlichkeit legte Amorin seine Hand auf die Öffnungsscheibe und die Haustüre glitt geräuschlos auf beiden Seiten zurück, dann drehte er sich um, hob die Überraschte auf seine Arme und trug sie über die Schwelle.
"Willkommen im neuen Heim!“
"Amorin, was soll das?“
"Hier lebt ein älteres Yurgepaar, das ein kleineres Haus sucht. Ich habe mit ihnen getauscht. Jetzt gehört es uns. Komm, ich zeige dir die Räume.“ Sprachlos folgte sie ihm durch das geräumige Erdgeschoß, dann hinauf zu den Schlafräumen im ersten Stock. Ein riesiger Balkon zog sich um das ganze Haus und Amorin deutete mit dem Arm auf den nahegelegenen Wald: "Der ganze Park, der Wald, alles was du siehst, gehört dazu. Na, wie gefällt es dir?“
"Ich bin sprachlos. Es ist einfach wunderbar.“ Sie beugte sich über das Geländer und sah nach unten. "Wem gehört der Container da unten?“
"Der ist vom Schiff, der gehört doch dir?“
"Meine ganzen Sachen? Amorin, kann ich hier im Haus etwas von meinen Möbeln aufstellen?“
"Du kannst“, lachte er, "ich bin froh, dass dir das Haus gefällt.“
"Wann ziehen wir um?“
"Nicht so eilig. Erst müssen die jetzigen Besitzer vom Urlaub zurückkommen. Außerdem ist der Vertrag noch nicht unterzeichnet, ich wollte erst deine Zustimmung.“
"Und wenn es mir nicht gefallen hätte, würdest du es dann nicht nehmen?“
"Nein, dann würde ich absagen.“
"Amorin, ich liebe dich.“ Mit einem Schmerzenslaut presste sie eine Hand auf den Bauch.
"Was hast du, ist dir nicht gut?“
"Es geht schon wieder, aber jedes Mal wenn ich zu dir sage, dass ich dich liebe, spüre ich einen Schmerz, als würde mir jemand einen Tritt in den Bauch geben.“
"Da täuscht du dich sicher.“
"Ich täusche mich nicht. Komm, lass uns nach Hause fahren und packen.“
"Du bist verrückt“, meinte er schmunzelnd und küsste sie auf die Nasenspitze.
"Auf dem Heimweg legte Jenny ihre Hand auf Amorins Arm: "Bitte, fahre weiter zu Ombra, ich habe ganz vergessen, dass er mich erwartet. Du weißt, wie böse er wird, wenn man eine Verabredung nicht einhält.“
"Gut, dann kann ich mir meine Sprösslinge auf dem Monitor ansehen“, grinste er und stoppte vor Ombras Haus.
Mühsam rappelte sich Jenny aus dem Gleiter. "Bin ich froh, wenn ich mich wieder richtig rühren kann“, stöhnte sie und winkte Ombras Freundin Sanfani zu, die lachend auf sie zukam. "Ein Glück dass du endlich kommst. Ombra ist wütend, weil er schon zwei Stunden auf dich wartet.“
"Sklaventreiber“, murrte die Terranerin und watschelte ins Haus.
"Wie lange lässt du mich noch warten?“
"Ombra, sie trägt ausnahmsweise keine Schuld. Ich hatte ihr das Haus von Richter Mesom gezeigt“, verteidigte er Jenny.
"Deine Disziplin lässt in letzter Zeit genauso zu wünschen übrig wie Jennys“, knurrte er wie ein gereizter Ochil.
"Komm sei lieb“, schmeichelte die Terranerin und küsste ihn auf die Wange. Sofort glättete sich sein Gesicht und Amorin wunderte sich wieder einmal, wie leicht es Jenny immer wieder gelang, diesen bärbeißigen Yurge zu besänftigen. Auf dem Weg in seine Arzträume erzählte sie ihm von dem Schmerz, der sie jedes Mal durchfuhr, wenn sie Amorin eine Liebeserklärung machte. Amorin winkte ab: "Das bildet sie sich nur ein.“
"Das werden wir gleich sehen“, meinte Ombra und deutete auf eine Liege. "Leg dich hin und entspann dich.“
Einige Minuten später, schob Ombra die Liege in eine Röhre und schon konnten sie auf dem Bildschirm die Ungeborenen sehen. Amorin betrachtet voller Staunen und Ehrfurcht das neue werdende Leben.
"Jenny, leg dein ganzes Gefühl in deine Worte, sag mir, wie sehr du Amorin liebst“, befahl er ihr und als sie die Worte wiederholte, konnten sich die beiden Yurge selbst davon überzeugen, wie eines der Kinder, es war das Mädchen, mit dem Fuß ausschlug und Jenny ein Schmerzenslaut über die Lippen kam. Schweigend drückte er auf die "Aus" Taste und holte sie aus der Untersuchungsröhre.
"Amorin hast du es gesehen? Glaubst du mir jetzt? Welches der Kinder war es? "Das Mädchen und wie es mir scheint, ist sie eifersüchtig.“
"Ombra so ein Blödsinn. Das war sicher nur purer Zufall“, wies Amorin den Älteren fast ärgerlich zurecht.“
"Ich hoffe für euch, dass du Recht behältst, sonst könnte es einige Schwierigkeiten geben. Außerdem will ich dich morgen in die Klinik bringen. Das Mädchen ist eine Yurge und will nicht länger warten.“
"Und was ist mit dem Jungen,“ mischte sich Jenny ängstlich ein.
Ombra zuckte mit den Schultern: "Er ist der Größe nach ein Erdling und müsste noch zwei Monate im Mutterleib bleiben. Ich weiß noch nicht, was ich machen werde. Also pack deine Sachen, ich hole dich morgen ab.“
"Ombra wirst du den Jungen retten?“
"Ich tue, was in meiner Macht steht.“
"Dann wirst du es schaffen. Du bist der Einzige der das kann“, meinte sie zuversichtlich und zupfte Amorin am Ärmel: "Komm mein Herr und Gebieter, wir gehen heim, ich muss packen.“
Amorin begegnete Ombras sorgenvollem Blick. Er ließ Sanfani und Jenny vorausgehen und als er mit dem Älteren alleine war, sagte er ernst: "Ombra, du weißt was du zu tun hast. Erst Jenny, dann die Kinder. Sie ist mir das Allerwichtigste. Kein noch so gesundes Kind könnte das aufwiegen.“
"Ich weiß mein Freund und ich verspreche dir, alles nur Yurgemögliche zu tun.“
Müde öffnete Jenny die Augen. Warum nur fühlte sie sich so ausgelaugt? Die Sonne schien blutrot ins Zimmer. Warum ist die Sonne so dunkel, wird es schon Abend? Langsam klärte sich ihr Blick und blieb an einem fremdartigen Wesen hängen. "Wo bin ich?“
"Jenny, wie fühlst du dich?“ Ein Gesicht beugte sich über sie, küsste sie auf die aufgesprungen, trockenen Lippen. Jetzt erkannte sie, wer sie so liebevoll küsste.
"Amorin, Amorin, mir geht es gut“, dann schloss sie die Augen und schlief. Erleichtert ließ sich der Yurge zurück sinken und schloss ebenfalls müde die Augen. Zwei Tage und zwei Nächte saß er hier und wartete darauf, dass sie endlich aufwachen würde. Seine Angst war von Stunde zu Stunde größer geworden. Ombra musste die Terranerin operativ von beiden Kindern entbinden. Das Mädchen war eine echte Yurge und schrie nach Leibeskräften, während der Junge, ein Erdling, demnach ein sieben Monats Kind, klein und schwach war. Der Yurge tat sein Möglichstes, um den Jungen am Leben zu erhalten. Nach zwei Tagen war er so schwach, dass er sich kaum rührte und Ombra wusste, dass er die nächsten Stunden nicht überleben würde, wenn nicht ein Wunder geschah.
Wieder öffnete Jenny die Augen. Amorin schlief im Sessel. Sein Hemd war zerknittert, seine Haare zerzaust. Er hörte nicht einmal Ombra, der mit einem Bündel in der Hand, das Zimmer betrat. "Jenny, ich bringe dir deinen Sohn. Es tut mir leid, aber ich dachte du möchtest ihn einmal sehen.“ Sie streckte die Arme aus und nahm das kleine Wesen. "Wo ist meine Tochter?“
"Der geht es blendend, aber ich dachte, du solltest dich erst um dieses winzige Bübchen kümmern. Du bist meine letzte Hoffnung.“
"Geht es dem Jungen nicht gut?“
"Ich habe getan, was in meiner Macht stand. Vielleicht kannst du ein Wunder vollbringen?“
"Mal sehen“, murmelte sie und legte das Kind an die Brust. Er war zu schwach um zu saugen, doch sie gab nicht auf. Leise sprach sie auf das Kind ein, streichelte und liebkoste es und nach langen Bemühungen spürte sie, wie der Junge versuchte an der Brustwarze zu saugen. Um ihm das trinken zu erleichtern, drückte sie ihre Brust und die Lebensspendende Milch tropfte in den Mund des Kindes. Nach wenigen Schlucken schlief er bereits vor Erschöpfung wieder ein. Amorin war aufgewacht und beobachtete Jennys Bemühungen. "Er ist zu schwach.“
Sie blickte ihn an und ein unbezwingbarer Wille leuchtete in ihren Augen: "Ich werde es schaffen und er auch.“
Sie ließ das Kind nicht mehr aus den Armen, fütterte es, wenn er die Augen aufschlug und so war es Amorin, der das Mädchen als erster in den Armen hielt. Entzückt strich er über den kleinen Kopf, der mit dichten blonden Härchen bedeckt war. Mit großen fragenden grünen Augen, blickte sie Amorin an und ein unsichtbares Band wurde zwischen den beiden geknüpft. Hungrig schrie das kleine Wesen seinen Erzeuger an und er reichte Jenny das mit den Ärmchen um sich schlagende Bündel: "Wie kann ein so kleines Kind schon so laut brüllen“, meinte er fassungslos. Die Terranerin lachte, legte das Mädchen an die Brust und sofort kehrte Stille ein.
"Du meckerst auch, wenn du Hunger hast“, neckte sie ihn und beugte sich sofort über den Jungen, der kläglich zu wimmern anfing. Sie hatte ihn auf ihren Schoß gelegt, während sie das Mädchen stillte. Ihre Finger strichen liebkosend über das winzige Köpfchen, das Baby beruhigte sich sofort und schlief weiter.
"Welche Namen erhalten die Kinder?“
"Hast du einen Vorschlag Amorin?“
"Ja..., ich dachte, vielleicht möchtest du sie nach deiner Tochter und einem deiner Söhne nennen?“
"Nein. Es ist lieb von dir gemeint, aber das möchte ich nicht. Was hältst du von Tenian Hogenes?“
"Hm, ein schöner Name für einen Jungen. Und das Mädchen?“
"Samina?“
"Gefällt mir auch sehr gut. Es sind alles yurgische Namen. Willst du keinen irdischen...?“
"Nein Amorin. Ich bin hier zu Hause.“ Er beugte sich über sie und küsste sie liebevoll.
"Na, wie geht es der Familie?“ Ombra war unbemerkt eingetreten und grinste über das ganze Gesicht, wurde jedoch sofort ernst, als er das leise Weinen des Jungen vernahm. "Wie geht es dem Kleinen?“
"Ombra er hat bereits ein paarmal getrunken.“
Der Yurge beugte sich über das Kind und murmelte: "Ich glaube, jetzt hat er eine Chance. Jenny mach weiter so, lass ihn jedes Mal trinken, wenn er wach wird“ und du mein Freund“, wandte er sich an Amorin, "du verschwindest und schläfst dich erst mal richtig aus. Du hast zwei Nächte nicht geschlafen.“
"Was höre ich da“, rief die Terranerin erschrocken aus, "entspricht das der Wahrheit Amorin?“
Er nickte müde, doch seine Augen strahlten vor Stolz und Freude.
"Du hast ein Wunder vollbracht, mein Täubchen. Deine aufopfernde Fürsorge hat deinem Sohn das Leben gerettet.“
Sie schaute mit einem glücklichen Lächeln auf das Kind in ihren Armen: "Ich finde auch, dass er schon viel kräftiger geworden ist.“
"Anscheinend hat er doch mehr yurgisches Blut in den Adern, als irdisches. Er hat in knapp acht Tagen die zwei fehlenden Monate wettgemacht. Heute kommt Amorin und holt dich nach Hause.“
"Ich darf heim? Ombra ich liebe dich.“
"Wie viele Männer liebst du noch“, ertönte eine belustigte Stimme von der Tür her. Jenny lachte ihren Gefährten schadenfroh an: "Jetzt liebe ich schon drei und manchmal weiß ich nicht, wen ich am liebsten habe.“
Der Yurge verdrehte in komischem Entsetzen die Augen: "Ombra, ich denke ich überlasse sie dir. Mir wird angst und bang.“
"Das würde dir so passen“, schimpfte sie und legte Tenian und Samina in ein breites Bettchen. Amorin nahm sie in den Arm, küsste sie liebevoll auf den Mund und flüsterte: "Wo ich mich doch schon so auf euch drei freue. Das Haus ist viel zu groß für mich alleine und ich langweile mich schrecklich ohne dich.“
"Na, dann nichts wie heim. Ombra kommst du mit?“
"Und ob ich mitkomme. Ich will doch dein Gesicht sehen, wenn du das Haus betrittst.“
"Das Haus? Amorin, soll das heißen, dass wir schon umgezogen sind?“
"Das soll es heißen und du wirst staunen.“
"Dann lasst uns endlich fahren.“ Jenny konnte es kaum erwarten und ihre Unruhe übertrug sich auf den Jungen, der jämmerlich anfing zu schreien.
Energisch hob Amorin das Bettchen mit den Kindern auf eine Robot Bahre: "Ombra komm. Wenn wir noch länger warten, wird Samina auch noch wach. Jenny kann ja hier bleiben.“
"Nein, nein, ich will mit“, rief sie lachend und hängte sich bei Ombra ein. Zwanzig Minuten später, hielt der Gleiter vor dem Haus des Richters Mesom. Ombra trug das Bettchen und Amorin half Jenny aus dem Fahrzeug.
Tief atmete sie die klare würzige Luft ein: "Tut das gut. Diese eine Woche, ist mir länger als ein Monat vorgekommen. Ach ist es hier schön und vor allem ruhig.“
Lautlos glitten die Flügel der Haustüre auf und der Yurge schob Jenny über die Schwelle. Fast andächtig ging sie von einem Raum in den anderen. Überall bemerkte sie Möbel aus ihrem Haus von der Erde. "Gefällt es dir nicht?“
"Nicht gefallen? Es ist einfach wunderbar. Wie bist du nur auf diese Idee gekommen?“
"Das war unser Werk“, bekräftigte Ombra stolz.
"Ich habe noch eine Überraschung für dich, komm mit!“ Ungeduldig ergriff Amorin ihre Hand und zog sie hinter sich die Treppe hinauf, dann führte er sie von einem Zimmer ins andere. Das Elternschlafzimmer, zwei Kinderzimmer, ein Gästezimmer und noch ein Raum, den sich Amorin als Büro einrichten wollte. Als sie über die Schwelle trat, blieb sie mit einem Ausruf des Entzückens stehen. Fast exakt stand sie in ihrem gemütlichen Wohnzimmer. Dank Amorins fotografischem Gedächtnis, war es Ombra und ihm ein Leichtes, die Möbel so zu stellen, wie sie in ihrem Häuschen gestanden hatten. Sie brachte vor Freude und Rührung keinen Laut über die Lippen. Nur an ihren leuchtenden Augen erkannte er, wie sehr sie sich freute. "Du wolltest doch hier dein Büro einrichten?“
"Ja, aber ich finde der Raum ist für dich besser geeignet. Hier kannst du dich zurückziehen, wenn du meiner gerade überdrüssig bist und die Kinderzimmer sind auch in der Nähe. Ich habe ja unten genug Platz für ein Büro.“
"Amorin... ich danke dir.“
Liebevoll umarmte er sie, drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und meinte: "Komm, lass uns nach unten gehen. Nicht, dass uns Ombra noch verdurstet.“
Nachdenklich stand sie am Fenster und sah in den Garten. Sechs Monate waren in Frieden und Harmonie vergangen. Die Zwillinge hatten sich prächtig entwickelt. Sie krabbelten bereits auf der Wiese herum und Nomir, der die meiste Zeit Kindermädchen spielte, holte sie mit seinem langen Schwanz zurück, wenn sie sich zu weit von ihm entfernten. Er lag faul auf der Seite und Samina, das kleine blonde Hexlein, versuchte mit Begeisterung, immer wieder auf seinen Rücken zu klettern. Sie betrachtete das friedliche Bild, doch nahm sie es gar nicht richtig wahr. Ihre Gedanken weilten bei Amorin und ihre ersten so glücklich verlaufenen Wochen im neuen Heim.
Der Yurge war ein liebevoller Vater und fürsorglicher Gefährte. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Die ersten zwei Monate schliefen sie im gleichen Zimmer, doch dann plötzlich, von einem Tag auf den anderen, zog er ins Gästezimmer. Er begründete es mit Rücksicht auf ihren sowieso schon wenigen Schlaf, da er bis spät in die Nacht arbeiten musste und sie dann nicht mehr stören wollte. Die erste Zeit, hatte sie vollstes Verständnis und war ihm sogar dankbar, dass er keinen Versuch machte, mit ihr zu schlafen. Doch jetzt, nach einem halben Jahr? Er nahm sie nicht mehr in den Arm, küsste sie auch nicht. Was war los mit ihm? Einige Nächte hatte er außer Haus verbracht, ihr jedoch nie erzählt wohin er gegangen war. Brachte sie das Gespräch darauf, wich er ihr aus oder verließ wortlos das Zimmer.
"Wenn er heute nach Hause kommt, werde ich nicht eher ruhen, bis er mir Antwort auf meine Fragen gibt. So kann es nicht weiter gehen“, murmelte sie und wandte sich traurig vom Fenster ab.
Die Kinder schliefen bereits, als Amorin müde den Wohnraum betrat. Er machte einen erschöpften Eindruck. Missmutig setzte er sich und wartete, dass Jenny mit dem Essen kam. Zerstreut stocherte er mit der Gabel im Teller und bequemte sich dann endlich zu der Frage: "Was hast du heute gemacht? Wie geht es den Kindern?“
"Gut“, gab sie zur Antwort. "Amorin, willst du mir nicht sagen was dich quält?“
"Nichts!“ Mit einem Ruck schob er den Teller zurück, stand auf und verließ den Raum, um sich wie immer in sein Büro zurück zu ziehen.
Warum ließ er sie an seinem Ärger oder was immer in bedrückte, nicht teilhaben? Er hatte eine unsichtbare Mauer um sich errichtet und ließ sie nicht an sich heran. Nur wenn er mit den Zwillingen spielte, taute er auf, lachte und scherzte er und war so wie früher. Doch kaum kam sie in seine Nähe, verschloss sich seine Miene, wurde undurchdringlich, abwehrend und kalt.
Wieder lag sie alleine im Bett und versuchte, wie schon so oft, vergeblich Schlaf zu finden. Wütend erhob sie sich, schlüpfte in einen Morgenmantel und ging auf den Balkon hinaus. Im Erdgeschoss brannte Licht und einer Eingebung folgend lief sie die Treppe nach unten. In der offenen Tür blieb sie stehen. Sie sah ihn am Schreibtisch sitzen, den Kopf in die Hände gestützt. Eine unsichtbare Macht zog sie plötzlich in sein Zimmer, dann stand sie neben ihm, legte die Arme um seinen Hals und barg ihr Gesicht in seinem Haar. Ihre Stimme klang leise: "Amorin, bitte sag mir was du hast, bitte sag es mir endlich.“
Ein paar Sekunden blieb er sitzen und rührte sich nicht, dann aber sprang er mit einem Fluch auf und schob sie abwehrend von sich. Die Begierde, sie an sich zu ziehen, blitzte in seinen Augen so kurz auf, dass sie glaubte, sich getäuscht zu haben und seine harten Worte bestätigten es. "Verschwinde sofort aus meinem Zimmer und komme nie mehr herein, wenn ich dich nicht ausdrücklich rufe. Willst du mich umbringen? Geh, geh, sag ich dir!“
Sie stand zu einer Salzsäule erstarrt und blickte in sein wütendes Gesicht. Das konnte nicht Amorin sein, das gab es nicht. Aber er war es. Er schrie immer weiter und verlangte, dass sie sein Zimmer endlich verlassen solle, da drehte sie sich aufschluchzend um und stürzte von Panik erfüllt hinaus und lief die Treppe nach oben. Sie wusste später nicht mehr, wie sie in ihr Zimmer und in ihr Bett gekommen war. Wieder einmal weinte sie sich in den Schlaf.
Am nächsten Morgen, badete und fütterte sie wie gewöhnlich die Kinder. Nomir kam, legte sich mitten im Wohnraum auf den Boden und wartete, dass Jenny die Rasselbande auf ihn los ließ.
Der Tiger beobachtete sie intensiv und als sie sich anschickte nach oben zu gehen, übermittelte er ihr, *bleib hier, Amorin ist bereits weg.*
"Weg? Wohin?“
*Es wäre besser, du würdest eine Weile zu Ombra ziehen. Ruf ihn an.*
"Nomir was habe ich Amorin denn getan, dass er mich so hasst?“
*Er hasst dich nicht. Er rennt vor dir davon.*
"Aber warum denn“, schluchzte sie, doch Nomir gab ihr keine Antwort. Kurz entschlossen ging sie an den Monitor und stellte eine Verbindung zu Ombra her. Der Bildschirm erhellte sich und sie sah, dass er sich in seinem Labor befand. Unwillig über die Störung drehte er den Kopf in Richtung Bildschirm. Seine finstere Miene erhellte sich augenblicklich, als er die Terranerin erkannte. "Das nenne ich eine Freude. Wie geht es dir mein Täubchen und den süßen Fratzen?“
"Ombra, kann ich eine Weile bei dir wohnen? Mit den Kindern meine ich... und Nomir.“
Erst sah er sie erstaunt an, dann schien er zu begreifen, schwieg einen Moment und nickte dann: "Ist gut, komm wann du willst.“
"Ich möchte sofort kommen.“
Ombra nickte wieder und unterbrach die Verbindung.
Eine Stunde später war sie bereits in Ombras Haus. Die Kinder strahlten, als sie den älteren Yurge sahen und Sanfani hatte Mühe die beiden von ihm zu trennen.
"Du hattest es aber eilig. Was ist los? Dir geht es, wie mir scheint gut und den Kindern auch. Ist etwas mit Amorin?“ Unter Tränen nickte sie und schluchzte: "Er ist fort.“
"Fort? Er verlässt doch jeden Tag das Haus.“
"Ja, aber nicht mit einem Koffer und seinen Sachen.“
"Hat er mit dir gesprochen?“
"Ich wollte mit ihm reden, da hat er mich kurzerhand aus dem Zimmer geworfen. Er hat mich angeschrien als wäre ich eine..., eine...“
"Hör auf zu weinen, komm erst mal mit in mein Labor. Ich muss dir etwas zeigen und dann reden wir.“
"Ich will jetzt nichts sehen Ombra. Ich will nur meine Ruhe.“
Ohne auf ihren Protest einzugehen, schob er sie vor sich her in einen mit Tischen, Regalen und vielen Flaschen angefüllten Raum. Er dirigierte sie zu einem großen Tisch mit vielen Geräten. "Setz dich und schau durch das Mikroskop.“
Widerwillig kam sie seinem Wunsch nach und blickte in das Vergrößerungsglas. "Was ist das?“ Sie blickte auf eine Unmenge sich bewegender winziger Stäbchen.
"Das ist die normale Bakterien Flora einer Frau im Scheidengang.“ Ombra nahm das Plättchen weg und legte ein anderes unter das Mikroskop. "Und so sieht der Scheidengang einer Yurge nach Geburt eines Kindes aus.“
Das Plättchen war übersät von vielen Kügelchen, die sich über die Stäbchen hermachten und sie fraßen.
"Was hat das mit mir zu tun?“
Wieder legte Ombra ein neues Präparat ein. "Schau dir das an. Das ist deine Bakterien Flora vor der Entbindung und das, nach der Geburt der Kinder.“ Wieder wechselte er die Teststreifen und Jenny sah, dass sich ihre Bakterien ebenfalls erschreckend verändert hatten. Viele Kügelchen bewegten sich eilig hin und her und versuchten die anderen Stäbchenbakterien aufzufressen.
"Schau dir die Teststreifen in Ruhe an, ich möchte erst nachsehen, ob Sanfani mit deinen Temperamentsbündeln fertig wird.“ Doch seine Sorge war unbegründet. Die Kinder lagen in einem eingezäunten Stück Wiese und schliefen. Nomir lag davor und passte auf. Er ließ ein leises Fauchen zur Begrüßung hören, dann legte er den Kopf auf die Pfoten.
"Ach Nomir“, murmelte der Yurge und kraulte den Tiger am Ohr, "die schlechten Nachrichten muss immer ich überbringen. Amorin macht sich`s leicht. Ich könnte ihm den Hals umdrehen.“ Seufzend wandte er sich wieder dem Haus zu. Sanfani, seine Freundin, die erst vor kurzem zu ihm gezogen war, hatte in der Zwischenzeit Kaffee gebracht und unterhielt sich mit Jenny über deren Problem, das Amorin hieß.
Fragend schaute die Terranerin dem Yurge entgegen: "Ombra warum zeigst du mir das? Was hat das alles zu bedeuten?“
"Hat Amorin mit dir nicht gesprochen?“
"Über was hätte er mit mir reden sollen? Er kommt abends nach Hause, begrüßt die Kinder, isst und verzieht sich in sein Büro. Mich hat er die letzten Monate geflissentlich übersehen. Gestern Abend bin ich in sein Zimmer. Ich wollte mit ihm reden, da hat er mich angebrüllt und hinausgeworfen. Heute Morgen war er weg.“
Ärgerlich steckte Ombra die Teststreifen in einen Kasten zurück und schwieg.
"Ombra, was ist nur los mit euch Männern. Nun schweigst du dich auch aus. Kann mir denn keiner sagen, was hier vor sich geht?“
"Na gut! ...Ich habe befürchtet, dass sich die Bakterien Flora auch bei dir
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Lissa Seebauer
Bildmaterialien: Cover von Horst Hübner
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2014
ISBN: 978-3-7368-4947-1
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