Gegen ihren Willen hat sich Julia in Gabriel verliebt. Ein Zugunglück, dessen Zeuge sie wird, bringt ihre heile Welt ins wanken. Mit vielen Anderen leistet sie erste Hilfe. Sie trifft auf den Arzt Patrick o´Neal, der sie im Camp verarztet hat. Dann taucht auch noch ihr Ex-Mann im Club auf. Julia stürzt von einer Katastrophe in die andere. Gabriel schäumt vor Eifersucht und hält Julia wieder einmal für die Schuldige.
Vom Glück vergessen, ein Roman in drei Teilen.
„Sieh mal einer an, mein schüchternes Kätzchen zeigt plötzlich Krallen“, lachte er und küsste sie auf die Nasenspitze. Dann wanderte sein Mund zu ihren Augen, über ihre Wangen und legte sich weich und warm auf ihre Lippen. Julia erwiderte seinen Kuss mit einer leidenschaftlichen Hingabe, dass er neue Erregung in sich spürte. Liebkosend glitt seine Hand über ihre Brüste und sie erzitterte unter dem Ansturm ihrer eigenen Gefühle. Sie spürte seine Anspannung und seine Zurückhaltung. „Bitte komm, lass mich nicht so lange warten“, flüsterte sie. Nie hätte sie jemals geglaubt, dass sie das einmal zu einem Mann sagen würde. Gabriel nahm sie mit einem Stöhnen in die Arme und drängte sich ungestüm zwischen ihre Schenkel. Er konnte nicht mehr warten, nicht dieses Mal und Julia verstand ihn, gab sich ihm bereitwillig hin und erreichte mit ihm einen unaussprechlichen Höhepunkt. Müde und glücklich kuschelte sie sich später an den Mann, den sie vor einem Monat noch nicht einmal gekannt hatte.
Suchend sah sich Seedy im Garten um. Nirgends konnte sie Gabriel oder Julia entdecken.
"Möchtest du etwas trinken“? fragte der Kellner, doch Seedy schüttelte den Kopf :
"Babadu weißt du wo meine Bekannten sind“?
"Oh ja“, lachte er breit und ließ eine Reihe blitzender weißer Zähne sehen, "sind oben im Zimmer und machen Siesta. Es ist viel zu heiß hier unten“.
"Kannst du mir die Zimmer Nummern sagen“?
"Ja sicher. Nummer sieben“.
"Und das andere Zimmer“?
"Auch Nummer sieben“!
"Was willst du damit sagen? Was machen sie“?
Der Kellner lachte sie verschwörerisch an:
"Komm mit in mein Zimmer und ich zeige es dir“!
"Babadu, sei nicht blöd“.
Dann begriff Seedy und grinste ebenfalls:
"Waren sie auf der Polizeistation“?
Babadu schüttelte den Kopf:
"Sie gingen gleich nach dem Essen hinauf. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen“.
"Suchst du uns Prinzessin“?
Seedy drehte sich um und sah Julia und Gabriel entgegen, die Hand in Hand auf sie zukamen. Sie schaute in Julias vor Verlegenheit rot gewordenes Gesicht, dann in Gabriels vor Übermut blitzende Augen. Lachend fiel sie der Deutschen um den Hals:
"Julia, ich glaube es nicht. Du hast ein Wunder vollbracht, Gabriels Augen strahlen“.
"Du hältst deinen vorlauten Mund, sonst gibt es was auf die Kehrseite. Setzt euch, ich habe einen riesigen Durst“.
Jetzt lachten alle drei und der Kellner beeilte sich, das Gewünschte zu bringen.
"Gabriel, ich dachte ihr wolltet zur Polizei“?
"Ach herrje, das habe ich ganz vergessen. Ich muss mal schnell telefonieren“.
Mit eiligen Schritten verschwand er im Haus.
Julia starrte angestrengt in ihr Glas und schwieg. Sie kam sich ein wenig wie eine ertappte Sünderin vor. Seedy lachte leise vor sich hin:
"Julia, du brauchst es mir nicht zu sagen, mich würde nur etwas interessieren..“.
"Was willst du wissen“? fiel ihr die Deutsche ein wenig schroff ins Wort.
"Liebst du Gabriel“?
Sie seufzte tief auf:
"Versprichst du mir dass du ihm nichts sagst“?
"Ehrenwort“!
"Weißt du Seedy, ich war gerade siebzehn, als mich mein Vater an seinen Saufkumpanen regelrecht verschachert hat. Ich habe in meiner neunzehnjährigen Ehe keine Liebe kennen gelernt. Statt freundlicher Worte, nur Befehle und Schläge. Ich weiß nicht, ob ich es ohne meine Kinder so lange ausgehalten hätte. Den Glauben und das Gute im Menschen, das habe ich gründlich verlernt. Und dann kommt ein Mann wie Gabriel und führt mich plötzlich in das Leben zurück. Schenkt mir Zärtlichkeit, die ich nie kennen gelernt habe. Willst du immer noch wissen ob ich ihn liebe“?
"Nein, das ist mir Antwort genug. Ach, ich wünsche mir so sehr, dass du ihn und er dich glücklich macht. Er hat es verdient. Gabriel ist zwar mitunter so störrisch wie ein Esel, aber ein wunderbarer Mensch und ich liebe ihn wie meinen Vater“.
Julia musste über Seedys Grimasse lachen.
"Darf ich mit lachen“?
"Du darfst, frage aber bitte nicht warum“! rief die Senegalesin übermütig aus und klatschte vor Begeisterung in ihre braunen Hände.
"So, so, ich darf also nicht wissen um was es geht“.
Langsam und bedächtig schenkte er sein Glas voll.
"Gabriel, was brütest du aus, ich kenne deinen hinterhältigen Blick“!
"Prinzessin, ich denke mir eben eine Strafe für dich aus“.
"Für mich? Was habe ich denn nun schon wieder angestellt. Ich bin mir keiner Schuld bewusst“!
"Du untergräbst systematisch meine Autorität. Hast du dich nicht noch vor einer Minute beklagt, dass ich ein störrischer Esel sei? Und eben behauptest du gar, ich hätte einen hinterhältigen Blick! Das schreit geradezu nach Strafe mein Kind“!
Julias Gesicht verlor etwas Farbe und Seedy rief empört:
"Jawohl und jetzt kommt noch dazu dass du gelauscht hast. Das hätte ich nicht von dir gedacht“.
Der Schalk in seinen Augen verschwand und fast ärgerlich fragte er:
"Glaubst da das wirklich von mir“?
Mit einer versöhnlichen Geste legte sie ihre Hand auf seinen Arm:
"Nein natürlich nicht, Aber woher weißt du, was wir gesprochen haben“?
"Ich stand genau hinter euch am offenen Fenster. Dort steht nämlich dummerweise das Telefon. Im Übrigen war ich nicht zu übersehen“.
Jetzt sah er Julia an:
"Wäre es dir lieber ich tu so als hätte ich nichts gehört? Ich hasse jede Art von Unehrlichkeit“.
"Hast du alles gehört“?
Gabriel nickte, dann nahm er Julias Hand und drückte seine Lippen darauf. Verlegen entzog sie ihm ihre Hand.
"Ich finde es schön, wenn du vor Verlegenheit rot wirst. Ich glaube es gibt nicht viele Frauen, die das in deinem Alter von sich behaupten können“.
"Soll das für Julia nun ein Kompliment oder eine Beleidigung sein“, erkundigte sich Seedy misstrauisch.
"Ich habe es eigentlich als Kompliment gemeint“, schmunzelte Gabriel.
Julia war es immer noch peinlich, dass er, wenn auch ungewollt, Zuhörer ihres Gesprächs war. Nervös spielte sie mit ihrem Glas, bis Gabriel ihre unruhigen Finger festhielt.
"Bist du ärgerlich darüber, dass ich gehört habe, dass du etwas Gutes über mich gesagt hast? Im Gegensatz zu dieser frechen Göre“?
Julia schüttelte verneinend den Kopf und schwieg.
Seedy lachte vergnügt vor sich hin, enthielt sich aber wohlweislich einer Antwort.
"Tja, leider müssen wir jetzt aufbrechen, sonst erreichen wir Ziguinchor so spät“.
Auf dem Weg zum Landrover blieb Gabriel abrupt stehen.
"Ach, eh ich's vergesse Julia. Habe ich dir schon gesagt dass ich dich liebe“?
Sie starrte ihn an, dann nickte sie und flüsterte:
"Ja, letzte Nacht“.
"Ach, das weißt du noch“?
"Sicher weiß ich das noch. Nachdem mir dieser Dr. ò Neal eine Spritze gegeben hatte, ging es mir bald wieder besser. Ich hatte nur noch in Intervallen mit meiner Vergangenheit zu kämpfen“.
Gabriel lachte aus vollem Herzen, dann schloss er die Überraschte in die Arme und küsste sie herzhaft auf den Mund.
Seedy stand staunend daneben und ihre dunklen Augen strahlten vor Freude.
Es war bereits dunkel als sie Ziguinchor erreichten. Gabriel hatte einige Umwege in Kauf genommen, um Julia einen Einblick in den normalen Tagesablauf der Afrikaner zu geben. Abseits vom Touristenrummel tranken sie Tee in einer Tangana, den obligatorischen Cafebuden, wo sich kaum Fremde hin verirrten. Er wurde es nicht müde, Julia von dem einfachen Leben in den Lehmhütten zu erzählen, sie immer wieder auf kleine Begebenheiten hinzuweisen. Sie verbrachten ein paar herrliche Stunden und so war es kein Wunder, dass sie alle drei müde im Hotel ankamen.
"Julia, nimm den Schlüssel und geh aufs Zimmer. Ich muss mich erst um meine Gruppe kümmern. Dein Gepäck bringe ich dir später“.
Ehe sie etwas sagen konnte, war Gabriel im Gewühl der Gäste verschwunden.
Abdoulie konnte ihn beruhigen. Die Gesellschaft war vollzählig im Hotel angekommen und bereits in ihren Zimmern verschwunden. Jeder genoss es, endlich wieder in einem richtigen Bett zu schlafen und vor allem fließendes Wasser zu haben.
Julia war über das große geräumige Zimmer überrascht. Vor Begeisterung lachte sie laut auf, als sie das schöne Bad entdeckte. Zwei Minuten später stand sie unter dem warmen Wasserstrahl. Es war ein wunderbares Gefühl, sich den Schweiß und den Staub vom Körper zu spülen.
Gabriel brachte das Gepäck ins Zimmer und lächelte vor sich hin, als er Julia in der Dusche singen hörte. Wie schnell sich doch ein Mensch verändern kann, dachte er und merkte nicht, was für ein anderer Mensch er doch selber geworden war.
In ein flauschiges Badetuch gehüllt, kam sie kurz darauf zum Vorschein.
"Gabriel, ist das ein schönes großes Zimmer“.
"Das gehört dir auch nicht alleine. Ich muss schließlich auch irgendwo mein müdes Haupt hinlegen“.
"Warum hast du mir das nicht zuvor gesagt? Warum bestimmst du einfach über mich“.
Erstaunt über den schroffen Ton sah er sie an.
"Ich dachte es sei dir recht, wenn ich bei dir bliebe. Heute Mittag hattest du doch auch nichts dagegen einzuwenden“.
"Hast du mich denn nach meiner Meinung gefragt? Es hat sich nichts in meinem Leben geändert. Ich bin immer noch die Frau, deren Zustimmung man voraussetzt. Ergo, ist meine Meinung gar nicht gefragt“.
Julia zitterte am ganzen Körper. Vor Wut oder vor Enttäuschung, das hätte sie im Augenblick selbst nicht sagen können. Gabriel setzte zu einer scharfen Entgegnung an, doch als er in ihr aufgelöstes Gesicht sah, drehte er sich um und verließ wortlos den Raum. Mit lautem Knall fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. ...Er war fort. Entsetzt starrte sie auf die geschlossene Türe.
"Oh Gott, was habe ich nur getan. Er ist doch nicht Kurt“,
weinend warf sie sich auf das Bett.
Es dauerte nicht lange, da kam Gabriel zurück.
"Ich habe meine Tasche vergessen. Gute Nacht“!
Die Hand auf der Klinke drehte er sich um und warf einen Blick auf das Bett. Julia hob ihr tränennasses Gesicht und schluchzte:
"Bitte lass mich nicht allein, es ist nur...! Bitte bleibe hier“.
Leise schloss er die Türe wieder, stellte seine Tasche ab und verschwand wortlos im Bad. Julia erhob sich, holte ein leichtes Nachtgewand aus ihrem Gepäck und versuchte, so gut es ging, die Tränenspuren zu beseitigen. Als Gabriel wenig später ins Zimmer zurückkehrte, lag sie bereits unter der Decke. Sie sah ihm mit ängstlichen Blicken entgegen, als er zum Bett kam, sich vor sie hinstellte, die Hände in die Seiten stemmte und böse auf sie hinab sah:
"Julia, weißt du wie ich heiße“?
"Ja, sicher weiß ich das“.
"Sicher? Oder verwechselst du mich mit einem Mann der Kurt heißt“?
"Nein, tu ich nicht“.
"Du weißt, dass ich jede Art von Unehrlichkeit hasse und du bist im lügen ganz schlecht“.
"Oh Gott Gabriel, bitte lass mich in Ruhe“.
"Na, wenigstens mein Name ist dir wieder eingefallen“, brummte er immer noch ärgerlich, schlüpfte ins Bett und streckte sich behaglich aus.
"Ah, ist dass eine Wohltat nach so viel Hitze, Staub und Schlafsäcke. Ich bin froh wenn wir in zwei Tagen im Club sind“.
Wie oft machst du das“?
"So zehn bis zwölf Mal im Jahr“.
"Immer die gleiche Route“?
"Die ändert sich jedes Jahr. Es gibt aber auch Gruppen die sich die Fahrtrouten selbst zusammen stellen“.
"Das ist ganz schön anstrengend“?
"Das kann man wohl sagen. Besonders wenn es eine so aufreibende Gruppe wie die jetzige ist“, schmunzelte er, drehte sich zur Seite und zog Julia in seine Arme.
"Bist du noch böse auf mich“?
Sie schüttelte den Kopf:
"Ich bin doch gar nicht böse auf dich gewesen. Es war nur... Ach es ist nichts...“!
Gabriel wollte nachhaken und Fragen stellen, doch er beschloss es auf später zu verschieben. Jetzt wollte er sich nur um ihr und sein Wohlergehen kümmern und das gelang ihm erstaunlich schnell. Er hüllte sie ein in seine Liebe und Leidenschaft und ließ keinen Raum mehr für andere Gedanken.
"Na, du kleine Meisterschülerin, bist du müde“?
"Wie könnte ich in deinen Armen müde sein“, lächelte sie und fuhr mit ihren Fingern spielerisch über seinen Rücken, "ich bin glücklich“.
"Bist du das? Wie oft in deinem Leben warst du schon wirklich glücklich“?
"Glücklich“, sinnierte sie, "das war ich auch als meine Kinder geboren wurden, als sie heirateten und selber Kinder bekamen. Dann noch als ich meinen Beruf wieder aufnahm und all das schaffte, was ich für unmöglich gehalten habe“.
"Ist das alles“?
"Ist das nicht genug“?
"Nein, das ist nicht genug. Das ist erbärmlich wenig“.
"Gabriel mir reicht das. Ich liebe meine Kinder und meine Enkel. Und es ist alles was ich habe und haben möchte“.
"Könntest du dir vorstellen hier in Afrika zu leben“?
"Dann würde ich ja die Kinder nicht mehr sehen“.
"Einmal im Jahr besuchst du sie in Deutschland und einmal lädst du sie hierher ein. Ich glaube, so oft siehst du sie nicht einmal zu Hause“.
"Da kannst du sogar recht haben“, lachte sie und hielt dann plötzlich inne:
"Meinst du das im Ernst, mit dem hier in Afrika wohnen“?
"Ich denke, ich war noch nie so ernst. Allerdings dachte ich mit Afrika an meinen Club, an mein Haus“.
"Gabriel du solltest mit solchen Einladungen vorsichtig sein. Wenn du es noch einmal sagst, bleibe ich vielleicht wirklich hier und dann hast du den Salat“.
"Dann frage ich dich noch einmal. Bleibst du bei mir? Nicht nur in meinem Haus, sondern, was mir viel wichtiger ist, auch in meinem Herzen“?
"Kann ich es mir noch überlegen“?
"Ja, aber ich frage dich kein drittes Mal mehr“.
"Hast du diese Ornella auch zweimal gefragt“?
Gabriel sah sie lange an. Sein Gesicht war ausdruckslos und als sie schon dachte, keine Antwort zu bekommen, stieß er zwischen den Zähnen hervor:
"Die habe ich überhaupt nicht gefragt. Sie ist einfach geblieben und jetzt, lass uns schlafen“.
Der Morgen graute. Etwas hatte Gabriel geweckt. Benommen setzte er sich auf und horchte. Da, wieder ein leises wimmern. Es war Julia. Unruhig wälzte sie sich im Bett hin und her. Er packte sie bei den Armen und schüttelte sie, bis sie erwachte. Endlich schlug sie die Augen auf und Gabriel war erschrocken über den weidwunden Ausdruck in ihren Augen.
"Hast du solche Alpträume öfter“?
Sie nickte erschöpft:
"Fast jede Nacht. Ich kann die Nächte an einer Hand abzählen, die ich in den letzten Jahren durchgeschlafen habe“.
"Was träumst du“?
"Möchtest du das wirklich wissen“?
"Ja, rede dir alles von der Seele und du wirst dich bestimmt besser fühlen“.
"Ich träume immer das gleiche. Kurt kommt und zerrt mich vor den Altar. Ich wehre mich dagegen und er kommt mit einer Peitsche und schlägt mich. Meine Ehe wiederholt sich jede Nacht. Es ist entsetzlich“.
"Julia, hast du Vertrauen zu mir“?
"Doch ja, warum fragst du“?
"Erzähle mir alles von dir. Wo du herkommst, wie du aufgewachsen bist, von deiner Ehe, einfach alles“.
"Ich weiß nicht, ob ich das kann“.
"Du musst nur wollen, dann geht es“.
Gabriel bettete ihren Kopf an seine Schulter und wartete. Julia hob den Kopf und sah ihm entsetzt in die Augen:
"Wenn ich dir die Erlebnisse meiner Ehe erzähle, wirfst du mich voller Abscheu aus dem Bett und schaust mich nie mehr an“.
"Hast du das etwa schon Jemandem erzählt“?
"Nein, wo denkst du hin. Keiner Menschenseele“.
"Wie kannst du dann wissen, ob ich oder ein anderer vor Abscheu erbleicht“?
Julias Seufzer hätte einen Stein erweichen können.
"Na gut, wenn du meinst, dann riskiere ich es eben, deine Freundschaft zu verlieren“.
Dann fing sie an in kurzen präzisen Sätzen von ihrem Zuhause zu erzählen, von ihrer Jugend und ihrem strengen Vater. Erst als die Rede auf Kurt kam, stockte sie zum ersten Male und in ihrer Stimme klang ein hoffnungsvoller Ton mit, als sie leise fragte:
"Schläfst du, soll ich aufhören“?
Er verstärkte den Druck seines Armes und sie hörte ihn unterdrückt lachen:
"Nein, ich schlafe nicht und du sollst nicht aufhören“.
Mit einem Seufzer sprach sie weiter, von ihrer Hochzeit, den fürchterlichen Flitterwochen. Gabriel musste sich beherrschen, um ihr nicht zu zeigen, wie entsetzt er über das Gebaren eines solchen Ehemannes war.
"Ja und dann endlich waren die vierzehn Tage um und ich war glücklich, als ich im Flugzeug saß. Ich hoffte und betete, dass er zu Hause sein gewohntes Leben wieder aufnahm und wie früher auch, jeden Abend an seinen Stammtisch gehen würde. Doch meine Rechnung ging nicht auf. Kaum setzte er einen Fuß in die Wohnung, musste ich ihm zu Willen sein. Es ging soweit, dass er mir verbot, zu Hause Unterwäsche zu tragen. Ich musste mich immer in seiner Reichweite bewegen und tat ich es nicht, brüllte er wie am Spieß. Es gab Abende, da nahm er mich drei- viermal. Wo war ihm egal. Ob in der Küche auf dem Tisch oder im Wohnzimmer auf dem Boden. Wenn ihm gerade danach zumute war, fiel er über mich her. Nach meiner Meinung hatte er mich nie gefragt. Noch im Schlaf hörte ich seinen immer wiederkehrenden Satz, "du bist mein Eigentum und du tust was ich sage, basta“.
All das war noch zu ertragen. Als ich schwanger wurde, bettelte ich jeden Tag, damit ich einmal in der Woche zur Gymnastik gehen durfte. Dreimal ging alles gut, dann verpasste ich eines Tages den Bus und kam eine halbe Stunde später nach Hause. Kurt war bereits da und ich zitterte vor Angst. Doch er schrie und tobte nicht. Er verzog seinen Mund zu einem bösartigen, hämischen Grinsen, als er sich breitbeinig vor mich hinstellte und befahl, dass ich mich niederknien sollte. In der Hand hielt er eine Lederpeitsche. Gedroht hatte er mir schon des Öfteren
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Lissa Seebauer
Bildmaterialien: Cover von Horst Hübner
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2013
ISBN: 978-3-7309-1053-5
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Überarbeitete und korrigierte Neuauflage 2013