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Mora

Nachdenklich starrte Mora aus dem Fenster. Die Yerpa I war vor drei Tagen gelandet. Amorin war wieder da. Sonst kam er doch immer sofort zu ihr. Warum hatte er sich noch nicht gemeldet? Sie war befremdet und fand es mehr als seltsam.

Mora war eine bildschöne, bezaubernde Yurge und seit vielen Jahren Amorins Freundin. Sie hegte  berechtigte Hoffnungen, bei einem der nächsten Bälle, seine Gefährtin zu werden. Sie seufzte, als sie daran dachte, dass es ihm immer wieder mit Erfolg gelungen war, seine Freiheit zu behalten. Dieses Mal kommt er mir nicht so billig davon, dachte sie und verließ eilig ihre Wohnung. Voller Erwartung und Wiedersehensfreude flog sie in ihrem Gleiter zu seinem Haus, das wie sie hoffte, bald auch das ihre sein würde.

Ohne abzuwarten, bis man sie hinein bat, stürmte sie in den Wohnraum und fiel eine Minute später Amorin voller Freude um den Hals. "Oh Amorin, warum hast du dich noch nicht bei mir gemeldet. Eben erfuhr ich, dass du schon drei Tage auf Dagaar bist. Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt.“

Vergeblich versuchte er sich aus ihren Armen zu befreien. Bei allen Hooklas, die Yurge  hatte er völlig vergessen.

"Mora, ich freue mich auch dich wiederzusehen. Wie ist es dir in den zwei Jahren ergangen? Du siehst wie immer bezaubernd aus.“

Ein diskretes Hüsteln brachte die junge Frau dazu, ihren Kopf zu drehen. Ein fremdartiges Wesen stand auf der Treppe und starrte verwundert auf die Szene.

"Amorin, hast du eine Außerirdische als Bedienstete mitgebracht? Das finde ich wunderbar. Dann hast du es dir endlich überlegt und wir ziehen zusammen?“

Mit sanfter Gewalt schob er sie von sich weg. "Mora, das stimmt nicht ganz. Diese Außerirdische ist nicht meine Bedienstete, sondern meine Gefährtin" und  zu der Terranerin gewandt, "Jenny, darf ich dir Mora, eine langjährige Freundin vorstellen?“

Nach diesen Worten herrschte plötzlich eisiges Schweigen. Mora ließ die Arme sinken und wandte sich um. Ihr Gesicht glich einer starren Maske. Wie versteinert stand sie da. Kein Ton kam über ihre zusammengepressten Lippen, nur die vor Wut schwarz funkelnden Augen musterten voller Hass die blonde, zierliche Fremde. Jenny fing sich als erste wieder und sie hieß Mora freundlich willkommen. Voller Abscheu wandte sich die Yurge von der Außerirdischen ab und zu Amorin um: "Bei allen Dagros! Amorin, was soll das. Willst du mich ärgern? Wir beide haben schon so lange ich denken kann, zusammengehört und wir werden auch weiterhin zusammengehören.“

Beschwichtigend hob er die Hand: "Mora, sei vernünftig. Wir waren doch immer gute Freunde und ich will, dass wir das auch bleiben.“

"Gute Freunde“, sie äffte die Worte nach, "nein mein Lieber. Beim nächsten Ball sollte ich deine Gefährtin werden und nicht deine liebe Freundin bleiben. Und jetzt kommst du zurück und präsentierst mir so ein Fabelwesen, das besser in einen Zoo passen würde, als in dieses Haus!“

Zornig hob sie die zur Faust geballte Hand und ihre Stimme klang heiser vor Wut: "So einfach kommst du mir nicht davon. Ich werde Mittel und Wege finden...“ Mit einem Schrei brach sie ab und stürmte aus dem Haus.

Entgeistert blickte Jenny auf die geschlossene Tür, dann musterte sie Amorin: "Hast du noch mehr so Überraschungen auf Lager? Wie viele Freundinnen kommen noch?“

Er lachte und küsste sie weich auf den Mund, "Rege dich nicht auf, es kommt bestimmt keine mehr.“

"Amorin, sie macht mir Angst. Du solltest ihre Drohungen ernst nehmen.“

"Aber nein, Mora ist ein vernünftiges Mädchen. Wenn sie erst eine Nacht darüber geschlafen hat, wird sie einsehen, dass es kein Zurück mehr gibt. Ich habe ihr nie große Hoffnungen auf eine Partnerschaft gemacht. Wir waren und sind sehr gute Freunde und nicht mehr.“

"Nicht viele Hoffnungen gemacht? Ein bisschen also doch. Glaubst du nicht, dass Mora ganz anders darüber denkt?“

"Zerbrich dir darüber nicht dein hübsches Köpfchen“, schmunzelte er und verschloss ihre Lippen mit einem innigen Kuss, "oder willst du dass ich zu Mora gehe?“

"Untersteh dich du..., du..., Barbar“, schimpfte sie und sein Grinsen wurde noch breiter: „Ich glaube gar, meine Hexe ist eifersüchtig, das finde ich wunderbar.“  Er zog sie in seine Arme und versuchte sie wieder zu küssen.

"Amorin, du Kindskopf, lass mich sofort los!“

Verneinend schüttelte er den Kopf und drückte sie noch fester an sich. Jenny erwischte seinen Zopf und zog kräftig daran. Sie wusste bereits aus Erfahrung, dass sie ihn da am besten treffen konnte. Mit den Haaren waren die Yurge nun mal sehr eigen und er reagierte auch, wie sie es erwartete.

"Lässt du mich sofort los du kleines Biest, oder ich ziehe dich aus!“

"Dann löse ich deinen Zopf“, trumpfte sie auf.

"Das wirst du schön bleiben lassen!“

"Also gut, dann Waffenstillstand“, japste sie völlig außer Atem.

"Das würde dir so passen“, lachte er und versuchte ihre Handgelenke zu fassen. Eine Sekunde nur lockerte er den Griff und schon riss sie sich los und fegte wie ein Wirbelwind die Treppe hinauf.

"Na warte!“ Seine Augen blitzten vor Vergnügen, als er die Türen sicherte und dann der Terranerin folgte. Eine Weile hörte man übermütiges Gelächter, dann wurde es für eine lange Zeit sehr still.

Ein sturer Roboter

"Wann gehst du zum Targo?“ Amorin sah sie über den Rand seiner Tasse hinweg an und zuckte mit der Schulter: "Wenn er mich ruft. Ich denke, dass er in den nächsten Tagen zurückkommt. Targo ist sicher begierig zu erfahren, was wir in den zwei Jahren alles erlebt haben.“

Ein leises durchdringendes Summen ertönte aus seinem Büro.

"Man soll nie etwas verschreien. Das kann doch nur dein Targo sein“,  unkte sie.

"Oder Ombra“, ergänzte  er und verließ den Wohnraum.

Mit einem abgrundtiefen Seufzer stellte sie die Tasse auf den Tisch. "Acht Tage bin ich jetzt auf einem anderen Planeten, sitze in einem mir noch fremden Haus, an einem Tisch, der geformt ist wie ein "S" und fühle mich trotzdem so wohl, als wäre ich schon seit ewigen Zeiten hier. Der Mensch gewöhnt sich doch an alles.“

"Kann ich abräumen?“

Erschrocken zuckte sie zusammen. "Nur an dich kann ich mich nicht gewöhnen“, lachte sie und sah dem Roboter zu, der in Windeseile den Tisch abräumte. Eine Kugel drehte sich in ihre Richtung und zwei bemerkenswert echt wirkende Augen blieben einen Augenblick auf ihr haften. "Wenn du hier wohnst, wirst du dich an mich gewöhnen. Ich sorge für Ordnung.“

"Wenn Amorin wieder arbeitet, werde ich dich abschalten. Ich mache lieber selber sauber. Was sollte ich sonst den ganzen Tag  tun.“

"Ich lasse mich nicht abschalten. Ich werde dich melden“, schnarrte der Roboter und verließ geräuschlos den Raum.

"Wenn ich nicht wüsste, dass dieser Blechhaufen kein Gefühl hat, würde ich glauben, dass er verärgert war“, murmelte sie und griff nach ihrer Tasse, doch der Tisch war leer.

"Du verflixter Mülleimer, dir werde ich helfen!“ Wütend sprang sie auf und rannte dem Haushaltsgeist hinterher. An der Türe prallte sie mit dem Yurge zusammen, der eben im Begriff war, das Zimmer zu betreten. "Nanu, willst du mich umbringen? Dein Blick ist ja geradezu mörderisch. Was ist passiert?“

"Was passiert ist? Dein Blech-, Blei-, Eisenhaufen, oder was immer er ist, hat mit Absicht meine volle Tasse abgeräumt. Ich glaube fast, er war wütend, weil ich ihm gesagt habe, dass ich ihn abschalte und die Arbeit selber mache.“Amorin brach in schallendes Gelächter aus: "Er hat dich bereits gemeldet und es abgelehnt von dir berührt zu werden. Ich zeige dir, wie du mit diesem Kasten umgehen musst. Du kannst ihn dann nach Belieben aus- und einschalten. Sie stimmte in sein Lachen ein, "das ist gut, sonst wird der Roboter noch zu meinem Herrn. Wer war am Monitor?“

"Targo. Ich bin für morgen Früh bestellt. Du hast also den ganzen Tag für dich allein. Was wirst du unternehmen?“

"Hm, ich weiß noch nicht. Vielleicht die Umgebung erkunden.“

"Aber nicht allein. Nimm Nomir mit oder  besuche Ombra. Ach nein,  das geht ja nicht. Er ist im Gericht bei einer Verhandlung.“

"Gut, dann schlage ich mich mit dem Tiger in die Wälder. Wenn er sich blicken lässt. Seit drei Tagen habe ich ihn weder gesehen, noch gehört. Hoffentlich ist ihm nichts passiert?“

*Was soll mir schon geschehen*, hörte sie da in ihren Gedanken. * Ich bin ja kein Mensch, der sich ewig in Schwierigkeiten bringt. Ich genieße meine Freiheit. Du hattest bis jetzt ja noch keine Zeit für mich. Morgen stehe ich dir zur Verfügung.*

"Dann sei pünktlich, du vorlauter Geselle“, lachte sie vor sich hin und blickte zufrieden in den purpurroten Abendhimmel.

Der Alltag beginnt

Die nächsten Tage sah Jenny von Amorin nicht sehr viel. Früh am Morgen verließ er das Haus und lange nach Sonnenuntergang kam er müde heim.

"Das war wieder ein Tag. Komm, setz dich zu mir und erzähle, was du alles gesehen und erlebt hast.“

"Du siehst müde aus. Erzähl lieber von deiner Arbeit. Ich möchte dich ungern langweilen.“ Er lächelte und zog sie zu sich auf die Couch. "Ah, es tut gut, dich im Arm zu halten. Du langweilst mich nicht, besonders wenn du nicht vergisst mich nach jedem Satz zu küssen.“

"Du Genießer, dann brauche ich die ganze Nacht, um dir zu berichten, was ich heute alles gesehen habe.“

"Ich habe nicht das Geringste einzuwenden. Eine gute Nachricht habe ich für dich!“

"Und was ist das?“

"Targo fliegt in ein paar Tagen nach Lorco. Irgendein Industriezentrum wird eröffnet.“

"Was hat das mit mir zu tun?“

"Mit uns, meine Liebe. Wir werden ein paar Tage verreisen. Du sollst unseren Planeten kennen lernen. Bis jetzt hast du noch nicht viel davon gesehen. Hast du Lust, oder fühlst du dich in Nomirs Gegenwart wohler?“

Mit einem Aufschrei fiel sie ihm um den Hals: "Und ob ich Lust habe. Jeden Tag mit dem Tiger durch die Gegend zu rennen, ist auch nicht das Wahre. Nicht das mir das nicht gefallen hätte, aber ... ich bin halt doch lieber mit dir zusammen.“

"Wenn das dein Freund hört, ist er dir sicher böse.“

"Hat er schon und seinen Kommentar hättest du hören sollen“, lachte sie, "doch weiß er, wie ich das gemeint habe. Nomir ist und bleibt mein bestes Stück.“

"Wie gefällt es dir bei uns?“

Sie zögerte mit der Antwort und schaute verlegen auf ihre Finger. Amorin konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Er wusste was in ihr vorging. "Ich finde unsere blauen Wiesen wunderschön“, versuchte er sie aus der Reserve zu locken.

"Wunderschön? Na, ich weiß nicht Recht. Wahrscheinlich ist es eine Gewöhnungsfrage. Es gibt für mich nichts schöneres, als saftige, grüne  Wiesen, bunte Blumen und dunkle grüne Tannenwälder. Hier ist das Gras so blau, wie auf der Erde der Himmel. Die Bäume mit ihren seltsam geformten Blättern leuchten fast schwarz und die Blumen, na die kann man wenigstens noch gelten lassen. Auf der Erde gibt es auch Züchtungen in fast allen Farbschattierungen und Formen. Das unwirklichste aber ist eure Sonne. Den ganzen Tag strahlt sie fast blutrot und ist von einer Intensität, die trotz ihres Dämmerlichts in den Augen schmerzt. An den Anblick der vielen Fluggleiter die die Luft bevölkern, habe ich mich bereits gewöhnt und ich brenne darauf, so ein Ding mal selbst zu fliegen.“

"Du meinst, du willst einen Gleiter selbst steuern? Das kommt nicht in Frage. Es wäre zu gefährlich.“

"Zu gefährlich“, wiederholte sie ärgerlich. "Du hättest mich einmal beim Crossing-Car Rennen sehen sollen, das ist bestimmt genauso gefährlich, wenn nicht noch schlimmer. Und da war ich immer unter den ersten Fünf.“

"Was ist ein Crossing-Car Rennen?“

"Das ist ein Autorennen an dem jeder teilnehmen kann, der ein altes Vehikel besitzt und die Gebühr bezahlt. Mindestalter ist 20 Jahre, nach oben gibt es keine Grenze. Je nach Beteiligung, fahren immer 40 bis 60 Autos je zehn Runden. Die besten aus jedem Durchlauf treten dann gegeneinander an. So werden es immer weniger. Am letzten Start, sind dann noch höchstens 30 Autos übrig.“

"Aha und wie viele melden sich zu so einem Rennen“, wollte er interessiert wissen. "Beim Letzten  hatten sich 498 Teilnehmer gemeldet.“

"Und welchen Platz hast du belegt?“

"Leider nur den zweiten. Ein paar Idioten haben mich in die Zange genommen und ihrem Freund zum Sieg verholfen. Aber das zahle ich ihnen zurü...!“ Abrupt brach sie ab und zum ersten Mal, wurde sie sich bewusst, dass sie die Erde aller Wahrscheinlichkeit nach, nie mehr sehen würde."Oh mein Gott!“ Mit einem Ruck setzte sie sich auf und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Amorin sah ihre Schultern zucken und mit einer unendlich zärtlichen Geste, zog er sie in seine Arme und drückte ihren Kopf an seine Brust. "Sch, du sollst nicht weinen. Ich kann dir zwar die Erde nicht zurück bringen, aber meine ganze Liebe schenke ich dir. Vielleicht tröstet es dich ein wenig, wenn ich dir sage, dass du deinen Planeten in einigen Jahren sicher wieder siehst.“

Sie hob ihr tränennasses Gesicht empor und ein kleiner Hoffnungsschimmer leuchtete in ihren verweinten Augen auf: "Wie meinst du das?“

"Ja nun..., also der Targo hat vor, noch einmal in dein Sonnensystem zu fliegen. Allerdings erst wenn der neue Raumer fertig gestellt ist. Dieses Schiff verkürzt die Flugzeit um viele Monate.“

"Und wann wird das sein?“

"Ich denke in ca. zwei bis drei Jahren.“

"Und glaubst du, dass ich mitfliegen darf?“

"Vielleicht. Ich hoffe, du hältst es so lange bei mir aus.“ Amorins Stimme klang ärgerlich und sie sah überrascht, dass seine Augen sich verdunkelten.

"Warum schaust du mich so böse an? Du wirst doch nicht glauben, dass ich nicht bei dir bleibe? Amorin, du bist mein Leben, aber versteh mich doch. Ich bin von einer Minute auf die andere verschwunden und keiner weiß, wo ich geblieben bin. Ich möchte doch nur meine Kinder  wieder sehen und ihnen sagen, dass ich lebe.“

Amorin zuckte die Schultern und erhob sich, "ich kann ja verstehen, dass du Heimweh hast. Wenn wir zurückfliegen, bleibst du bestimmt auf der Erde und ich kann es dir nicht einmal verdenken. Ich könnte nirgendwo anders, als hier auf Dauer leben.“

"Ich werde nicht ohne dich auf der Erde zurückbleiben. Das könnte ich gar nicht.“ Ein nachdenklicher Blick streifte sie, dann zog er sie in die Höhe, drückte sie fest an sich und küsste sie mit einer Leidenschaft, dass ihr Körper zu kribbeln anfing.

"Oh Amorin, ich liebe dich so sehr.“

"Dann lass uns nach oben gehen und ich werde dir beweisen, wie sehr ich dich liebe“, flüsterte er ihr mit heiserer Stimme ins Ohr.

 Ein neuer Auftrag

Der Tiger rekelte sich faul in der Sonne. Er hob nicht einmal den Kopf, als er leise Schritte hörte.

*Wo willst du denn hin,* dachte er und drehte sich auf die andere Seite.

"Ich gehe spazieren und da du anscheinend lieber schläfst, muss ich wohl allein los.“

*Wenn du unbedingt meinst. Gehe aber dem Mao Vogel aus dem Weg. Wo der sich aufhält, ist meist auch die Streifenschlange nicht weit, da diese Biester zu seiner Hauptnahrung gehören. Den Biss dieser Schlange würdest du nicht lange überleben. Dann rate ich dir auch, dich vor dem Panzerwurm in acht zu nehmen. Wenn er mit deiner Haut in Berührung kommt, ist es zu spät um ihn los zu werden. In Windeseile bohrt er sich in dein Fleisch. Er dringt bis zu den Knochen vor, frisst sich dort fest und ernährt sich vom Mark.*

"Puh, hast du noch mehr so wunderbare Geschichten? Da traut man sich ja nicht mehr ins Freie.“

*Blödsinn, das gilt nur für den Wald. Solange du den Bäumen fern bleibst, kann dir gar nichts passieren. Ich würde an deiner Stelle trotzdem nicht weg gehen, da sich gleich Besuch anmelden wird,* dachte Nomir und gähnte.

"Und wer kommt?“ 

*Wirst du gleich sehen.*

"Nomir, du bist unmöglich!“ Ärgerlich wandte sich Jenny ab und ging in den Wohnraum zurück. Der Gong ertönte und wenige Augenblicke später betrat Gerkemon den Raum. "Hallo, wie geht es unserer schönen Terranerin? Hast du dich schon eingelebt? Sicher nicht ganz einfach für dich. Doch wie ich Amorin kenne, steht er dir hilfreich zu Seite. Wo ist er denn?“

"Er müsste schon längst hier sein. Der Targo fliegt heute nach Lorco. Wir wollen auch ein paar Tage wegfahren. Wie geht es Galried?“

"Danke bestens. Sie ist böse, weil wir unseren Urlaub unterbrechen müssen.“

"Wieso denn das?“

"Darum bin ich hier. Ich wollte von Amorin wissen, warum wir schon wieder fliegen sollen. Irgend so ein Erkundungsauftrag.“

"Davon hat Amorin nichts gesagt. Wie lange weißt du das schon?“

"Ich habe es vorhin erst erfahren.“ Zerstreut nahm sie das Glas, das ihr der Roboter hinhielt und Gerkemon grinste: "Du scheinst ja mit Amorins Putz Fee schon ganz  gut zurecht zu kommen.“

"Wie man`s nimmt. Ich finde man hat ihm zu viel Selbstbewusstsein einprogrammiert. Er macht was er will“, schmunzelte sie und sah dem davon rollenden Roboter nach.

"Das nenne ich eine Überraschung“, ertönte Amorins Stimme von  der Türe her. "Was führt dich zu uns mein Freund?“

"Eine ereignisreiche Zeit für dich“, lächelte Gerkemon, "anscheinend weißt du das Neueste noch nicht. Wir fliegen in zwei Tagen.“

Ehe Amorin antworten konnte, summte der Interkom. Mit einer entschuldigenden Geste, verließ er das Zimmer, um das Gespräch entgegen zu nehmen. Nach kurzer Zeit kam er zurück in den Wohnraum und schaute seinen Freund verwundert an: "Anscheinend weiß bereits jeder Bescheid, nur ich bis jetzt nicht. Was soll das bedeuten? Ich werde mich sofort mit der Raumhafenbehörde in Verbindung setzen. Die ganze Mannschaft ist in Urlaub. Ein Großteil ist auf dem Urlaubsplaneten Moslar oder dem Vergnügungsplaneten Brokka. Ich selbst, hatte noch keine Zeit, jeden Tag war etwas anderes. Morgen wollte ich endlich mit Jenny wegfahren. Sie hat von Dagaar so gut wie noch nichts gesehen.“

"Glaubst du, mir geht es anders? Galried hat sich schon so auf die Reise nach Gorma gefreut. Wir wollten einen Trip durch die unwegsamen Wälder dieses wunderschönen Planeten unternehmen und jetzt wird wieder nichts daraus. Es ist zum verrückt werden. Möchte bloß wissen, wer sich das ausgedacht hat.“

Wieder summte der Monitor und die beiden Freunde begaben sich in Amorins Büro. Das lächelnde Gesicht einer Yurge begrüßte die Männer: "Eine ereignisreiche Zeit wünsche ich den Herren. Kommandant! Im Auftrag des Kronrates ergeht an Sie die Order, dass Sie sich und Ihre Mannschaft in zwei Tagen, vormittags, zehn Uhr in der Raumhafenbehörde einzufinden haben.“

"Fast die gesamte Crew ist nicht auf Dagaar. Die Männer haben sich einen Urlaub redlich verdient.“

"Es ist uns bekannt, dass Ihre Mannschaft in  Urlaub ist. Wir haben, soweit es möglich war, Ihre Männer bereits benachrichtigt. Für die nicht zu erreichenden, wurde eine Ersatzcrew zusammengestellt. Würden Sie bitte den Chemiker Ombra noch benachrichtigen? Ihn konnten wir nicht sprechen, da er den ganzen Tag im Gericht zu tun hatte. Da das Unternehmen unter Geheimhaltungsstufe X 1 läuft, werden Ihnen die Zielkoordinaten, erst nach Abflug überspielt.“

"Was soll das Ganze. Es gibt doch bestimmt noch andere Raumfahrer, die darauf brennen, endlich wieder zu fliegen, warum ausgerechnet wir?“

"Tut mir leid, das kann ich Ihnen nicht sagen. Makros vom Kronrat übergab mir den Befehl. Er teilte mir nicht den Zweck dieser Reise mit. Es muss sich aber um einen sehr dringenden Auftrag handeln, sonst würde man Sie nicht aus dem Urlaub abberufen.“

Amorin starrte den dunkel gewordenen Monitor an und fluchte leise vor sich hin, dann wählte er nach kurzer Überlegung Ombras Nummer.

"Hallo ihr beiden“, begrüßte er die  Jüngeren fröhlich, doch als er hörte, dass sie in zwei Tagen Dagaar verlassen mussten, schlug seine gute Laune um. "Kannst du mir vielleicht erklären, was das Ganze soll“, donnerte er in den Monitor. Amorin schüttelte bedauernd den Kopf. "Ombra, ich weiß genau so wenig wie du. Es behagt mir ganz und gar nicht, Jenny alleine zurück zu lassen.“

"Nimm sie doch mit!“

"Ombra, du weißt, dass das nicht geht. Bei einem Sondereinsatz dürfen keine Privatpersonen mitfliegen.“

"Irgendetwas stimmt an der ganzen Sache nicht. Ich werde mich mit Eschma in Verbindung setzen. Vielleicht weiß der mehr von dieser Reise.“ Er trennte die Verbindung und stellte sofort eine Neue her. Sein alter Freund Eschma, Mitglied des Kronrates und engster Vertrauter des Targo, war hocherfreut, als er das Gesicht von Ombra auf dem Bildschirm erkannte. "Ombra, alter Knopf, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wie fühlt man sich nach so langer Abwesenheit von zu Hause? Ich gönne dir den wohlverdienten Urlaub. Ich fliege in fünf Tagen nach Lorco. Möchte endlich wieder mal gute Weine genießen. Hättest du nicht Lust, mich zu begleiten? Ich bleibe ungefähr zehn Tage auf dem Planeten.“

Ombra, der ein gutes Gläschen zu schätzen wusste, schnaubte wie eine Raubechse vor unterdrückter Wut: "Urlaub? Das sagst ausgerechnet du? In zwei Tagen sind wir bereits wieder im Einsatz. Möchte wissen, was ihr euch dabei gedacht habt, uns einen Sonderauftrag der Gruppe blau zuzuschieben!“

Eschma schaute seinen Freund erstaunt und verwundert an: "Ein neuer Einsatz? Davon weiß ich ja gar nichts. Amorins ganze Crew ist doch in Urlaub. Von wem kam der Befehl?“

"Von unserem Freund Makros“, bellte Ombra böse. Der Yurge zog die Brauen in die Höhe: "Das ist mehr als seltsam. Jeder hier weiß, dass Makros auf Amorin nicht gerade gut zu sprechen ist, aber dass er ihm und seinen Männern den wohlverdienten Urlaub versaut, das kann ich fast nicht glauben. Und Wahlen sind in absehbarer Zeit auch keine. Wer also will euch aus dem Wege haben? Einen anderen Grund kann ich mir wirklich nicht denken. Hm, das Ganze ist außerdem so kurzfristig angesetzt, dass meine Verbindungen auch nichts nützen. Du weißt ja, wie schwierig es ist, in dieser kurzen Zeit, Einblick in eine Akte zu bekommen. Besonders wenn es sich um einen Auftrag der Dringlichkeitsstufe Blau X 1 handelt. Der einzige Mann, der das Unternehmen jetzt noch stoppen könnte, ist der Targo und der ist bereits auf dem Weg nach Gorma zu einer  großen Versammlung.“

"Was? Targo fliegt nach Gorma? Warum auf einen unbesiedelten Planeten? Ist er etwa unter die Individualisten gegangen?“

"Nein, es gibt mal wieder Ärger mit den Randvölkern. An der Peripherie gärt es gewaltig. Er versucht, wie schon so oft, zu schlichten und einen Krieg zu verhindern.“

Eschma schwieg eine Weile und sah seinen Freund nachdenklich an: "Ich werde trotzdem versuchen, meinen Einfluss geltend zu machen und einen Aufschub zu erwirken. Versprechen kann ich dir aber nichts.“

Ombra nickte dankend und schaltete das Gerät ab.

Wie Eschma richtig vermutet hatte, war die Zeit zu kurz, um den Flug zu verschieben, oder wenigstens eine andere Crew mit dem Sondereinsatz zu betrauen.

Alleine

 Jenny kämpfte tapfer gegen die aufsteigenden Tränen an, als Amorin sie zum Abschied in die Arme nahm und innig küsste. "Sei nicht traurig. In spätestens drei Wochen sind wir wieder zurück. Dann fliegen wir irgendwohin, wo uns kein Flugbefehl erreichen kann. Nomir wird dir Gesellschaft leisten und auf dich aufpassen, dass dir keiner zu nahe kommt und dir ein Haar krümmt.“

Der Tiger ließ ein zustimmendes Brummen hören und rieb seinen mächtigen Kopf an Jennys Knie.

Der Yurge verließ mit ungutem Gefühl das Haus und stieg in den bereits wartenden Gleiter. Er spürte förmlich die Gefahr die auf ihn zukam und das bereitete ihm Sorgen. Er hatte gelernt warnende Vorzeichen nicht so einfach zu ignorieren. Aber woher kam das Unheil? Der Ochil würde Jenny mit seinem Leben beschützen, das wusste er. Sie war in Sicherheit, also konnte es sich nur um den geheimnisvollen Auftrag handeln. Ombra musterte seinen Kommander: "Wir sind ja bald zurück und Nomir lässt Jenny nicht aus den Augen!“

"Ich mache mir um sie weniger Sorgen. Mir gefällt unser Befehl nicht. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwas ist faul an der Sache. Ombra nickte und schwieg. Er hegte ebenfalls Befürchtungen dieser Art.

Einige Stunden später, hob das Raumschiff  majestätisch langsam vom Boden ab, blieb ein paar Sekunden in etwa einhundert Metern fast unbeweglich stehen, beschleunigte wieder und gewann schnell an Höhe. Mit zunehmender Geschwindigkeit entfernte es sich von Dagaar.

Mit triumphierendem Blick verfolgten zwei grüne Augenpaare, die immer kleiner werdende Kugel. Ein böses Lächeln verzerrte die schönen Züge von Mora. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Zwei Hände schoben sich unter ihren Armen durch, legten sich Besitzergreifend auf ihre wohlgeformten Brüste und drückten sie rhythmisch zusammen. "Du weißt was du mir versprochen hast?“

"Ich habe es nicht vergessen Makros. Aber erst wenn mein Plan ganz ausgeführt ist, gehöre ich dir und du wirst es nicht bereuen, mir geholfen zu haben.

 

Der Abend brach herein und wie gewöhnlich verschwand Nomir im Garten. Er genoss seine Freiheit und durchstreifte in der Nacht die umliegenden Wälder. Abgrundtief seufzend, sah Jenny ihm hinterher. "Du hast es gut. Kannst in der Nacht, genauso wie am Tage herum streunen“, murmelte sie halblaut vor sich hin.

"Was willst du trinken“, schnarrte der Roboter und blinkte sie mit seinen künstlichen Augen an.

"Bringe mir irgendwas.“

"Blöde Bestellung! Irgendwas habe ich nicht!“

"Dann bringe mir ein Glas Wein. Du liebe Zeit, du gehst mir auf die Nerven.“ Wenige Augenblicke später stand ein Glas vor Jenny auf dem Tisch. "Hier dein Wein. Warum nicht gleich so.“

Wütend erhob sich die Terranerin und lief dem vorlauten Hausgeist nach. Sie legte die flache Hand auf ein eigenartiges Zeichen auf seinem Rücken, das Amorin ihr gezeigt hatte. Ein kleiner Druck und er stand still.

"So du Blechkiste, du ärgerst mich nicht mehr. Schließlich brauche ich doch auch noch ein bisschen was zu tun.“

Sie schob den reglos dastehenden Roboter in eine Ecke, schnitt ihm noch eine Grimasse und ging in den Wohnraum zurück. Nachdenklich strich sie mit den Fingerspitzen über eine ganze Reihe von Video Filmen und nach kurzem suchen entschied sie sich für einen Planeten Film. Gemütlich lehnte sie sich zurück und ließ die Bilder auf sich wirken. Dagaar war eine wunderschöne Welt.

Vor ca. 900 Jahren lag der Planet im Sterben. Wie die Menschen die Erde, so beuteten die Yurge rücksichtslos ihre Welt aus. Überall lagerte Schmutz und Müll. Riesige Waldflächen wurden zu kahlen Wüsten und nach einer großen Umweltkatastrophe, der fast zwei Drittel der Yurges zum Opfer fielen, fingen die Überlebenden endlich zu denken und zu handeln an. Es dauerte Hunderte von Jahren, bis sich Dagaar wieder einigermaßen erholte. Die nächsten Planeten wurden besiedelt, strenge Gesetze, die Umwelt betreffend, eingeführt und es entwickelte sich eine neue blühende Kultur mit pflichtbewussteren Yurges. Seit 300 Jahre war es bei Todesstrafe verboten, einen Baum zu fällen. Es wurden nicht die Bäume um die Häuser gepflanzt, sondern Häuser um die Bäume gebaut.

Die willkürliche Tötung der Tiere oder gar Tierversuche an lebenden Tieren, war bis zum heutigen Tag, bei hohen Strafen verboten. Getötet werden durften nur die Tiere, die für die Nahrung gezüchtet wurden und solche, die sich auf den Planeten zu schnell vermehrten und das Gleichgewicht störten. Für Letztere, bedurfte es der ausdrücklichen Genehmigung des Kronrats. Ein kurzes Signal und der Bildschirm erlosch.

"Ist ja alles ganz interessant, aber ich bin müde“, brummelte sie vor sich hin. Ein Gedenk der Warnungen, die ihr Amorin noch ans Herz gelegt hatte, überzeugte sie sich, dass alle Türen gesichert waren, löschte die Lichter  und lief die Treppe nach oben.

Unangemeldeter Besuch

 Ganze zwei Tage, verbrachte Jenny mit stöbern und umräumen. Was würde Amorin wohl sagen, wenn er zurück kam und  sein  Haus nicht wieder erkannte?

"Nomir, wie gefällt dir der Wohnraum jetzt?“

*Wie man es nimmt. Er war vorher genau so schön.*

"Nomir, du bist ein Ekel. Verdirbst mir die ganze Freude.“ Jenny vernahm so etwas wie Gelächter in ihrem Kopf und die Worte, *ich glaube ich verschwinde lieber in den Wald.*

"Ja tu das du schlimme Katze“, lachte sie und drehte an Amorins Aufnahmegeräten herum. Er hatte ihr die Handhabung erklärt und es machte ihr Freude, ihre Stimme in der fremden Sprache zu hören. "Hallo Amorin mein Liebling. Gestern und heute habe ich die Wohnung umgestellt. Hoffentlich gefällt es dir. Ich werde jeden Tag auf Band sprechen, was ich so alles erlebe, dann habe ich ein tönendes Tagebuch. Ich frage mich, wie ich die nächsten Wochen ohne dich überstehen soll. Habe jetzt schon so viel Sehnsucht nach dir. Ich liebe dich, mehr als ich dir sagen kann. Ach ja, Ombra wollte mich doch sofort operieren, wenn wir auf Dagaar sind. Hat er sicher schon vergessen, ich nicht. Mein lieber Adoptivvater hat es wohl absichtlich verg...“

Der melodische Gong kündigte einen Besucher an und Jenny legte das winzige Mikro, ohne es abzuschalten, zur Seite und lief hinaus um die Türe zu öffnen.

Zwei Yurge standen draußen und drängten sie sofort rücksichtslos beiseite. "He, seid Ihr verrückt? Was soll das! Verschwindet auf der Stelle!“

"Halte deinen Mund“, brummte einer der Männer und schob sie mit Gewalt in den Wohnraum. Der zweite Yurge hielt plötzlich einen Laser in der Hand und fuchtelte vor ihren Augen herum. "Nun sei mal schön artig, sonst muss ich böse werden. Wo ist dein Tiger?“

"Mein Tiger?“

"Frag nicht so dumm. Wir wissen, dass du einen zahmen Ochil hast. Also raus mit der Sprache! Wo ist er?“

"Ich weiß es nicht. Irgendwo im Wald. Sucht doch selber.“

"Dann müssen wir es anders probieren.“

"Was wollen Sie mit der Spritze?“

"Ruf deinen Tiger oder ich verabreiche dir ein sehr schmerzhaftes Mittel.“

"Ich kann ihn nicht rufen. Er ist viel zu weit entfernt.“ Im selben Augenblick gewahrte sie aus den Augenwinkeln einen Schatten vor der offenen Tür. Bleibe weg von hier Nomir, dachte sie entsetzt. Die haben es auf dich abgesehen. Ohne auf ihre Warnung zu hören, sprang er mit einem mächtigen Satz den Yurge mit dem Laser an. Noch im fallen, schoss der Yurge.

"Oh Gott nein“, schrie die Terranerin, als sie das riesige Tier zu Boden stürzen sah. Verzweifelt riss sie sich los und lief zu dem bewegungslos daliegenden Tier. Nomir hörst du mich, dachte sie intensiv und ganz leise konnte sie die Worte verstehen, *versuche zu fliehen. Sie wollen dich.*

"Der Ochil ist nicht tot, nur paralysiert“, meinte der Mann, der sich eben vom Boden erhob und die Laser achtlos einsteckte. Der andere grinste hässlich: "Er wird sich freuen, morgen unter seinesgleichen aufzuwachen. Nun aber zu dir. Du wirst jetzt schön schlafen.“

Er riss die Terranerin herum und drückte ihr eine Spritze in den Arm. Jenny wehrte sich verzweifelt, um dem Griff des Mannes zu entkommen. Doch der zweite Yurge hielt sie fest und wehrlos musste sie  zusehen, wie die Nadel tief in ihren Arm stach. "Nein, hört auf. Was macht ihr mit mir. Bitte nicht... nicht...ni...!“

Der Raum begann sich vor ihren Augen zu drehen, ihre Kehle wurde trocken und die Knie gaben nach. Sie sah bunte Lichter, die in einem Feuerwerk von Farben vergingen. Lautlos sank sie in den Armen des Mannes zusammen und barmherzige Dunkelheit hüllte sie wie ein Mantel ein.

"Verdammt, das Zeug wirkt aber schnell. Hast du auch nicht zu viel genommen? Sie ist eine Außerirdische. Hoffentlich hast du sie nicht umgebracht. Unser Auftraggeber zahlt nur, wenn sie am Leben bleibt.“

"Keine Sorge. Ich kenne mich mit Drogen aus. Sie soll ja schlafen, bis die Capps sie finden. Am besten wir legen sie auf die Couch.“

"Vergiß nicht ihr die Spritze in die Hand zu drücken.“

"Idiot, glaubst du ich bin ein Anfänger? Hol lieber den Käfig für den Ochil. Der bringt uns ein schönes Sümmchen extra. So ein prächtiges Tier habe ich lange nicht mehr gesehen. Der wird die Attraktion des Tiergartens.“

Es dauerte eine Weile, ehe sie das schwere Tier in den Käfig gezerrt und abtransportiert hatten.

Ungefähr eine halbe Stunde später, stürmte die Drogenpolizei, kurz Capps genannt, in Amorins Haus. Sie fanden die bewusstlose Frau mit der Spritze in der Hand. "Da sind wir gerade noch rechtzeitig erschienen. Schau dir das an. Die ist ja voll hinüber.“ Einer der  Capps untersuchte die Frau flüchtig, dann schüttelte er den Kopf: "Das ist eine ganz harte Droge. Na das Aufwachen von der möchte ich nicht miterleben. Bringt die Robot Liege. Wir liefern sie im Zentralgefängnis ab.“

Kurze Zeit später war wieder Ruhe im Haus, das eingeschaltete Band aber..., lief immer weiter.

Gefangen

Fürchterliche Schmerzen holten Jenny aus der Bewusstlosigkeit. Sie glaubte in ihrem ganzen Körper schnitten Messer und stachen Nadeln herum. Es gelang ihr nicht einmal die Augen zu öffnen. Sie spürte den Luftzug und hörte Schritte. Ein Yurge blickte kopfschüttelnd auf sie hinab. "Wie kann man sich nur so zurichten. Jetzt liegt sie schon drei Tage bewusstlos hier.“

"Ich glaube, sie kommt zu sich“, hörte die Terranerin eine zweite Stimme. Sie wollte fragen, wo sie war, doch nur heiseres Stöhnen, entschlüpfte ihrem ausgetrockneten Mund.

"Schamorka, könntest du ihr nicht etwas gegen die Schmerzen geben? Sie tut mir fast leid.“

"Nein! Soll sie nur alles aushalten. Vielleicht belehrt sie das eines Besseren und geht in Zukunft der Golso Droge aus dem Weg.“

"Was? Dieses Zeug hat sie sich gespritzt? Du gütiger Hooklas, dann kann ich verstehen, warum es ihr so schlecht geht. Bin bloß gespannt, ob sie die Gerichtsverhandlung überstehen wird.“

"Wann ist die?“

"In drei Tagen, soviel ich weiß.“

"Dann muss ich ihr wohl oder übel etwas geben, damit sie einigermaßen klar ist.“

Der Yurge, der von dem anderen mit Schamorka angesprochen wurde, holte einen dünnen Stab aus der Tasche und hielt ihn an den Arm der Terranerin. Eine mikroskopisch dünne Nadel schnellte vor und injizierte ihr eine farblose Flüssigkeit. Fast Augenblicklich ließen die qualvollen Schmerzen nach. "So, das sollte genügen. Untersuchung braucht es keine, da sie so oder so verurteilt wird.“

"Wie meinst du das?“

"Wie ich es sage. Du weißt doch, dass Makros bestimmte Leute bereits verurteilt hat, ehe die Verhandlung begann.“

"Ich finde das nicht Recht!“

"Was ist Recht und was nicht?“

"Schamorka, du könntest für die Frau aussagen. Dann müsste sie wenigstens nicht nach Kelron.“

"Nein! Ich wurde nur von Makros beauftragt, über die Art der Droge und den Hergang zu berichten.“

"Aber du kennst den Hergang nicht.“

"Ist das nicht egal? Ich sage, sie hat sich das Zeug selbst gespritzt und alles ist für mich in Ordnung.“

"Schamorka, dich möchte ich nicht zum Feind haben. Was hat dir diese Frau denn getan?“

"Nichts! Sie ist nur ein Rädchen im Getriebe. Wer weint schon einer so heruntergekommenen Außerirdischen nach. Wenn sie wenigstens hübsch wäre. Ich frage mich allen Ernstes welcher verrückte Yurge sich so ein unappetitliches Wesen mitbringt. Er hätte besser daran getan, sie da zu lassen, wo sie hingehört. Na, jetzt ist es auf alle Fälle zu spät. Wenn in drei Tagen die Verhandlung ist, dann schätze ich, fliegt sie spätestens nächste Woche auf den Strafplaneten. Schließ auf Gostra, ich muss gehen. Wie ich sehe, geht es unserem Todeskandidaten schon wieder besser.“

Die Stimmen entfernten sich, die Türe schloss sich lautlos und Jenny war alleine. Was sollte das alles bedeuten? Wo um alles in der Welt befand sie sich? Vergeblich bemühte sie sich aufzustehen. Kraftlos fiel sie immer wieder auf die harte Liege zurück. Nach etlichen Versuchen gab sie auf und drehte den Kopf zur Wand. Wenigstens weinen kann ich noch, dachte sie unglücklich und ließ den Tränen freien Lauf.

Die nächsten Tage vergingen in monotoner Einsamkeit. Sie bekam kein lebendes Wesen zu Gesicht. Das Essen brachten Roboter und als es ihr endlich gelang, aufzustehen um den Duschraum zu benutzen, glaubte sie, es wäre ein Feiertag. Kleidung zum Wechseln gab es nicht und so wusch sie ihre Sachen in der Dusche und ließ sie unter der Heißluft trocknen.

Die Verhandlung

 "Steh auf!“

Unsanft rüttelte sie jemand  an der Schulter. "Was ist los? Bin ich frei?“

"Frei? Du armer Gorl. Du wirst nie wieder frei sein. Heute ist deine Verhandlung und anschließend wirst du nach Kelron gebracht.“

"Aber weshalb? Ich habe nichts getan. Man hat mich im Haus des Kommandanten Hogenes überfallen.“

"Dieses Märchen glaubt dir doch niemand. Steh auf und komm endlich. Wirst du dich anständig benehmen oder muss ich dir Magnetfesseln anlegen?“

"Glauben Sie etwa, ich würde fliehen? Ich kann mich doch kaum auf den Beinen halten.“

Der Aufseher nickte und schob sie vor sich her. Die Gänge, durch die sie mehr stolperte als ging, waren hoch, lang und fürchterlich kahl. Endlich erreichten sie einen großen, spärlich möblierten Raum. Ihr Blick fiel auf einen halbkreisförmigen Tisch, an dem vier Männer und zwei Frauen Platz genommen hatten.

Gostra, der Wärter drückte sie auf einen Stuhl nieder, der mitten im Raum platziert war. Die Yurge, es handelte sich um drei Gremiumsmitglieder und drei Beisitzer, blickten die Außerirdische mit ausdruckslosen Gesichtern an.

Um nicht in die kalten Augen dieser Lebewesen schauen zu müssen, senkte Jenny den Kopf und dachte an die Unterrichtsstunden auf der Yerpa I zurück. Wie lange war das her? Was hatte ihr Ombra von der Regierung Dakaars erzählt?  Das Oberhaupt war der Hohe Targo, dem schlossen sich 5 Beisitzer an, denen wiederum 10 Gremiumsmitglieder unterstanden. Der Targo wurde alle zehn Jahre neu gewählt. Bisher waren alle Targos bis an ihr Lebensende im Amt. Nur der Targo selbst konnte seine Beisitzer entlassen oder einstellen, ebenso wie die Gremiumsmitglieder.

Wie es das Gesetz verlangte, mussten bei jeder Gerichtsverhandlung mindestens drei Beisitzer und drei Gremiumsmitglieder anwesend sein. Bei der heutigen Verhandlung führte der Beisitzer Makros den Vorsitz. Er war nach Amorin der Thronanwärter auf das Amt des Targo. Sollte dieser sterben, oder was sehr unwahrscheinlich war, einmal nicht mehr gewählt werden. Makros war der ewige Widersacher des Kommandanten. Der nicht nur um die Gunst des Targo kämpfte, sondern auch seit Jahren vergeblich versuchte, Mora die Freundin Amorins für sich zu gewinnen. Nun sollte er endlich sein Ziel erreichen. Wenn er diese Außerirdische verurteilte, gehörte Mora ihm.

Und wie lange wird sie mir gehören, wenn diese andere Frau verschwindet? Irgendwie hatte er das unbestimmte Gefühl, dass er von Mora nur benutzt wurde, um Amorin zurück zu gewinnen. Er musterte die blonde, schlanke Erscheinung. Sie sah verwahrlost und ungepflegt aus. Ihre auffallend blauen Augen, schauten das Konsortium verwundert an, so als könnte sie es nicht fassen, hier zu sitzen.

Der Beisitzer Wargonin beugte sich zu Makros und flüsterte: "Nun fang schon endlich an, damit wir dieses Spektakel hinter uns bringen. Ich möchte mit meiner Freundin nach Kelsa zum Essen fliegen, also beeile dich gefälligst. Makros nickte, erhob sich und las mit lauter Stimme die Anklageschrift vor.

Die Terranerin hörte mit immer größerer Verwunderung zu. Es war von mehreren Gesetzesübertretungen die Rede. Sie habe ein gefährliches Raubtier frei laufen lassen, dann habe sie sich Zugang in das Haus des Kommandanten verschafft, um mit ein paar jungen Leuten eine Drogen Orgie zu veranstalten. Leider hieß es weiter, konnte man der anderen Yurge oder Außerirdischen nicht habhaft werden. Als die Capps erschienen, war nur noch eine Person im Haus und das war sie. Eine Süchtige, die sich die gefährliche  Golso Droge gespritzt hatte.

"Stehen Sie auf und erklären Sie sich.“

"Ich bin Amorins Gefährtin und wohne in seinem Haus. Der Ochil ist zahm und ungefährlich. Außerdem bin ich nicht süchtig. Ich hatte noch nie Kontakt zu Rauschgiften, weder auf meinem Heimatplaneten noch hier auf Dagaar. Ich wurde von zwei Yurge überfallen. Sie paralysierten den Tiger und gaben mir eine Spritze, dann bin ich ohnmächtig geworden. Mehr weiß ich nicht.“

Ein Gremiumsmitglied stand auf und sah die Angeklagte geringschätzig an: "So war ich Degro heiße, bist du nicht Amorins Gefährtin. Willst du uns wirklich glauben machen, dass ein untadeliger Yurge seiner langjährigen Freundin den Laufpass gibt, um so etwas herunter Gekommenes wie dich in sein Haus, als seine Gefährtin aufzunehmen? Wie kann man nur so lügen. Alleine dafür gehörst du schon bestraft. Es mag ja noch angehen, dass du in seinem Hause wohnst, aber doch sicher nur als seine Bedienstete. Vielleicht nimmt er dich sogar hin und wieder, wenn du gewaschen bist, in sein Bett, aber mehr doch sicher nicht.“

Jenny wurde weiß ob dieser Beleidigungen und nur mit Mühe beherrschte sie ihren Zorn. Auf was für einer Welt war sie gelandet? Kannten diese überheblichen, von sich eingenommenen Yurge, kein Recht und keine Gnade?

Der Beisitzer Wargonin pflichtete Degro bei und sagte nach einem Blick in seine Akten: "Der Arzt Schamorka hat seine Aussage und den Befund schriftlich hinterlegt. Nach eingehender Untersuchung, kommt er zu dem Ergebnis, dass die Außerirdische bereits über einen längeren Zeitraum süchtig ist und sie eine Gefahr für Dagaars Bürger darstellt.“

Außer sich vor Wut sprang Jenny auf und schrie: "Wie kann ein Arzt so einen Bericht erstellen, wenn er mich nicht untersucht hat? Und wieso habe ich nicht einmal einen Verteidiger? Ist das auf Dagaar nicht üblich? Wird hier jeder nach Gutdünken verurteilt?“

Morkka, ein Gremiumsmitglied sprang nun ebenfalls erregt auf: "Halte gefälligst deinen vorlauten Mund, wenn du nicht gefragt bist. Du hast Glück, dass wir dich überhaupt anhören und dich nicht schon längst nach Kelron geschickt haben!“

Gralsin, der dritte Beisitzer nickte und warf der Außerirdischen einen abfälligen Blick zu: "Deine Schuld steht fest. Es muss nur noch die Höhe des Strafmaßes festgesetzt werden. Ich kenne Amorin sehr gut. Er ist ein harter und sehr stolzer Yurge. Nie würde er sich so etwas ins Haus holen, geschweige denn ins Bett. Ihn als Gefährten hier anzugeben, grenzt schon an Blasphemie und ich fühle mich als Yurge durch solche Reden beleidigt. Macht dieser unwürdigen Sache endlich ein Ende.“

"Jawohl“, schrie Barksitt aus dem Gremium. "Ich beantrage härteste Strafe für dieses verlogene Subjekt. Man muss diesen Diffamierungen Einhalt gebieten und ein Exempel statuieren.“ Sie waren sich einig und klopften zum Zeichen des Einverständnisses mit der Hand auf die Tischplatte. Makros erhob sich und legte die Blätter auf den Tisch zurück. "Jenny oder wie immer du heißen magst, ich verurteile dich in Anbetracht der Schwere deiner Vergehen, derer du dich schuldig gemacht hast, zu fünf Jahren Zwangsarbeit auf dem Strafplaneten Kelron. Das Urteil tritt sofort in Kraft. Mit dem nächsten Transport verlässt du Dagaar. Solltest du wider Erwarten die Strafe überleben, ist es dir auf Lebenszeit verboten, den Planeten Dagaar wieder zu betreten. Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sprich jetzt, das ist deine letzte Gelegenheit.“ Sie erhob sich, hob stolz den Kopf und schaute die Männer und Frauen der Reihe nach an: "Ich weiß, was mich auf Kelron erwartet, aber glaubt nicht, dass ich dort bleibe. Amorin wird mich suchen und finden und dann Gnade euch Gott oder Hooklas, wie auch immer. Ich verspreche es. Ich werde überleben.“

Makros konnte nicht umhin, diese Frau zu bewundern. Trotz ihres fürchterlichen Zustandes, in dem sie sich befand, hatte sie eine große Ausstrahlung. Langsam dämmerte ihm, warum sich Amorin mehr für sie, als für Mora interessiert hatte. Hoffentlich habe ich mir nicht meine eigene Urne gegossen, dachte er. Laut aber verkündete er: "Das Urteil ist gefällt und Rechtskräftig, die Sitzung ist geschlossen.“

Betäubt und willenlos ließ sie sich von Gostra in die Zelle zurück bringen. Ich träume nur, dachte sie. Gleich werde ich wach und lache darüber. Doch sie war wach und der vermeintliche Alptraum entpuppte sich als grausame Wirklichkeit. Jenny wusste über den Strafplaneten Bescheid. Jetzt machte sich Ombras Schule bezahlt. Aber wofür? Von dort gab es keine Rückkehr. Die längste Zeitspanne die eine Frau überlebt hatte, waren fünf Jahre und das war eine sehr große und starke Yurge. Und ich bin eine kleine schwache Terranerin. Wie soll ich das überleben? Oh mein Gott, hilf mir! Lass Amorin nach Hause kommen und mich suchen, dachte sie verzweifelt.

Würde er sie wirklich suchen? Oder würde er alles als gegeben hinnehmen und sie vergessen? Vielleicht tat es ihm schon leid, dass er Mora so vor den Kopf gestoßen hatte. Bei ihr konnte er sich ausleben und bräuchte seinen Gefühlen keinen Zwang auferlegen. Verzweifelt warf sich Jenny auf die enge Liege und weinte sich in den Schlaf.

Am nächsten Tag brachte man die Terranerin zum Raumhafen. Wie ein Schwerverbrecher wurde sie von zwei Robotern mit gefährlich aussehenden Waffen begleitet. Flucht war aussichtslos. Ihre riesigen Bewacher steuerten auf ein Raumschiff älterer Bauart zu. Vor der Rampe gewahrte sie die zierliche Gestalt einer Frau, die sich beim Näherkommen als Mora entpuppte. Triumphierend sah sie die Außerirdische an: "Ich wünsche dir einen angenehmen Flug und schönen Aufenthalt auf Kelron.“

Nun wurde Jenny schlagartig klar, wem sie dieses Schlamassel zu verdanken hatte. Das Letzte, was ihr jetzt noch blieb, war ihr Stolz. Kalt und überheblich, sah sie der Frau in die giftgrünen Augen: "Mora, ich komme wieder, das verspreche ich dir. Amorin wird mich suchen und finden, denn er liebt mich und nicht dich.“

Wutentbrannt hob die Yurge die Hand und schlug der Terranerin mit aller Kraft ins Gesicht. Von der Wucht des Schlages wankend, lächelte Jenny ihre Widersacherin dennoch an: "Jetzt bist du in der stärkeren Position. Doch das Blatt wird sich wenden und ich gebe dir alles zurück, auch diese Ohrfeige. Wenn ich den Strafplaneten verlasse, wirst du ihn betreten und sicher für eine sehr lange Zeit.“ Dann drehte sie sich um und ging hocherhobenen Hauptes an Mora vorbei, die Rampe des Schiffes hinauf.

Eine winzige Kabine, nur mit Bett, Tisch und Stuhl ausgestattet, war für die nächsten Tage ihr Aufenthaltsort. Mit einem unterdrückten Schluchzen, ließ sie sich auf das Bett fallen und vergrub ihr Gesicht in den Armen. Endlich durfte sie weinen. Keiner konnte hier ihre Tränen sehen. Der vier Tage dauernde Flug, waren die ruhigsten und schönsten Tage, die sie für lange Zeit erleben sollte.

Der Planet Kelron

Kelron war der achte Planet am Tag sehr heiß und in der Nacht sehr kalt. Die Luft war um einiges dünner als auf Dagaar und die Sonne schien grellrot vom Himmel. Ein Mann holte die einzige Gefangene vom Schiff ab, schob sie grob in ein Schwebeauto und fuhr sogleich wieder ab.

So einen riesigen Yurge hatte Jenny noch nie gesehen. Er maß mindestens 2.30 m und seine Stimme hörte sich wie rasselnde Ketten an, als er nach einer Weile fragte: "Verstehst du unsere Sprache?“

Als sie nickte fuhr er fort: "Ich bin Lorgen, der erste Aufseher. Du wirst sicher in der Ernte eingesetzt. Diese verdammten Echsen, dezimieren unsere Arbeiter schneller, als uns lieb ist. Na, so wie du gebaut bist, braucht es keine Echse. Du hältst keine drei Wochen in dieser mörderischen Hitze aus.“ Und mit einem Schulterzucken fügte er noch hinzu, "na, mir soll es egal sein. Es kommen immer wieder neue Gefangene. Du musst scheinbar etwas Besonderes sein, dass sie dich nicht mit dem regulären Transport geschickt haben. Der ist doch erst in fünf Tagen fällig.“

Sie starrte verbissen aus dem Fenster und schwieg. Was hätte sie auch antworten sollen?

Der Gleiter schwebte in geringer Höhe über eine felsige Landschaft. Am Horizont erstreckte sich eine endlos lange Hügelkette, die sich nach zweistündigem Flug, als hässliche graue Felsen entpuppte. Lorgen flog mit unverminderter Geschwindigkeit auf die hoch aufragenden Wände zu und erst im letzten Moment zog er das Fahrzeug steil in die Höhe. Der Aufseher lachte dröhnend, als er ihren entsetzten Blick bemerkte. Sie atmete erleichtert auf, als der Gleiter das Bergmassiv überwunden hatte. Überrascht blickte sie auf den riesigen Talkessel, der sich vor ihnen auftat.

"Durchmesser zweihundert Kilometer“, brummte Lorgen, schob einen Hebel nach vorne und das Fahrzeug sank schnell tiefer.

Amorins Fahrzeug wird nur durch das Auflegen der Hände auf eine Scheibe gesteuert, dachte sie und Tränen schossen ihr in die Augen. Nur verschwommen sah sie die ausgedehnten Felder, die sich weit über das Tal erstreckten. In der Ferne erblickte sie eine große blaue Waldfläche. Dorthin lenkte der Yurge den Fluggleiter. Erst beim Näherkommen, sah sie zwischen den Bäumen langgestreckte Häuser. Auf einer gerodeten Fläche setzte Lorgen das Fahrzeug auf und ließ die Türen aufschwingen. "Steig aus und warte.“

Geduldig blieb sie neben dem Gleiter stehen und wartete, dass sich Lorgen weiter um sie kümmerte. Nach einigen Minuten kam er zurück.

"Komm“, sagte er barsch und zog sie am Arm mit sich. "Dort vorn ist die Zentrale. Links sind die Frauenhäuser, rechts das der Männer. Merk es dir. Nicht dass du dich abends, wenn du vom Feld kommst, im Haus irrst und bei den Männern landest. Das würde dir sicher nicht gut bekommen. Sie sind so ausgehungert, dass sie oft sogar auf dem Feld über die Frauen herfallen und wir sie nur mit der Peitsche auseinanderbringen, bevor sie sich vereinigen. Wenn es ein Wärter übersieht, muss er warten, bis die zwei ihr Vergnügen beendet haben. Die Schläge nehmen sie dann gerne in Kauf.“

Sein hässliches Lachen dröhnte in ihren Ohren. Schweigend versuchte sie mit ihm Schritt zu halten, was gar nicht so einfach war. Sie umrundeten das Zentralgebäude und Lorgen deutete auf einen riesigen Stadel.

"Das ist der Getreidespeicher. Hier arbeiten nur Männer.“

Es war so heiß, dass Jenny das Gewand bereits nach kurzer Zeit am Körper klebte. Sie atmete erleichtert auf, als der Aufseher sich dem größten Gebäude zuwandte und  eine Hand auf den Öffnungsmechanismus legte. Ein kühler Flur nahm sie auf und der Yurge schob sie vor sich her, einen langen Gang entlang. Sie war außer Atem, als er endlich seine Hand von ihrem Arm nahm und ihr einen Stoß in den Rücken gab, dass sie durch die sich öffnende Tür in  ein Zimmer stolperte.

Der Raum war oval und sehr groß. Rundherum standen altertümliche Karteikästen. Gegenüber der Türe  sah sie zwei Fenster, die mit einem matt flimmernden Feld umgeben waren. "Die Fenster sind in allen Häusern Magnet gesichert. Fliehen ist aussichtslos. Kein Gefangener hat bisher eine Nacht im Freien überlebt. Kelron wimmelt von Raubechsen und Schlangen. Dies sei nur zu deiner eigenen Sicherheit gesagt. Sie sind unsere besten und zuverlässigsten Gefangenenwärter.“

Jenny wandte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Hinter einem riesigen Schreibtisch thronte ein Yurge, der sie neugierig musterte.

"Ich habe nicht vor zu fliehen. Mein Gefährte wird, wenn er erfährt wo ich bin, mich hier herausholen.“

"Ha, ha, ha“, sein Gelächter klang so spöttisch und überheblich, dass sie sich mit aller Kraft beherrschen musste, um dem Mann nicht mit den Fingern ins Gesicht zu fahren.

"Ich bin hier zwanzig Jahre Direktor. Bis jetzt hat noch nie jemand, einen Gefangenen von Kelron zurückgeholt. Du wirst dich damit abfinden müssen, den  Rest deines Lebens hier zu verbringen. Wenn du dich gut führst, erhältst du die Erlaubnis, dich einmal im Monat mit einem Yurge deiner Wahl zu vereinigen. Bevor ich dir eine Zelle zuweise, verpassen wir dir noch eine schöne Nummer. Schließlich muss jeder Aufseher wissen, wie er dich rufen kann. Namen interessieren hier nicht.“

Lautlos betrat ein Yurge den Raum und der Direktor winkte ihn zu sich: "Kanders diese Gefangene hat die Nummer 3012 und kommt in Zelle 186!“

Er nickte und winkte Jenny ihm zu folgen. Stumm und mit gesenktem Kopf, verließ sie hinter Kanders das  Büro. Er legte der Frau ein leuchtendes Band um den Hals, verschloss es in ihrem Nacken und führte sie dann in die Wäschekammer. Wenig später schob sich eine Türe zu und jetzt wurde ihr zum ersten Mal richtig bewusst, was mit ihr geschehen war. Entsetzt blieb sie stehen und starrte auf die geschlossene Wand. Eine Hand legte sich auf ihren Arm. "Komm mit, ich zeige dir dein Lager. Du schläfst neben Aura. Ich heiße Corsra, das ist Magoli und das dort ist Rachse.“

Jennys Augen hefteten sich auf die große Yurge, dann nannte sie ihren Namen und ließ sich willenlos zu einem Bett führen, auf das sie sich entmutigt sinken ließ. "Ich weiß, wie dir zumute ist. Es geht jedem Neuankömmling so. Mit der Zeit gewöhnst du dich daran.“ Mit einem Wink zu den drei anderen Frauen sagte Corsra dann: "Lasst sie eine Weile in Ruhe.“ Sie selbst setzte sich an den Tisch und betrachtete die Neue voller ungenierter Neugierde.

Nach einer Weile des Schweigens, hielt es Magoli nicht mehr aus. "Wie in aller Hooklas Namen kommst du hierher?“

"Ach, das ist eine lange und verworrene Geschichte.“

"Dann erzähl sie uns“, verlangte Aura wissbegierig und geduldig unterbreitete Jenny ihnen, was sie seit dem Tag, als sie sich im Yurgeschiff verirrte, erlebt hatte. Die Frauen unterbrachen ihre Erzählung nicht einmal. Gebannt lauschten sie und als Jenny mit den Worten: "Und jetzt bin ich hier“, endete, legte Aura spontan den Arm um sie und meinte mitfühlend: "Ach du armes Luder, da bist du jemand ganz schön in die Quere gekommen. Um dich hier rauszuholen müsste dein Amorin schon Himmel und Planeten in Bewegung setzen. Erst mal braucht er ganz gute Beziehungen, um überhaupt in Erfahrung zu bringen, wo du steckst. Er hat doch nicht die geringste Ahnung was mit dir passiert ist. Ich bin bereits über ein Jahr hier und weiß nicht, ob und wie ich die nächsten drei Jahre überstehe.“

"Warum bist du hier?“

Aura lachte: "Ich habe mit zwei Freunden ein Haus ausgeräumt und mich dabei erwischen lassen. Die anderen konnten sich rechtzeitig aus dem Staub machen. Na, was soll`s. Ich versuche halt so über die Runden zu kommen.“

Sie verstummte und ihr mutloses Gesicht, passte ganz und gar nicht zu dem burschikosen Ton.

"Und warum bist du hier Magoli?“
"Das ist in ein paar Sätzen erzählt. Ich hatte mir vorgenommen, die Reichen ein bisschen zu erleichtern.“

"Du vergisst zu erwähnen, dass du etliche Leute an den Rand des Ruins gebracht hast“, lachte Rachse.

"Na, wenn sie so dumm sind und sich von mir ausnehmen lassen, geschieht es ihnen ganz Recht“, meinte Magoli Schulter zuckend. Corsra ließ sich auf ihr Bett fallen und gähnte herzhaft: "Schlaft jetzt. Um vier Uhr ist die Nacht herum. Wir haben noch alle Zeit der Planeten, um unsere Lebensgeschichten zu erzählen.“

Verurteilt

Das durchdringende Geheul, riss Jenny aus bleiernem Schlaf. Geraume Zeit wusste sie nicht, wo sie sich befand. Erst als Aura sie ungeduldig am Arm rüttelte, schoss sie entsetzt in die Höhe.

"Komm, raus aus dem Bett! Du hast nur fünf Minuten zum Waschen, sonst reicht die Zeit für uns alle nicht aus. Wenn wir nicht auf die Sekunde genau auf dem Gang stehen, gibt es Schläge.“

Eine halbe Stunde später, verließen die Gefangenen den Gefängnistrakt. Im Hof, zog Corsra die Terranerin zu einer langen Reihe wartender Frauen. "Bleibe bei mir, sonst erwischt du kein Frühstück und mit leerem Magen, lässt es sich noch schlechter arbeiten.“

Ehe sich Jenny versah, wurde ihr ein trockenes Stück Brot und ein Becher mit einer heißen Flüssigkeit in die Hand gedrückt. "Magoli, was ist da drin“, fragte sie flüsternd und verzog angewidert das Gesicht. Rachse lachte.
"Es riecht zwar komisch, ich würde dir aber trotzdem raten, es zu trinken. Du glaubst nicht wie viel Flüssigkeit du auf dem Feld verlierst. In dem Gebräu sind alle Vitamine, die der Körper braucht.“

Was es auch sein mochte, gehorsam schluckte die Terranerin das süßliche, grüne Gebräu und hängte sich dann den leeren Becher, wie die anderen, an den Gürtel.

"Komm, wir müssen zu

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Lissa Seebauer
Bildmaterialien: von Horst Hübner
Tag der Veröffentlichung: 19.02.2014
ISBN: 978-3-7368-4945-7

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