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Dramatis Personae

Andol Tilgo - Junger Magier aus Feinstal, der einen Magierladen in Falkenhain erbt.

 

Vina Paldasar - Kriegerin vom Königreich Aranor, neuer Hauptmann der Stadtwache von Falkenhain, Spitzname "die Weiße Kriegerin"

 

Brasric - Dieb aus Dunkeltann, der zweitgrößten Stadt Aranors

 

Dunacar I. - Herrscher des Königreichs Aranor

 

Nivia - junge Elfe

 

Eraya Denn - Andols Cousine

 

Rando Denn - der sterbende Onkel Andols

 

Der dunkle Magier - ?

 

Gilcas Talmud - der Schmied, trinkfest und übergewichtig

 

Anihara - Kräuterkundige und Medica

 

Nondor - der grünhäutige Alb

 

Anasta - Magierin, genannt "die Schwarze Hexe"

 

Gelios deVried - ein Hauptmann der Armee König Grisalds

 

Talat Bilgur - Captain der Sternenschweif

 

Folge 1: Der Anfang

 

Die Mittagssonne schien auf die saftigen Wiesen Aranors. Es war schönstes Wetter.
Ein einzelner Mann überquerte die Felder, in einer dunkelblauen Robe und mit einem langen Stab, den er bei jedem Schritt auf den Boden klopfte. Ein Wald lag vor ihm. Das musste der Falkenhainforst sein.
Andol Tilgo nahm den Brief unter seiner Robe hervor. Es war ein Brief seines schwerkranken Onkels, wonach er ausgerechnet ihn dazu auserwählt hatte, seinen Zauberladen zu übernehmen.
Andol kannte seinen Onkel nicht, er hatte ihn nur als Kleinkind einmal gesehen, aber daran erinnerte er sich nicht.
Er überflog die Zeilen und bemerkte nicht die Gestalt, die sich ihm näherte.
"Wohin des Weges?" fragte der junge Mann, der etwa im gleichen Alter wie Andol zu sein schien.
"Ich muss nach Falkenhain. Das muss gleich hinter dem Wald sein." sagte Andol.
"In diesem Wald verläuft man sich leicht. Aber sie haben Glück. Ich kann sie begleiten. Ich gehe auch dorthin."
Der Fremde machte eine Verbeugung. "Mein Name ist Brasric."
Sie gingen Seite an Seite in den Wald hinein.
Sie liefen eine Weile, Andol erfuhr, dass Brasric aus Dunkeltann stammte, einer der größten Städte Aranors.
Brasric war auch sehr neugierig und fragte Andol aus.
Andol hatte nichts zu verbergen, deshalb antwortete er bereitwillig. Auch von seiner Erbschaft erzählte er.
Dann wurde es dunkel.
"Der Wald ist tückisch, es kann sein, dass wir noch weit weg von Falkenhain sind. Wir sollten hier lagern. Hier ist ein guter Platz. Ich habe auch einen leichten Schlaf, Wegelagerer oder wilde Tiere bemerke ich sofort." schlug Brasric vor.
Andol willigte ein und sie schlugen ihr Lager auf.

*

Als das erste Licht durch das Blätterdach schien, erwachte Andol. Schlaftrunken sah er sich um. Wo war Baldric? Er war verschwunden. Jetzt bemerkte Andol, dass auch sein Rucksack mit seinen Habseligkeiten fehlte. Damit hatte er auch den Brief verloren, der belegte, dass er derjenige war, der den Zauberladen erbte.
Nur seinen Zauberstab hatte er ihm gelassen. Mit dem fast zwei Meter langen Stab konnte der Dieb wohl nichts anfangen.
Andol fluchte.
Baldric hatte ihn reingelegt.
Andol erhob sich und ging weiter Richtung Falkenhain.
Dann kam die nächste Überraschung.
Er ging nur ein paar Meter, dann lichtete sich der Wald und Falkenhain lag direkt vor ihm. Er hätte nicht auf dem unbequemen Waldboden schlafen müssen!
Der Magier durchschritt unter den neugierigen Blicken der Stadtwache das Stadttor. Die Robe und der lange Zauberstab kennzeichneten ihn als Magier und Zauberer. Allerdings konnte man nicht sehen, dass seine magischen Fähigkeiten eher gering ausfielen, da er nie in einer Akademie unterrichtet worden war.
Sein Element war die Luft, die konnte er, zumindest in Grenzen, beherrschen. Der Zauberstab wurde von Magiern dazu verwendet, diese Kräfte zu verstärken.
Andol lief durch die Straßen und Gassen der Stadt. Was sollte er tun? Seinen Erbschaftsbrief hatte Brasric. Ihn musste er finden.
Zielstrebig suchte Andol das Haupthaus der Stadtwache auf.
"Ich möchte einen Diebstahl melden!" rief er.
Die Männer der Stadtwache sahen auf. Es sah nicht so aus, als ob sie ihm helfen wollten.
"Wo ist das passiert?" wollte einer wissen.
"Im Wald, direkt vor den Toren der Stadt." antwortete Andol.
"Vor den Toren der Stadt? Dann haben wir damit nichts zu tun."
Das konnte nicht wahr sein. Andol machte wütend kehrt und wollte schon wieder gehen, da wäre er fast mit einer Frau zusammengestoßen. Einer Kriegerin, wie er auf den zweiten Blick feststellte. Sie trug eine Rüstung wie die Soldaten der Stadtwache, allerdings hob sich ihre von denen der Männer ab. Offensichtlich war sie eine Vorgesetzte.
Andol sah in ein, wie er fand, wunderschönes Gesicht.
"Was ist denn passiert?" riss die Frau ihn aus seinen Gedanken.
Er erzählte ihr von Brasric und dem Diebstahl und erfuhr, dass sie der Hauptmann der Stadtwache war und Vina Paldasar hieß.
"Komm mit!" sagte sie und sie gingen gemeinsam auf die Straße in Richtung Marktplatz.
Dort herrschte reges Treiben, die Händler der Umgebung boten ihre Waren feil.
Vina schien sich genau umzusehen und auch Andol hielt nach Brasric Ausschau, obwohl er wenig Hoffnung hatte, ihn hier zu finden.
Vina zeigte in eine Richtung. Andol erkannte in etwa dreißig Meter Entfernung - Brasric!
Er war gerade dabei, eine Frau im ihre Geldbörse zu erleichtern. Andol und Vina teilten sich auf, er kam von der linken, sie von der rechten Seite, um Brasric zu stellen. Bevor Brasric die Marktbesucherin bestehlen konnte, erblickte er Andol. Ihre Blicke kreuzten sich. Brasric ergriff die Flucht und steuerte zielstrebig eine Seitengasse an.
Auch Andol beschleunigte seinen Schritt. Verflucht, wo war Vina?
We musste Brasric allein verfolgen.
Er bog in schnellem Lauf in die Gasse ein, in die Brasric verschwunden war.
Er sah gerade noch, wie Vina von einem Vordach aus auf Brasric heruntersprang und ihn auf den Boden zwang.
Dann lag er da. Vina hielt ihm den Arm verdreht auf den Rücken.
Andol kam heran.
"Brasric!" sagte Vina. "Was habe ich dir gesagt, wenn ich dich nochmal auf den Markt stehlen sehe?"
"Du brichst mir was." stöhnte Brasric.
"Genau. Und jetzt gibst du unserem Freund Andol Tilgo das zurück, was ihm gehört." sagte die Hauptfrau der Stadtwache.
"Okay, okay. Ich geb's ihm zurück. Der Brief ist in meiner Tasche, der Rest in meiner schlichten Behausung."
Vina ließ von ihm ab.
"Es ist mein Ernst. Wenn ich dich nochmal erwische, kommst du nicht mehr davon!" sagte Vina Paldasar.
"Danke!" sagte Andol, als Vina Paldasar die Gasse verließ.

*

Nachdem Andol seine Sachen zurück bekommen hatte, suchte er den Zauberladen auf.
Ein junges Mädchen, Andol schätze sie auf vierzehn Jahre, war im Verkaufsraum. Sie hieß Eraya Denn und war die Enkelin seines schwerkranken Onkels Rando Denn.
Nachdem klar war, wer Andol war, musste das junge Mädchen euphorisch dem bettlägerigen Onkel die Nachricht überbringen.
Andol folgte dem Mädchen zu Randos Krankenbett.
"Endlich. Eraya führt den Laden ganz allein, sie ist eine Waise, müsst ihr wissen." sagte Rando.
Rando Denn lag im Bett. Er war alt und schwer krank.
"Traust du dir die Aufgabe eines eigenen Ladens zu?" fragte er mit brüchiger Stimme und sah ihn mit seinen blutunterlaufenen Augen an.
Andol nickte. "Was ich nicht kann, kann man ja lernen. Und ich habe ja tatkräftige Unterstützung." Er blinzelte Eraya an.
Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann klopfte es aufdringlich an der Tür.
"Wer klopft denn sooo?" fragte sich Eraya laut und ging zur Tür.
Andol wartete bei Rando auf Erayas Rückkehr.
Sie kam mit einem Brief zurück.
"Es ist für dich. Von Lalandur."
Mit zittrigen Händen nahm Rando den Brief und las ihn durch.
Es war ernst.
Sehr ernst.
Eraya kannte ihren Großvater.
"Was ist los, Großvater?"
Rando sah zu Eraya, dann zu Andol.
"Das ist ein Brief von Lalandur, seines Zeichens oberster Magier am Hofe des Königs."
Er hustete, ehe er fortfuhr.
"Die Orks sind dabei, eine Streitmacht zusammenzustellen. Es gab schon einige Scharmützel an der Ostgrenze."
Andol versuchte, zu beruhigen: "Der König wird Truppen entsenden, die die Orks zurück schicken, wo sie hergekommen sind. Das hat er schon öfter gemacht."
Rando sah ihn eindringlich an. "Dieses Mal ist es anders. Die Orks sind anders. Vor vielen Jahren gab es einen Magier. Man nannte ihn nur den Schwarzen Magier. Wir haben ihn vertrieben. Verbannt. Offensichtlich ist er zurück. Er besitzt etwas sehr mächtiges. Oder besaß etwas. Ich dachte eigentlich, dass wir es gut verborgen haben. Das war wohl ein Irrtum. Er muss es sich wiedergeholt haben."
"Was wiedergeholt haben?" fragte Andol.
"Das dunkle Zepter. Es hat schwarze Magie in sich. In ungeheuerlicher Stärke. Damit kann er sich jeden Ork zum Untertanen machen und noch viel gefährlichere Kreaturen. Lalandur hatte Spione geschickt, die diese Befürchtungen bestätigten. Der Schwarze Magier ist zurück und will Rache an Aranor nehmen."
"Wieso schreibt er dir das?" fragte Andol.
"Er weiss nicht, wie krank und schwach ich bin." Er hustete wieder. "Es gibt eine Sache, mit der man das dunkle Zepter zerstören kann. Den Stab des Schicksals. Er wurde einst den Zwergen im Norden zur Obhut gegeben. Nur Lalandur und ich wissen davon." Er sah Andol an. "Es gibt nur eine Lösung. Du musst den Stab des Schicksals holen."
Andol schluckte. Der Alte meinte es absolut ernst.

*

Nivia war eine der besten Bogenschützen des Elfenreiches. Doch das half ihr jetzt nichts. Ihr Dorf brannte. Die Orks waren überraschend und in großer Zahl gekommen. Nivia versteckte sich in den Baumkronen. So wie sie es sah, war sie die einzige ihres Dorfes, die lebend davongekommen war. Sie musste mitansehen, wie die Elfen ihres Dorfes erstochen, erschlagen oder bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Verwandten, Freunde - alle tot.
Die Orks hatten alles zerstört, jeden Elf vernichtet. Dann sah sie unter sich auf dem Boden zwei Personen, die zwischen den Orks auffielen. Es waren keine Orks. Eine große, vollkommen in schwarz gekleidete Frau mit einem langen Stab, in dem ein grün leuchtender Zauberdiamant eingefasst war. Und ein - Alb. Alben waren selten, grünhäutig und die Verwandten der Elfen. Sie unterhielten sich, dabei schnappte Nivia die Namen der beiden auf. Sie würde sie sich gut merken - Anasta und Nondor.

 

Folge 2: Aufbruch

 

König Dunacar I. saß auf seinem Stuhl am Ende des langen Tisches, um den herum sich verschiedene Vertreter aus allen Landesteilen Aranors versammelt hatten. Aranor bestand aus drei Königreichen.  König Grisalds Reich, Königin Erellas Reich und seines, Dunacars I.
Außerdem gab es in den nördlichen Wäldern noch die Elfen und im Gebirge das Zwergenreich.
Im Osten war das Reich der Orks. Wobei man hier von keinem zusammenhängenden Reich sprechen konnte, da die Orks in vielen Clans organisiert waren.
Die Vertreter der Elfen und Zwerge waren die Letzten, die in der Hauptstadt Aranors, Arana, im königlichen Palast eintrafen.
"Verbände der Orks sind bis ins Eilental vorgedrungen und haben mehrere Dörfer niedergebrannt und die Bewohner getötet oder vertrieben." sagte der Vertreter von König Grisalds Hof, Fagos Litan.
Die anderen Vertreter hatten nichts besseres zu berichten. Nur die Zwerge waren aufgrund der geographischen Lage noch nicht in Kontakt mit den Orks geraten.
Der königliche Magier, Lalandur, erhob sich.
"Ruhe!" rief König Dunacar. Sofort verstummten alle Gespräche.
Lalandur blickte einmal durch die Runde, die sich um den gedeckten Tisch versammelt hatte, bevor er zu sprechen begann.
"Die Orks haben, wie wir alle bemerkt haben, mit einem Angriff auf die Völker Aranors begonnen. Doch sie machen dies nicht, das weiß ich aus sicherer Quelle, aus freien Stücken. Ich habe Spione in die Ostlande entsandt, sie sind alle mit dem selben Ergebnis zurück gekommen." Er machte eine Pause. "Die Orks sind fremdgesteuert. Es gibt ein Artefakt, womit man die Kontrolle über viele niederen Kreaturen erringen kann. Ein magisches Artefakt. Und wenn man so eine große Zahl an Kreaturen unter Kontrolle halten kann, muss man ein sehr mächtiger Inhaber dieses magischen Artefakt es sein. Für mich kommt nur eine Person infrage."
Dunacar sah seinen Hofmagier fragend an. Offensichtlich hatte der Hofmagier selbst den König noch nicht über seine Erkenntnisse eingeweiht.
"Der dunkle Magier ist zurück. Er muss sich aus seiner Verbannung befreit haben."
Gemurmel.
Der dunkle Magier entfachte eine alte Angst unter den Anwesenden.
"Was sollen wir jetzt tun?" fragte der zwergische Vertreter am Tisch.
"Ich habe bereits meinen Freund Rando Denn verständigt. Er weiß, was zu tun ist. Wir hier müssen in kürzester Zeit eine Armee aufstellen, die es mit einem Kriegsheer der Orcs aufnehmen kann."

*

In Falkenhain hatte sich fast das gesamte Dorf auf dem Marktplatz versammelt. Andol würde heute abreisen, um den Stab des Schicksals von den Zwergen zu holen, womit man das dunkle Zepter zerstören konnte, womit der dunkle Magier die Orcs beherrschte.
"Ich werde nicht allein gehen." rief Andol in die Menge. "Die Hauptfrau der Stadtwache, Vina Paldasar, wird mich begleiten." Er sah sich um. Sie war noch nicht da. Wo blieb sie nur? Er hatte Angst, dass sie ihn hängen ließ. Er wusste sowieso nicht, warum sie sich freiwillig gemeldet hatte.
Andol stützte sich auf seinen neuen Zauberstab. Er hatte ihn von seinem schwerkranken Onkel, Rando Denn, bekommen. Während sein eigener Stab ziemlich einfach war, hatte Randos Stab an der Spitze einen lila Zauberdiamanten in der Einfassung, was die Zauberkräfte des Besitzers des Stabes steigerte.
Vina war immer noch nicht hier.
Der Bürgermeister des Dorfes meldete sich zu Wort. Er stand neben Andol in der Mitte des Platzes. "Andol und Vina können natürlich nicht allein gehen. Ich, beziehungsweise wir haben noch zwei weitere Personen ausgewählt, die euch auf dieser gefahrvollen Mission unterstützen werden."
Zwei Personen traten aus der Menge hervor. Ein dicker Mann und eine Frau. Die Frau hatte er gestern einmal flüchtig kennengelernt, als sie nach dem Kranken Onkel gesehen hatte. Es war Anihara, ihres Zeichens Medica und Kräuterkundige. Sie hatte blondes Haar, das sie zusammgebunden trug. Sie war hübsch, wenn auch nicht annähernd so hübsch wie Vina, wie Andol fand. Den dicken Kerl kannte Andol nicht.
Nachdem der Bürgermeister Anihara vorgestellt hatte, ging er zu dem Dicken über. "Das ist Gilcas Talmud, unser Dorfschmied. Wenn etwas kaputt geht, ist er der richtige Mann auf eurer Reise."
Gilcas hob den Arm zum Gruß und kam dabei leicht ins taumeln. War er etwa betrunken?
Andol hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn jetzt kam Vina Paldasar auf den Platz.
Sie trug nicht mehr die Rüstung der Stadtwache, nein, sie trug ein schneeweißes Kleid, unter dem ein langes Schwert in seiner Scheide hervor blickte.
Andol hatte das Gefühl, seine Kinnlade würde herunterklappen. Sie war wunderschön und in seinen Gedanken lief sie fast in Zeitlupe auf ihn zu.
Nachdem er sich nach einigen Minuten wieder fing, flüsterte ein ihm unbekannter Mann zu: "Diesen Gilcas würde ich im nächsten Wirtshaus zurücklassen. Der Bürgermeister hat diesen Säufer euch nur mitgegeben, damit er ihn nicht mehr im Dorf hat."
Nach einigen Minuten später verließen der Magier Andol Tilgo, die Kriegerin Vina Paldasar, die Medica Anihara und der Dorfschmied Gilcas Talmud Falkenhain durch das Stadttor.

*

Niemand nahm Notiz von der dunklen Gestalt, die durch das Heerlager in König Grisalds Reich an der Grenze zu den Ostlanden schlich. Ihr Ziel war das Hauptzelt, in dem Hauptmann Gelios deVried weilte.
Die Gestalt hatte keine Angst, entdeckt zu werden. Selbstsicher steuerte sie ihrem Ziel entgegen.
Als sie in das Hauptzelt hineinging, klappte sie die Kapuze nach hinten.
Hauptmann Gelios deVried war allein. Jetzt blickte er in das Gesicht einer jungen Frau, die das pechschwarze Haar streng zurückgekämmt hatte. Der Kapuzenmantel war ebenfalls schwarz.
Als er nach den Wachen rufen wollte, machte die Frau eine Handbewegung und Gelios war nicht in der Lage, auch nur noch einen Ton zu sprechen.
"Ich bin Anasta. Die Schwarze Hexe."
Sie lächelte und ging einen Schritt auf ihn zu. "Ich habe ein Angebot für dich."

*

Sie hatten nur wenige Meter zurückgelegt, als sich der ungleichen  Truppe plötzlich eine weitere Person anschloß.
"Was willst du denn?" fragte Vina empört, Andol drehte sich um und verstand sofort, was sie so erregte.
Brasric!
Der Dieb!
Brasric gesellte sich neben Anihara, die Medica, die verlegen zur Seite schaute. Es war ihr sichtlich unangenehm.
"Ich kann so eine hübsche Frau doch nicht allein in so ein großes Abenteuer ziehen lassen."
Vina kniff die Augen zusammen, sah Anihara an. "Kennt ihr euch etwa?"
"Nein!" kam es sofort aus Aniharas Mund. Sie hauchte ein "Flüchtig vielleicht" hinterher.
Andol war eigentlich noch sauer auf Brasric, aber er grinste. Offensichtlich empfand Anihara etwas für diesen Dieb. Und er etwas für sie.
"Er könnte uns vielleicht nützlich sein." sagte Anihara.
"Er?" Schon wieder Empörung bei Vina.
Sie sah Andol an, dieser zuckte die Achseln.
Vina drehte sich um. "Na schön. Aber ich werde dich im Auge behalten, Brasric."
"Nichts anderes habe ich erwartet." antwortete er und lächelte Anihara an, die sichtlich rot anlief.

*

Es gab zwei Möglichkeiten, das Zwergengebirge zu erreichen. Entweder über den Landweg durch die drei Königreiche, was lange dauern würde und gefährlich war oder über den Seeweg. Das Westmeer war der eindeutig bessere Weg, entschied die Gruppe.
Gegen Abend erreichte die Truppe das erste Ziel, die Hafenstadt Acca.
"Wir werden uns aufteilen. Anihara und Gilcas suchen nach einer passenden Herberge, wo wir die Nacht verbringen. Der Rest geht mit mir zum Hafen, wir müssen ein Schiff finden, das uns mit nach Norden nimmt. Wir treffen uns in zwei Stunden auf dem Marktplatz." gab Vina Anweisungen.
Ohne viele Worte trennte sich die Gruppe.
"Halt!" rief Vina Brasric zu der wie selbstverständlich mit Anihara mitgehen wollte.
"Was?" fragte er.
"Hab ich deinen Namen erwähnt, als ich sagte, wer eine Herberge suchen sollte?"
"Komm schon!" sagte er enttäuscht.
"Nein, du bleibst da, wo ich dich sehen kann, ich habe keine Lust auf Ärger."
Brasric wollte noch etwas erwidern, ließ es aber, weil er einsah, dass Vina ihre Entscheidung getroffen hatte.

*

Es dauerte nicht lange, bis Anihara und Gilcas eine Herberge gefunden hatten, die auch noch ein paar Zimmer frei hatte. Anihara drängte, schnell zum Marktplatz zu gehen, doch Gilcas ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt, einen Krug bestes Met aus Acca zu trinken.
Eine halbe Stunde und einen weiteren Krug später verließen sie die Herberge wieder, um zum Markt zu gehen. Es war bereits dunkel geworden, Anihara wählte die dunkleren Gassen, weil sie hoffte, so schneller zum Marktplatz zu kommen.
Gilcas torkelte hinterher. Er musste heute schon deutlich mehr als diese beiden Krüge Met getrunken haben, schloss Anihara aus seiner Torkelei.
Dann geschah es. Drei Gestalten erschienen aus dem Dunkel und schlugen Anihara nieder, packten sie und trugen sie davon. Gilcas reagierte zu langsam und verfluchte sich dafür. Er packte sich einen der Männer und schleuderte ihn mit Wucht gegen die Wand. Er setzte nach, doch er war zu betrunken, um schnell und präzise zuzuschlagen. Der Fremde rappelte sich hoch, wich dem Schlag Gilcas' aus und rannte davon. Gilcas torkelte hinterher, schaffte es irgendwie, ihn nicht aus den Augen zu verlieren und ihn bis zum Hafen zu verfolgen. Er sah noch, wie die Männer mit Anihara über der Schulter über eine Planke auf ein Schiff stiegen. Als der letzte, den Gilcas gegen die Wand geschleudert hatte, an Bord rannte, wurde die Planke eingeholt.
"Das war gerade noch rechtzeitig, Jungs. Der Captain wollte gerade ablegen." hörte Gilcas jemanden an Bord rufen. Er rannte, so schnell er konnte, doch das Schiff legte bereits ab.
Da kamen Andol, Vina und Brasric von einem anderen Schiff über die Planke an Land.
"Wir haben ein Schiff gefunden!" rief Andol ihm zu.
"Anahara ist weg!" schrie er aus Leibeskräften. Er zeigte auf das Schiff, das bereits abgelegt hatte und in südlicher Richtung in See stach.
Brasric rannte bis ans Ufer, hielt sich die Hände über dem Kopf. "Anihara!" schrie er.
Immer wieder rief er ihren Namen.
Er sackte auf dem Boden zusammen. Die anderen standen ein paar Meter hinter ihm.
"Ein Sklavenschiff." flüsterte Vina.
"Was machen wir jetzt?" fragte Andol.
An Gilcas gewandt, sagte sie: "Die Sternenschweif legt noch heute Nacht ab, wir brauchen also keine Herberge. Sie bringt uns bis zur nördlichsten Hafenstadt, Furin. Von dort sind es nur noch drei Tagesmärsche bis zum Zwergengebirge."
"Aber was ist mit Anihara?" fragte Gilcas, der sich offensichtlich Vorwürfe machte.
"Wir wussten, dass es gefährlich werden würde. Anihara wusste das auch. Ich gebe sie nicht auf, aber im Moment haben wir eine Mission, die über die Zukunft ganz Aranors entscheidet. Wir können im Moment nichts tun. Wir legen noch heute Nacht ab Richtung Furin." sagte Vina.
Andol schloss die Augen. Vielleicht war der Auftrag zu hart für ihn.
Brasric kam heran. Er hatte die letzten Worte Vinas gehört.
"Das kann nicht dein Ernst sein. Anihara braucht unsere Hilfe!"
"Hör zu. Wir geben Anihara nicht auf. Wir werden sie finden. Aber zuerst müssen wir diesen Scheißstab holen und zu Lalandur bringen."
Brasric kämpfte mit den Tränen.
"Die sind nicht an ihrem Tod interessiert und Anihara kann auf sich aufpassen." wollte Vina ihn beruhigen.
Und so machte sich die Gruppe auf an Bord der Sternenschweif, einer ungewissen Zukunft entgegen.
Brasric sah aufs Meer hinaus. Was sollte er jetzt nur machen?

 

Folge 3: Hindernisse

 

Die Sternenschweif hatte noch in der gleichen Nacht Richtung Norden abgelegt.
Andol Tilgo, Vina Paldasar und Gilcas Talmud blickten über die Reling aufs Meer hinaus. Brasric war in Acca zurückgeblieben. Er konnte Anihara, die von Sklavenhändlern auf einem Schiff verschleppt wurde, nicht im Stich lassen.
"Mindestens vier Tage bis Furin." sagte Vina Paldasar und zitierte damit den Captain des Schiffes, Talat Bilgur.
Sie hatten schlecht geschlafen unter Deck. Gilcas drehte sich um und wollte wieder unter Deck gehen. "Mal sehen, was die Küche an Bord so hergibt." sagte er.

*

Brasric befand sich auf einem Fischkutter Richtung Süden. Die Fischhändler hatten sich gegen ein kleines Entgelt dazu bereit erklärt, ihn in die Hafenstadt Calhasa mitzunehmen, die als Hauptumschlagplatz für Sklavenhandel galt.
Die Sklavenhändler hatten einen halben Tag Vorsprung. Brasric würde sich in Calhasa sofort auf die Suche begeben.

*

Es schaukelte hin und her, als Anihara endlich erwachte. Mühsam schlug sie die Augen auf.
Sie war auf einem Schiff. Jetzt erinnerte sie sich wieder. Sie war mit Gilcas unterwegs zum Marktplatz gewesen, als sie angegriffen wurden. Dann endete ihre Erinnerung.
Sie sah sich um.
Mehrere Frauen und Männer lagen mit ihr hier herum. Die meisten waren wach, aber in einem erbärmlichen Zustand.
Sie waren eingesperrt. Sie befanden sich offensichtlich im hinteren Teil des Schiffes unter Deck. Gitterstäbe trennten sie vom übrigen Teil des Schiffes.
"Du bist endlich wach!" sagte eine Frauenstimme neben ihr. Die Frau war ein Mädchen, sie war noch sehr jung.
"Wo bin ich?" fragte Anihara.
"Auf einem Sklavenschiff auf dem Weg nach Calhasa." antwortete das Mädchen, das schulterlange braune Haare hatte und nicht älter als 20 Jahre alt sein dürfte.
"Wer bist du?" fragte Anihara weiter.
"Oh, ich bin Sia, ich komme aus einem Dorf im nördlichsten Königreich. Die Sklavenhändler kamen im Morgengrauen, haben viele mitgenommen."
"Wie können die nur? Sklavenhandel ist verboten!" regte sich Anihara auf.
"Offiziell, aber in Calhasa scheint die Regel nicht zu gelten und es heißt, auf den Inseln im Westmeer ist es auch erlaubt."
Anihara sah sich um. Einige Gefangene waren schon länger auf See und nicht im besten Zustand. Offensichtlich hielten die Sklavenhändler nicht viel davon, regelmäßig Wasser und Brot bereitzustellen.

*

Es war dunkel geworden an Bord der Sternenschweif. Die Sterne erschienen am Himmel und das Schiff segelte leise durch die ruhige See. Während sich Gilcas mit der fülligen Schiffsköchin Horalia angefreundet hatte und lange nicht an Deck gesehen wurde, schlenderten Andol und Vina an Deck herum und hatten viel Zeit, zu reden.
"Denkst du, Brasric wird Anihara finden?" fragte Andol.
"Wenn er Glück hat und das Sklavenschiff wirklich nach Calhasa fährt, ist es möglich. Allerdings: Wie will er sie allein befreien? Ich halte seine Aktion weiterhin für nicht intelligent." antwortete Vina.
"Ich hätte genauso gehandelt an seiner Stelle." Und in Gedanken fügte er hinzu: Wenn du entführt worden wärest.
"Aber es geht hier um etwas größeres, um ganz Aranor."
Andol wollte etwas erwidern, als vom Heck des Schiffes ein Matrose gerannt kam.
"Warum so eilig?" rief Vina.
"Wir haben eine Leiche!"

*

Captain Talat Bilgur versuchte, die Ruhe auf dem Schiff zu bewahren, indem er nur seinem innersten Zirkel Informationen über die Existenz der Leiche erlaubte.
Er, Andol, Vina, sein erster Offizier und der Matrose, der den Leichnam gefunden hatte, standen am Heck des Schiffes. Die Leiche lag auf dem Boden. Man konnte keine Verletzungen erkennen.
"Zu niemanden ein Wort!" sagte der Captain. Captain Talat Bilgur war ein korpulenter Mann mit Vollbart, ein Bild von einem Seemann. "Bringt ihn unter Deck!"
Er wandte sich an Vina und Andol. "Er war ein guter Matrose, er ist seit drei Jahren bei uns." Er sah sie eindringlich an. "Ich will ehrlich zu ihnen sein. Die Mannschaft ist ein eingespieltes Team. Ich weiß nicht, wie dieser Mann gestorben ist. Aber ich weiß, dass es passiert ist, als SIE an Bord waren. Ich möchte, dass sie das Schiff am nächsten Hafen verlassen."
Der Captain ging ohne ein weiteres Wort.
Bald waren Vina und Andol allein.
"Klar, dass er misstrauisch uns gegenüber ist. Wenn die Mannschaft von dem Toten erfährt, könnte es ungemütlich für uns werden." sagte Andol.
Vina schwieg einige Augenblicke. Dann fragte sie: "Hast du die kleinen Wunden an seinem Hals gesehen?"
Andol blickte sie an. Es überraschte ihn, dass sie es bemerkt hatte. Er hatte es auch gesehen, aber es war so klein, dass man es kaum sehen konnte.
"Bedeutet das..." sagte Andol.
"Ja. Wir haben einen Vampir an Bord."
Andol war plötzlich aufgeregt. "Aber dann wird die Leiche ja auferstehen."
"Nein, nur wenn er das Blut des Vampirs getrunken hat. Ich glaube eher, dass sein Tod ein Unfall war. Der Vampir hatte nicht die Absicht, Aufmerksamkeit zu erregen."
"Woher willst du das alles wissen?" fragte Andol.
"Ich kenne Vampire. Nur zu gut."
Andol fragte nicht weiter nach und sie gingen zu ihrem Schlafplatz unter Deck. Jedoch waren sie wachsam.

*

Calhasa war eine beeindruckende Stadt. Die Sklaven waren an Deck geholt worden. Gleich würde das Schiff anlegen.
Anihara blickte auf eine große Hafenstadt, deren Häuser teilweise bunt bemalt waren. Ein großer Platz war am Hafen zu sehen.
"Der Sklavenmarkt. Ich habe ihn gesehen." sagte Sia, die neben ihr stand.
"Du warst schon mal hier?" fragte Anihara.
"Nein." antwortete Sia und fügte etwas leiser hinzu: "Ich habe manchmal Visionen. Ich glaube, dass ich manchmal die Zukunft sehen kann."
"Du bist eine Seherin." sagte Anihara.
Sia blickte auf den Boden, es war ihr unangenehm. "So weit würde ich nicht gehen."
"Los jetzt! Runter von Schiff, Gesindel!" schrie einer der Sklavenhändler. Die Gefangenen wurden an Land geführt und zu einem Gebäude gebracht. Vor dem Gebäude war ein etwa 10 x 10 Meter großer umzäunter Platz, dort wurden sie hineingesperrt.
Nach einigen Minuten kam ein klatzköpfiger Mann zum Zaun. Er hatte eine Narbe, die über sein linkes Auge bis zum Kinn reichte.
"Hört zu!" sagte er. "Ab sofort tut ihr das, was ich sage! Mein Name ist Sacar Can! Einige von euch werden morgen auf dem Markt verkauft. Die anderen gehen noch heute Abend in die Baracken auf der anderen Seite der Stadt. Ihr werdet für mich auf den Feldern arbeiten!"
Anihara war ganz nah ans Holzgatter gekommen, Sacar Can blieb vor ihr stehen, sah sie an.
"Wer sich widersetzt oder Ärger macht, wird dies bitter bereuen." sagte er, machte kehrt und ging.
Anihara schloss die Augen. Wo war sie nur hier gelandet?
Wie angekündigt wurden einige Sklaven abgeholt, um in die Baracken zu gehen. Anihara und Sia waren auch dabei. Sie wurden von Aufsehern quer durch die Stadt getrieben.
Und so verbrachten Anihara und Sia die erste Nacht in einer Baracke in einem Gemeinschaftsschlafraum mit etwa dreißig Mitgefangenen.

*

Am nächsten Morgen wurden Andol und Vina durch einen Schrei und laute Geräusche auf Deck geweckt.
Beiläufig bemerkte Andol, dass Gilcas, der trinkfeste Schmied aus Falkenhain, die Nacht nicht bei ihnen verbracht hatte.
Andol und Vina gingen an Deck.
Sie fanden schnell den Captain, der mit einem Fernrohr an der Reling stand.
Er fluchte.
"Was ist los?" fragte Andol den ersten Offizier.
"Ein Piratenschiff. Sehr schnell. Sie werden uns einholen."
"Und jetzt?" fragte Vina.
"Wenn wir Glück haben, werden wir nur ausgeraubt, aber in letzter Zeit kapern die gleich das ganze Schiff und werfen die Matrosen über Bord."
Vina trat an den Captain heran.
"Wie gut können die Männer kämpfen?" fragte sie ihn.
Er drehte sich zu ihr. "Wir sind keine Soldaten. Aber viele hier wissen, wie man ein Schwert hält."
Sie sah zu dem Schiff, das schnell näher kam.
"Wir haben eine kleine Chance." sagte Vina.
Der Captain seufzte. "Wir haben ja keine andere Wahl."
Eilig wurden Vorbereitungen für die bevorstehende Schlacht getroffen, Schwerter und Dolche an die Matrosen ausgegeben.
Das Piratenschiff kam heran, Vina hatte bereits ihre Hand auf ihrem Schwert unter ihrem weißen Kleid.
Andol hatte seinen Zauberstab mit dem eingefassten lila Zauberdiamanten an der Spitze in der Hand. Er war sich noch nicht sicher, wie er damit kämpfen sollte. Er hatte zwar theoretische Erfahrung, allerdings noch nie ernsthaft gekämpft.

*

Am nächsten Tag ging es für Anihara und Sia auf die Felder.
Unter dem Blick der Aufseher mussten die Äcker bearbeitet werden. Jeder der Sklaven bekam eine Schaufel, mit der er den Boden umzugraben hatte.
Sia war für Anihara der einzige Lichtblick in dieser grausamen Welt. Sia erging es mit Anihara wohl nicht anders.
Sie arbeiteten schon eine ganze Weile, als Sia innehielt. Ihre Augen verdrehten sich, Anihara konnnte nur noch das weiße in ihnen sehen.
"Was ist los?" fragte sie erschrocken.
Im nächsten Moment sah Sia sie erschrocken an. Erst erschrocken, dann lächelte sie.
"Wir werden gerettet. Ich habe es gesehen." Dann wurde ihr Gesicht traurig.
"Wieso dann so traurig?" fragte Anihara.
"Ich habe dich gesehen. Du warst sehr traurig. Du hast um jemanden geweint. Um wen, weiß ich nicht."
Anihara sah sie nachdenklich an. "Es war nur eine mögliche Zukunft. Es muss nicht so kommen." sagte sie, wobei sie damit mehr sich selbst beruhigen wollte.
Dann arbeiteten sie weiter, bevor die Aufseher aufmerksam wurden.

*

Die Piraten enterten die Sternenschweif. In großer Zahl stürmten sie auf Planken und Seilen auf das Schiff. Die Mannschaft der Sternenschweif begann, sich zu wehren und griff an.
Man merkte schnell, dass die Piraten im Kampf überlegen waren.
Andol hielt sich im Hintergrund. Von Gilcas Talmud hatte er bislang immer noch nichts gesehen. Er blickte zu Vina. Bislang hatte er sie noch nicht kämpfen sehen. Bis jetzt. Er sah, wie sich drei Piraten ihr näherten und mit ihren Säbeln angriffen. Vina wich geschickt aus und ging ihrerseits zum Angriff über. Ihre Geschicklichkeit und Eleganz war hierbei atemberaubend, wie Andol fand. Schnell waren die Piraten entwaffnet und das Schwert von Vina war das letzte, was sie zu spüren bekamen.
Vina kämpfte weiter. Die Weiße Kriegerin. Irgendwo hatte er das schonmal gehört.
Ein Pirat näherte sich dem abgelenkten Andol.
Im letzten Moment bemerkte Andol den Angreifer und konnte dem Säbelhieb ausweichen. Er sich zurück. Er konzentrierte sich, schlug seinen Zauberstab auf den Boden. Ein Windstoß ließ den Piraten vor ihm nach hinten prallen. Er fiel gegen einen Mast und blieb der Länge nach auf dem Boden liegen.
Andol war überrascht von der Intensität seines Zaubers.
Der Pirat rappelte sich wieder auf. Andol hielt instinktiv die Spitze des Stabes in die Richtung des Piraten. Der Zauberdiamant leuchtete auf, ein Strahl in leuchtendem Lila schoss auf den Piraten, traf ihn. Dieser knallte auf den Boden, blieb bewegungslos liegen.
"Bei unserer Göttin!" Andol war überrascht. Was war das für ein Zauberstab?
Trotz der Kampfkraft der Sternenschweif waren die Piraten überlegen.
Und so mischte sich plötzlich eine weitere Gestalt in das Kampfgeschehen ein.
Vina sah sie zuerst nur in den Augenwinkeln. Dann, als sie einen Moment Ruhe hatte, sah sie genauer hin.
Eine Gestalt mit dunklem Umhang kämpfte wie ein Berserker gegen die Piraten. Dann sah sie es! Die Gestalt rammte einem Piraten die Zähne in den Hals. Der Vampir!
Nach weiteren fünf Minuten Kampf zogen sich die Piraten zurück, entfernten sich von der Sternenschweif.
Vina, Andol und Captain Talat Bilgur blickten ihnen an der Reling nach.
"Habt ihr das auch gesehen?" fragte Talat Bilgur.
"Ja." antwortete Vina knapp.
"Wer war das?" fragte der Captain.
Doch das konnte niemand beantworten.
Auch war der Vampir bis zu ihrer Ankunft in Furin nicht mehr aufgetaucht.

*

Der Angriff auf Baracken der Sklaven erfolgte nachts.
Anihara und Sia bekamen kaum etwas mit, ausser, dass draussen gekämpft wurde. Die Aufseher der Sklaven waren offensichtlich unterlegen, da die Kämpfe näher kamen.
Dann ging die Tür auf und herein kam ein bekanntes Gesicht.
"Brasric!" rief Anihara.
Sie fiel ihm um den Hals, küsste ihn.
"So schön ich das finde, wir müssen hier weg!" sagte Brasric.
Die Sklaven flohen.
Sia blieb bei Anihara und gemeinsam mit Brasric begaben sie sich auf den Weg zum Hafen.
"Ich muss noch eben was erledigen!" sagte Brasric am Hafen und verschwand im Gebäude der Hafenwache.
Sia wandte sich an Anihara. "Ich danke dir." sagte sie.
Anihara umarmte sie.
"Was wirst du tun?"
"Ich werde mich auf den Weg zu meinem Dorf machen. Irgendein Schiff wird mich schon mitnehmen."
Als Brasric wieder kam, umarmten sich Anihara und Sia immernoch.
"Wir werden uns wiedersehen." sagte Sia.

*

Furin. Die nördlichste Stadt der Königreiche Aranors. Als Andol und Vina von Bord gingen, sahen sie endlich Gilcas Talmud wieder, er verabschiedete sich von der korpulenten Schiffsköchin. "Wir sehen uns wieder!" sagte der dicke Schmied und drückte ihr einen Kuss auf.
Er ging von Bord, nicht jedoch, ohne sich nochmals umzudrehen und ihr einen Kuss zuzuwerfen.
Vina und Andol sahen sich lächelnd an. "Da hat es aber einen erwischt." sagte Vina.
"So. Auf zu neuen Taten. Wo geht's lang?" sagte Gilcas, als er Vina und Andol erreicht hatte.
Die beiden lachten.

 

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Tag der Veröffentlichung: 03.04.2021

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