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Leben mit Hartz4

 

Vorwort

 Gehören sie auch zu der Generation, die sich über Vieles Gedanken macht und sämtliche politische und soziale Ungereimtheiten kritisch unter die Lupe nimmt? Als sechziger Jahrgang bin ich skeptisch und etwas rebellisch, wenn es um Ungerechtigkeit geht. Ich bin froh, nicht der Generation „doof“ anzugehören. Obwohl ich manchmal gerne für kurze Zeit tauschen würde. Es lebt sich so wesentlich unbeschwerter. Die Augen und Ohren geschlossen halten, bewahrt einen vor etlichen Problemen und Hindernissen. Für mein Schicksal bin ich dankbar, denn die vielen Hürden, die ich bislang überwinden durfte, haben mich erfinderisch und kreativ gemacht. Ich kann nicht verstehen, dass Menschen, ja eine ganze Gesellschaft in diesem Land dabei ist, sich aufzugeben. Da hat der Mensch mit dem Tier leider gar keine Gemeinsamkeit. Das Tier kämpft ums nackte Überleben, der Mensch hingegen ergibt sich seinem Schicksal, oder lässt andere für sich in den Kampf ziehen. Sicherlich kostet es einige Überwindung, immer wieder aufzustehen, wenn man auf den Allerwertesten gefallen ist, aber man gewinnt dabei mehr und mehr an Stärke und Selbstachtung. Ich möchte an dieser Stelle Mut machen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und um ihr Glück zu kämpfen. Während meiner schwersten Zeit, die Zeit der Arbeitslosigkeit, habe ich viele tolle Menschen kennen gelernt, die mich auf meinem Weg begleitet haben, mir mit Rat und Tat beiseite gestanden haben und immer wieder Mut gemacht haben, meinen Weg weiter zu gehen. Ihnen danke ich mit diesen Zeilen. Seit der Einführung von Hartz4 sind immer mehr Menschen von Ängsten und Problemen geplagt. Viele von ihnen finden sich in dem Dschungel der Reformen und Gesetzen mangels Aufklärung gar nicht zurecht, deshalb finde ich es wichtig, den Betroffenen ihre Pflichten und Rechte aufzuzeigen. Das Buch erzählt die Geschichte einer Frau, die 2006 in die Arbeitslosigkeit entlassen wurde und einige dunkle Täler durchschreiten musste, dabei aber immer wieder aufstand und schließlich ihr Schicksal als Chance sah für einen neuen, glücklicheren Lebensweg.

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 Ich möchte Ihnen kurz erzählen, aus welcher gesellschaftlichen Schicht ich stamme. Alls Einzelkind in einer strengen, religiösen Familie war ich das „Kämpfen“ um Anerkennung gewohnt. Mein Vater, von Beruf Polizist, war der Auffassung, dass man nur Anerkennung verdient, wenn man auch ordentlich „etwas leistet“ in unserer Gesellschaft. Ich wurde geprägt von Werten wie Disziplin, Ordnung, Ehrlichkeit, Glaube, etc. Meine Mutter wuchs in einem gefühlsmäßig unterkühlten und religiösen Elternhaus auf. Meine Eltern waren noch sehr jung, als ich ungeplant zur Welt kam. Das führte zu etlichen Problemen in ihrer Ehe. Meine Mutter musste den ganzen Tag zuhause bleiben, weil ich anfangs sehr krank war. Über drei Monate lag ich mit Magenproblemen im Krankenhaus, da ich weder Muttermilch, noch sonstige Kost vertrug. Das Geld war knapp, weshalb wir einige Jahre bei meinen Großeltern in der Souterrainwohnung lebten. Mein Vater besuchte Lehrgänge und kletterte langsam die Karriereleiter nach oben. Meine Mutter ging halbtags ins Büro. Als ich zur Schule kam, besaßen meine Eltern ihre erste Eigentumswohnung. Meine Mutter war immer gestresst und gereizt aufgrund der Doppelbelastung und der Eheprobleme. Ich bereitete meinen Eltern keine allzu großen Sorgen. In der Schule war ich ruhig, schüchtern und meine Leistungen mittelmäßig. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass die Eheprobleme meiner Eltern dazu beitrugen, dass ich kurz vor meinem Schulabschluss einen rapiden Leistungsabfall hatte, der dann auch zum Wechsel der Schule führte. Hinzu kam noch ein massives Pubertätsproblem. Ich litt sehr stark an Akne, was dazu führte, dass mich meine Mitschüler ständig hänselten. Mein Selbstbewusstsein war zu dieser Zeit sehr gering. Aufgrund der Berufstätigkeit meiner Eltern war ich ein so genanntes „Schlüsselkind“. Das hat natürlich auch einige Vorteile, man wird schneller selbständig und erwachsen. Ich wollte eigenständig sein und damit konnte ich bei meinem Vater punkten, wenn ich in der Schule nicht die erwünschten Leistungen brachte. Ich schaffte einen mittelmäßigen, erweiterten Realschulabschluss und stand nun vor der Entscheidung meiner Berufswahl. Krankenschwester wollte ich werden, das war als Kind schon immer mein Wunsch gewesen. Ich besuchte eine Hauswirtschaftsschule und musste noch kurze Zeit bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr überbrücken. Damals musste man achtzehn sein, um die Ausbildung zur Krankenschwester absolvieren zu können. Ich schrieb viele Bewerbungen und bekam nur Absagen. Schließlich entschied ich mich, eine Ausbildung zur Friseurin zu machen. Meine Begabung für diesen Beruf war eher mittelmäßig; es machte mir aber Spaß, andere zu verschönern. Meinen Abschluss bestand ich mit Noten im mittleren Bereich. Ich arbeitete nur kurze Zeit im erlernten Beruf, als meine Eltern sich trennten. Ich war zwar erwachsen, aber noch nicht reif genug, um mit dieser neuen Situation fertig zu werden. Meine Eltern hatten mir immer eine „heile“ Welt vorgegaukelt und so bröckelte diese „Fassade“ nach und nach. Mein Vater zog zu seiner neuen Lebensgefährtin, eine Autostunde von uns entfernt und meine Mutter hatte Stress mit der gemeinsam erworbenen Eigentumswohnung. Verkaufen, oder mit mir weiterhin dort leben? Für mich war klar, das war der Zeitpunkt, endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Meiner Mutter fiel diese Entscheidung sehr schwer. Sie klammerte sich an mich, was mich stark einengte, denn ich war gerade dabei, mich zu finden. Nach reiflicher Überlegung entschied meine Mutter sich, die Wohnung auf dem Land zu verkaufen, um sich eine neue Existenz in der Großstadt aufzubauen. Es hingen zu viele gemeinsame Erinnerungen an der alten Wohnung, mit denen sie nicht fertig wurde. Ich suchte mir eine kleine Wohnung, die für mich gerade so bezahlbar war, denn als Jungfriseurin im ersten Gesellenjahr musste man mit einem Hungerlohn auskommen. Meine Mutter hatte eine kleine erschwingliche Zweizimmer-Wohnung zur Miete gefunden und lebte sich dort schnell ein. Mein Vater und ich versuchten, den Kontakt weiterhin aufrecht zu erhalten. Da sein Arbeitsplatz in der Nähe der alten Wohnung war, besuchte er mich in regelmäßigen Abständen. Hin und wieder fuhr ich zu ihm. Oft fuhr ich mit einem Migräne-Anfall wieder nach Hause. Egal, wie alt man bei einer Trennung der Eltern ist, man leidet immer unter der Situation. Mein Vater erzählte mir später, dass er schon lange vor hatte, sich von meiner Mutter zu trennen, er wollte allerdings damit warten, bis ich erwachsen war. In meinem erlernten Beruf hielt ich nicht lange durch, weil ich mit meinem kleinen Verdienst nicht zurechtkam. Die erste eigene Wohnung verschlang Einiges an Kosten. Abends ging ich oft aus und war ständig pleite. So häufte sich schnell ein kleiner Schuldenberg an. Ein neuer Job musste her. Ich bewarb mich in einem großen Kaufhaus als Verkäuferin für Damenoberbekleidung. Damals wurde meine Ausbildung zur Friseurin anerkannt und ich benötigte keine Zusatzausbildung. Ich bekam sofort eine Zusage und damit verbunden sage und schreibe vierhundert D-Mark mehr Gehalt. Die Arbeitskollegen waren alle sehr nett, auch mit den Vorgesetzten kam ich gut zurecht. Da ich dort langfristig Fuß fassen wollte, zog ich in eine größere Wohnung und richtete mich neu ein. Meine Chefin war sehr zufrieden mit meinen Leistungen, so dass sie mich sogar zur Erstverkäuferin befördern wollte. Ich hätte dann eine interne Weiterbildung machen müssen. Im nach hinein ärgere ich mich manchmal schon darüber, damals diese einmalige Chance nicht genutzt zu haben und ich habe nach meiner freiwilligen Kündigung meinem tollen Kollegenkreis lange nachgetrauert. Zu meiner Entscheidung, diesen Job aufzugeben, kam es, als ich meinen damaligen Freund an meinem Arbeitsplatz kennen lernte. Seine Eltern arbeiteten in dem Kaufhaus für eine Promotion-Firma, die Modeschmuck, Kosmetik, etc. vertrieb. Marc und ich verliebten uns sofort ineinander. Es wurde viel über uns getuschelt. Liebe am Arbeitsplatz wurde nicht so gerne gesehen. Da wir beide noch sehr jung und unerfahren waren, schmiedeten wir schnell Zukunftspläne. Das führte dazu, dass ich meinen tollen Arbeitsplatz aufgab, um bei Marcs Eltern in der Firma einzusteigen. Ich tauschte meine Festeinstellung gegen eine so genannte „Scheinselbständigkeit“. Das hatte zur Folge, dass ich nur noch ein paar Tage Urlaub im Jahr hatte, die nicht bezahlt wurden und krank werden durfte ich auch nicht mehr. Jede Woche arbeitete ich in einer anderen Stadt und Marc und ich sahen uns nur noch selten. Seine Eltern mochten mich nicht besonders und schickten uns beabsichtigt in unterschiedliche Städte. Da wir frisch verliebt waren, hatten wir große Sehnsucht aufeinander. Abends im Hotel habe ich mich sehr einsam gefühlt. Schließlich trennten wir uns.

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 Nun war ich arbeitslos und verschuldet, denn ich musste noch Steuern nachzahlen. Ich beantragte beim Arbeitsamt Arbeitslosengeld und bekam nach einer Sperrzeit von drei Monaten die erste Auszahlung. Von den Sachbearbeitern wurde ich respektvoll behandelt, was heute im Hartz4- Bezug keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Kurze Zeit später fand ich eine neue Vollzeitstelle im Einzelhandel. Gut bezahlt und es gab Sonderleistungen, wie Urlaubs – und Weihnachtsgeld. Weil man im Einzelhandel nicht viel verdienen konnte, wechselte ich öfter meine Arbeitsstellen. Ich wollte Erfahrungen sammeln. Über häufigen Stellenwechsel ist man heute geteilter Auffassung, die einen sagen, durch den Wechsel gewinne man an Erfahrungen und Kreativität, die anderen meinen, man sei unreif, unzuverlässig und sprunghaft. Ich bin der Auffassung dass man dadurch erst lebensfähig wird. Der Mensch ist auf dieser Welt, um sich weiter zu entwickeln und sollte jede ihm gegebene Chance nutzen. Ich bekam einige lukrative Jobangebote, neigte aber dazu, sie durch mein Privatleben, was einen wesentlich höheren Stellenwert einnahm, in den Sand zu setzen. Vielleicht war es mein Schicksal, dass ich mir immer mit einer „neuen Liebe“ alles zerstörte. Manche Menschen neigen dazu, permanent dieselben Fehler zu machen, vielleicht können sie auch nicht anders. Wenn Sie heute noch einen Job im Einzelhandel finden wollen, dann bestimmt nicht mehr in einem großen Unternehmen, wo Sie noch alle sozialen Leistungen erhalten. Wenn Sie fündig werden, dann nur auf 400-Euro-Basis, oder wie wäre es mit einem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 22.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5683-0

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