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Sanft ...

... schlagende Wellen drücken eine würzige Brise durch die Flügel meines weitläufigen Schlafgemaches. Fern jeglichen Lärmes dröhnender Weckutensilien finde ich auf wohlig natürlichem Weg in den Tag und genieße die warmen Strahlen eines malerischen Sonnenaufganges auf meinem Körper, der nicht nur von der kühlen Seidenbettwäsche umschmeichelt wird. Meine wunderschöne Frau sieht aus meiner Lendengegend hinauf und leckt sich genüsslich ihre vollen Lippen. Der Höhepunkt zu diesem Höhepunkt wäre jetzt noch ein Frühstück im Bett. Genau in diesem Moment betritt meine Tochter mit einem Tablett voll köstlich duftender Leckereien das Zimmer. Als Vorstand eines der größten Architekturbüros an der Westküste, schafft sie es erfreulich oft, sich Zeit für uns zu nehmen. Während ich mir Belugakaviar auf Trüffelrösties schmecken lasse, lese ich, dass meine Aktien wieder um zweitausend Punkte gestiegen sind, was bedeutet, dass ich mit jedem Bissen zehn Riesen mache. Zufrieden nehme ich den eingehenden Anruf entgegen. Meine Söhne überraschen mich mit einer Einladung auf ihre Ranch zum Barbecue mit Robert Redford. Robert ist wohl an einigen ihrer preisgekrönten Quarterzuchtstuten interessiert, eine schöne Gelegenheit mit ihm über alte Zeiten zu plaudern. Während mich zarte Frauenhände sanft massieren, beschließe ich, den Jet stehen zu lassen und mit dem Boot zur Ranch zu fahren. Die achthundert Quadratmeter meiner Landhausvilla kurzzeitig gegen die Einsamkeit der Motoryacht einzutauschen, ist Balsam für eine Männerseele. Gerade als ich mich einer wohligen Schwere hingebe und denke, dass mein Leben eigentlich nur ein Traum sein kann, erwache ich.

Der vibrierende Lärm des nahen Walzwerkes drückt öligen Geruch durch die kaputte Fensterscheibe, die notdürftig mit einer Zeitung geflickt wurde. Eine rauhe Strassenköterzunge schürft mir die Ekzeme an der Hand auf. Ich gebe der einzigen Hinterlassenschaft meines ehemaligen Mitbewohners eins hinter die flohverseuchten Ohren, worauf er mit sanftem Plätschern inklusive infernalischem Gestank antwortet. Als eines Morgens die meisten meiner Klamotten, mein letztes Bargeld und besagter Mitbewohner aus dem Einzimmerappartement verschwanden, brachte ich es einfach nicht übers Herz, diesen Spitzpudeldackelbastard vor die Tür zu setzen, die in diesem Moment unter den schweren Schlägen meines Vermieters zu bersten droht. Die Miete ist mal wieder fällig und ich habe keinen einzigen Cent in den Taschen. Aber das stört den Vierzentnerfleischberg wenig, seine Währung ist immer verfügbar. Ich wünschte, der Köter wäre nur einmal so loyal, ihm dabei von hinten die Eier abzubeissen, statt zu lecken. Gerade als ich mit etwas Handcreme dem bevorstehenden Schmerz vorbeugen will und unter Tränen hoffe, das alles nur zu träumen, erwache ich.

Die Thermalkristalle halten jegliche Gerüche und Geräusche von mir fern, so dass die Schlafeffizienz das absolute Optimum erreicht. Das Licht der drei Zwergsonnen bricht sich in den Kristallen und beleuchtet meine Ruhekapsel im gesamten Farbspektrum. Ich nehme zwei Proteinpillen zu mir und mache mit zweitausend Renunzen meine Tentakel fit. Jetzt ist wieder für drei Einheiten Lichtwelt und die Glaswürmer in den Zylinderminen können gemolken werden. Ein anstrengender Job, aber gut bezahlt. Mit den gesparten Credits schaffe ich es vielleicht nach Sektor Drei in die Kristallsilos. Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu einer eigenen Rotte. Gerade als ich in diesem Gedanken noch ein wenig schwelge und hoffe, dass dies nicht nur ein Traum bleibt, erwache ich.

Beißender Geruch steigt mir in die Nase und ich tappe noch etwas verschlafen zum Ursprung. Angewidert, aber meinen Instinkten folgend, lecke ich die Bläschen an der Pfote des Idioten auf, den mein Herrchen hier hat sitzen lassen. Dafür knallt der Penner mir eine. Na warte. Nach etwas Lärm stehen plötzlich vier Beine im Raum und machen etwas, das ich in jungen Jahren auf der Strasse stündlich hatte. Ich starre fasziniert auf die bammelnden Testikel des Alphamännchens und schleiche mich vorsichtig an. Angewidert, aber meinen Instinkten folgend, hoffe ich, dass ich nur träume, was ich da gerade tue, als ich erwache.

Der Duft von frischem Kaffee steigt mir in die Nase. Ich genieße es, noch ein wenig liegen bleiben zu können. In meinem Alter muss ich niemandem mehr etwas beweisen. Ich kann auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken und mich ganz meiner Leidenschaft, die nach einem meiner Filme 1998 nochmals aufflammte, ganz hingeben. Nachher sehe ich mir auf der Ranch der Söhne eines Freundes einige Stuten an, vielleicht ist ja etwas Brauchbares dabei. Gerade als ich von romantischen Ausritten mit Sybille träume, erwache ich.

Salzige Seeluft setzt sich in die eng gewebten Fasern meines Luxuskörpers und macht ihn mit der Zeit immer poröser. Natürlich lande ich dann schnurstracks im Müll, wie alles, von dem er genug hat. Aber seinen Morgenfellatio vor den neugierigen Blicken seiner hochnäsigen Tochter zu schützen, dafür bin ich noch gut. Gerade als ich mich sanft gleitend vom französischen Bett, wie auch Weckritual, entfernen will, erwache ich.

Bleischwer liegt die Luft in unserer kleinen Änderungsschneiderei in den Gängen. Erschöpft schrecke ich an meiner uralten Singer hoch. Der brutale Akkord lässt manch einen unfreiwillig wegtreten, doch die Trachten für den Hämmelmarsch in Nommern müssen rechtzeitig fertigwerden. Gerade will ich den letzten Nommertrachtsaum setzen, als ich erwache.

Der Furz meines Rottweilers liegt mir quer in der Nase, im TV sind die Moderatoren mittlerweile nackt und eine feine Speichelspur glitzert auf dem Gorillaglas meines Tablets, hinter dem sich mal wieder Zeilen skurrilen Unsinns manifestieren. Gerade als ich hoffe, das alles nur zu träumen, schlafe ich wieder ein.

 

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Tag der Veröffentlichung: 23.07.2013

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