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Ein herrlich schöner Frühlingsmorgen, ich erwache neben meinem Mann - Ach ja, heut ist unser erster Urlaubstag! Herrlich! "Na, du bist ja schon wach, das geht ja gar nicht!" Er lächelt mich an, "Wollte dir doch das Frühstück ans Bett bringen!" Wir albern noch rum und genießen die Zeit. Heute zählt kein Terminstress, keine Arbeit, nur wir beide.
Nachmittags, so gegen fünf, beschließen wir zu grillen. Ab in den Garten, mal so richtig die Seele baumeln lassen!
Aber was ist das? Es hört sich plötzlich alles so merkwürdig an, wie eine Schallplatte, die man vergessen hat auf die richtige Geschwindigkeit zu stellen.Mein Mann starrt mich an, ich sehe ihn reden, verstehe aber nicht und denk mir noch "Was geht denn jetzt hier ab?" Als ich wieder erwache, sehe ich in sein erschrockenes Gesicht, fühle mich elend und verstehe die Welt nicht mehr. Naja vielleicht die Hitze. Nur zwei Tage später das gleiche Spiel, nur das wir dort grade beim Einkaufen sind, und mein Mann einen Rettungswagen ruft. Es folgt eine Exkursion durch Krankenhäuser und eine Suche nach einem wirklich kompetenten Arzt. Die Diagnose steht nach drei Monaten - Epilepsie. Aha! Und was soll ich damit anfangen? Gehört hat man ja schon mal davon, aber mehr? Da soll ich tatsächlich die Familiengeschichte mal durchsuchen, und erfahre von meinen Großeltern "ganz nebenbei", "Jaha, dein Vater hatte das auch, als Kind und Opas Bruder eben ganz schlimm, aber wer rechnet denn mit sowas?" Der Bruder meines Opas, war ein Fall, den man eben lieber "totschwieg", solche Krankheit zu Kriegszeiten, hätte nichts gutes bedeutet. Also wurde er versteckt. Verständlich, aber sollte ich das nun auch? Und überhaupt - Was heißt "Sie sind behindert?" Wem steht es zu das zu entscheiden?Ich fühle mich doch ok, es geht mir gut.

Es nervt ungemein, wenn man nicht weiß, was in den letzten Minuten eigentlich passiert ist, was man selber getan hat.Aber deshalb ist man doch nicht gleich behindert- oder doch? Der erste Arzt mahnt uns an, auf keinen Fall jemanden zu sagen das es Epilepsie ist! "Sagen sie lieber es ist der Kreislauf" Warum das? Na ganz einfach Vorurteile überall!
Von wegen, der spinnt doch, wer sollte damit ein Problem haben? Etwas später weiß ich genau was er meint, unser Freundeskreis schrumpft rapide , soviel zum Thema Freundschaft. Nein, auch wieder falsch, mittlerweile weiß ich, nicht jeder kann es ertragen, sich ansehen, danebenstehen und nicht helfen können.Die Liste der Dinge die ich nicht mehr "darf" ist lang.Und ich werde ungehalten. Mein Mann tut alles nur erdenkliche und bleibt stark, er gibt nicht auf sondern hilft mir und sich selber, indem er sich überall informiert.


2 Jahre später
Wir haben endlich einen Neurologen, der wirklich was davon versteht, und die ganze Sache ganz anders angeht. Er fordert mich heraus, so weit wie möglich mein Leben allein in die Hand zu nehmen. Nach der dritten Medikamentenumstellung, ist es fast gelungen, das aus 3-4 Anfällen pro Tag, mal 1-2 im Monat werden. Sicherlich, es gibt genug Dinge die ich nicht tuen sollte, oder einhalten muß. Aber ich sehe das nun anders. Selbst wenn ich als "behindert" gelte, ok, spottet nur, aber ich mache daraus für mich ein "gehindert", an manchen Sachen. Behindern lasse ich mich nur insoweit, wie ich es selber zulasse.
Oft hab ich über "die Grenze" getreten, um die meine auszutesten. Manchmal ein Fehler, Lehrgeld "bezahlt" und kam zur Einsicht. Anderes neu kennengelernt und komme damit zurecht. Mein Mann hat die ganze Zeit zu mir gehalten, nicht einmal kam er ins Wanken, wenn er auch mit Sicherheit schwerer daran trug, als ich, denn ich bekomme nur "die Kleinigkeiten", danach mit. Nie werde ich vergessen, als mal in einem Film jemand krampft und ich stelle die blöde Frage, "Was ist denn mit dem los?" Er sieht mich mit großen Augen an und meint zurückhaltend "Naja, ehrlich gesagt, du siehst dabei auch nicht besser aus!" Das ist das erste Mal das ich begreife, was er da jedesmal mitmacht! So soll ich dann da liegen, "rumzappeln"? Unmöglich!
Wir haben uns daran gewöhnt, das manche mich behandeln wie ein "rohes Ei", oder wie jemanden der geistig halt etwas zurück geblieben ist.Mit meinem großen Mundwerk ( leider), ist denen aber meistens schnell klar, was ich davon halte. Der Umgang mit "echten " Behinderten fällt uns leichter als manch anderem, denn jeder hat seine Berechtigung auf sein Leben, und wir gehen damit ganz ungezwungen um. Oder grade deshalb, weil ich selber nur zu gut weiß, ich will nicht in allem "bemuttert " werden?
Auf offener Straße, ist es meist sehr beschämend, und während man mich fragt wie es mir geht, sage ich ganz ok, denk mir aber "Große Güte, wer ist das und bitte nicht schon wieder!" Mittlerweile ist mein Verschleiß an Schutzengeln schon sehr reichlich gewesen, mal ein Bruch, mal Prellungen, aber alles ganz banal und halb so wild. Mehr schmerzen mich die Blicke meines Mannes, immer voller Angst, und Wachsamkleit, wenn es mal wieder sehr heiß draussen ist, oder" dank " unseres Nachbarn an Schlaf mangelte.Sagen tut er freilich nichts davon außer "Wie fühlst du dich heute?" Ich sehe seine Panik, denke mir wie leid er mir tut und sage "Ach ganz gut, mach dir keine Sorgen."

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Texte: alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2009

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