Cover





Elizabeth war glücklich bis zu jenem Tag, an dem ihr Mann betrunken nach Hause kam und fast die gesamte Wohnungseinrichtung demolierte. Als ihr cholerischer Mann sie wieder einmal schlägt, stürzt sie rückwärts in einen großen Spiegel und versinkt darin.

Dabei wird sie in das Jahr 1725 geschleudert und landet vor den Füssen des Grafen Richard Windsborg, der mit seiner Dienerschaft auf Schloss Teufelsjoch lebt. Beide, der Graf und Elizabeth erschrecken voreinander, doch dann …





Mit lautem Knall fiel die Wohnungstüre ins Schloss. Vor Schreck ließ Elizabeth den Teller fallen, den sie eben auf den Tische stellen wollte. Bill kam nach Hause. Voller Hast kehrte sie die Scherben zusammen. Wenn ihr Mann sah, was ihr soeben passiert war, gab es bestimmt wieder Schläge.
Doch noch bevor sie die Porzellantrümmer beseitigen konnte, betrat er bereits die Küche.
"Was hast du jetzt schon wieder angestellt? Du bist doch das dümmste Luder das es gibt“.
Bill hob die Hand und ehe sich die verängstigte Frau ducken konnte, landete die große Hand des Mannes in ihrem Gesicht.
"Bitte entschuldige, ich habe doch nur…“
Er ließ sie nicht ausreden. Zornig schlug er auf die hilflose Frau ein und ließ erst von ihr ab, als sie blutend am Boden lag.
"Bring mir ein Bier ins Wohnzimmer, der Appetit aufs Essen ist mir gründlich vergangen“, schrie er sie an und stampfte aus dem Raum.
Elizabeth zog sich stöhnend am Tisch in die Höhe. Warum nur kam Bill so oft wütend nach Hause und schlug sie? Was hatte sie denn verbrochen, dass er all seine Wut und seinen Zorn an ihr ausließ?
Vor einem Jahr hatten sie geheiratet und jeder der Bill kannte, beschwor das neunzehnjährige Mädchen, diesem gewalttätigen Burschen aus dem Weg zu gehen.
Elizabeth war unerfahren und naiv. Sie war stolz darauf, dass Bill sie heiraten wollte. Er benahm sich wie ein vollendeter Gentleman und behandelte sie, als wäre sie ein zerbrechliches Porzellanpüppchen. Das Mädchen schlug alle Warnungen in den Wind und bereits nach drei Monaten ihrer Bekanntschaft, wurden sie getraut. Die ersten Wochen verwöhnte Bill seine junge Frau und erstaunt registrierten die Freunde, wie zahm der wilde Bill geworden war.
Elizabeth war glücklich bis zu dem Tag, an dem ihr Mann betrunken nach Hause kam und fast die gesamte Einrichtung demolierte. Wie sollte sie auch ahnen, dass Bills "wohlmeinende" Freunde ihm geflüstert hatten, sein Eheweib hätte sich mit einem anderen Mann getroffen und ihn in aller Öffentlichkeit umarmt und leidenschaftlich geküsst. Sicher sei er ihr Liebhaber.
Hätte Bill seine junge Frau zur Rede gestellt, so wüsste er, dass es sich bei dem jungen Mann um ihren Bruder handelte, den sie viele Jahre nicht mehr gesehen und ganz zufällig wieder getroffen hatte.
An diesem Tag begann ihr Leidensweg. Kein gutes Wort hatte ihr Mann mehr für sie übrig, nur Schläge und Demütigungen.
Elizabeth nahm ein Bier aus dem Kühlschrank und brachte es ihrem Mann, der missmutig in den Fernseher starrte. Feindselig streifte er das geschwollene Gesicht seiner Frau.
"Wasch dich, vor dir kann man sich ja ekeln, so wie du aussiehst.“!
Schweigend senkte sie den Kopf und verließ das Zimmer. Wieder einmal verschloss die Angst ihr den Mund. Sie wagte nicht einmal zu fragen, warum er auf sie so wütend war.
Elizabeth wusch sich das Blut aus dem Gesicht. Sie sah zum Erbarmen aus. Der ganze Körper war übersät von alten und neuen Blutergüssen. Mit ihren zwanzig Jahren sah sie bereits wie eine Dreißigjährige aus. Ihre früher so lustig blitzenden blauen Augen wirkten glanzlos und trüb. Sie wusste nicht mehr, wann sie das letzte Mal geweint hatte. Die Tränen waren längst versiegt.
Seufzend schlüpfte sie in ihr Nachthemd, dann schlich sie müde ins Bett.
"Lieber Gott, bitte hilf dass er mich heute Nacht in Ruhe lässt“, betete sie leise und zitternd vor Angst. Mit Grauen dachte sie an die zurückliegenden Nächte.
Sie schlief bereits als Bill das Schlafzimmer betrat. Rücksichtslos schaltete er die Deckenbeleuchtung ein, ging zum Bett und rüttelte die junge Frau derb an der Schulter:
"Los du faules Stück, steh auf und zieh mir die Schuhe aus“.
Wortlos gehorchte sie. Schon längst hatte sie aufgehört, sich gegen den Willen ihres Mannes aufzulehnen. Es genügte bereits ein unbedachtes Wort und Bills cholerisches Temperament brach sich Bahn.
Ergeben kniete sie vor ihm und zog ihm Schuhe und Strümpfe aus.
Voller Verachtung stieß er zwischen den Zähnen hervor:
"Wie kann in einem Engel nur ein solcher Teufel stecken“!
"Aber Bill... ich..“.
"Schweig, du Hure! Mehr bist du nicht und als solche behandle ich dich. Also, da du in diesen Dingen anscheinend sehr geübt bist, komm her und beglücke mich“.
Entsetzt starrte sie in sein, zu einer Grimasse des Hasses verzogene Gesicht.
Bill griff mit einer Hand an seinen Hosenbund, während sich die Finger der anderen Hand in die schwarzen Haare seiner Frau krallten.
Schmerzgepeinigt schrie sie auf und stemmte sich gegen ihn.
Er war über die plötzliche Gegenwehr so überrascht, dass er sie los ließ und Elizabeth von ihrem eigenen Schwung rückwärts geworfen wurde. Mit voller Wucht fiel sie gegen eine Spiegeltüre. Schützend hielt sie die Hände vor das Gesicht, um dem zu erwartenden Scherbenregen zu entgehen. Doch nichts geschah.
Sie fror plötzlich vor Kälte und irgendetwas zog sie mit unwiderstehlicher Gewalt rückwärts. Sie breitete die Arme aus um sich gegen den Sog zu wehren, doch nichts half. Unerbittlich versank sie im Spiegel.
Sie gewahrte noch Bills entgeistertes Gesicht, dann verschwamm die gewohnte Umgebung und es wurde dunkel um sie.
Minutenlang saß der Mann auf dem Bett und starrte die Spiegeltüre an. Er konnte nicht fassen was er gesehen hatte.
"Ich glaube ich träume, oder ist mir der Schnaps zu Kopf gestiegen“?
Erst nach geraumer Zeit erhob er sich, öffnete die Schranktür und griff nach den Kleidern, die er wütend herauszerrte und hinter sich auf den Boden warf.
"Komm heraus du Miststück. Glaubst du, du kannst dich vor mir verstecken? Wenn ich dich finde, prügle ich dir dein bisschen Gehirn aus dem Kopf“.
Nach wenigen Minuten hatte er den Schrank leer geräumt, doch von seiner Frau keine Spur.
"Das gibt es doch nicht“, murmelte er und besah sich ein wenig ratlos das Chaos, das er selbst geschaffen hatte. "Sie muss doch hier irgendwo sein. Sie kann nicht einfach verschwinden, das gibt es nicht“.
Bis spät in die Nacht stellte er die ganze Wohnung auf den Kopf, doch alles Suchen blieb vergebens. Elizabeth war und blieb verschwunden.
Eine Woche wagte sich Bill nicht aus der Wohnung. Er betrank sich sinnlos und die Nachbarn schüttelten mitleidig die Köpfe, wenn sie es krachen und den Mann schreien hörten. Dachten sie doch, dass er seine Frau wieder einmal schlug.
Nach zehn Tagen trommelte die Polizei an Bills Wohnungstüre. Ein Nachbar, dem der Lärm auf die Nerven ging, hatte Anzeige wegen Ruhestörung erstattet.
Bill wurde verhaftet und da er nicht erklären konnte, wo seine Frau geblieben war, landete er im Gefängnis. Es war nur eine Frage von Tagen und Bills Akte ging an den Staatsanwalt.
"Zweifelsohne hat dieser Mann seine Frau ermordet“, meinte der Kommissar.
"Und wo ist die Leiche“? wollte Bills Anwalt wissen.
"Und wo ist die Frau“? antwortete der Kripomann mit einer Gegenfrage.
"Vielleicht hat sie sich aus Angst vor ihrem rabiaten Mann versteckt“, mutmaßte der Rechtsanwalt.
"Dann bringen Sie mir diese Elizabeth und ihr Mandant ist frei“.
"Ich werde mein Möglichstes tun“, gab dieser zurück und verließ das Gebäude.




Graf Richard ließ sich von seinem Diener in das blütenweiße Hemd helfen. Unmutig blickte er sich nach Jack um. Er war wütend, sollte doch heute seine Braut ankommen, die seine Mutter für ihn ausgesucht hatte.
"Was ist los mit dir mein Freund, hast du in der Nacht einer Magd beigelegen, dass du so langsam bist“?
Der so Angesprochene grinste und schüttelte den Kopf:
"Nein gnädiger Herr, ich habe alleine geschlafen und ich bin nicht müde, aber Ihr seid heute sehr ungeduldig. Könnt Ihr es nicht mehr erwarten, Eure Braut zu begrüßen“?
"Ich ziehe dir die Ohren lang, wenn du weiterhin so unverschämt ist“, grollte der Graf, doch die dunklen Augen blickten nicht streng. Jack war nicht nur sein Diener, sondern auch sein Freund. Richard hatte den Mann vor Jahren in London vor dem Galgen gerettet und ihm die Freiheit geschenkt. Nur Tage später wurde Jack schwer verwundet, als ein Wegelagerer heimtückisch seinen Dolch in den Rücken des Grafen stoßen wollte. Jack warf sich dazwischen und fing mit seinem Körper den Stoß auf, der Richard den Tod gebracht hätte.
"Ich werde das Gefühl nicht los, dass Ihr nicht gerade erfreut über das Kommen des gnädigen Fräuleins seid“.
"Jack, du weißt doch ganz genau, dass ich noch gar nicht heiraten will. Das Ganze hat mal wieder meine Mutter eingefädelt. Mein Vater liegt ihr dauernd in den Ohren, dass er Enkelkinder haben möchte. Die beiden glauben, wenn ich erst unter der Haube bin, dann werde ich sesshafter“.
Nachdenklich zupfte er die Spitzenmanschette seines Hemdes am Handgelenk zu Recht. Er liebte seine Eltern, doch nur um ihnen zu Gefallen zu sein und heiraten...? Nein, das ging denn doch zu weit. Andererseits wusste er sehr wohl, dass ihm gar keine andere Wahl blieb, wollte er Veronika und ihre Familie nicht brüskieren.
"Gnädiger Herr, möchtet Ihr heute die Allongeperücke oder die Perruque courte (Stutzerperücke) tragen“?
"Gar keine. Du weißt doch, dass ich diese warmen und juckenden Dinger verabscheue. Sollte mich Veronikas Familie so nicht akzeptieren, umso besser“.
Der Graf wandte sich dem großen Spiegel zu und prüfte sein Aussehen. Er war größer als die meisten seiner Freunde. Breitschultrig und sehr schmal in den Hüften. Zu den hohen Stiefeln trug er eine dunkelgrüne Kniehose, die die Schenkel wie eine zweite Haut umschloss. Braune Schulterlange Haare, die Jack ihm im Nacken mit einem schwarzen Samtband zusammenband, gaben ihm eher das Aussehen eines Piraten, als das eines Grafen. Er verzog spöttisch den sinnlichen Mund, dass sich Lachfältchen in den Augenwinkeln bildeten. Sie milderten den harten Ausdruck seiner dunkelbraunen Augen. Die breiten hohen Wangenknochen und das energische Kinn, hatte ihm seine französische Großmutter vererbt, während die ausgeprägte Hakennase von der deutschen Linie seines Vaters stammte.
Vor Richards Augen formte sich plötzlich eine Figur, die sich aus dem Spiegel schälte und mit einem Plumps genau vor seine Füße fiel.
"Ich glaube jetzt bin ich es der schläft und träumt“, brummte er und starrte verblüfft auf die am Boden liegende, zusammengekrümmte Gestalt.
Blinzelnd richtete Elizabeth sich auf. Hatte sie verschlafen? Du lieber Himmel, Bill schlägt mich tot, wenn sein Frühstück nicht pünktlich auf dem Tisch steht.
Erschrocken öffnete sie die Augen und sah eine über sich gebeugte Gestalt.
"Nicht schlagen, bitte nicht schlagen Bill, ich bin sofort in der Küche“.
Sie duckte sich und streckte abwehrend die Arme aus.
Jack starrte die Erscheinung entgeistert an:
"Heiliger Nepomuk, das... das... ist ein Geist, ...oder eine Fee, ...oder eine Hexe“, schrie er entsetzt und bekreuzigte sich ein ums andere Mal.
"Jack, nun sei doch endlich still" und zu der am Boden liegenden, "niemand will Euch schlagen. Wer seid Ihr und wo kommt Ihr so plötzlich her“?
"Ich... ich..“. verwundert schaute Elizabeth sich um. Sie war nicht mehr in ihrem Schlafzimmer. Sie befand sich in einem altertümlich eingerichteten Ankleideraum. Furchtsam hob sie den Kopf und sah zwei Männer vor sich stehen. Schweigend schaute sie in das über sie gebeugte Gesicht. Nein, das war nicht Bill, das war ein fremder Mann.
"...Wie ...komme ich hierher, ...wo bin ich“?
Richard streckte die Arme aus, hob die federleichte Gestalt vom Boden auf und trug das Mädchen in den angrenzenden Raum. Vorsichtig legte er sie auf sein Bett nieder. Erst jetzt sah er das verschwollene Gesicht und die vielen blauroten Flecke und Blutergüsse an ihren nackten Armen.
"Jack, geh und bring ein großes Frühstück. Ich glaube das arme Ding, kann eine Stärkung gebrauchen“.
Der Diener ließ sich das nicht zweimal sagen. Er war froh sich von dieser, wie er glaubte, Hexe entfernen zu können.
"Noch etwas Jack, halte deinen Mund über diesen Vorfall. Hast du mich verstanden“?
"Ja Gnädiger Herr! Wie Ihr befehlt“. Und schon war er verschwunden.
Richard wandte sich wieder der Gestalt zu, die er in sein Bett gelegt hatte, schüttelte voller Staunen den Kopf und wiederholte seine Frage:
"Wer seid Ihr und wo kommt Ihr her“?
"...Ich, ...ich heiße Elizabeth. Ich weiß nicht... ich bin... Bill hat mich in den Spiegel gestoßen. Aber wo bin ich hier. Wie komme ich in diesen Raum“?
Verwundert ließ sie den Blick durch das große Zimmer schweifen. Sie lag in einem breiten Himmelbett. Golddurchwirkte lindgrüne Vorhänge waren mit Kordeln an den vier Bettpfosten befestigt. Im gleichen Farbton waren die Wände mit Brokatstoff bezogen und Bildern gleich mit geschnitzten Holzbalken umrahmt. Licht spendeten viele Kerzen, die in kunstvoll verzierten Leuchtern an den Wänden angebracht waren. Sie drehte den Kopf nach rechts und sah zwei Fenster mit schweren dunklen Samtvorhängen, an denen goldene Tressen baumelten. Im Glas der bis zum Boden reichenden Fenster brachen sich die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Geblendet schloss sie einen Augenblick die Augen und als sie die Lider wieder hob, blieb der Blick auf einem reich verzierten Silberkandelabér hängen. Er stand auf einer riesigen Holztruhe, ebenfalls reich an Schnitzereien und Goldbeschlägen. So etwas Schönes und Kostbares hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ein Stück weiter links, gewahrte sie, halb von einem Wandschirm verdeckt, einen Wasserbottich, in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Lissa Seebauer
Bildmaterialien: Cover von Horst Hübner
Tag der Veröffentlichung: 04.05.2012
ISBN: 978-3-7309-1050-4

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Überarbeitete und korrigierte Neuauflage 2013.

Nächste Seite
Seite 1 /