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Der Zeiger des Digitaluhrziffernblattes schlug gerade um auf 06:54 Uhr, als es einen lauten Knall gab im 1. Stock der Schlesienstrasse 34. Die Erschütterung des Sprengsatzes an der Wohnungstür ließ das ganze Haus erbeben. Ein Einsatzkommando der Landespolizei Wien stürmte die Wohnung. Gasnebel stieg auf, nach und nach betraten die Einsatzkräfte die dunkle Wohnung. Lichtstrahlen von Taschenlampen kämpften sich durch die vernebelte Luft und prallte an den weiß gestrichenen Wänden ab. Hier und da stießen sie auf ein Gemälde, diverse Auszeichnungen und Bilderrahmen, auf denen zahlreiche Prominente abgelichtet waren.
„Clean“ wurde aus den Zimmern gerufen, was bedeutete, das Raum für Raum sicher gestellt war. „Clean“- wie oft hatte er das schon gehört. Und doch rief es immer noch eine gewisse Unsicherheit in ihm auf: „..wirklich clean? Was ist , wenn..!!?“ Anton Schwertfeger war Einsatzleiter dieses Einsatzkommandos. Ein Anruf gegen 6:00Uhr an diesem Morgen hatte ihn aus seinem, ohnehin schlechten Schlaf geworfen. „Verdacht auf Tötung und Geiselnahme“ hieß es am Telefon. Alle erforderlichen Maßnahmen waren bereits eingeleitet worden. Er brauchte also nur noch in seinen alten Audi steigen und zum Einsatzort fahren. Anton war bereits seit 32 Jahren bei der österreichischen Polizei. Erst 2008 hatte man ihn endlich zum Stadtpolizeikommandanten der Stadt Wien ernannt. Der Hit „alles klar ,Herr Kommissar?“ hat ihm dann irgendwann zu seinem Spitznamen gebracht.

Als der letzte Raum nun endlich auch clean war, schallte es dann aus einer Ecke im hintersten Bereich der Wohnung laut „Falco..!? Schau mal bitte hier!“ Er stieg durch die elend zersprengte Eingangstür und tastete sich vorsichtig durch die vernebelte Wohnung. Der Geruch des Gases biß ihm in Augen und Nase, so daß er sich ein Taschentuch vors Gesicht halten musste. „Scheußlich!“ – dachte er. „Ich werde mich nie dran gewöhnen können.“ Vermummte Polizisten wiesen ihm den Weg zum Ziel und auf dem Weg dorthin warf er einen flüchtigen, aber kontrollierten Blick in die anderen Zimmer, welche allerdings nach allem anderen als nach einer Geiselnahme aussahen.

Am Ende des Korridors stand Polizeikommandant Josef Kämpfer in einer Tür, welche zum Bad führte. Seinem Gesichtsausdruck konnte er gleich entnehmen, daß in diesem Raum etwas unangenehmes auf ihn wartete. Die Wärme, die ihm aus dem Bad entgegenkam, war schon fast erdrückend. Schlimmer aber noch der Gestank eines bereits verwesenden Körpers. Falco bremste seinen ohnehin schon vorsichtigen Gang kurz vor der Badezimmertür und schaute dann an Kämpfer vorbei um die Ecke. Auf dem Boden vor der Duschkabine lag der Körper eines Mannes, bekleidet mit nur einem Bademantel. Am rechten Fuß haftete ein weißer Badelatschen. Der zweite lag neben dem leblosen Körper. „Und..?“ fragte Falco. Joe Kämpfer richtete seinen Blick von Falco auf den am Boden liegenden Mann und seufzte:“..vermutlich Herzinfakt..“ . Obwohl es Anton Schwertfeger nicht ausreichte, was er hier hörte. Aber angesichts der frühen Tageszeit und dem wenigen Schlaf den er hatte; abgesehen von dem Bericht, den er anschließend noch anzufertigen hätte nickte er nur kurz und reuselte ein leises „Ja“. Joe schaute fast verlegen auf seine Armbanduhr und fügte hinzu, daß der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung bereits auf dem Weg dorthin wären. Es sollte wohl in Falcos Ohren soviel bedeuten wie „Kannst wieder nach Hause fahren und dich noch was hinlegen. Ich kümmer mich um den Rest.“ Falco drehte sich wortlos um und schaute in die ausdruckslosen Gesichter der Männer des Einsatzkommandos, welche sich mittlerweile auf dem Korridor wieder gesammelt hatten. Einen kurzen Moment stockte er und drehte sich nochmals zu Joe um:“ Wo,äähhm. Wo sind die Geiseln?? Wer hat uns informiert?“ Josef Kämpfer hatte mit dieser Frage gerechnet. Immerhin arbeiteten die beiden Polizisten bereits seit 12 Jahren eng zusammen in der Mordkommission. Er wußte, daß man einen Mann wie Anton Schwertfeger nicht einfach so abwimmeln kann. „Ich werd mich um den Bericht kümmern! Wir sehn uns später!“ – kam wie aus der Pistole geschossen und schlummerte wohl schon seit einer Minute auf Joe`s Zunge.
Ziemlich übermüdet verließ Falco die Wohnung und überlies Kämpfer das Geschehen. Das letzte , halbe Jahr hatte ihn doch ziemlich mitgenommen. Ein nach 11 Jahren ungeklärter Fall wurde erfolglos zu den Akten gelegt, sein alter Schulkamerad Josef Pischel erlag vor wenigen Wochen einer schweren Herzkrankheit. Und dazu kam noch die Trennung nach 26 Jahren Ehe. Erst vor 3 Wochen hatte seine Frau Sybille die Scheidung eingereicht und lebt bereits mit einem neuen Mann an ihrer Seite in den Niederlanden. Der halbherzige Kontakt und die große Entfernung zu seiner Frau hatte es ruhig werden lassen, nach all den großen Konflikten, die sie in den letzten Jahren zusammen ausgetragen hatten. Man traf sich sporadisch nun einmal im Monat im Restaurant „Scala“ ; lediglich um ein paar Formalitäten auszutauschen, wenn Sybille dann mal zufällig oder geschäftlich in Wien war. Früher war es ihr Lieblingsrestaurant in Wien. Dort hatten sie sich kennen gelernt, dort hatte alles angefangen. Anton Schwertfeger war Zeit seines Lebens ein überaus fleißiger und ordentlicher Mensch gewesen. Seit seiner Zeit in der Armee war er in punkto Sauberkeit und Ordnung kaum zu übertreffen. Mit seiner Frau gab es deswegen dann schon mal Streitigkeiten. Er setzte sich in sein Auto und fuhr langsam los. Er dachte gerade genau an diese Ordnung und Sauberkeit. Ein kurzer Film aus der Vergangenheit durchstreifte seine Gedanken und lenkte ihn vom gerade gesehenen Tatort ab. Es war im Frühjahr 1992. Sie hatten sich einen Kurzurlaub gegönnt und verbrachten eine Woche in Estland. Die Hotels dort waren sehr günstig zu dieser Zeit und der Tourismus steckte im Baltikum noch in den Kinderschuhen. Es war der Abreisetag, nach dem Frühstück. Anton lies es sich nicht nehmen, das schlicht hergerichtete Bett im Hotel selbst zu machen. Sybille war beschäftigt mit den schweren Koffern, welche nur mit einiger Kraftaufwendung zum Schließen kamen. Dann irgendwann platzte es aus ihr heraus, als eine Kofferschnalle riß und ihr um die Ohren flog:“ ..Verdammt! Verdammt nochmal!! Wir sind in einem Hotel. Es gibt hier Personal, welches sich um die Betten kümmert. Und dieses Personal wird sogar dafür bezahlt. Was zum Henker machst Du da???!!“ Dabei rutschte der vollkommen überfüllte Koffer vom Stuhl und traf ihren rechten Fuß so unangenehm, daß sie den Flug über nervende Schmerzen hatte und auch noch Wochen danach. So war er damals. Jetzt hatte sich alles geändert. Seit Wochen liegt alles nur im Weg und sogar die Kaffeetasse vom Frühstück steht abends noch an der gleichen Stelle, an der er sie morgens abgestellt hatte.
Diesmal aber, kam er morgens nach Hause. Es war kalt, ein unerbittlicher Januarmorgen. Im Stress hatte er vergessen, die Heizung hoch zu stellen. Post von vor drei Tagen lag immer noch ungeöffnet auf dem Tisch. Heute wollte er sie öffnen. Ebenso mal wieder waschen. Aber auch an diesem Tage sollte die Post ungeöffnet bleiben und die Wäsche dreckig. Er legte sich hin und schlief sofort ein.
Fünf Stunden später riss ihn das Telefon wiedermals aus dem Schlaf. Er dachte sich schon, daß es wieder Joe wäre oder irgendwer aus dem Präsidium. Nach einigen Überwindungskräften griff er zum Hörer und meldete sich, mit einem fast leblosem „Ja?“ Es war Sybille. Die Verwunderung in ihrer Stimme konnte sie nicht ganz unterdrücken. Schließlich hatte sie damit gerechnet, daß sich sein Anrufbeantworter meldet:“Anton? Du bist zu Hause? Ich wollte Dir eigentlich nur kurz auf`s Band sprechen, daß ich einen Flug später ankomme. Das Unwetter von letzte Nacht hat den Flughafen Amsterdam ganz schön zugetragen.“ Schwertfeger war auf der Stelle wach. Sein Blick richtete sich auf den Kalender an der Tür. Ein großes, rotes X markierte den 16. Januar. Darunter mit grünem Edding ein überdimensionales „S“. Heute war der 16. Januar! „Ich,.. ich habe einen Einsatz heute früh gehabt und konnte mir den Vormittag frei nehmen. Also sehen wir uns 16.00Uhr wie gewohnt im Scala, ja?“ Das hatte noch gefehlt! Er hätte natürlich niemals zugeben können, daß er das Treffen mit Sybille tatsächlich vergessen hatte. Doch seine Frau hatte noch eine weitere Überraschung für ihn parat: „Ich dachte mir, ich besuche Dich mal zu Hause. Ich kaufe noch am Flughafen ein und bringe ein paar Kleinigkeiten mit. Sagen wir, 17.00Uhr!?“ .. Ihr jetzt die peinliche Wahrheit preiszugeben, daß die Wohnung aussah wie ein Schweinestall, wäre alles andere als angebracht gewesen. Er stimmte also zu, schaute auf die Uhr und versuchte sich einzureden, daß ja noch genügend Zeit wäre, alles herzurichten. Das glitt nach dem Gespräch aus seiner Hand und landete weich auf dem Läufer. Dann drehte er sich nochmal um und versank nochmals in Gedanken an den Urlaub im Baltikum.
Als es an der Tür klingelte, war es 17.10Uhr. Er hatte verschlafen! Wie ein eisiger Stromschlag durchfuhr ihn das Klingelgeräuch und versetze seinen Körper fast in eine Art Lähmung. „Ohhh Nein. Verdammt!!“ dachte er kurz und das Erste , auf das er seltsamerweise direkt schaute, war die ungeöffnete , drei Tage alte Post auf dem Tisch, daneben die Kaffetasse und der Korb samt der schmutzigen Wäsche auf dem Stuhl davor. Da er so wie er angekommen war ins Bett fiel, brauchte er sich nicht anzuziehen. Seine krausigen Haare waren mittlerweile auch seit 4 Tagen nicht mehr gewaschen und so fettig, daß er nur kurz mit der Bürste durchging und wieder halbwegs normal aussah. Sybille durchblickte die Situation natürlich sofort. Anhand des Chaoses in der Wohnung und der Post konnte sie gleich ausmachen, wie es ihm seit Tagen ging. Das Treffen dauerte mal wieder nicht allzu lange und sie beschlossen, mal wieder im Scala zu essen. „Na ja.“ dachte Falco. „..zumindest habe ich wieder einen kleinen Essensvorat zu Hause..“. Die Einkauftüte von Sybille stand nun neben der Kaffetasse und der Wäsche auf dem Küchentisch.
Bevor er ins Präsidium fuhr, hielt er an der Tankstelle und kaufte sich eine Schachtel Benson & Hatches und tankte. Vor 8 Monaten hatte er sich das Rauchen abgewöhnt. Die Zigaratte steckte noch ungeraucht in seinem Mundwinkel, als er sein Büro betrat und landete dann mehr oder weniger unbewußt im Papierkorb. Der Bericht vom frühen Morgen war tatsächlich von Joe erstellt worden und lag direkt zu oberst auf einem Stapel anderer, weniger wichtiger Unterlagen. Es war typisch für Joe Kämpfer; alles war akribisch aufgeführt, vom Anruf in der Zentrale bis hin zum Eintreffen der Spurensicherung. Er überflog den Bericht und laß zunächst nur das Wichtigste: ...die DNA Analyse stimmt mit den bei dem Leichnam gefunden Papieren überein. .Martin Kleber, 41 Jahre..Todesursache Herzstillstand..geringe Spuren von Alkohol im Blut..leichte Blessur am linken Arm (vermutlich beim Sturz gegen die Badewanne zugezogen)..
„Nichts ausergewöhnliches“ dachte Falco, bis auf seine Anstellung als 1. Geiger bei der Staatsoper Wien. „Mmmh, Prominenter Künstler, geschieden, Alkoholprobleme. So oder ähnlich wird es bei mir wohl auch mal stehen.“ Seine Stirn runzelte sich bei diesem Gedanken, aber ein leichtes Schmunzeln sarkastischer Natur änderte seinen Gedankenlauf recht schnell. Er begann noch einmal den Bericht von vorne zu lesen und stolperte dann doch wieder bei dem Anruf in der Zentrale. „Belanglos; aufgeregte Mitbewohner mit blühender Fantasie.“ Schließlich legte er den Bericht dann doch zur Seite und studierte sich durch den darunter liegenden, unwichtigen Papierstapel durch. Bußgelder, Rechnungen, hier und da eine Unterschrift. Zwischen den Papieren dachte er immer wieder an das Treffen mit seiner Frau Sybille, bestellte sich eine Pizza. Um diese Zeit war es im Präsidium meist ruhig; nur die wachhabenden Polizisten, die Zentrale und zwei Mitarbeiter der Spurensicherung schoben ihren Dienst. Gegen 23:50Uhr rief er dann doch nochmal die Nachtschicht der Forensichen Fotografie an um sich die Fotos des Operngeigers kommen zu lassen. Ihn beunruhigte die Verletzung am linken Arm, welcher doch bei einem Geiger sicherlich mit das Wichtigste sei. „..vielleicht war`s einfach nur Pech. Ich hätte zumindest auf mein wichtigstes Kapital Acht gegeben.“
Als der den Papierstapel durch hatte, stieß er dann auf einen Notizzettel, auf dem mit Edding groß: „Sybille..Dienstag, 16.Januar, 16.00Uhr..Scala!!!“ Es war jetzt 00:01Uhr; der Tag war vorüber.
Am nächsten Morgen war er bereits sehr früh in seinem Büro und schaute direkt in sein Postfach nach den angeforderten Fotos, fand aber nichts vor. Kaum saß er, klingelte bereits sein Telefon. Es war Susanne Kailb, Fotografin und Abteilungsleiterin für forensische Chemie und Toxikologie. Aufgrund ihrer sehr müden Stimme konnte Falco bereits erahnen, um was es ging. Die Fotos konnten nicht über Nacht entwickelt werden. Ein technischer Defekt, hieß es. Falco wußte allerdings, was sie nicht weiß. Es hatte sich bereits rumgesprochen, daß Susanne Kailb seit einem halben Jahr einen neuen Freund hatte und nun schwanger war. Seit zwei Wochen ließ ihre Verlässichkeit und auch Pünktlichkeit zunehmend nach. Falco konnte das aber irgendwie „verstehen“. „Wenn ich mich jeden Tag ein paar mal übergeben müsste, würde ich wahrscheinlich genauso agieren.“ Die Fotos würden am Vormittag erst fertig. Also rief er seinen zweiten Gehilfen Hans Piechtel an. Um 09:30Uhr war dann ein Meeting angesagt. Joe und ein Mitarbeiter der Spurensicherung sollten ebenfalls dabei sein. Im Konferenzraum „Genf“ saßen bereits dann schon alle zusammen, als Falco mit einer Tasse Kaffe hereinkam. Aus den Fenstern konnte man in Richtung Marktplatz schauen. Seit einer halben Stunde hatte es geschneit und das Grau verwandelte sich in ein eisiges Weiß auf den Straßen. Ordentlich , wie er eigentlich ist, legte er sich erst einmal seine Schreibmappe zurecht und positionierte sorgfältig einen Bleistift und einen Kugelschreiber daneben. Aus der Kaffetasse dampfte frischer Kaffeduft. In den Gesichtern der Anwesenden war eine gewisse Unruhe nicht zu leugnen. Schleißlich wußten alle, daß der Einsatz eines Sonderkommandos vergangen Morgen nicht nötig gewesen wäre. Natürlich wusste dies auch Anton Schwertfeger und sein Blick richtete sich direkt auf Harry, den zweiten Gehilfen:“ Und..? – was war mit den Geiseln?Wer hat angerufen?“ Harry Piechtels Gesicht lief rot an und nervös begann er seinen Bericht abzuliefern. „Der Anruf einer jungen, aufgeregten Frau ging um 5:11Uhr in der Zentrale ein. Sie sagte, sie hätte vorgestern Hilferufe im Hausflur gehört. Anschließend gab es einen dumpfen Knall oder Schlag, wie aus einem Gewehr.., daher...“ Falcos Gesicht war regungslos, als würde er gar nicht zuhören und er unterbracht Harry mit einem Unterton, als hätte er wohl seine Frage nicht richtig verstanden:“ ..wo sind meine Geiseln??!“ . Für 3 Sekunden war Stille im Raum Genf; man schaute sich gegenseitig an. Joe Kömpfer wollte gerade das Wort übernehmen. Er merkte, daß Harry unsicher wurde. Da klopfte es an der Tür und Susanne Kailb trat herein. Etwas verlegen legte sie die verspäteten Fotos direkt auf Flacos Mappe. Falcos Augen flogen über die Aufnahmen der einzelnen Räume hinweg, sein Interesse galt lediglich den Bildern der Leiche. Niemand wagte, irgend etwas zu bemerken. Also warteten alle ab, bis er die Fotos wieder sorgsam zusammenlegte und fort fuhr:“ Wir haben eine demolierte Tür, eine verräucherte Wohnung. Acht Mitarbeiter des Einsatzkommandos waren im Einsatz. Das alles, um einen Geiger der Staatsoper zu retten, der an einem Herzinfarkt gestorben ist. Wie bitte soll ich das dem Polizeipräsidenten erklären??“ Joe Kämpfer war in diesem Augenblick wohl auch der Einzige, der etwas zu sagen wagte. Nicht alleine deswegen, weil er mit Anton Schwertfeger schon viele Jahre sehr eng zusammenarbeitete und zur Polizeiausbildungszeit beide zusammen in einer WG lebten. „Anton, ich habe natürlich alle Bewohner des Hauses befragt, aber keiner konnte mir diesen Anruf bestätigen. Eine 25 ig jährige Studentin, direkt über der Wohnung des Geigers, käme auch als einzige Anruferin in Frage. Ich denke, es war ihr einfach peinlich und sie hatte nicht mit so einem Aufgebot an Polizei gerechnet. Sie hatte einfach nur Angst!“ Harry warf sich nochmal ins Gespräch und versuchte zu erklären, warum der Dienst in der Zentrale nicht nach dem Namen der Anruferin gefragt hatte. Aber auch das konnte Falco`s Laune nicht verbessern. Sein Blick richtete sich zum Mitarbeiters der Spurensicherung, Martin Brodesser:“ Irgendwelche Hinweise auf Gewalteinwirkung, Kampf oder andere Ungereimtheiten in der Wohnung?“ Brodesser konnte verneinen und die Blessur am linken Arm wurde von der Gerichtsmedizin als Ursuche eines Sturzes auf den Badewannrand bestätigt.
Der Geiger Martin Kleber war das Opfer einer Herzattacke.

Falco legte die Fotos sorgsam in die Aktenmappe, beendete die Versammlung und bat Joe nochmal zu sich ins Büro. Als Joe Kämpfer das Büro betrat, hatte Falco schon wieder eine Zigarette im Mundwinkel, welche nicht zu qualmen schien. Er übergab Joe die Akten und fügte noch hinzu, nach der Freigabe der Leiche möglichst wenig an die Presse zu melden. Der Vorfall sei schon „peinlich genung.“ Kurz vor Dienstschluß besuchte er Susanne Kailb im Labor und gestand ihr, daß er bereits von ihren „Umständen“ wüßte, sie ruhig mal ausspannen könnte und sich eine kurze Auszeit genehmigen dürfte. Die „Arbeit dürfe nicht darunter leider und es könnte sich sein, daß Fotoaufnahmen später als 24 Stunden nach dem Geschehen erst auf seinem Schreibtisch landen würde.“ Am nächsten Tag konnte man es in allen Tageszeitungen lesen: „KLEBER: HERZTOD mit 42!“ Der Großeinsatz der Polizei wurde nur nebenläufig erwähnt. Die Bestattung fand eine Woche darauf statt. Schwertfeger war anwesend; aber eigentlich nur als Vorwand, mal eine Stunde das Büro verlassen zu können.
Die nächsten zwei Wochen waren sehr ruhig. Im Präsidium fiel kaum Arbeit an, außer der üblichen Routine. Hin und wieder musste Schwertfeger zu einem Neujahrsempfang. Eine der wenigen unangenehmen Verpflichtungen, die er als Stadtpolizeikommandant zu erfüllen hatte. Die Gäste die dort erschienen, waren ihm irgendwie zu bieder. Wirklich interessante Gespräche konnten dort nicht statt finden. Am 30.Januar war sein 52. Geburtstag. Auch Sybille hatte sich gemeldet und gratuliert und sich für Mitte Februar angekündigt. Kein großartiger Tag. Der übliche Geburtstagskuchen im Präsidium, am Nachmittag ein kleiner Umtrunk mit seinem ehemaligen Kegelverein, den er aus zeitlichen Gründen mittlerweile seit einem Jahr verlassen hatte. Abends saß er bei einem Glas Montes Alpha in seinem Lieblingssessel und lauschte den Beatles. Seit seiner Jugend war er Fan dieser Gruppe. Anfang der sechziger trug er sogar eine Zeit lang diese Pilzkopffrisur. Heute wäre das undenkbar; sein Haar war bereits sehr licht. Beim zuhören kam ihm dann der Gedanke, die Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen und auch mal die Wäsche zu waschen. Am Samstagmorgen packte er dann einen großen Koffer und ging in den Waschsalon, welcher sich nur wenige Meter in seiner Straße in der Mollardgasse befand, direkt gegenüber vom Krankenhaus der barmherzigen Schwestern. Dort gab es eine großzügige Cafeteria und einen Apfelstrudel, auf den er selten verzichten konnte. Samstagmorgens war nie viel los im Waschsalon. Die Studenten, welche meistens die großen Maschinen blockierten, lagen alle noch in ihrem Tiefschlaf und erholten sich vom Rausch der Freitagnacht. Beim ersten Waschgang besuchte er dann die Cafeteria. Seinen noch halbgefüllten Koffer konnte er immer gut bei der Rezeption abstellen. Man kannte ihn natürlich. Am Kiosk kaufte er sich die neue Ausgabe des Stern und wartete den zweiten Waschgang ab. Irgendwann hatte er sich mal angewöhnt, die Waschmünzen neben sich auf den Stuhl zu legen. Vertieft in einen Artikel über Einsätze von Greepeace in asiatischen Gewässern, erschrak er plötzlich, als eine junge Dame ihre Tasche auf den Stuhl neben ihm stellen wollte und dabei versehentlich seine Münzen auf den Boden beförderte. Als er sich spontan bückte, stieß er mit ihrem Kopf so heftig zusammen, daß sie fast das Gleichgewicht verlor und beinahe stürzte. „Oh, wie peinlich. Ich bitte vielmals um Entschüldigung, Monsieur!“ hauchte eine zierliche Stimme mit einem unüberhörbarem, französischen Akzent. Verlegen und ebenso überrascht schaute Falco an ihren langen, schmalen Beinen hinauf, über eine „gut gefüllte“ Lederjacke in ihre grünen Augen:“ Nichts für ungut, es war mein Fehler, bitte endschuldigen sie!“ Man grinste sich entschuldigend an, als das Signal seiner Waschmaschine bekannt gab, daß die Wäsche fertig sei.
Es lag nicht in seiner Natur, ihr noch einmal hinterher zusehen.Obwohl , er hätte zugeben müssen, daß ihm das, was er gerade gesehen hatte, schon gefiel. Aber sich zu verlieben? Hier im Waschsalon?Nein, das passte nicht zu seinem Lebensstil. Also packte er seine Wäsche zusammen und machte sich auf den Weg nach Hause. Es war ein langes Wochenende. Er räumte seine Wohnung auf, kochte sogar etwas. Sonntags morgens war er nach langer Zeit mal wieder zum Angeln. Nicht um etwas Eßbares zu fangen, es war eher etwas für seine innere Ruhe. Immer wieder ertappte er sich dabei, daß er an diese Begegnung dachte.
Der Winter war dieses Jahr sehr hartnäckig. Diese Kälte hatte Wien lange nicht erlebt. Das Eis an den Ufern der Donau war teilweise 30 cm dick und Wildtauben suchten verzweifelt nach etwas Nahrung. Falco saß fast jeden abend in seinem alten Sessel, ein Glas Montes Alpha in der Hand und genoß alte Beatles Scheiben. Es war der 16. Februar. Falco hatte sich aus purer Neugier eine Aufnahme der 40. Sinfonie Mozarts gekauft. Eingespielt vom Staatsorchester der Oper Wien. An der 1. Geige,- Martin Kleber. Klassische Musik genoss er gewöhnlich mit Kopfhörer, abgeschnitten von der Aussenwelt. Als der letzte Ton verklungen war stand er auf und sah verwundert, daß sein Anrufbeantworter leuchtete. Es war 23:41 Uhr. Man hatte bereits fünf Mal versucht, ihn zu erreichen. Er hörte die letzte Nachricht ab. Es war Joe Kämpfer: Falco, wo steckst du denn..? Es gab einen Unfall an der Donau, direkt unter der Nordbahnbrücke, stadtseitig.. Der Anruf war um 23:15 Uhr. Falco zog sich an und bemerkte beim Verlassen der Wohnung, daß man auch wohl vergeblich versucht hatte, ihn auf dem Handy zu erreichen. Es war klirrend kalt und er mußte rasch feststellen, daß er viel zu dünn angezogen war. Ein kleines, kreisrundes, frei gekratztes Sichtloch mußte reichen, genügend Sicht zu haben. Bis zur Ludwigbrücke waren es eh nur knapp zwölf Minuten. Als er ankam, stieß er direkt in eine riesige Eispfütze und stieg mit nassen Füßen das glatte Donauufer hinab, dem gleißenden Licht der Polizeischeinwerfer entgegen. Vor Kälte dampfende Taucher in Neoprenanzügen kamen ihm entgegen. Mit ihnen wollte er schon gar nicht tauschen, dann ertrug er lieber die nassen Füße. Die Leiche war bereits auf dem weg in die Gerichtsmedizin, teilte ihm Kämpfer sofort mit .Du bist zu spät! Mann, das hättest du sehen sollen. Der muß schon einige Stunden im eisigen Wasser gelegen haben. Mit seinen Händen hätte man Nägel in die Wand hauen können..! An Joe`s seltsamen Sarkasmus hatte er sich längst gewöhnt in all den Jahren. Seine nassen und frierenden Füße ließen im ein Bild im Kopf entstehen was es bedeuten würde, lange Zeit in der Donau zu liegen bei dieser Irren Kälte. Und er hatte gerade mal fünf Minuten nasse Socken. „Papiere? Gibt es Hinweise auf ein Gewaltverbrechen?“ fragte er mit etwas zittriger Stimme.
Harry Piechtel stieß dazu, auch ihm war die klirrende Witterung und der wenige Schlaf im Gesicht zu lesen: „ Alle Papiere sowie Briefbörse trug er bei sich. Der Bekleidung nach, war er wohl sportlich unterwegs zum Walken oder Jogging. Keine Gewalteinwirkungen oder sonstige Verletzungen. In der Geldbörse befanden sich etwas über 50,00 Euro.“ Falco bewegte sich weiter zum Fundort der Leiche, runter zum Ufer. Ein blaues Schlauchboot wurde gerade von der Feuerwehr durch den Schnee an Land gezogen. Scheinwerfer, Schaulustige und natürlich Reporter der Wiener Morgenpost standen um die Unfallstelle herum. Hunde jagten nach verwirrten Hasen hinterher und kläfften. "„Schafft mir die Presse vom Hals! Alles trampelt hier die Spuren weg; was mach der ORF hier!??“ warf er nun mittlerweile etwas entzürmt Harry Piechtel entgegen und verschaffte sich einen Überblick über die Umgebung und die Spuren. Einige duzend Fußspuren, vermischt mit Spurillen der Kinderschlitten vom Tage überlagerten das gesamte Gebiet. Er schaute etwas zweifelnd auf die tiefen Spuren in der Nähe des Gehweges und wandte sich nochmals an Joe:“ Wer war der Tote, Name?! Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, ob er in Begleitung unterwegs war?“ Es bereitete Anton Schwertfeger etwas Sorgen, daß ein Jogger mit Geld unterwegs war. Joe holte seinen Notizettel aus der Tasche, als Falco neugierig auf ihn zu ging und sich eine Zigarette aus der Schachtel von vor vier Wochen zog. Es klang fast wie ein Lebenslauf, was Joe dann von sich gab, eigentlich schon zu routiniert durch all die vielen Jahre:“ Er war Avantgardistischer Maler, Bildhauer. Sein Atelier ist angemeldet auf die Donau City Straße 12. Liegt drüber auf der anderen Seite, vielleicht sechs Minuten Fußweg von hier. Für sein Alter anscheinend sehr fit; 52 Jahre. Hans Dietrich Steinunger..“ Falco`s Gesicht verzerrte sich, als hätte er gerade einen Geist gesehen. Die unangezündete Zigarette verschwand in einem gewaltigem Atemstoß, der in der kalten Luft seinem Mund entwisch. Dabei entnahm er wortlos Joe den Notizzettel, warf einen Blick drauf und fragte ihn, ob er sich wirklich sicher sei. Joe war sich sicher, er hatte die Papiere des Totes selbst kontrolliert:“ Ja, äähm. Ich bin mir sehr sicher. Was ist; kennst Du ihn?“ Die Zigarette glitt aus seinen Fingern und verschwand im kalten Weiß auf dem Boden. Für einen Bruchteil einer Sekunde war es auf einmal seltsam still, als warteten alle gespannt auf Falco`s Reaktion. Sogar die Spürhunde hielten inne. Anton Schwertfeger schaute nochmal auf die Notizen, welche Joe Kämpfer sich vor einer Stunde gemacht hatte:“ ..Ja. Ich kenne ihn. Sogar sehr gut. Wir waren gemeinsam auf der Schule vor vierzig Jahren. Letzte Woche habe ich noch mit ihm gegessen. Er sprach von neuen Projekten, viele Pläne, eine neue Frau...“ Sein Blick wanderte nun geradeaus über die Donau über das dunkle Wasser, als könne er am gegenüberliegenden Ufer im Laternenlicht das Atelier seines gerade gefundenen alten Freundes erkennen. Joe, der von Natur aus viel abgebrühter war als Falco, versuchte noch ein leises „Tut mir sehr leid.“ auszusprechen. Aber es landete quasi an Falco`s Rücken, der sich plötzlich umdrehte und die Order gab, das Gebiet gründlichst zu untersuchen, sowie das Atelier und Freunde und Bekannte zu interviewen. Er war schon mit seinen Gedanken längst auf dem Weg zur Gerichtsmedizin.
Das freigekratzte Sichtloch war bereits schon wieder zugefroren. Es waren bestimmt unter Minus 10 Grad kalt. Aber es störte Falco nicht mehr. Auch seine fast schon steifen und nassen Füße hatte er längst über die vorangegangene Gegebenheit vergessen. Im Department für Gerichtliche Medizin ging er sofort den gang runter in das Kellergeschoß. Er war schon so viele male hier. So viele Unterschriften, Fragen, Antworten hatte es hier gegeben. Diesmal war es alles anders. Sein Freund war gestorben. Einsam und hilflos im kalten Wasser der Donau. Er wollte es nicht wahrhaben. Mit schnellen Schritten erreichte er Raum 301. Susanne Kailb hatte sich, auf sein Anraten hin zwei tage frei genommen. Ihr Assistent, Klaus Rössler stand im Labor und hatte sich gerade einen Kaffe gemacht. Das Rühren in der tasse konnte man bereits den ganzen Gang durch hören. Erstaunt schaute er auf seinen späten Gast:“ Anton!? Was machen sie so spät noch hier??“ Anton Schwertfeger konnte die Manier der hier arbeitenden Mitarbeiter noch nie so ganz verstehen. Im nächsten Raum lagen zwei Leichen auf dem Obduktionstisch. Die Kammer im Kühlraum lagerte noch weitere, mindestens fünf Leichname. Meist unbekannte. Hier, im warmen, mit grellem Licht durchfluteten Laborraum steht Rössler und ist ein mit Blutwurst belegtes Brötchen. Aber Schwertfeger war froh, daß es überhaupt Menschen gab, die diese Arbeit erledigen konnten. „Wahrscheinlich müssen sie so leben, ansonsten wäre dies Arbeit gar nicht möglich ohne diesen gewissen Abstand“ dachte er und fragte höflich nach:“ Eine Einlieferung, circa vor einer guten Stunde. Männlich, wahrscheinlich ertrunken.“ Rössler verzog das Gesicht, als würde er sich das Lächeln verkneifen wollen:“ Ach, der arme Kerl! Er muß mehrere Stunden im Wasser gelegen haben, sie hätten ihn mal sehen sollen!“ Flaco ging einen Schritt auf Rössler zu. In einem nun etwas ernsteren Ton fragte er, ob er ihn schon untersucht hätte. „Neiiin. Den muß ich erstmal auftauen. Herr Schwertfeger; das war ein Klumpen Eis , den die mir da gebracht haben..“ Eine winzige Träne quetschte sich aus Schwertfegers linkem Auge. Er nahm einen Zettel aus der Tasche, notierte dort seine private sowie seine Mobilfunknummern und schob Rössler den Zettel zu:“ Hier. Ich möchte , daß sie ihn umgehend untersuchen und mich sofort informieren. Egal, welche Uhrzeit!“ Den medizinischen Assistenten schien es kaum zu berühren. Mit einem großen Bissen in sein Brötchen und einer unglaublichen Gelassenheit sagte er:“ Ich habe nur noch 2 Stunden, dann ist Schichtwechsel. Frau Kailb hat sich zwei Tage frei genommen, da kommt nachher der Student. Aber es wird dauern,..wie gesagt, das da..:“ kurz stockte Rössler, als würde ihm langsam bewußt, was hier ablief, schaute dann in Richtung der Obduktionssräume und fuhr fort:“ ..wie gesagt, der muß erst auftauen..!“ Falco stockte der Atem. Jetzt konnte er auch wieder seine steif gefrorenen Füße spüren. Es könnte als Bestechung definiert werden; aber Schwertfeger war es das wert, als er plötzlich einen fünfzig Euro Schein aus der Tasche zog und ihn vorsichtig neben die Kaffetasse Rösslers schob:“ Ich möchte, das SIE ihn untersuchen. Heute noch. Und rufen sie mich sofort an!“ Falco schaute nun sehr ernst drein, dann drehte er sich um und wollte gerade gehen. Nochmals wandte er sich Rössler zu, der ziemlich erstarrt dort stand, in der einen Hand das Brötchen, in der anderen Hand die Kaffetasse. Falco`s Blick ging nun auch in Richtung der Untersuchungsräume und er fügte ziemlich betont hinzu:“..Das da, dieser Eisblock von dem sie reden..war mein ältester Freund! Ich erwarte ihren Bericht!“ Falco verließ das Gebäude. Den ganzen Weg nach Hause war es weniger die zu gefrorene Windschutzscheibe, welche ihn kaum etwas sehen lies. Es waren die eisigen Tränen, die sein Gesicht herunter liefen und als kleine Eisperlen auf seinem Parker verblieben. Es war jetzt 00:43Uhr, genau eine Stunde nach dem letzten Ton Mozarts Sinfonie. Mozart war tot. Sein ältester Freund, der Künstler Steinunger auch.

Gegen 3:20Uhr klingelte dann sein Telefon. Der Medizinstudent meldete sich und teile ihm mit, daß die Obduktion beendet war und der Bericht abgeschlossen wäre. Falco gab ihm seine Faxnummer und bat ihn, das Untersuchungsergebnis auf dem schnellsten Wege zu übermitteln. Nur fünf Minuten später rollte sich das Fax aus seinem Empfänger. Bevor er begann zu lesen,zog er fast unbewußt schon wieder eine Zigarette aus der Schachtel, aber sie blieb unangezündet. "Obduktionsbericht Steinunger, Hans-Dietrich...Todeszeitpunkt ca. 19:45Uhr am 16.02.2008..Todesuhrsache: Herzstillstand, Erstickungstod in Folge des Ertrinkens..Schlag,- Hieb- oder ähnliche Verletzungen:keine.. Schürfwunde am offenen, linken Knie, wahrscheinlich in Folge eines Sturzes..keine Alkohol - oder Drogenwerte im Blut.."


Anton Schwertfeger las diesen Bericht dreimal hintereinander durch. Er konnte es immer noch nicht glauben; einer seiner ältesten und besten Freunde war das Opfer einen schlimmen Unfalls. "Keiner bei ihm, hilflos im Wasser steckend"

dachte er.
"Mein Gott, Hans. Wieso gehst du bei so einem Wetter joggen..??!"

Er hatte schon sowas wie das Gefühl eines schlechten Gewissens in sich. Aber was hätte er schon tun können?! Am nächsten Morgen fuhr er sehr früh in sein Büro, schaute nur kurz nach, ob der Bericht von Joe schon in seinem Postfach liegen würde. Da der Bericht noch nicht da war, orderte er bei der Spurensicherung den Schlüssel für das Atelier Steinungers und begab sich direkt auf den Weg in die Donau City Strasse 12.
Schwertfeger stand nun vor der Haustüre, vor der er schon so viele Male gestanden hatte. Mit einer guten Flasche Rotwein, eingeladen zum Essen oder einfach nur auf einen unterhaltsamen Abendplausch mit seinem lieben Freund Hans. Er öffnete die Türe, als würde er dort täglich ein- und ausgehen. Auf einem Tisch lag ein kleiner Stapel Post, ungeöffnet. Die Post vom Wochenende? Ist er etwa nicht vom Atelier los gestartet? Mit den Briefen in der Hand ging er durch die Wohnung, schaute hier, schaute dort. Nichts auffälliges. Alles war wie er es kannte,- aufgeräumt, sauber. Keine benutzten Kaffetassen oder schmutzige Wäsche, wie bei Anton Schwertfeger. Hans hätte doch sicherlich nach dem Sport duschen wollen, dachte er. Aber das Bad war weder vorgeheizt, noch lag ein frisches Badetuch parrat. Eine unvollendete Skizze einer jungen Frau in einem knappen, roten Kleid stand auf dem Malbrett. Falco schrieb es der Person zu, von der Hans die letzte Zeit des öfteren geschwärmt hatte. Er setzte sich an Hans Schreibtisch, die Post noch weiter in der rechten Hand und rief Joe an:“Ich bins, Anton. Bin in Steinungers Atelier. Was war mit der Post?“ Das knistern von Papier war in Joes Büro durch den Hörer zu hören, als würde er seinen Bericht vornehmen:“ Die Spurensicherung hatte den Briefkasten geöffnet, er war voll. Wir gehen davon aus, daß er am Wochenende gar nicht im Atelier war. Oder er hatte vielleicht vor die Post erst zu öffnen, nach dem Joggen!?“ Falco zischte vor sich hin, als würde er gar nichts verstehen und immer noch vor einem Rätsel stehen. „Es war ein dummer Unfall. Wie vor vier Wochen mit dem Geiger..“ versuchte er sich gedanklich zu beruhigen und teile Joe noch mit, daß er in einer halben Stunde wieder im Präsidium sei. Er saß nun bestimmt zehn Minuten still an diesem Schreibtisch und schaute aus dem Fenster. Man hatte einen herrlichen Ausblick über den Volkspark hinaus bis über die Donau. Erinnerungen aus der Vergangenheit mit Hans Steinunger liefen wie ein Kurzfilm vor seinen Augen ab. Der Gedanke:“ ..sollte es einen Grund dafür gegeben haben, die Post später zu öffnen??“ ließ ihn wieder „wach“ werden. Die einzelnen Briefe glitten durch die Finger seiner rechten Hand; Rechnungen, Postkarten und, ein Schreiben des Universitätsklinikums Wien. Erst zögerte er etwas, dann schließlich öffnete er den Brief: Sehr geehrter Herr Steinunger,...nach den letzten Laborbefunden...die CCT Aufnahmen letzter Woche..Ihnen leider hiermit mitteilen zu müssen, daß sich der Verdacht auf einen Tumor in der rechten Gehirnhälfte bestätigt hat..fortgeschrittenen Stadium..Sehschwäche auf dem rechten Auge... wieder richtete sich Falcos Blick aus dem Fenster und er brauchte nochmals fünf Minuten um das zu verdauen, was er gerade gelesen hatte. Er hatte bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr geweint. Aber in diesem Moment war ihm das erste Mal wieder danach. Aber nur eine einzige Träne lief über seine Wange und tropfte auf das eben gelesene Schreiben, welches im aus der Hand geglitten war und nun auf der Schreibunterlage ruhte. „Darüber hat er nie ein Wort verloren. Ein Tumor..!?“ dachte er und damit vielen ihm so manchn Gespräche mit Steinunger ein, wo er schon vor Wochen von starken Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit gesprochen hatte. Schwertfeger hat das nie so richtig ernst genommen. Er dachte immer, „jeder hat ab und zu Kopfschmerzen und Schlafstörungen .Man wird halt nicht jünger..“
Vor ihm auf dem Schreibtisch viel ihm eine Engelsstatue auf. Er erkannte sie sofort wieder, da es einmal ein Geburtstagsgeschenk von Anton an Hans Steinunger war. Vor der Statue lehnte eine Postkarte mit dem Motiv des Paris Eifelturms vor strahlend, blauem Himmel. Erst zögerte er etwas, dann nahm er die Karte in die Hand und laß die wenigen, aber lieben Zeilen auf der Rückseite: “..und hoffe, dich bald mal mitnehmen zu können in meine Heimat! Vermisse dich sehr und hoffe, wir sehen uns bald wieder. In Liebe, Peninna!“ Es handelte sich wohl dabei um die junge Dame auf der Skizze. „Seine letzte Liebe? Pennina, welch ein ungewöhnlicher Name!“ Dann stellte er die Karte wieder zurück an seinen Platz und verließ die Wohnung leisen Worten: „Mach`s gut, Hans. Wir sehen uns später..“
Auf dem Weg zurück ins Präsidium hatte er kurz überlegt, nochmal am Medizinischen Institut vorbei zu fahren und sich persönlich von Hans zu verabschieden. Aber dann hatte er sich es doch anders überlegt. Er wollte nicht erschrecken und seinen lieben Freund so in Erinnerung behalten, wie er ihn zu Lebzeiten kannte. Er schaute kurz in Joe`s Büro rein und gab ihm den Auftrag, in den Privatunterlagen von Steinunger nach einer Peninna zu schauen, „Telefonnummer, Adresse , am besten auch der Nachname. Sie sollte unterrichtet werden, bevor sie es aus der Presse erfährt.“ Mit dem letzten Wort hatte er sich schon wieder umgedreht und war schon dabei, daß Büro wieder zu verlassen, als Joe ihn plötzlich an den Bericht letzter Nacht erinnerte. Schwertfeger drehte sich nur kurz noch einmal um, ohne den Inhalt zu lesen und unterschrieb. Es hätte die Folgen einer Dienstaufsichtsbeschwerde, aber er kannte Joe nun schon so lange und vertraute ihm. Er ging in sein Büro, nahm die Schachtel Zigaretten und stellte fest, daß nur noch eine übrig war. Dies war seit 4 Wochen die zweite Schachtel, aber er war sich nicht sicher, ob er überhaupt auch nur eine Zigarette angezündet hatte. Es klopfte ziemlich hart an seine Tür und ohne Aufforderung trat der Polizeipräsident ein. Johannes Pürschel, 62 Jahre, eigentlich schon viel zu lange in diesem Dienst. Er selbst hatte schon zweimal die Pension eingereicht aufgrund seines Rückenleidens. Ausgerechnet an seinem 50.Geburtstag hatte er einen Einsatz und geriet in einen Schußwechsel, wobei ihn eine Kugel im Rücken traf. Es waren nur Millimeter bis zur Wirbelsäule. Graumeliert, mit ernster Mine stand er nun da, vor Schwertfegers Schreibtisch:“ Anton, was haben sie sich eigentlich dabei gedacht??!“- Schwertfeger wußte natürlich direkt, daß es um den Sondereinsatz in der Schlesienstraße 32 vor ungefähr 5 Wochen ging. „Können Sie mir irgendwie erklären, wie ich das der Staatsanwaltschaft erklären soll..??!“ Eine Kopie der Rechnung des Vermieters lag Schwertfeger nun vor und die vierstellige Zahl am Ende des Schreibens lies ihn rot werden. Nicht aus Peinlichkeit. Es war die innere Wut, die ihn aufkochen ließ. Pürschel fuhr fort:“ ..eine demolierte Wohnungstür, sämtliche Zimmer mußten komplett renoviert werden aufgrund der Gaskugeln. Ganz zu schweigen vom dem Bericht des Wiener Wochenspiegels..!“ Schwertfeger merkte, wie die un- angezündete Zigarette in seiner rechten Faust langsam zerbröselte. Trotzdem versuchte er die Ruhe zu bewahren und überlegte, was und wenn überhaupt, wie er etwas dazu sagen sollte. Aber er brachte nur ein stummes „es war ein Irrtum.“ heraus. Der Polizeipräsident hielt für eine Sekunde inne und schaute an die Wand hinter Schwertfeger. Die vielen Auszeichnungen, Fotos aus Zeitungen mit dem Oberbürgermeister und dem Bundeskanzler. Daneben, aussen rechts , fast unscheinbar ein Originalfoto der kleinen Nina. „ Anton, sie wissen, ich schätze sie sehr. Sie sind mein Bester Mann. Aber weitere Vorfälle dieser Art , kann und darf ich nicht tolerieren! Vielleicht nehmen sie mal eine Auszeit??!“ Mit diesen Worten verließ Pürschel auch schon wieder das Büro und hinterließ nur einen Schatten seiner Aufregung an der Wand. Anton Schwertfeger klopfte sich den Tabak aus seiner Hand. Seine Schachtel war jetzt leer. Er dachte an den Bericht von letzter Nacht, seinen verunglückten Freund und die imaginäre Dienstaufsichtsbeschwerde, welche in unter diesen Umständen jetzt eine Suspenierung bringen würde. Als es nochmals klopfte, zuckte er fast zusammen. Aber es war diesmal nur der Medizinstudent des forensischen Institutes. Er trat vorsichtig, ja , fast lautlos ein. Schwertfeger hatte schon den Eindruck, als würde er sich noch verbeugen wollen:“ Herr Schwertfeger!? Ich soll ihnen das hier geben. Sie haben es wohl vergangene Nacht im Labor verloren..“ Dann verbeugte er sich tastächlich um eine Grad und verließ fast rückwärts das Zimmer. Auf dem Schreibtisch lag nun ein fünzig Euro Schein. Es war der Schein, den er letzte Nacht Klaus Rössler zur Untersuchung seines Freundes gegeben hatte.
„Auszeit“ dachte er. Vielleicht gar keine schlechte Idee. Kurzentschlossen rief er Sybille an und fragte, ob sie nicht schon eine Woche früher kommen könnte. Vielleicht auch eine Nacht bleiben. Es wäre kein Problem, Platz genug ist ja in der Wohnung. Sie zögerte etwas, schlug dann vor mit Jan zu sprechen und sich morgen zu melden und dann Samstag zu kommen. Übernachten wollte sie allerdings im Hotel; was ihn nicht verwunderte. Den Urlaubsantrag hatte er in weniger als einer Minute ausgefüllt. Im Sekretariat des Polizeipräsidenten verblieb er lediglich 11 Sekunden, um den Zettel abzugeben, dann verließ er das Präsidium, kurz nachdem er Joe und Harry Bescheid gab. Auf dem Weg nach Hause tankte er und kaufte sich eine neue Schachtel Benson & Hatches, kaufte etwas ein und schaute noch in seinen Lieblings- Angelshop rein. Am frühen Abend rief Joe ihn zu Hause an um ihm mitzuteilen, daß es leider keinerlei Hinweise auf eine Peninna gäbe. Wahrscheinlich hatte sie es auch schon längst in den Nachrichten gesehen oder gelesen und wollte nicht auf der Bildfläche erscheinen. Peinlich vielleicht, an der Seite eines alternden Malers. Anton machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Er war vielmehr damit beschäftigt, sich abzulenken und die freien Tage bis Montag zu planen. Sybille meldete sich gegen 12.00Uhr und kündigte sich für Samstag Nachmittag, 15.00Uhr an. Er trank noch ein halbes Glas Wein und schlief bei einer Diskussionsrunde im Fernsehen über das derzeitige Parlament gegen 22.00Uhr in seinem Sessel ein.

Am darauffolgenden Freitagabend fand die Beerdigung Steinungers statt. Auch Anton Schwertfeger hatte man gebeten, eine kurze Rede zu halten. Er war nicht der Typ für lange Reden, es lag ihm überhaupt nicht. Trotzdem sagte er zu und passierte noch einmal viele Stationen seines Lebens mit seinem alten Freund. Schwertfeger dachte an seine Ehe, den Fall Nina, die zwei Toten der letzten vier Wochen. Und er dachte an diese Begegnung. Diese hübsche Frau im Waschsalon. Diese übernatürlich langen Beine. „Das Leben ist schon manchmal seltsam“, dachte er „vielleicht ist es im Moment wirklich alles etwas zu viel!?“
Für das Wochenende mit Sybille hatte er eingekauft und sich fest vorgenommen, alles sauber zu haben und zu kochen. Er war eigentlich nie Koch mit Leib und Seele, aber seine Spaghetti mit einer selbst kreierten Sahnesoße waren unschlagbar. Ein guter chilenischer Rotwein sollte das ganze dann noch abrunden. Also verbrachte er den gesamten Vormittag mit aufräumen, kochen und nahm ein erholsames Bad. Die Ruhe und Ablenkung von der Polizeiarbeit tat ihm gut und er war erleichtert, die Entscheidung für diese freien Tage getroffen zu haben. Sybille kam natürlich überpünktlich und war zudem doch sehr überrascht, daß Anton doch tatsächlich ihre Lieblingsoper „Carmen“ besorgt hatte, welche dann zum Essen gehört wurde. Anton sprach sich sämtliche Sorgen von der Seele. Von den gut sechs Stunden, die sie zusammen saßen, redete er wahrscheinlich drei Stunden alleine. Aber Sybille hatte an diesem Abend ein Ohr für ihn. Die letzte Stunde konnte sie dann ihr Anliegen anbringen und den organisatorischen Teil der Wohnungsauflösung mit ihm besprechen. Gegen 01:00Uhr brachte er sie zum Hotel. Am nächsten Morgen als er in sein Büro kam, war bereits die Hölle los im Präsidium. Ein Telefax der Kriminalbehörde Amsterdam war bei Interpol Wien eingegangen. In einem Waldgebiet in der Nähe von Ede in den Niederlanden wurde eine Frauenleiche gefunden. Mehrere Umstände sprachen dafür , daß es eine unmittelbare Verbindung zum Fall Nina gäbe. Anton hatte sich gerade einen Kaffee genommen und seine mehrtägige Erholungsphase, die ihm so gut getan hatte , sollte bald wieder verfliegen. Um 8:30Uhr wurde eine Konferenz einberufen. Alle waren anwesend, sogar Polizeipräsident Pürschel. Ein Diaprojektor stand in der Mitte des Konferenzraumes. Die Vorhänge waren zugezogen und im Lichtstrahl des Projektors tanzten Staubkörner; leise, wie sanfte Schneeflocken bewegten sie sich. Joe brachte vier große Ordner mit hinein und legte sie auf einen der Tische. Betretene Gesichter saßen nun aufgeregt zusammen. Es war Totenstille. Gegen 8:39Uhr betrat ein Mitarbeiter names Kohler von Interpol Wien den Raum und eröffnete sofort die Konferenz. Eigentlich sollte dies für ihn alles schon Routine sein, aber in Anbetracht der Tatsache, daß es sich wieder um einen Mädchenmord handelte, war seine Stimme belegt und leise:“ Bei der Toten handelt es sich offenbar um die 26 jährige Mathilda Lenghton. Am vergangenen Samstag fand ein Jogger ihre schlimm verstümmelte Leiche im Hoekelumser Wald bei Ede, in der Nähe einer Unterführung der Autobahn A12. Sie stammte aus Südafrika, aber lebte mit Freundinnen zusammen in Noordwijk. Zuletzt arbeitete sie als Packerin in einer Großgärtnerei und verkaufte nebenher Schmuck, um ihre Reisen finanzieren zu können, denn sie interessierte sich sehr für Europa. Im August 1997 lebte sie für ein Jahr als Austauschstudentin in Wien. Erste Ermittlungen haben ergeben, daß sie damals Kontakt zu Nina Schuster hatte. Sie hatten bei ein – und derselben Person Klavierunterricht

.“ Anton Schwertfeger notierte alles mit, hielt dann aber aufmerksam seinen Kugelschreiber still in der rechten Hand, als er ungeduldig unterbrach:“ Eine traurige Geschichte, aber..ich verstehe noch nicht den genauen Zusammenhang. Welche Annahme führt dazu, daß es eindeutige Verbindungen zum Fall Nina gibt

??“ Kohler fuhr fort:“ Du erinnerst dich, Falco!? Wir nahmen damals von allen Beteiligten, die sich im näheren Umfeld von Nina bewegten, sämtliche Daten auf. Leider war die Technik der DNA-Analyse damals noch nicht so weit, wie heute. Bei der Toten Mathilda fanden sich Spuren von Haut unter ihren Fingernägeln. Wir verglichen diese mit den Spuren von damals. Sie sind eindeutig der DNA des Klavierlehrers Ondrej Kreizky zuzuordnen!“

Falco wurde etwas unruhig:“ Kreizky..? Ja, ich erinnere mich. Aber er hatte damals ein Alibi! Wo hält er sich heute auf? Hat man schon Ermittlungen eingeholt

?“
Ja, natürlich sofort! Kreizky ist ein halbes Jahr nach dem Tod von Nina zurück in sein Heimatland, Tschechien gezogen. Vor fünf Jahren zog der dann nach Ede in den Niederlanden und gab auch wieder Unterricht; arbeitet seit einem halben Jahr als Schulbusfahrer..


Als Schulbusfahrer???! Mein Gott.

.!“ – Falco verschlug es fast die Stimme.
„Ja! Seit gestern ist er nicht auf der Arbeit erschienen. Seine Wohnung wird in diesen Minuten untersucht

!“
Kohler gab Schwertfeger die Telefonnummer von Jan van Beek, dem Leiter der Mordkommission Amsterdam und die Mappe mit allen schriftlichen Berichten und Fotos von der Leiche in Ede sowie des vermutlichen Täters. Anschließend löste sich die Konferenz auf, die Vorhänge wurden wieder geöffnet. Schwertfeger blieb alleine zurück zwischen leeren Kaffetassen und Gebäck. Die Staubfluseln tanzten nun im hereinfallenden Sonnenlicht. Für einen Moment blieb er noch, fast Gedankenlos dort sitzen, einerseits erleichtert, daß es nun doch vielleicht noch eine Wende im Fall Nina gab. Andererseits stieg in ihm sowas wie Angst auf, was nun auf ihn zukommen würde. Im Büro telefonierte er sofort mit Ja van Beek der ihm gleich mitteilte, daß ein Wagen ihn am Flughafen Amsterdam abholen und direkt zum Präsidium fahren würde. Man hätte schon eine kleine Pension in Noordwijk für ihn reserviert und ein Wagen würde auch bereitgestellt. Er machte sich direkt auf den Weg nach Hause, um einen kleinen Koffer zu packen. Viel würde er nicht benötigen, für ein paar Tage. Sein Flug war bereits von Harry gebucht worden. Am Flughafen Wien hatte er noch Sybille angerufen daß er dienstlich ein paar Tage in den Niederlanden verbringen müsse und vielleicht mal vorbeischauen würde, wenn es ihr recht wäre. In Amsterdam war es eisig. Die leichten Plustemperaturen und ersten Knospen in Wien hatte er schnell vergessen. Seine Maschine landete pünktlich gegen 11:35Uhr, der Wagen stand bereit und ein junger, niederländischer Polizist namens Rudi holte ihn am Ausgang ab. Die Fahrt zum Präsidium dauerte nicht lange und auf dem Weg dorthin begeisterte Schwertfeger die glatte, lange Aussicht und der stete Wechsel von moderner Großstadt und Altertümlichen Kleinstadt. Er war zuvor noch nie in den Niederlanden gewesen. Sybille und Anton hatte immer schon einen Urlaub an der Nordsee in Holland geplant. Aber immer entschieden sie sich kurzfristig doch dann wieder für ein Land im Süden, weitab von Österreich.
Van Beek war ein kleiner, rundlicher Mann von Mitte vierzig. Es war für Anton schwer zu erkennen, ob sein Haar nun blond oder gelb war, vom vielen Rauchen. Im Präsidium wurde er sehr herzlich empfangen. Man reichte ihm Gebäck und starken Kaffee, als er im Büro von Van Beek Platz nahm.
Sie hatten eine gute Anreise, Herr Falco

?“ fragte Van Beek , zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gelassen in seinem riesigen, schwarzen Lederstuhl zurück.
Ja, danke. Es war etwas kalt im Flieger, aber es waren ja auch nur knapp zwei Stunden Flug. Mein richtiger Name ist übrigens Anton Schwertfeger. Den Spitznamen Falco habe ich.

..“
„..ja, ich weiß natürlich

.“ unterbrach Van Beek. „..es ist ihr Spitzname! Aber ich finde es sehr lustig irgendwie, auch dieses Lied über diesen Kommissar. Ich mag Falco

.“ –grinste er in sich hinein und meinte das auch wohl so, wie er gesagt hatte.
Gibt es schon etwas Neues wegen Kreizky

?“
Die Wohnung wurde heute morgen durchsucht und sämtliche Privatdinge sichergestellt. Unter anderem zwei Flugtickets nach Wien; sehr seltsam, finden sie nicht, Herr Falco

?“ – Anton Schwertfeger musste sich etwas zurückhalten wegen des Dialektes. Irgendwie musste er, während Van Beek sprach, dauernd an diesen deutsch-holländischen TV-Entertainer denken, dessen Name ihm doch einfach nicht einfallen wollte: “Seltsam? Nicht unbedingt. Er hat lange Zeit in Wien gelebt, vielleicht hatte er dort noch Freunde. Irgend etwas auffälliges in der Wohnung

?“
Nein, nicht direkt. Aber es gab eine Mappe mit alten Fotos, auf den Klavierschüler abgelichtet waren. Nina war auch auf einem dieser Fotos

!“
Nun, dann können wir, abgesehen von der DNA Analyse fast hundertprozentig davon ausgehen, daß es sich um das Monster handelt.

.!?“ In Van Beeks Gesicht schoben sich die buschigen, langen Augenbrauen nach oben und er setzte schon wieder dieses seltsame Grinsen auf:“.. das Monster? Sehen sie das so?

“ fragte er Falco etwas fragwürdig.
Für mich ist er ein Monster! Jemand, der solch grässliche Taten vollbringt, kann nicht normal sein,entschuldigen sie Herr Beek, das ist meine ganz persönliche Meinung

!“
Dann dürfte eine Kleinigkeit, die wir gefunden haben, sie sehr interessieren. Unter den Fotos gab es auch eine Ablichtung von ihnen, Herr Falco!Schauen sie..


Van Beek zog aus einem Umschlag einen Stapel Fotos hervor und reichte Falco eine Fotografie, auf dem er und Sybille bei einem Abendessen in die Kamera blinzten.
Was...was ist das???“

murmelte er vor sich hin bis er, fast vor Atem stockend auf einmal diese Erinnerung wieder bekam und Van Beek quasi von dieser Begebenheit erzählte:“ Es war; es war 1997. Vielleicht zwei Wochen nach dem Auffinden von Ninas Leiche. Ein Abendessen auf einer Gesellschaft mit dem Oberbürgermeister von Wien. Ein Mann sprach mich am Tisch an und gab sich als Autogrammjäger aus und fragte, ob er ein Foto machen dürfe mit anschließender Signatur. Ich dachte mir nichts dabei....;ich..."

Van Beek hörte sichtlich betroffen zu, als Schwertfeger stockte, „ ich..habe das Monster getroffen..und wußte es nicht einmal..

.!“ Das Foto fiel ihm aus der Hand und er schaute für einen Augenblick ins Leere, als ihm Tränen übers ganze Gesicht liefen. Aber er war ja kein Mann, langer Tränen und sehr schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er wußte, daß Gefühle hier nicht gefragt sein würden und erkundigte sich weiter nach dem Fahndungsstand:“ Sind Bahnhöfe und Flughäfen informiert?“
„Ja, natürlich. Sollte er sich noch in Holland aufhalten, gibt es keinen Weg, die Grenzen zu passieren. „
„Kontrollieren sie auch in regelmäßigen Abständen Hotels, öffentliche Toiletten, Fastfoodketten!

“ Jan Van Beek schaute etwas überrascht, als hätte er den letzten Satz nicht ganz verstanden:“ Was meinen sie genau, Falco?“
„Auch wenn er ein Monster ist; - er ist ein Mensch wie sie und ich! Er wird die Toilette besuchen müssen und etwas essen. Haben sie daran nicht gedacht?“

Etwas peinlich schaute Van Beek auf seine Schreibtischunterlage und die darauf liegenden Unterlagen:“ Sie sind ein Profi. Ich sehe schon, wir können noch etwas von ihnen lernen! Ich werde sofort alles in die Wege leiten. Wir haben einen Wagen für sie bereit gestellt und ein sehr schönes Zimmer in einer Pension angemietet. Vielleicht quartieren sie dort erstmal und ich informiere sie, sobald es etwas neues gibt

!“ Van Beek hatte einen ziemlich kräftigen Händedruck, den Anton von ihm eigentlich gar nicht erwartet hatte. Am Empfang bekam er die Wagenschlüssel und die Wegbeschreibung zur Pension nach Noordwijk. Vorbei am Flughafen fuhr er die A4 Richtung Küste. Es waren gerade mal 45 Minuten bis er ankam. Das Haus bewohnte eine sehr nette Familie namens DeJong. Anton hatte ein Zimmer unter dem Dach, in diesem sehr alten Fachwerkhaus mit Riesdach. Als er sich etwas frisch gemacht hatte fragte er die Vermieterin, wie weit es denn bis zur Küste wäre. Der kalte Wind war hier noch ziemlich unangenehm und Frau DeJong reichte ihm einn dicken Mantel ihres Sohnes. Mit dem Wagen waren es 4 Minuten bis zum Damm. Er stieg aus und ahnte schon hinter dem Grasgrünen Deich, auf dem es von Schafen nur so wimmelte die Nordsee. Man konnte es an dem salzhaltigen Wind förmlich schmecken. „Wie ein Kurzurlaub

“ dachte er und arbeitete sich zwischen den Schafen den steilen Deichweg hinauf, bis er oben angekommen, auf die kaltgraue und endlos zu scheinende Nordsee blickte. Am Himmel hatte sich ein Wolkenloch gebildet und die Sonne schickte ihre Strahlen auf das tobende Wasser und zauberte ungewöhnliche Lichtspiele auf den Wellen. Anton Schwertfeger atmete tief durch und es kam ihm der Gedanke, warum er eigentlich in letzter Zeit wieder die Lust am Rauchen verspürt hatte. Eine Stunde lang spazierte er am Menschenleeren Strand entlang. Nur ein paar wenige Jogger und Hundehalter waren bei dem eisigen Wind unterwegs. Am Abend war sein Handy still, nichts tat sich. Er fühlte so etwas wie die „Ruhe vor dem Sturm.“ Sybille war nicht zu erreichen und hier fiel ihm das erste Mal auf, daß er noch nicht einmal ihre neue Adresse in Amsterdam hatte. Im Fernsehen gab es nur niederländische Programme, die er nicht verstand. Spieleshows ohne Ende und Kandidaten, die sich wie kleine Kinder verhielten, dachte er. Gegen 22:00Uhr legte er sich schlafen.
Die unglaubliche Ruhe an diesem Ort hatte ihn tatsächlich bis 10.00Uhr schlafen lassen. Er konnte sich nicht erinnern, die letzten zehn Jahre so lange und gut geschlafen zu haben. Das ältere Vermieterehepaar war wohl schon sehr früh aus dem Haus. Lediglich der Hund hatte ihn gegen 7.00Uhr kurz aus den Träumen gerissen. Sein Frühstück stand schon bereit und war mehr als reichhaltig. Nach dem zweiten Kaffee telefonierte er kurz mit Van Beek um sich auf dem neusten Stand zu halten. Leider gab es keine neuen Erkenntnisse. Mehrere Anrufe gingen wohl ein, daß man vermutlich Kreizky auf einem Fahndungsfoto erkannt und in der Stadt gesehen hätte. Schwertfeger verabredete sich mit Van Beek für 14.00Uhr am Nachmittag. Er nutzte die freie Zeit und schaute sich Amsterdam nach Angelgeschäften um und fragte sich, wieso es an so Wasserreichen Gebieten keine Angelshops gibt. Die gute Luft regte ziemlich schnell wieder seinen Appetit an und er quartierte sich im Restaurant/Cafe „ In De Waag“ ein, studierte die Speisekarte und gab seine Bestellung auf. Etwas schlaftrunken schaute er aus den riesigen Schaufenstern und beobachtete das Geschehen auf der ziemlich bevölkerten Straße bis ihm plötzlich an der Theke eine junge, schlanke Frau auffiel, welche eine Bestellung abholte. „Diese Stimme..“ dachte er, „..dieser Akzent....woher..!?!“ Die Bedienung ging in einen Hinterraum und die junge Frau schaute für einen kurzen Augenblick nach draußen; ihr Blick richtete sich auch für einen Bruchteil einer Sekunde auf Falco und ihr Gesichtsausdruck vermittelte ihm, daß sie wohl gerade dasselbe wie er dachte. Er konnte es nicht ganz glauben, aber doch war er sich fast sicher, daß es sich um die junge Dame im Waschsalon handelte. Ob es an seiner polizeilichen Natur lag oder pure Neugier war, wusste er selbst nicht. Denn als sie dann im Begriff war zu gehen, sprach er sie einfach an:“ Ent...-entschuldigen sie! Kann es sein, daß wir uns kennen?“ – Ziemlich überrascht zuckte sie zusammen und dachte wohl, es wäre eine dieser üblichen Kennen-lern-versuche in Amsterdam. Doch dann erkannte sie sein Gesicht und schien sich zu erinnern:“ Oh, Monsieur, ja sicher. Sie haben ihre Waschmünzen im Waschsalon verloren. Ich hatte zwei Tage lang eine Beule an meiner Stirn!“
Daß sie dies nicht ganz so ernst meinte, konnte er ihrem breiten Grinsen entnehmen. „Bitte, nehmen sie doch Platz! Ich möchte das gerne wieder gut machen. Darf ich sie zu einem Kaffee einladen?“ Ganz wohl war ihm bei der Sache nicht. Immerhin war es fast dreißig Jahre her, daß er mit einer Frau geflirtet hatte. Viel Zeit hatte sie nicht. Sie plauderten ein wenig und sie erzählte von ihrer Arbeit als Fotografin. Deswegen war sie beruflich in Wien und der nächste Termin würde gerade auf sie warten.
Sie trank ihren Cafe Latte sehr hastig und Anton war verzaubert von ihrem Aussehen und dem faszinierenden Akzent .Irgendwie war es ihm dann auch tatsächlich gelungen, beim Verlassen des Cafes ihre Telefonnummer zu erfragen um vielleicht in Wien mal gemeinsam essen zu gehen. War er verliebt? Es kann kein Zufall sein, sich hier wieder getroffen zu haben, dachte er. Seltsamer Weise hatte er das starke Bedürfnis, es sofort Sybille mitzuteilen. Aber gerade in dem Augenblick rief ihn Van Beek an: „Wo sind sie, Herr Falco?“ Im Hintergrund war das laute Fahrgeräusch eines Autos zuhören und Van Beek schien sehr aufgeregt: „Es geht los! Kreitky hat sich in der Wohnung seiner Kollegin verschanzt, welche seit zwei Tagen nicht auf ihrem Arbeitsplatz erschienen ist und hat sie als Geisel genommen. Wir haben den Tip von einem Kioskhändler gegenüber. Er hat sein Gesicht in der Zeitung erkannt, als Kreizky sich heute morgen Zigaretten bei ihm gekauft hat“. Schwertfeger teilte ihm mit wo er war und bezahlte seine Vorspeise. Für den Hauptgang war keine Zeit mehr. Als er vor die Tür des Cafes trat, kam der Polizeiwagen bereits um die Ecke. Die Reifen quietschten bei der Abfahrt und Schwertfeger hatte kaum Gelegenheit, sich anzuschnallen:“ Was ist genau passiert?“ fragte er Van Beek, der ebenso nicht angeschnallt war und sich mit der linken Hand am Handbügel festklammerte:“ Wie sie wissen, wollten wir alle Angestellten des Busunternehmens befragen, aber die Frau hatte sich vor zwei Tagen telefonisch krank gemeldet. Nach dem Anruf des Kioskbesitzers habe ich einen Streifenwagen zu ihrer Wohnung geschickt, sie öffnete nicht! Aber fast zeitgleich ging ein Anruf in unserer Zentrale ein und der Anrufer gab sich als Kreitzky aus und forderte sofort den Rückzug der Polizisten und innerhalb einer Stunde ein betanktes Fluchtfahrzeug mit Navigation. Er drohte, sich und die Geisel sofort zu erschießen, wenn er auch nur einen Polizisten sehen würde!“
Schwertfeger hatte Mühe, nicht zu husten beim Sprechen denn, das Auto war komplett eingenebelt von Van Beeks Zigarette. Verwundert darüber, daß der Fahrer überhaupt etwas sehen konnte fragte er nach: „Haben sie die Forderungen schon erfüllt?“ Van Beek machte seine Zigarette aus und zündete sich bei seiner Antwort direkt eine Neue an:„ Nein. Der Anruf erfolgte vor circa zwanzig Minuten, dann hörten Passanten einen Schuß. Das Haus ist mittlerweile evakuiert und die gesamte Straße abgesichert. Das Einsatzkommando wartet nur noch auf uns!“
„Wir müssen auf das Schlimmste gefaßt sein, Herr Van Beek! Er ist ein Monster und ich traue ihm alles zu!“
Am Ende des Gesprächs kamen sie auch schon am Ziel an. Die Straße war Menschenleer. Im Kiosk gegenüber hatten sich Scharfschützen positioniert und im Hausflur stand ein Trupp von zehn Einsatzkräften, die sich Zugang über den Hinterhof verschafft hatten. Schwertfeger und Van Beek stiegen fünfzig Meter vom Haus entfernt aus und verschafften sich erstmal einen Überblick, bevor sie vom Einsatzleiter Schußsichere Westen verpasst bekamen. Schwertfeger schaute vorsichtig hoch und konnte erkennen, daß eine Gardine in einem Fenster der Wohnung beiseite geschoben war. „Ob er uns gesehen hat?“ dachte er und stellte sich vor wie es sich anfühlen müsste, getroffen zu werden. Er wurde noch nie bisher verletzt. Bis jetzt hatte er immer Glück gehabt. Sollte sich das Heute ändern? Durch ihn? Das Monster?! In den folgenden Sekunden ging ihm viel durch den Kopf. Auch der peinliche Einsatz im Januar: „Was ist, wenn er gar nicht dort oben ist und der Anrufer ein Trittbrettfahrer war??“ Aber Van Beek bestätigte ihm, daß es sich um die Telefonnummer der Kollegin gehandelt hatte. Schwertfeger war es schlecht. Er hatte Hunger. Nur eine kleine Vorspeise und der Gedanke an die arme Geisel, alleine mit dem Monster:“ Hat sie Kinder?Lebt sie alleine? Brachte er gerade noch heraus obwohl er eigentlich sicher sein konnte, daß diese Fragen bereits im Vorfeld heute morgen abgeklärt worden waren. Er bekam auch keine Antwort mehr, denn ein Funkspruch durch Van Beeks Walki-Talki bestätigte die Sicherung der Wohnungstür und dann gingen sie los, die drei Stockwerke hinauf. Schwertfeger hatte schwer zu atmen. Die Stufen waren sehr hoch und sein Magen knurrte so laut, daß man es in allen drei Stockwerken hören konnte. Eine Schweißperle lief ihm die Stirn herunter und er hatte wohl das erste Mal in seinem Beruf richtig Angst, von einer Kugel getroffen zu werden. Im dritten Stock ließ Van Beek seine Zigarette fallen, trat sie auf einer der Stufen aus und bat Schwertfeger, direkt hinter ihm zu bleiben. Die Einsatzkräfte standen hintereinander an der Wohnungstür. Zwei von ihnen unmittelbar an der Türe. Hinter Schwertfeger tauchten drei Rettungsärzte auf. Aus irgendeiner Wohnung dröhnte heftigst laute Musik und übertönte fast die Aufforderung Van Beeks, die Waffe niederzulegen und vorsichtig die Türe zu öffnen. Aber nichts tat sich. Nur die laute Musik und die Sicherungen der Polizeiwaffen waren zu hören. Van Beek nickte einem der beiden Polizisten an der Wohnungstüre zu, womit er ein „Go!“ bestätigte, die Türe zu öffnen.

Dann ging alles sehr schnell, die übliche Routine. Die Wohnungstür war rasch aus ihren Angeln, Gaskugeln rollten in den Wohnungsflur. Aus einem Raum klang unerträglich lautstark eine Aufnahme von Tschaikowkys
Der Barbier von Sevilla. Es war nicht das gewohnte „Clean“ , was nach und nach aus den Zimmern gerufen wurde. Schwertfeger vernahm so etwas wie „herzchen“ oder „herzigen“, was wohl holländisch war und bedeutete, das die Räume überprüft waren. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen. Zwei Einsatzkräfte, die dort zuvor rein geschaut hatten, traten gelassen wieder zurück. Der Rechte nickte Van Beek zu und hielt einen Daumen hoch für ein „ok.“ Van Beek und Schwertfeger traten vorsichtig näher und als der Gasnebel sich etwas gelegt hatte, konnte sie das Szenario erkennen. Auf dem Bett lag eine geknebelte Frau, Augen und Mund zugeklebt. Trotzdem war es unübersehbar, daß sie verzweifelt versuchte, trotz des Klebebandes auf ihrem Mund, zu schreien. Auf einem Stuhl neben ihr saß eine weitere Person mit einem großen Gewehr im Anschlag. Sein Kopf lehnte an der Wand, sein Gesicht war zerfetzt von der Wucht des Geschosses, daß er selbst abgefeuert hatte. Eine riesige Blutlache kauerte hinter ihm an der Wand. Ondrej Kreizky hatte sich hingerichtet. Das Monster war tot.- Es war Dienstag, der 28.Februar 2008.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.01.2010

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