Die Hashimoto-Thyreoiditis(Schilddrüsenentzündung) wurde erst Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckt. Bis heute ist darüber in den meisten medizinischen Lehrbüchern wenig verzeichnet, sodass viele Ärzte die Krankheit oft nur unzureichend oder gar nicht kennen. Wenig bekannt ist, dass es neben einer Vielzahl von Betroffenen mit geringen oder fehlenden Beschwerden (durch eine hormonelle Behandlung) einen Anteil Erkrankter gibt, die unter zahlreichen unterschiedlichen und teilweise schwer erfassbaren und schwierig zu behandelnden Beschwerden leiden. Diese werden nur allzu oft für eingebildete Kranke gehalten und irren jahrelang von Arzt zu Arzt, ohne dass die richtige Diagnose gefunden oder eine entsprechende Behandlung begonnen wird. Nicht selten zweifeln die Betroffenen mit derart komplizierten Verläufen an ihrem eigenen Verstand, da die Vielzahl der Beschwerden auch ihnen selbst nicht einleuchten will. Die Beschwerden können bei diesen Menschen in einigen Fällen auch durch eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen nicht gänzlich zum Verschwinden gebracht werden. In diesen Fällen sind andere Behandlungsstrategien notwendig. Das Leben trotz dieser chronischen, oft lebenslang bestehenden Krankheit sinnvoll und lebenswert zu gestalten, ist eine große Herausforderung. Hier kann durch die Unterstützung von anderen Erkrankten und spezialisierten Ärzten sinnvolle Hilfestellung geleistet werden. (Zitat von Leveke Brakebusch aus: Leben mit Hashimoto Thyreoiditis)
Mein Leidensweg begann im Jahr 2004, wo Ärzte erstmals Hashimoto bei mir diagnostizierten. Als Tennager litt ich unter einer Morbus Basedow(autoimmune Krankheit mit einer Überfunktion). Sie wurde damals mit Jodtabletten behandelt. Heute weiß man, dass eine Überjodierung eine Hashimoto Thyreoiditis auslösen kann. Da meine Mutter unter einer Schilddrüsenunterfunktion leidet, hatte ich beste genetische Voraussetzungen, ebenfalls zu erkranken. Weil ich während meiner Erkrankung diverse negative Erfahrungen mit Ärzten und Psychologen gemacht habe, halte ich es für enorm wichtig, dass Betroffene sich mit ihrem Krankheitsbild auseinander setzten, um von den Ärzten ernst genommen zu werden und so entscheidend dazu beitragen, mit dieser Erkrankung zurechtzukommen.
Ich wachte an einem warmen Sommertag im August 2012 auf und fühlte mich zum ersten Mal ausgeruht, frisch und voller Elan. Das sah in den letzten Jahren anders aus. Ich fühlte mich ausgebrannt und innerlich leer. Es war kein Problem für mich, den Tag zu verschlafen, so müde und erschöpft war ich. Zehn, zwölf Stunden durchschlafen war bei mir an der Tagesordnung. Zum größten Teil lag es daran, dass ich in den letzten Jahren viel Stress hatte und wenig Gelegenheit vorhanden war, zur Ruhe zu kommen. Irgendetwas stimmte mit meinem Körper nicht, das spürte ich, denn der spielte in letzter Zeit verrückt. Ständig war mir schwindelig, ich konnte mich nicht richtig konzentrieren und ermüdete nach jeder Anstrengung. Ich hatte das Gefühl, nur Watte im Kopf zu haben. Nachts kam ich nicht zur Ruhe und war wie unter Drogeneinnahme unter Strom. Das hatte zur Folge, dass sich mein körperlicher Zustand auf mein Gemüt niederschlug. Ich war ständig gereizt und litt unter Stimmungsschwankungen, mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Meine Umwelt reagierte darauf zum größten Teil verständnislos. Bei jeder körperlichen Tätigkeit brach mir der Schweiß aus, was mich stark einschränkte.
Dann machte sich mein Herz bemerkbar, es schlug unregelmäßig, was mich sehr beängstigte, sodass ich schließlich einen Facharzt aufsuchte. Er machte einen Check-up, bei dem sich herausstellte, dass ich unter einem zu hohem Blutdruck und Herzrhythmusstörungen litt. Ich bekam Betablocker verordnet, die ich jeden Morgen regelmäßig einnahm. Nachts bekam ich schlecht Luft und kam nicht zur Ruhe. Da ich unter Asthma leide, muss ich regelmäßig Kortison einnehmen. Was ich bis dahin nicht wusste und kein Arzt mich darüber informierte, war, dass Betablocker und Kortison sich nicht gut miteinander vertragen. Die Betablocker nahm ich eineinhalb Jahre, dann verbesserte sich der Zustand mit meinem Herzen und ich konnte die Tabletten wieder absetzen. Der Arzt hielt den permanenten beruflichen und privaten Stress für den Auslöser der Herzprobleme, sicherlich eine Ursache für die Beschwerden. Allerdings kam bis dahin keiner auf die Idee, meine Schilddrüsenwerte zu kontrollieren.
Bis zum Jahr 1998 verlief mein Leben relativ ruhig. Ich lebte seit sechs Jahren in einer festen Beziehung und arbeitete mit meinem Lebensgefährten im gemeinsamen Geschäft, was wir ein Jahr zuvor eröffnet hatten. Frank, mein Lebensgefährte, arbeitete damals hauptberuflich bei der Stadt Hamburg und hatte einen sicheren Arbeitsplatz. Die Bezahlung war nicht berauschend, aber er konnte davon leben, damals gab es noch Sonderleistungen wie Urlaubs-und Weihnachtsgeld. Da mir mein Arbeitgeber gekündigt hatte und kein neuer Job in Aussicht stand, bot es sich an, gemeinsam im Geschäft zu arbeiten. Frank ließ von seinem Steuerberater einen Arbeitsvertrag aufsetzen und stellte mich in Vollzeit ein. Da wir nicht immer einer Meinung waren, gab es öfter Meinungsverschiedenheiten zwischen uns. Ich hatte große Probleme mit der Tatsache, dass Frank mein Vorgesetzter war, denn er führte sich auch dementsprechend auf. Bis nachmittags war ich alleine im Geschäft, dann kam er direkt von seiner Arbeit, um im Laden nach dem Rechten zu gucken. Ich machte zum frühen Abend Feierabend und fuhr in meine Wohnung, denn wir wohnten damals noch nicht zusammen. Frank war sehr freiheitsliebend, was ich missbilligend akzeptierte.
Meine Woche war lang, von Montag bis Samstag. Am Wochenende besuchte Frank diverse Flohmärkte, um für das Geschäft zu werben. Selten verbrachten wir unsere wenige Freizeit gemeinsam. Dann erkrankte meine Katze an Krebs, an der ich sehr hing. Sie war auch der Grund, warum Frank und ich nicht zusammen zogen, da er an einer Tierhaarallergie litt. Meine Katze war gerade einmal neun Jahre alt und zu jung für eine so schwere Erkrankung. Als ob dieses Schicksal nicht schon schwer genug zu ertragen war, stellte sich ein Weiteres ein. Mein Vater erhielt die Diagnose Krebs, mit gerade mal achtundfünfzig Jahren! Meine Eltern hatten sich zehn Jahre zuvor getrennt und er lebte mit seiner zweiten Frau in einer anderen Stadt. Ich besuchte ihn hin und wieder am Wochenende, was mir nicht leicht fiel, denn ich litt sehr unter der Trennung meiner Eltern. Da ich Einzelkind war, hatte ich niemanden, mit dem ich mein Schicksal teilen konnte. Meine Mutter war auf ihren Exmann nicht gut zu sprechen, da er sie von heute auf morgen wegen einer anderen verließ. Während der Erkrankung meines Vaters hatte ich selten die Möglichkeit, ihn zu besuchen, da ich im Geschäft gebraucht wurde. Mich belastete die Situation immer mehr und ich zog mich innerlich zurück. Frank war in seine Arbeit involviert und brachte für meine Probleme wenig Verständnis auf. Meine Katze musste ich einschläfern lassen, da der Knochenkrebs irreparabel war.
Zwei Tage vor Weihnachten starb mein Vater an seiner Krebserkrankung. Eine Welt brach für mich zusammen. Ich fühlte mich einsam und schlug Frank vor, zusammenzuziehen. Er war mit meinem Vorschlag einverstanden und wir begaben uns auf Wohnungssuche. Wir fanden eine Dreizimmerwohnung, in der wir uns schnell einlebten. Frank war oft bis spät abends im Geschäft und ich gewöhnte mir während dieser Zeit einen ungesunden Lebensstil an. Da ich tagsüber im Laden keine Zeit fand, in Ruhe zu essen und ich abends zu kaputt war, mir eine Mahlzeit zuzubereiten, suchte ich mehrmals die Woche den Griechen um die Ecke auf. Ich lernte dort nette Leute kennen, mit denen ich mich regelmäßig traf. Allein zuhause sitzen und auf Frank warten wollte ich nicht. Ich aß immer sehr spät und reichhaltig und trank regelmäßig Alkohol. Irgendwann merkte ich, dass mein Körper immer träger wurde. Ich fing an, Sport zu treiben, was mir gut tat. Einmal in der Woche ging ich mit meiner Mutter in den Sportverein.
An einem Dienstagabend im Juli wartete ich vergebens auf sie. Ein komisches Gefühl beschlich mich, es musste irgendetwas passiert sein, denn sie meldete sich sonst regelmäßig bei mir. Irgendwann kam sie völlig aufgelöst in die Turnhalle. Sie hatte meine Oma leblos in ihrer Wohnung aufgefunden und wartete auf das Bestattungsinstitut. Da sie am Wochenende nicht nach meiner Oma geguckt hatte, vermutete sie, dass sie das ganze Wochenende tot in ihrer Wohnung gelegen haben musste und machte sich große Vorwürfe. Da meine Oma bis zu diesem Zeitpunkt mit ihren dreiundachtzig Jahren noch sehr agil war, traf uns ihr plötzlicher Tod unerwartet. Meine Oma starb an einer Lungenembolie. Ich hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu ihr, denn sie zog mich groß, da meine Eltern beruflich eingespannt waren. Meine Oma
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 04.10.2012
ISBN: 978-3-95500-174-2
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