Endlich, nach vielen Wochen ist Julias Welt wieder in Ordnung. Nach vielen Missverständnissen lebt sie in Gabriels Club und ist glücklich. Als Gabriel einen Ersatzwagen benötigt, fährt sie voller Freude nach Kaolack. Dort entdeckt sie in Gabriels Bett seine ehemalige Geliebte Ornella. Entsetzt fährt sie zurück in den Club und reist noch am gleichen Tag ab.
Vom Glück Vergessen, ein Roman in drei Teilen.
Keine fünf Schritte von ihr entfernt lehnte Gabriel am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt und er musterte sie so eindringlich, dass sie rot wurde und keinen Ton mehr hervorbrachte. Seine Stimme klang weich:
"Warum bist du plötzlich so schweigsam“?
"I...ich! Oh Patrick, das zahle ich dir...wo ist dieser Teufel hin“?
"Er hat den Raum durch die Türe verlassen“, gab Gabriel spöttisch zurück. Sie fühlte sich unbehaglich.
"Wie lange bist du schon hier“?
"Seit ungefähr einer Stunde“.
Die Spannung hing fast spürbar im Raum und sie bemühte sich verzweifelt um einen leichten Plauderton. Dass der Mann, den sie so liebte ihr plötzlich gegenüberstand, brachte sie völlig aus dem Konzept.
"Du siehst müde aus. War die Reise anstrengend“?
Er nickte:
"Ja, aber schau erst mal dich im Spiegel an. Patrick hat dir wohl nicht viel Schlaf gegönnt“?
"Doch hat er. Hier geht schon fast alles wieder seinen gewohnten Gang. Viele der Unfallopfer konnten wir schon nach Hause schicken. Möchtest du Kaffee“?
Sie ertrug es nicht mehr, ging zum Tisch und nahm die Kanne. Als sie einschenkte, zitterte ihre Hand.
"Seit wann zitterst du“?
Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme nah an ihrem Ohr hörte und die Tasse wäre ihr aus der Hand gerutscht, hätte Gabriel ihr nicht beides abgenommen.
"Julia, Julia“, er drehte sie zu sich herum und zog sie in die Arme.
"Wenn du mir noch einmal so eine Woche bescherst, lege ich dich übers Knie, das schwöre ich dir. Ich war bestimmt der missmutigste und müdeste Reiseleiter den ganz Afrika jemals gesehen hat. Sie lachte und wusste selbst nicht warum, dann schlang sie die Arme um seinen Hals und seufzte, als er sie endlich küsste.
"Fährst du mit mir heim“?
Er fieberte ihrer Antwort förmlich entgegen, sie konnte es an seinen angespannten Nackenmuskeln unter ihren Händen spüren.
"Ja, ich fahre mit“.
"Und? Wirst du bei mir oder im Gästezimmer schlafen“?
"Was ist dir lieber“?
"Julia, ich will keine Gegenfrage, sondern eine klare Antwort. Ich will wissen, was du willst. Ich weiß, wo ich dich haben möchte“.
"Und wo“?
"In meinem Bett natürlich, wo denn sonst“!
"Da bin ich ausnahmsweise einmal deiner Meinung. Wann fahren wir“?
"Hast du es plötzlich so eilig“?
In ihren Augen blitzte der Schalk.
"Ja, sehr eilig. Schließlich habe ich acht Tage nachzuholen“.
"Neun Tage. Wenn dann wollen wir doch ganz genau sein“, murmelte Gabriel an ihrem Mund, dann verschloss er ihre Lippen mit einem Kuss, dass ihr schwindelte.
Zufrieden lehnte sie sich eine Stunde später in die Polster zurück und schloss die Augen. Plötzlich hörte er ihr unterdrücktes Gelächter.
"Was findest du so komisch“?
"Weißt du, was Patrick mir zum Abschied gesagt hat“?
"Nein, aber ich werde es sicher gleich erfahren“.
"Er meinte, wenn du mich einmal nicht mehr magst, soll ich zu ihm kommen, er hat immer ein freies Bett für mich. Allerdings gibt er sich dieser trügerischen Hoffnung nicht hin, da er dich zu gut kennt und eine Frau wie mich nicht so einfach gehen lässt“.
"So, so mein weiser Freund Patrick“, schmunzelte Gabriel. "Bist du müde“?
Sie nickte und gähnte herzhaft.
"Dann schlaf jetzt. Ich weiß nicht ob ich dir zu Hause so schnell Zeit dazu lasse“.
Sie lächelte und schloss die Augen. Minuten später schlief sie bereits.
"Liebling wach auf, wir sind da“.
Benommen richtete sie sich auf. Ein Schrei brachte sie endgültig in die Wirklichkeit zurück. Voller Freude fiel Seedy ihr um den Hals.
"Wie bin ich froh, dass Gabriel dich mitgebracht hat. Ich sage dir, die letzten Tage waren grauenhaft. Noch mal so eine Woche und Gabriel geht pleite, da ihm alle Gäste davon laufen“.
"Und du wirst mir langsam zu frech, du kleine Maus“, schimpfte er sie liebevoll aus, doch die Lachfältchen um seine Augen, straften seine Worte Lügen.
"Julia, willst du noch etwas essen“?
Entrüstet wehrte sie ab:
"Willst du mich mästen? Du und Patrick ihr habt mich erst vor noch nicht ganz zwei Stunden vollgestopft wie eine Weihnachtsgans“.
"Na, dann komm du Gänschen“, lachte er, legte einen Arm um ihre Taille und zog sie mit sich fort.
"Oh Julia, ich bin so froh, dass du da bist. Die ganze Woche stellte ich mir vor, ich komme zurück und du bist weg. Es war...! Weißt du warum ich erst zu Patrick gefahren bin“?
"Ich vermute du dachtest, dass ich dort bin“?
"Ich wusste es nicht, obwohl ich es mir insgeheim wünschte. Nein, ich wollte mit einem Freund reden und Patrick ist ein guter Zuhörer. Kaum war ich in seinem Büro, erfuhr ich, dass er dich unter seine Fittiche genommen hatte. Ich war überglücklich“.
"Ja, das hat er. Er ist aber auch ein Mensch, der beansprucht einen mit Haut und Haaren“.
"Ist er dir zu nahe getreten“?
"Gabriel, du solltest dich wirklich schämen. Dass du mir nicht traust, kann ich nicht ändern. Aber Patrick ist dein Freund und du kennst ihn schon so viele Jahre. Er würde alles für dich tun und du... du misstraust ihm“.
"Ich misstraue ihm nicht. Ich bin eben auf alle eifersüchtig. Was soll ich dagegen machen. Julia, du bist mir immer noch böse“?
"Nein, ich bin dir nicht böse, nur traurig. Traurig darüber, dass du mir so wenig Glauben schenkst und all den anderen so viel“.
"Ja, du hast recht“, seufzte er und schloss die Tür hinter sich. "Wenn ich nur wüsste, wie ich das alles wieder gutmachen kann“.
"Dann lass dir etwas einfallen“, meinte sie trocken und verschwand im Bad. Nachdenklich starrte er auf die geschlossene Türe, dann erhellte sich seine Miene und fröhlich pfeifend zog er sich aus. Er wusste, wie er Julia umstimmen konnte.
Wohlig seufzend, streckte sie sich wenig später unter dem dünnen Laken. Es ging doch nichts über ein gutes Bett. Die schmale Liege in der Klinik war auch nicht gerade bequem gewesen.
"Dame meines Herzens, nimmst du meine Tausend Entschuldigungen an und lässt mich an deiner Seite ruhen“?
Julia hatte sein Kommen überhört. Nur mit einem Handtuch um die Lenden, die Haare noch feucht vom duschen, in jeder Hand ein gefülltes Glas und eine blutrote Rose zwischen den Zähnen, stand er vor dem Bett und sah mit bittendem Blick auf sie hinab. Julia brach in helles Lachen aus und nahm ihm als erstes die Rose aus dem Mund. Mit der anderen Hand griff sie nach dem Glas und mit singendem Ton stießen die Kelche aneinander.
"Friede“?
"Friede... ich kann dir einfach nicht lange böse sein“.
"Das wusste ich doch“, schmunzelte er und schlüpfte unter die Decke.
"Liebst du mich noch“?
"Das ist ja mein Problem. Ich liebe dich jeden Tag mehr. Dich wollte ich damit bestrafen, als ich im Gästezimmer schlief, aber bestraft habe ich nur mich damit“.
"Ich war an deiner Tür und habe dich weinen gehört. Liebling, ich will dich nur noch lachen sehen. Komm lass dich lieben, ich habe mich so schrecklich nach dir gesehnt“.
Gabriel küsste sie voller Zärtlichkeit und Julia schmiegte sich vor Glück und Begehren in seine Arme. Vergessen war all der Ärger, alle Traurigkeit. Es gab nur noch sie beide und ihre Liebe füreinander. Wie sehr er sich nach ihr verzehrt hatte zeigte er ihr und sie nahm das Geschenk an und erwiderte es mit einer leidenschaftlichen Hingabe. In seinen Armen erholte sie sich und in dieser Nacht störten keine Alpträume ihren Schlaf.
Gemütlich schlenderte Kurt am Strand entlang. Er genoss die warme Sonne. Abdul der große Senegalese begleitete ihn wie einen Schatten. Jeder der Männer war in Gedanken mit einer Frau beschäftigt... Julia!
Kurt hätte sich sicher über die Ansichten seines neuen Freundes gewundert, war er doch der Meinung, dass ein paar Geldscheine jeden Menschen käuflich werden ließen.
"Hast du alles genau verstanden, Abdul? Es darf nichts schief gehen. Seit gestern Abend ist meine Frau wieder im Club und sofort in das Bett dieses Gabriel gesprungen. Wie ich diesen Mann verabscheue. Aber heute ist mein großer Tag. Heute wird sie mir nicht mehr entkommen. Ich werde sie lehren mich einfach zu verlassen. Sie ist meine Frau und wird es auch in Zukunft bleiben“.
Abdul warf dem Weißen einen Blick zu. Sein Gesicht hatte sich vor Hass und Wut zu einer Grimasse verzehrt und es erinnerte den Neger unwillkürlich an eine dämonische Fratze Wie konnte ein denkender Mensch nur so abgrundtief böse sein. Gabriel hatte ihn zwar vorgewarnt, doch dass dieser Kurt so hinterhältig war, wusste sein Boss sicher auch nicht.
Der Plan war denkbar einfach. Abdul sollte Julia unter einem Vorwand vom Club weg locken. Kurt wollte sie an einer verabredeten Stelle erwarten.
"Ich werde sie so oft besteigen, dass sie mich anfleht aufzuhören und du wirst dabei sein. Ich will ihre absolute Unterwerfung und dafür sorgen, dass sie nie wieder auch nur einen Gedanken an einen anderen Mann verschwendet. Vielleicht überlasse ich sie dir zur Belohnung einmal. Es wäre vielleicht ganz amüsant, wenn ich dabei zusehen würde. Wie dem auch sei, den Rest des Geldes bekommst du sofort, wenn ich dieses Weib habe“.
Kurt schlug in Erwartung des Kommenden, eine Faust in die flache Hand und lachte höhnisch.
"Gut, dann trennen wir uns jetzt. In etwa drei Stunden sehen wir uns an der vereinbarten Stelle“.
Abdul nickte und entfernte sich von dem Deutschen, der ihm mit tückischen Augen nachsah.
"Angelique, du kannst raus kommen. Ich bin diesen Idioten los“.
Es knackte und raschelte im Gebüsch und kurz darauf erschien die fröhlich grinsende Französin.
"Das hast du gut gemacht, mon ami. Ich muss dich aber vor Abdul warnen. Er ist seinem Boss mit Haut und Haaren zugetan. Nie im Leben würde er dir Julia ausliefern. Gabriel ist bereits nach Dakar gefahren. Ich möchte zu gerne sein wütendes Gesicht sehen, wenn er merkt, dass es sich um eine Finte handelt. Wir ändern unseren Plan dahingehend, dass ich dir deine Julia zu einem anderen Treffpunkt bringe. Ich verschwinde jetzt, nicht dass uns Abdul noch ins Gehege kommt“.
Mit zufriedenem Grinsen schaute er Angelique nach. Welch eine Frau, dachte er unwillkürlich.
Abdul war im Schatten der Bäume untergetaucht. Er konnte das Gespräch der Beiden nicht verstehen, dafür war er zu weit entfernt. Er war sich aber sicher, dass sie nicht übers Wetter sprachen. Ein Zeichen mit der Hand und aus dem Nichts tauchten drei dunkle Gestalten auf.
"Verliert ihn nicht aus den Augen. Ich vermute, dass er zu einem anderen Treffpunkt geht, als den, den er mir angegeben hat. Haltet euch an meine Anweisungen“.
Die Boys nickten und verschwanden wieder genau so lautlos zwischen den Bäumen, wie sie gekommen waren.
Abdul erreichte Gabriels Haus im richtigen Augenblick. Die Französin hämmerte an die Tür und schrie nach der Deutschen:
"Julia, Julia, wo bist du! Komm endlich raus, es ist etwas Entsetzliches passiert“.
"Was ist denn los, ich komme ja schon“! gab eine Stimme zur Antwort und gleich darauf erschien eine Frau in der sich öffnenden Tür. Ihr Gesicht verschloss sich, als sie Angelique erkannte.
"Julia, bitte komm schnell, für Streitereien ist jetzt nicht der rechte Augenblick. Gabriel hatte einen schweren Autounfall“.
"Oh mein Gott! Wo..., wo ist er! Bring mich sofort zu ihm“!
Voller Entsetzen folgte sie Angelique ohne Misstrauen.
Das ging ja schneller und leichter als ich dachte, grinste die Französin in sich hinein und beschleunigte ihre Schritte. Wortlos lief sie vor der Deutschen her und als sie nach einiger Zeit abrupt stehen blieb, stieß Julia mit der Frau fast zusammen.
"So, wir sind am Ziel du kleine Schlampe. Jetzt möchte ich dein Gesicht sehen, wenn dir dein Mann endlich Manieren beibringt“.
"Das wird sie gleich“, lachte eine Stimme hinter ihr. Sie fühlte sich an den Armen gepackt und herum gewirbelt. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, starrte sie in das hämische Gesicht ihres Exmannes.
"Ist dir die Sprache weggeblieben, mein Täubchen“?
"Ich bin nur überrascht, dass ich auf einen so billigen Trick hereingefallen bin“, gab Julia zur Antwort. Sie hatte den ersten Schrecken überwunden und überlegte nun fieberhaft, wie sie Kurt entkommen konnte.
Er zog sie in seine Arme und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Seine Hand wanderte ungeniert über ihren Körper und die Französin stand böse grinsend dabei und fragte:
"Na Julia, macht das Spaß“?
Sie begann sich zu wehren, doch Kurt hielt sie wie in einem Schraubstock gefangen.
Dann war sie plötzlich frei. Was im Einzelnen geschah konnte sie später nicht mehr nachvollziehen. Sie hörte Angelique schreien, Kurt fürchterlich fluchen und dann war sie mit einem riesigen Neger alleine.
"Oh Abdul, ich habe dich nicht gleich erkannt. Bin ich froh über dein auftauchen. Wie kommst du ausgerechnet hierher“?
Julia war so erleichtert, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
"Ich bin dein Schutzengel“, lachte der Senegalese. "Nicht nur Gabriel ist um deine Sicherheit besorgt, auch Serigne unser Häuptling hält seine schützende Hand über dich. Komm wir gehen zurück“.
"Und wo ist Kurt und diese Hexe“?
"In den besten Händen“.
"Was meinst du damit“?
Abdul zuckte gleichgültig die Schultern:
"Sie werden für einige Zeit Gäste eines kleinen Dorfes sein. Die bringen ihnen bestimmt ein paar Manieren bei“.
"Glaubst du Kurt und dieser Frau kann man noch besseres Benehmen beibringen“?
Abdul lachte belustigt:
"Wenn sie erst einmal eine ganze Nacht an einen Pfahl gebunden, mitten im Busch stehen, werden sie bestimmt über ihre Bösartigkeit nachdenken“.
"Aber Abdul, das könnt ihr doch nicht machen. Sie werden euch bei der Polizei anzeigen und ihr bekommt nichts als Ärger“.
"Wir sind hier im Senegal und nicht in Deutschland. Glaubst du, auch nur ein Polizist schenkt ihnen Glauben? Was denkst du wie es den vier Deutschen ergangen ist, die dir und Seedy so übel mitgespielt haben“?
"Ach ja, da wollte ich Gabriel schon mal danach fragen. Sicher wurden sie sofort ausgewiesen“.
"Nicht sofort. Erst durften sie unsere Gefängnisse bewundern. Der Polizeichef hat sie zehn Tage eingesperrt. Einzelhaft und bei Wasser und Brot. Nach dieser Zeit erklärte er den Männern, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind und sie jetzt nach Hause fliegen dürften. Was auf sie noch zukommt, darauf sollten sie warten. Bab Kalo hat Serigne erzählt, dass sie sehr kleinlaut waren, als sie in Handschellen unter Polizeiaufsicht zum Flughafen gebracht wurden“.
"Abdul, wenn sie in Deutschland sind, werden sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen um Bab Kalo Schwierigkeiten zu machen“.
Der Senegalese schüttelte den Kopf:
"Sie werden gar nichts. Der Commissario hat ihnen nahe gelegt, in ihrem
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Lissa Seebauer
Bildmaterialien: Cover von Horst Hübner
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2013
ISBN: 978-3-7309-1055-9
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Überarbeitete und korrigierte Neuauflage 2013