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zum Gedenken an Susanne




Tödlicher Unfall




Mit noch müden Augen blätterte ich in der Tageszeitung. Ich nahm einen Schluck aus der dampfenden Kaffeetasse, in der Hoffnung endlich wach zu werden. Als ich zum Regionalteil der Zeitung kam, entdeckte ich zunächst nichts besonders. In der Nähe war eine Tankstelle überfallen worden und die Täter, zwei Jugendliche, waren bereits gefasst. Kopfschüttelnd blätterte ich weiter. Mein Blick blieb an dem Foto von einem Unfall hängen. Ein Auto stand in einer Böschung, darunter war nur ein kurzer Bericht.
Das Fahrzeug war von der Fahrbahn abgekommen und hatte, aus noch ungeklärter Ursache, Feuer gefangen. Der oder die Fahrer/in war darin umgekommen und noch nicht identifiziert.
Einen Moment war ich von der Schaurigkeit des Unfalls schockiert.
„Wie schrecklich!“ War mein erster Gedanke.

Auf dem Weg zur Arbeit hatte ich das Bild aber schon wieder aus meinem Kopf verdrängt. Im Laufe des Vormittags wurde ich jedoch nochmals daran erinnert, als meine Kollegin, davon sprach, weil sie den Bericht ebenfalls gelesen hatte. Es war das übliche, worüber man in so einem Fall redet. Man ist zwar ein wenig betroffen, aber schließlich hat man damit ja nichts zu tun. Es ist ganz einfach solche schrecklichen Bilder zu vergessen. Werden wir nicht Tag für Tag mit solchen Dingen regelrecht bombardiert? Unsere tolle Medienwelt macht es möglich. Trotzdem scheint das alles nicht real zu sein.

Der Tag verlief ohne besondere Vorkommnisse. Meine Kollegin wollte gerade den Anrufbeantworter einschalten, als das Telefon nochmals läutete und sie seufzend den Hörer abhob.

Zunächst hörte ich dem Gespräch nicht zu. Doch als, ich einen seltsamen Tonfall in ihrer Stimme wahrnahm sah ich auf. Sie hatte den Hörer wieder aufgelegt und starrte einen Moment lang stumm auf den Telefonapparat.

„Ist etwas passiert?“ fragte ich verwundert.

„Das war Susannes Mutter“, antwortete sie nur.

Susanne hatte bis vor einem halben Jahr bei uns als Auszubildende gearbeitet. Nach ihrem Abschluss, hatte sie jedoch woanders angefangen.
Verwundert sah ich meine Kollegin an.

„Sie ist tot. Der Unfall in der Zeitung.. das war Susanne.“ Berichtete sie stockend.

Ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte. Das konnte doch nicht wahr sein.
Als ich jetzt an das Bild dachte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Plötzlich war es nicht mehr eine unbekannte Person, die ihr Leben verloren hatte. Sie hatte plötzlich ein Gesicht, eine Stimme, ein Lachen, gute und weniger gute Eigenschaften. Jeden Tag hatten wir zusammen gearbeitet, hatten miteinander geredet und hatten auch mal kleine Zwistigkeiten. Ein munteres Mädchen, voller Lebensfreude war auf einmal tot. Mit gerade 19 Jahren….

Fassungslosigkeit breitete sich aus. Irgendwie war es jedoch immer noch nicht real. Wir konnten es einfach nicht glauben.

Doch vier Tage später holte uns die Realität auf unerbittliche Art ein.
Als wir bei klirrender Kälte auf einem kleinen Friedhof standen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Viele Menschen waren gekommen, um Abschied zu nehmen und für jeden von uns, war es jetzt Wirklichkeit geworden. Eine grausame Wirklichkeit.


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Tag der Veröffentlichung: 06.05.2012

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