Mal ganz ehrlich, natürlich unter uns! Sind sie auch noch von der aussterbenden Gattung des allgemeinen Kassenpatienten? Ich sag es bestimmt nicht weiter!
In meinem Leben hab ich schon in einigen Krankenhäusern gelegen, aber das ist schon Zeiten her.
Diesmal traf es mich vollkommen überraschend, natürlich an einem Wochenende! Sowas passiert immer am Wochenende! "Au" schrie ich beim Essen auf, "mein Zahn!" Klasse, ein Stück der Füllung hatte sich verabschiedet. Und mit jeder Stunde mehr, hämmerte der kleine Mann darin heftiger.
Montag Morgen rannte ich zum Zahnarzt, jawohl ich! Früher half es immer wenn ich die Klinke der Praxistür kaum berührte, fest griff ich mit beiden Händen zu! Aber nichts - denken sie das hätte den nervigen Hampelmann im Zahn auch nur interressiert?
Vielleicht hatte er ja noch gar nicht mitbekommen wo wir waren, immerhin - die Praxis konnte er nicht kennen, wir waren ja erst umgezogen.
Also gab ich ihm eine Chance, und öffnete leicht den Mund Richtung Praxisschild und dachte intensiv "So, nun schau genau hin, überleg es dir gründlich, sonst mache ich ernst!"
Nichts, rein gar nichts passierte, im Gegenteil. Er schien sich seiner Lage nicht bewußt zu sein, also ging ich hinein.
Die Praxis war fast leer, müde blickte mich die Sprechstundenhilfe an," Jaa, Bitte?" Eifrig und schnell erklärte ich mich. Sie senkte ihren Kopf, ging mit ihrem Kuli leere Spalten in den Kalender auf und ab und murmelte " Privat oder Kasse?"
Können sie mir erklären warum ich leise und zaghaft meinte " Ähh- Kasse". Ihre Schultern sackten runter, mit einem leichten Seufzen nahm sie meine Karte und schickte mich ins Wartezimmer. Außer mir saß noch ein älterer Herr dort. Und da saßen wir die nächsten 2 Stunden noch. Es passierte rein gar nichts, niemand ging rein oder raus, und ich fragte mich, ob vielleicht schon Frühstückspause wäre.
Genau in diesem Augenblick, kam eine Frau mittleren Alters herein, und keine 2 Minuten später schickte man sie durch zum "Zimmer 1"! Unruhig rutsche ich auf dem harten Stuhl herum und der ältere Herr seuftzte nur tief und schmerzvoll. "Ob ich doch nochmal nach Hause gehe?" zog es mir durch den Kopf, aber der kleine Mann in meinem Zahn machte sich einen Spaß daraus nun wirklich sein Bestes zu geben. Na, warte nur, wirst schon sehen was du davon hast.
Eine Stunde später kam ich endlich an die Reihe, nachdem die Frau herauskam. Wie zur Entschuldigung meinte der Arzt, " War ´ne Privatpatientin wissen sie?!" Gar nichts wußte ich! Woher auch? Er brauchte von mir ein Röntgen bild und keine fünf Minuten später hieß es,"Da kann ich nichts machen, denn da müßen sie zu einem Chirurgen, der Weisheitszahn liegt so miserabel, das er gleich mit raus sollte!Ich mache ihre Unterlagen fertig und dann fahren sie am besten noch heute zu einem." Die Sprechstundenhilfe sagte mir dann noch in monotonem Tonfall wo ich so jemanden finden könne, und reichte mir dann sang ung klanglos die Unterlagen. Der ältere Herr saß immer noch im Wartezimmer und seufzte. Also fuhr ich in die Stadt. Es war eine riesige Praxis! Schon an der Tür bekam man das Gefühl, wer hier nicht viel Geld hat, zählt auch nicht. Ich bereute sofort, nicht wenigstens etwas eleganter angezogen zu sein. Die Sprechstundenhilfe taxierte mich von oben bis unten und meinte verächtlich" Kassenpatient, nicht wahr?" Es traf wie ein Geschoß! "Ähh - ja, Doktor sowieso schickt mich weil.." "Das werden wir schon sehen!" unterbrach sie mich barsch und schickte mich in ein diesmal überfülltes Wartezimmer.Dort saß ich 4 Stunden um mir anschließend sagen zu lassen, das er das nicht behandle weil ich dazu eine Narkose bräuchte, denn er würde raten gleich alle Weisheitszähne entfernen zu lassen! Bei meiner Krankheitsgeschichte ginge das nicht ohne Narkose. Das macht er für gewöhnlich, aber in diesem Fall...Eine Klinik empfahl er mir sogar, aber auf meine Frage ob er mir wenigstens die Telefonnummer geben könne,sah ich schon an seinem Gesicht, das diese Frage bereits zuviel war. Also wieder nach Hause,an den PC,und nirgendwo war diese gennante Klinik zu finden, jedenfalls nicht mit Telefon oder sonstiger Kontaktmöglichkeit.
Am Abend war dieses Männlein in meinem Zahn so voller Triumph, es dachte wohl nun hätte ich aufgegeben.Eine Bekannte empfahl uns eine "dafür berühmte Zahnklinik" in der Nähe.Kannte sogar die Zeiten der Sprechstunde und so fuhren wir am nächsten Morgen dahin. Alles klappte wunderbar, ich bekam sogar einen schnellen Op-Termin, wollte mich grad verabschieden, da hieß es, "Sie sollten aber bei ihrer Kasse klären, ob die die Kosten übernimmt!" Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ohh - doch sogar sehr. Ich benötigte im Anschluß daran 1.einen Bericht des Zahnarztes
2.den des Kieferchirurgen und 3. und vor allen Dingen, den meines behandelnden Arztes, der bestätigte das ich seit dem St. Nimmerleinstag an Epilepsie litt. Ansonsten hätte ich , fein säuberlich aufgelistet, ca. 1200 Euro zu bezahlen. Ich fiel wirklich aus allen Wolken! Alle drei Ärzte schimpften lauthals über das Gesundheitssystem, und ihre mittlerweile ja so kargen Einkünfte, schrieben aber die Atteste und kassierten bei mir jedesmal 10 Euro dafür!
Drei Tage später war ich in der Klinik, leider mußte man dort wegen Renovierungsarbeiten die Privatpatienten mit denen der Kasse zusammenlegen. So stellte mich die Schwester tatsächlich meiner künftigen Bettnachbarin vor! Ich fühlte mich plötzlich klein, mickrig und - ja, lacht nur, schmutzig. Keine Ahnung warum. An diesem Tag bekam ich eh nicht mehr viel mit, denn um 13 Uhr kam ich in den OP. Als ich abends erwachte, sagte man mir ich sei noch auf der Intensiven, man würde mir morgen alles erklären. "Aha, wieso morgen, ist es denn noch heute?" dachte ich mir.Nach weiteren 2 Stunden brachte man mich auf die Aufwachstation, wo der Pfleger schon jammerte das er endlich und eigentlich ja Feierabend hätte. Als ich wieder auf das Zimmer kam, kam sofort die ältere dame zu mir und meinte völlig aufgewühlt, "Du lieber Himmel, wir haben schon so gewartet, was ist denn bloß passiert? Ihr Mann hat seit drei Uhr schon etliche Male angerufen und sie kamen und kamen nicht hoch". Doch, sie war wirklich eine angenehme Zimmernachbarin, aber ich dachte nur noch an schlafen, denn ich merkte den kleinen Burschen nicht mehr der so gerne hämmerte, eigentlich merkte ich mein ganzes Gesicht nicht mehr, aber was soll´s.
Der nächste Morge traf wie ein Keulenschlag, als ich erwachte hatte ich das Gefühl an einer Luftpumpe zu hängen. Die ältere Dame erschrak so sehr, das sie sofort raus rannte. Zurück kam sie mit einer Bekannten, von der ich gar nicht wußte, das sie hier arbeitete. "Ach- da haben wir ja unser Sorgenkind, wenn ich gewußt hätte das du das bist!" Besah mich und kam mit zwei riesigen Eisbeuteln zurück.Mein Gesicht fühlte sich kochend und aufgedunsen an, und es schienen plötzlich alle Verwandten des kleinen Männchen in dem Zahn eine tolle Fete zu feiern. Ich bekam also einen "Eisverband", den man auf dem Kopf zusammen knotete. Ich mußte unwillkürlich an den Film mit Heinz Rühmann denken,"Die Feuerzangenbowle", so ähnlich sah ich nun wohl aus.An diesem Tag sollte ich die Unterschiede zwischen Kassen - und Privatpatient richtig kennenlernen! Es begann schon bei der Visite, während die ältere Dame liegen bleiben durfte, weil die Ärzte zu ihr kamen, mußte ich mich in eine Warteschlange stellen.Mir wurde schon schwummrig wenn ich nur den Kopf hob, aber es half alles nichts, wenn ich den Arzt heut sehen wollte .....
Nach einer Ewigkeit, kam ich auch mal dran,bekam aber kaum den Mund auf, wegen der starken Schwellung. "Naja, ist ja noch ganz frisch alles, sie haben uns aber auch einen Schrecken eingejagt!" Ich?? Wieso denn das?
Munter erzählte er mir, das es auf der einen Seite kein Problem war die Zähne zu entfernen, die übliche"Buddelei", aber auf der anderen Seite lagen sie so schief im Kiefer, das wir da mit mehr Gewalt dran mußten, und plötzlich sackte ihr Kreislauf und ihr Herz ab." Etwas verstohlen rieb er sich das Kinn," Naja, wissen sie, wir haben wirklich nicht gedacht, das es solange dauert und ihre Medikamente vergessen, aber was soll´s, nu sind sie ja wieder da" und grinste breit und stolz.
Hätte man diese Medikamente nur einmal vergessen, wäre das kein Drama gewesen, das weiß ich aus Ehrfahrung, also was war da abgelaufen? Nach der Suppe zum Mittag, bekam meine Nachbarin noch eine Zeitung, eine Stoffserviette, eine Kanne Orangensaft, und einen schönen Eisbecher. Ich bekam ebenfalls eine Suppe und das war es. Nun fragte sie mich, "Was soll das denn nun?" Ich nahm an, sie sei eher operiert worden, sie lachte. "Nee, junge Frau, mir hat man gestern Morgen zwei Zähne in Narkose geholt! Das kann es ja nicht sein!"
Das nächste mal erschien meine Bekannte, um die Teller abzuräumen, und die ältere Dame sprach sie an, ob man bei mir nicht den Nachtisch vergessen hätte. Sie wurde ziemlich rot, und druckste rum. " Mhh - na eigentlich nicht. Sehen sie, sie sind Privatpatientin und naja.." Mir war sowieso alles egal.Mein Kopf hatte nicht nur die Außmaße eines Fußballs, nein, er sah auch danach aus! Von gelb bis blau und grün gab es alles Schattierungen, da kam es auf sowas nu auch nicht mehr an. Die ältere Dame begann aber doch nun einen Feldzug."Wo kommen wir denn da hin? Nur weil ich vielleicht etwas mehr gezahlt hab? Was machen sie wenn sie jemanden in die Ambulanz bekommen? Muß der auch erst sein Geld abdrücken, bevor er halbtot dann doch behandelt wird?" Mir tat meine Bekannte leid, sie konnte ja nichts dafür, Regeln sind Regeln. Die kann man als Arbeitnehmer nicht nach belieben ändern.
Als es auf die Kaffezeit ging, kam man wieder hierein, deckte der Dame den Tisch! Sie bekam 1 Kännchen Kaffee, Kuchen eine kleine Schale mit weichen Plätzchen und einen Riegel Schokolade.Sollte sie noch etwas Saft o.ä.wollen, sollte sie es nur sagen. Ich bekam ein Tablett mit einer Tasse Kaffee und ein kleines mickriges, aber zum Glück weiches, nicht zu dickes Teilchen.Suppe bot man mir bis zum Abwinken an.Aber die bekamen hier alle!
Als mein Mann eintraf, bekam er einen riesen Schrecken. Nicht nur wegen meines Aussehens, sondern weil er immer noch keinen Bescheid hatte was los ist. Der arme hatte immer wieder versucht anzurufen und nie jemanden erreicht. Der Grund war einfach, das Telefon bei mir, war zwar von ihm beantragt und !Bezahlt! aber da ich ja nun mal auf einem Privatzimmer liege....Nun platzte mir der Kragen! Aber nicht lange, denn in meinem Kopf war wohl ein regelrechtes Gelage zugange. Komisch war nur, das ich so überhaupt kein Gefühl darin hatte.
Vier Tage sollte ich bleiben ,am letzten hatte es noch geheißen, sie bleiben doch noch bis Übermorgen, das ist uns noch nicht abgeschwollen genug.Am nächsten Morgen ging um 6 Uhr die Tür auf, das ich bald vor Schreck aus dem Bett fiel. "Tut uns leid", grinste die Schwester, "Wir brauchen heut ihr Bett!" Ah ja, also im eiltempo raus und erstmal unter die Dusche, schon stand eine Schwester neben mir, "Ginge das vielleicht zuhause? Wir brauchen den Platz dringend?!" So kampflos aufgeben wollt ich nun nicht! "Soso, aber Zähneputzen und zur Toilette darf ich noch ja?" Knurrend zog sie ab. Sogar der Arzt erschien! "Ja, ich weiß, gestern hab ich noch was anderes gesagt, aber nun ja, - viel machen können wir eh nicht, machen sie zuhause weiter mit dem Kühlen und die Kiefergymnastik. In 2 Wochen zum Zahnarzt, der soll kontrollieren und bis dahin alles Gute!" sprachs und ging. Die ältere Dame sollte eh heute entlassen werden, aber schüttelte nur den Kopf. Als sie ihren Mann anrief, fiel mir eine Kleinigkeit ein, die mir wirklich ein Problem machte. Ich hatte gestern meinem Mann Schlüssel und Portomonaie wieder mitgegeben, da ich ja noch 2 Tage bleiben sollte.Was nun? "Na man wird sie ja wohl so lange auf ihren Mann warten lassen! Sie können doch nicht bei dem Wetter draussen sitzen!"schätzte meine packende Bettnachbarin.Die Antwort kam schnell und knallhart,"Unten ist eine Cafeteria, wir brauchen nun mal den Platz, und zwar sofort!" Toll, aber wer läßt jemanden mindestens, wie ich mir ausrechnen konnte, noch 8 Std, in einer Cafeteria sitzen, der allerhöchstens das Geld für einen Kaffe zusammenbekam? Ich schüttelte den Kopf, das würd nicht klappen.
Drei Stunden später hatte ich die Gegend erkundet, einen Geldautomaten gefunden, welch Glück, das ich zumindest meine Karte dabei hatte, und rief mir etwas später ein Taxi, als ich ankam fuhr mein Mann grad vor!
Mittlerweile war auch ein Brief der Krankenkasse in der Post, das sie die Kosten übernehmen würden,herzlichen Dank, das hätten wir schon vor Wochen gebraucht! Ein hoch auf die deutsche Bürokratie!
Mittlerweile ist fast ein Monat vergangen, wir wissen, das leider etwas schief gelaufen ist, und ich auf der linken Seite des Gesichtes nie mehr was spüren werde, denn es war leider nötig einen Nerv zu "kappen" und teilweise zu entfernen, den Mund bekomme ich immer noch nicht wer weiß wie weit offen, aber ich bin eh kein Anhänger von den ganzen "Mäc´s Soundso", wirklich interressieren würde mich nur eines.
Was muß ich bei meinem nächsten Besuch im Krankenhaus alles mitbringen? Sind wir dann soweit, das wir unsere Klappliegen und eigenen Oberbetten mitnehmen sollen? Vielleicht ja sogar ein Paar Fertiggerichte? Nicht, das mich das wirklich beunruhigen würde, aber als ich vorgestern beim Zahnarzt war, zur Kontrolle, meinte er nur, "Sagen sie mal, wer soll denn nun die Fäden ziehen???"
Was hätte ich ihm sagen sollen? Wie verhält man sich, ohne gleich unten durch zu sein? Haben sie eine Idee, vielleicht einen VHS-Kurs, der uns "arme Kassenpatienten" sowas wie Selbstvertrauen beibringt, oder zumindest, vorgaukelt? Wie gesagt, ich sag es bestimmt nicht weiter!!
In diesem Sinne - kommen sie gesund durch den Tag!
Texte: Alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2010
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