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Der kleine Engel Anja



Ich kann mich noch genau an das Bilder erinnern, viele Jahre hing es im Schlafzimmer meiner Eltern. Eigentlich kann ich mich an keinen Zeitpunkt meiner Kindheit erinnern, an dem dieses Bild nicht da gewesen wäre.

Maria sitzt auf einem Felsen und hält das Jesuskind auf ihrem Schoß. Kleine, goldgelockte Engel umringen sie und wollen neugierig das Wunder betrachten. Einladend streckt Maria den Arm aus und winkt sie zu sich heran.

Es ist ein Bild voller Liebe und Frieden. Oft bin ich davor gestanden und habe es betrachtet. Die kleinen Engel haben mich dabei ganz besonders interessiert.
Immer wieder habe ich mir vorgestellt, dass einer dieser kleinen Engel meine Schwester Anja ist. Sie ist mit gerade mal zwei Jahren an einem Herzfehler gestorben. Ich habe sie nie gekannt, denn zu dieser Zeit war ich erst zwei Monate alt. Oft frage ich mich, wie schwer das alles für meine Eltern gewesen sein muss. Wenn man ein Kind verliert und in all seiner Trauer dennoch für seine anderen Kinder da sein muss. Noch dazu, für ein Baby.

Irgendwie habe ich mich nie getraut, viel nach meiner unbekannten Schwester zu fragen. Weder meine Eltern, noch meine älteren Geschwister. Es ist wie eine Welt, in die ich mich nicht vorzudringen wage, aus Angst in ihnen den alten Schmerz wieder hervor zurufen.

In meiner Phantasie ist sie deshalb immer ein kleiner, blondgelockter Engel gewesen und ist es auch heute noch.

Besonders, wenn die Weihnachtszeit naht, muss ich manchmal an sie denken. Um diese Zeit ist sie geboren, aber auch gestorben. Ihr zweiter Name war Maria. Alle dies verstärkte nur meine Vorstellung von einem Engel. Alle hatten sie sehr lieb, sie war also schon zu Lebzeiten eigentlich ein kleiner Engel.

Ich stelle mir vor, dass sie ein Geschenk des Himmels war, um ein Lächeln auf die Gesichter zu zaubern. Sie war dazu bestimmt, ein Engelchen zu werden und für immer so in unseren Herzen und Vorstellungen zu bleiben.

Neben ihrem Grabstein steht eine winzige, betende Engelsfigur. Wenn ich davor stehe, dann glaube ich, dass sie auf mich herab sieht und mir zuwinkt.

Jeder mag seine eigene Vorstellung von Engeln haben, für mich ist es meine Schwester. Gerne hätte ich sie kennen gelernt, doch irgendwie kenne ich sie ja auch schon, als Engel, der mir zulächelt, wenn ich mal traurig bin.

Hat nicht jeder einen kleinen Engel in seinem Kopf? Ein Wesen, das Trost, Freude und Liebe in unserem Leben spendet, wenn wir es brauchen? Die Welt ist voller solcher „Engel“, wir sollten sie nur öfters bewusst wahrnehmen.


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Tag der Veröffentlichung: 05.05.2012

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