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War of Time


…ehen bleiben. Anordnung des obersten Befehlshaber!“

Es war wie in einem Traum, ich war dermaßen berauscht, dass mich dieses Gefühl fliegen ließ. Ich kam mir vor wie auf Drogen, ich fühlte mich so leicht, so schwerelos, als wäre mir in diesem Moment alle Lastern von den Schultern gefallen.
Es war so unwirklich. War ich nicht eben noch in meinem Zimmer, das so aussah, als wäre dort eine Atombombe eingeschlagen? Lag ich nicht mit dem Kopf auf meiner Schreibtischplatte, mit geschlossenen Augen und die Matheaufgaben neben mir ignorierend?
Warum also war ich hier?
Wo

genau, war hier

?

„Ich sagte: Stehen bleiben

!“

Mit einem Ruck drehte ich mich in die Richtung aus der die herrische Stimme kam und für einen Augenblick war ich wirklich sprachlos.
Vor mir stand ein muskelbepackter Mann - breite Schulten, Bizeps die aussahen wir aufgeblasen und Beine, von denen jeder Bodybuilder nur Träumen könnte.
Ich hatte keine Ahnung wie ich hier her kam, aber ich war mir sicher, dass es sich um einen anderen Planeten handelte, denn hier war alles im rötlichen Licht getaucht, die Gravitation war um einiges Stärker und auch die Waffen, die der Mann um seine Schultern trug, sahen nicht wie „Erdlingswaffen“ aus.
Generell war hier alles anders. Häuser aus Stein? Nein. Dieses Material sah äußerst edel aus. Es glänzte in silbernen Tönen, reflektierte dabei den rötlichen Himmel.
Die Gebäude waren höher, als jeder Wolkenkratzer und mit so vielen Fenstern versehen, dass es mir Angst machte. Ich kam mir vor wie in der Zukunft. So hatte ich sie mir zumindest immer vorgestellt: hohe Wolkenkratzer, silberne Gebäude, so edel, dass …
„Mit kommen!“, schrie der Mann und riss einen schmächtigen Jungen am Arm hinter sich her.
Aus meinen Gedanken gerissen sprintete ich beiden nach, rief noch, dass er den Jungen, dessen Gesicht vor Schmerz verzerrt war, loslassen sollte – doch sie ignorierten mich.
Die Wut die in mir aufstieg, über solch eine Ignoranz, ließ mich innerlich brodeln. Mit meinem Arm wollte ich den bulligen Mann an der Schulter herumreißen, doch … ich griff hindurch.
Geschockt schaute ich mir meine Hand an, doch an ihr schien nichts abnormales zu sein, doch jetzt war nicht die Zeit darüber nachzudenken, stattdessen lief los, versuchte die beiden einzuholen, da ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich stehen geblieben war.

Als wir an einem Palast ankamen, riss ich vor lauter erstaunen meine Augen auf. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas so edles gesehen!
Die Eingangshalle des Palastes war ungemein groß, die hohen Decken wurden mit eleganten Kronleuchtern geschmückt, die dicken karmesinroten Teppiche verzierten den Boden, einer glänzenden Holztäfelung die dazu mit handgeschnitzten Möbeln ausgestattet worden war.
Die Luft war von einer Stille geprägt, die man üblicherweise nur mit Geld kaufen konnte. Einer verdammt großen Menge an Geld.
Verblüfft ließ ich meinen Blick nach oben wandern und stellte ohne große Verwunderung fest, dass auch dieses Gebäude mit duzenden von Fenstern ausgestattet war.
Ein leichtes Schwindelgefühl stieg in mir auf. Diese ganzen Gebäude … es war zu offen, zu ungeschützt. Das rötliche Licht des Planeten schien durch die Fenster und tauchte die gesamte Eingangshalle in schauriges Licht.
Wie eine gläserne Stadt

, schoss es mir durch den Kopf, ehe ich durch das Gebrüll des bulligen Mannes aus meinen Gedanken gerissen wurde.
„Ich will dich hier unten nicht mehr sehen!“, herrschte er den kleineren an und schubse ihn die Treppe hoch.
„Ich bin der Pri-“, wollte er widersprechen, doch da flog auch schon sein Kopf zur Seite. Fassungslos griff er sich an seine brennende Wange.
„Und wenn du der Gott persönlich wärst, dein Vater sagte, du sollest dich nach oben verziehen. Also Abmarsch!“
Wutentbrannt lief der Junge nach oben und ich ihm hinterher. Beide schienen mich noch immer nicht bemerkt zu haben, oder sie ignorierten mich weiterhin. Doch als Außenstehender war es doch sicherlich nicht gestattet, in das Königreich einzudringen, oder?

Ich war gerade über die Türschwelle getreten, als der Prinz die Türe zustieß und mich normalerweise hätte treffen müssen, doch ich spürte … nichts.

„Dieser Wichtigtuer, irgendwann werde ich diesem aufgeblasen, hirnlosem Arschloch gewaltig die Fre...“ Ethan riss eine Vase von seinem Nachttisch, hielt sie hoch über seinen Kopf und ….
- „Du sollst doch nicht immer so Fluchen Ethan Thomas. Hat dir das dein Vater nicht beigebracht?“, ein hauch von Spott lag in der Stimme des Jungen, der aus dem angrenzenden Badezimmer trat.
Irritiert schaute ich ihn an. Abwechselnd betrachtete ich ihn, dann wieder den Prinzen.
Die gleichen dunklen Haare, dieselben stechend grünen Augen, die selbe Statur.
Er sah genau so aus wie … Ethan.
Zwillinge.
„Halt die Klappe, Will!“, fuhr er ihn an, konnte sich aber ein schmunzeln nicht verkneifen und stellte behutsam die Vase wieder auf den Tisch.

Langsamen Schrittes machten sich die beiden auf dem Weg zum Balkon, während ich weiterhin stumm im Zimmer rumstand.
Panik stieg in mir auf. Warum sahen sie mich nicht? Warum fühlte ich nichts? Und warum war ich trotzdem da? Hier? Und nicht... Ich schüttelte meinen Kopf und verwarf den Gedanken an mein Zuhause, stattdessen wollte ich mich zu den Zwillingen nach draußen gesellen, doch plötzlich fühlte ich mich wieder so High, so berauscht, dass ich kurz meine Augen schloss und als ich sie wieder öffnete …. Ich stand auf dem Balkon, ich war im gleichen Palast, doch die Personen vor mir waren nicht mehr dieselben, zumindest einer von ihnen nicht.
Der Prinz war um satte fünfzehn Jahre gealtert und der Gesprächspartner, war ein komplett anderer.

„…. Weißt du, es ist nicht so, dass ich diese Entscheidung bereut habe, ganz im Gegenteil – sie hat mich beflügelt. Die Rache für meinen Vater, für meinen Zwilling, sie hat mich wieder zurück ins Leben gebracht, der ganze Schmerz hat mir gezeigt, das mein Herz doch noch schlägt.
Und als ich nach Jahren Darius endlich wieder gegenüberstand, da war ich nicht mehr der kleine dreizehn Jährige Junge, dessen Zunge gefror, und so das Sprechen verweigerte, dessen Knie vor Angst zitterten, dessen Stimme vor Angst bebte. Ich war stark, und die Rachsucht trieb mich an.
Ich wollte ihn leiden sehen, er sollte so leiden wie ich es tat. Ein schneller Tod, ohne Qualen, ohne Schmerzen, ohne Demütigung, das war ihm nicht gegönnt.“, Ethan machte eine kurze Pause, blickte gedankenverloren in den Sternenhimmel und seufzte, bevor er sich seinem Gegenüber wieder zu wand.
„Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin, zu einem eiskalten Human Fighter. Vielleicht sollte ich ihn dafür hassen, aber das tue ich nicht – und seltsamerweise, tat ich das nie, denn letztendlich führte mich dieser Weg hierher.“, seine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, „Versprichst du mir etwas, Jace.“, seine Stimme klang dabei so flehend und ernst, dass es dem Jungen den Atem stocken ließ.
„Alles.“
„Hasse mich nicht für meine Gedanken, für das, was ich Darius angetan habe. Hasse mich nicht, weil ich ihn qualvoll sterben sehen wollte, sieh mich nicht als das, was ich damals war. Ich bin kein kaltes Wesen mehr, du hast mich verändert, vergiss das nicht, okay? Egal wie schlimm es wird, was ich dir jetzt erzähle. Wer weiß, vielleicht denkst du darüber ganz anders als ich, doch ich war ein grauenvolles Monster, auch wenn ich es durch dich erst eingesehen habe.“
„Ich - “, wollte Jace beginnen, doch Ethan unterbrach ihn. „Sag bitte nichts, dein Versprechen reicht mir und jetzt -“, es blitze etwas in seinen Augen auf. „...hör zu!“

Erneut ergriff mich das Schwindelgefühl. Ich fühlte mich wieder so leicht und unbeschwert.
Ich schaute durch eine Art Schleier und erst nach unzähligem Blinzeln wurde meine Sicht wieder schärfer. Ich war wieder an einem anderen Ort, doch dieser hier, war mit Abstand der schlimmste.
Ich lief einige Schritte, schaute mich um und augenblicklich wünschte ich mir, ich wäre wieder zuhause. Überall lagen sie, unzählige tote Menschen ….
Der beißende Rauch trieb mir Tränen in die Augen und der Geruch von verbranntem Fleisch ließ Übelkeit in mir aufsteigen, doch ich lief unbeirrt weiter. Die Schreie von Verwundeten und Sterbenden begleiteten mich auf meinen Weg über das Schlachtfeld

.
Ich konnte erkennen wie die Krieger zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen waren, die am heutigen Tage Stück für Stück auseinander zu brechen schien.
So viele waren schon für immer davon gegangen und viele würden ihnen noch folgen. Die meisten hatten bereits die Hoffnung aufgegeben, doch der Kampf ging weiter.
Wie viele waren heute schon gestorben? Hunderte? Wer wollte schon in die Schlacht ziehen und sterben, wenn bekannt war, das er hart und kaum zugewinnen war?
Ich vermochte nicht zu wissen, wie viele junge Kämpfer sich vorkamen wir wertlose Nummern, Gefallende, notwendige Opfer auf dem Weg zum Sieg.
Ich schaute mich um, und versuchte die auf ekel basierende Gänsehaut zu ignorieren.
Konnte man bei diesem Krieg überhaupt von Siegern sprechen? Es war nichts weiter als ein sinnloses Gemetzel von vielen, um die Gier einzelner zu befriedigen. Alle waren Verlierer.

Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen, wie viele Krieger wohl schon durch die Attacken der eignen Truppe gefallen waren, denn letzten Endes war es mir auch egal, denn mein Blick lag wie gebannt auf den einen Jungen. Es war der Junge (oder viel eher junger Mann) von dem Balkon der nun präzise und kräftige Schläge austeilte, um weiteres Blut zu vergießen, rote Tränen fließen zu lassen und weitere Leben zu zerstören.

Hier, wo man keinen Atemzug holen konnte, wo sich jede Sekunde wie eine Stunde zog und wo sich die eigene Welt auf ein Minimum beschränkte, zählte nichts mehr außer die eigenen Attacken und die des Gegners.
War man schneller, lebte man, wenn nicht, bedeutete es den Tod. Manchmal kam er schnell und ein anderes Mal zog er sich hin, der Tod, wenn man auf der besudelten Erde lag und nichts tun konnte als zuzusehen, wie das Leben langsam aus einem heraus rann.

Schon wieder fiel einer zu Boden und blickte aus leblosen Augen gen Himmel. Wie schnell sich doch alles änderte, in einem Moment hatte man noch Hoffnung, nach all dem irgendwann wieder nach Hause zurück kehren zu können und im nächsten war diese Hoffnung für immer ausgelöscht worden.
Wo bin ich hier nur gelandet? Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als all das hinter mir zu lassen, den Kämpfen und den Tod den Rücken kehren zu können, zu denken, dass ich dies niemals mit ansehen musste.

Plötzlich sah ich, wie sich eine Speerartige Waffe durch die Brust des Prinzen grub, wie das Blut aus seiner Brust floss.
Augenblick krümmte ich mich vor Schmerz, packte mit meiner rechten Hand am meine Brust, doch da war nichts. Kein Blut. Kein Fleck. Nichts.
Erschrocken sah ich auf und musste feststellen, dass sich der Prinz genau dieselbe Stelle festhielt und für einen Augenblick trafen sich unsere Augen und ich könnte schwören, diesmal hatte er mich wirklich gesehen...

Weißt du, was passiert, wenn ein großer Herrscher andere machen lässt, was ihnen gefällt? Weißt du, was passiert, wenn ein großer Herrscher aufmüpfige Völker verschonen lässt? Es verändert die Zukunft, mein Lieber Jonathan, dass musste auch schon dein Vorfahre Ethan spüren …



Die Stimme hallte durch meinen Kopf, immer und immer wieder, als ich ruckartig meine Augen aufriss und meine Hausaufgaben mit der Matheformel sah.

„Jonathan Thomas! Ich ruf' dich nicht noch einmal, komm runter essen...!“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.01.2012

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