Während etliche Bewohner aus unserem Dorfe sich mit gen Himmel gerecktem Haupte zum hohen Platz begaben – einem Ort, an dem wichtige Zeremonien vollführt wurden, blieb ich ratlos in meiner kargen Hütte, das Gesicht niedergeschlagen in den Händen vergraben. Ich besaß nichts, dass ich dem stolzen Gotte Theos opfern könnte, denn der Preis musste hoch sein. Zu hoch für einen armen Wittwer – wie mich. Nur etwas Kostbares würde ihn beruhigen können und einem Menschen weitere Jahre des Lebens verschaffen.
Vor gut vier Jahren hatte das Schicksal meine herzallerliebste Gattin übermannt. Sie schenkte mir, nach langen, wütenden Widerreden meinerseits, ihr einziges, wertvolles Schmuckstück.
Die Krankheit hatte sie bereits in ihre Fänge gelockt, ich blieb überraschenderweise verschont. Sie würde ohnehin bald sterben, prophezeite sie mir mit belegter Stimme, ich jedoch, solle noch einen weiten Weg verfolgen dürfen.
„Spiel“ – so nannten meine Zeitgenossen das ehrwürdige Verschlingen der edlen Gegenstände, deren Rauchfaden sich lautlos einen Weg in die Höhe bahnten.
Ein wehmütiges, gehässiges Lächeln umspielte meine Lippen. Dies würde mein letztes sein.
Ich schloss mich der letzten, kleinen Menschenmenge an, und ließ mich zu der heiligen Stätte führen. Das große, lodernde Feuer, welches sich um das kostspielige Holz schlängelte, bedeutete mir, mich an mein Schicksal zu erinnern. Nach-und nach gingen einige Menschen vor, verbeugten sich, warfen ihre Gegenstände in die knisternden Flammen, welche diese begierig verschlangen.
Einen kurzen Augenblick verharrten sie – kein merkwürdiges Zeichen, Theos war mit dem Opfer anscheinend zufrieden.
Vor mir stand eine der ärmsten Einwohner, in Lumpen gehüllt, zitternd mit einem Bündel jungem Leben in den Armen.
Sie besaß nichts. So wie ich. Wimmernd hing sie an ihrem Neugeborenen.
Doch sie konnte nichts anderes zu tun – unser Anführer warf ihr bereits missbilligende, ungeduldige Blicke zu.
Schleichend ging sie zum Feuer. Einzelne Tränen rannen ihre verschmutzten Wangen hinab.
Nein! Eilig hastete ich zu ihr. Doch es war zu spät. Im selben Augenblick hatte sie sich von ihrem Baby verabschiedet.
Und ich stürzte in die Feuersbrunst. Warf das Bündel hinaus. Weg von den Flammen.
Es würde schreckliche Narben davontragen.
Mein Leben opferte ich dem mächtigen Tyrannen. Mein Blick fiel auf den schlichten, schmalen Ring an meinem Finger.
Der Ehering aus purem Gold war ein kleines Vermögen wert, dem Gotte würde es genügen.
Ich riss ihn mir vom Finger und schleuderte ihn der erschrockenen Frau zu.
In ihren Augen sah ich, wie ich verbrannte. Doch es kümmerte mich nicht, denn das Leben ihres Säuglings war gerettet, und nichts stand zwischen meiner Gefährtin und mir noch im Wege.
Nun verstand ich, weshalb die Bewohner dies ehrfürchtig, das Spiel der züngelnden Flammen nannten.
Texte: © Sternensammlerin
Bildmaterialien: http://gallery.plogmann.net/images/83/3ma5df69323c621d5fdd1539376d4dc18d.jpg
Tag der Veröffentlichung: 04.08.2012
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Widmung:
Dies widme ich euch.