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Sperrstunde II

Es ist Nacht
der Kellner sperrt wieder
das alte Lokal zu
die Türe knarrt
der Schlüssel dreht sich mühsam im schloß

ein kurzer Gruß
verschlafen fahrig geht er an ihnen vorüber

alles tut weh

alte Holzbänke

sein Arsch

schon wieder zu wenig Polsterung

heute eine Winternacht
es schneit

leise bewegt sich das sanfte weiß
dann doch wieder aufwärts
aufgrund fragwürdiger Thermik

der Schnee tanzt
ihre augen verfolgen das treiben

seine auch

dann gehen sie

arm in arm
sie sind kein paar

aber sie könnten es sein

sie stehen bei der station
er bringt sie heim

hat noch immer kein auto...

Stand: beide sehr betrunken

aber nicht besoffen
normalerweise auch nicht versoffen

seine Liebe grenzenlos
ihre Liebe gibt es scheinbar nicht

sie stehen noch immer bei der Station

ich will noch nicht nach hause
sie wollen sich auf die Bank setzen

kalter wind
kalter schnee
kaltes alles

sie sehen sich an
der eine das gesicht des anderen

verschwommen
von schneeflocken umweht
gelb illuminiert durch die
straßenlaternen

romantik
unverständnis

sie sehen sich lange an

so lange

wie sie sich noch nie angesehen haben

sie will etwas sagen
er sagt nichts

sie dann auch nicht

sie kommt näher
umarmt ihn
legt ihren kopf an seine schulter
rückt mit ihrem Unterleib näher

ihnen ist jetzt warm
der alkohol drängt sie zu dingen, die sie nie in erwägung gezogen haben

ehrlich!!

sie blickt zu dem Stundenhotel

es ist ein uhr nachts

die dunkelroten Vorhänge
ein fenster erleuchtet
ein anderes offen
schnee auf dem Fensterbrett

es muss warm sein
sagt sie
es liegt so nahe

es wird nicht teuer sein
denkt er

etwas setzt sie in bewegung

beide

sie gehen dem Hotel
dem roten Fenster zu
verliebt
auf einmal

klopfenden herzens treten sie ein

der nachtportier

keine überraschende erscheinung
ohne mimik
ohne leben
interessen
leer

schlüsselüberreichend
gästebuch hindrehend
unterschriften beobachtend

kreditkarte?

nein!!

bar

der preis

doch teuer denkt er

sie gehen in den zweiten stock
treten ein

ein kleines zimmer

warm

ziehen den roten Vorhang auf

kleine nachttischlampe
kleines Licht

sie liegen lange aufeinander

lieben sich

wer hätte das gedacht
küssen sich

genießen es

stinken nach alkohol

beide

bemerken es nicht

verbringen eine ungeheuerliche nacht

aus der sie nackt hervorgehen

er sitzt dann am fenster

nackt

sie tritt zu ihm

nackt

umarmt ihn

küsst ihn

er sie

sie blicken auf den verschneiten Platz

was für eine ruhe

nicht mehr angenehm von warmem wind umspielt
wie im sommer

vom schnee verursacht
dem warmen gelben Licht

lange sitzen sie am fenster

es klopft an die türe

fazit:

sie sollen jetzt hinaus

dann geht sie jetzt zur arbeit

er bleibt noch zurück

sitzt am fenster
blickt auf sie, wie sie die ersten fußstapfen in den morgendlichen Schnee tut

sie dreht sich um
blickt ihn lange an

lächelt liebevoll
erotisch
unverwechselbar
geliebt

der dichte schnee verschlingt sie

er steht auf
sieht sich alles noch einmal an

das bett
der schöne raum
die kleine lampe

ihre anwesenheit - noch ein wenig

dann verschwindet auch er...

Impressum

Texte: Andreas Wenhardt
Tag der Veröffentlichung: 22.01.2013

Alle Rechte vorbehalten

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