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2. April 
Heute war wieder einer dieser gewöhnlichen Tage. Im Outlet konnte ich tatsächlich noch ein Paar der runtergesetzten Prada Stiefel ergattern. Nicht ganz kampflos, aber ich konnte das wasserstoffblonde Barbiepüppchen überzeugen, dass auf den Stiefeln mein Name steht. Robert kam wieder sehr spät nach Hause. Traurig, dass ich dies schon als gewöhnlich hinnehme. Wenn er ruhig atmend auf der Bettkante sitzt, während ich so tue, als würde ich schon schlafen, streicht er mir jedesmal sanft eine Strähne aus dem Gesicht und haucht mir einen sanften Kuss auf die Lippen, während sein sexy graumelierter Dreitagebart mir die Wangen kitzelt. Und das, obwohl er meint, ich würde es nicht mitbekommen. Ich liebe ihn.

13. April 
Ich habe Dir schon länger nichts erzählt, liebes Tagebuch. Liebes Tagebuch? Gott, Katharina, wie alt bist Du? Aber gut, diese Zeilen sind ja auch für niemanden anders bestimmt. Also liebes Tagebuch, es gab wirklich in der letzten Woche absolut nichts Aufregendes zu berichten. Die Kinder aus dem Nachbarhaus hatten mal wieder den Feueralarm ausgelöst. Was das die armen Eltern wohl an Nerven und Geld kostet. Trotzdem ist mein Wunsch nach einem eigenem Kind ungebrochen. Robert hat mir versprochen, dass wir, sobald wir in das Anwesen am Meer gezogen sind, nochmal darüber nachdenken. Jetzt hat er wohl mit seinem Forschungsprojekt zuviel um die Ohren. Naja, das Haus muss ja auch irgendwie bezahlt werden. Ich kann warten.

16. April
Robert kommt nun fast täglich nach Mitternacht nach Hause. Er hockt schwer atmend auf der Bettkante und denkt lange über etwas nach. Ich traue mich nicht, ihn anzusprechen, möchte ihn einfach nur bei mir spüren. Ob er es merkt, wenn ich hier in den Morgenstunden, an denen die Stadt nur langsam erwacht, sitze und meine Gedanken aufschreibe? Ich wecke ihn nachher mit einem tollem Frühstück. Den fehlenden Schlaf hole ich am Nachmittag nach. Viel gibt es hier sowieso nicht zu tun. Überhaupt nicht viel. Nichts eigentlich. Hoffentlich können wir bald an das Meer ziehen.

22. April
Heute habe ich versucht, Robert im Institut zu erreichen, um einfach nur seine Stimme zu hören. Wir reden nicht viel am Morgen. Meist ist er schon zur Arbeit, wenn ich nach meinem morgendlichen Gedankenprotokoll wieder in unserem Bett erwache. Und nachts sitzt er nur auf der Bettkante und ist merklich ruhelos. Meine Tarnung aufgebend ziehe ich ihn dann zu mir und lege meinen Kopf auf seine breite Brust. Er riecht stark nach Schweiß und etwas anderem, aber er ist bei mir und ich bei ihm.

27. April
Wieder kam Robert sehr spät nach Hause. Ich wartete darauf, dass er sich zu mir setzte, vergeblich. Vorhin habe ich gesehen, dass er sich im Wohnzimmer auf die Couch gelegt hatte. Gibt es da vielleicht doch etwas, von dem ich wissen sollte? Oder jemanden? Ich liebe ihn, will ihn nicht verlieren. An nichts und niemanden auf der Welt.

30. April
Heute Nacht hat mich Blaulicht von der Strasse geweckt. Sicher wieder die Nachbarskinder. Robert schläft auf der Couch. Er stöhnt. Er träumt. Ich strich ihm über die schweißnasse Stirn, legte ihm ein kühles Handtuch in den Nacken. In der Hoffnung bei ihm sein zu können, wenn er wach wird, wich ich bis in die frühen Morgenstunden nicht von seiner Seite. Ich wurde in unserem Bett wach und Robert war weg. Die Anrufe auf seiner Arbeit wimmelte die Sekretärin ab. Heute Abend muss ich mit ihm reden.

31. April
Gestern habe ich auf Robert gewartet, mich mit Spaziergängen wachgehalten. Ich hatte noch nie bemerkt, wie ruhig es in den Abendstunden in unserer Strasse ist. Nur Sirenen durchschneiden gelegentlich die Stille. Die Türen des Nachbarhauses sind mit gelbem Absperrband versiegelt. Das musste ja mal kommen. Als Robert gegen Mitternacht in das Wohnzimmer wankte, sah er mich aus glasigen Augen an. Er sah schlecht aus. Die Wangen eingefallen, der sexy Dreitagebart ist zu einem verfilztem Gestrüpp mutiert und tiefe Augenringe zeugen von Schlafmangel. Ich konnte nur weinen und er beruhigte mich, hätte wohl im Moment viel zu tun, aber bald wohnen wir am Meer, dann wird alles gut. Ich glaubte ihm und wir schliefen miteinander. Dann legte er sich wieder auf die Couch. Er fehlt mir.

5. Mai
Die Tage ziehen dahin. Robert verlässt im Morgengrauen das Haus, kommt um Mitternacht wieder und schläft auf der Couch. Ich weiß, es ist in Ordnung, lege meine Hand auf das kalte Kissen an meiner Seite und denke an das Haus am Meer. Und an mich und Robert. Ich höre ihn im Wohnzimmer schwer atmen. Er ist da, ist bei mir. Wir schaffen das.

8.Mai
Als ich heute später als sonst aufstand, lag Robert immer noch auf der Couch. Im Institut habe ich niemanden erreicht, aber da er der Leiter eines wichtigen Projektes ist, wird man wohl schon bemerken, dass er nicht zur Arbeit kommt. Er hat Fieber und ich rief unseren Hausarzt an. Nachdem ich dem Doktor verschiedene Symptome bestätigt habe, bestand er auf vollkommene Bettruhe. Natürlich, so hatte ich meinen Robert wenigstens bei mir.

10. Mai
Das Fieber ist zurückgegangen, aber Robert hat seit drei Tagen nichts zu sich genommen. Wenn ich ihm Wasser geben will, erbricht er es jedesmal. Er schläft die ganze Zeit, wird zwischenzeitlich von Krämpfen geschüttelt. Ich habe Angst, ruf den Hausarzt wieder und wieder an, erreiche aber niemanden. Die Stadt scheint nun auch tagsüber wie ausgestorben.

12. Mai
Gestern waren ein Polizist und ein Regierungsbeamter an unserer Tür, fragten nach Robert. Ich erinnerte mich an das gelbe Absperrband am Nachbarhaus und log, hätte Robert seit Tagen nicht gesehen. Sie meinten nur, dass es enorm wichtig sei, jede Veränderung an den Mitmenschen meiner Umgebung zu melden und gaben mir eine Telefonnummer. Und ich solle das Haus nicht verlassen. Das tue ich nicht. Verlasse dich nicht, Robert.

14. Mai
In der Nacht wurde ich von einem Geräusch geweckt. Ich sah von der leeren Bettseite an das Fussende. Dort stand jemand. Robert. Als ich das Licht einschaltete, begann er zu schreien. Ich bat ihn, sich zu beruhigen und löschte das Licht wieder, als er über mich herfiel. Ich weiß nicht, was in ihn gefahren war, aber es gelang mir, ihn wegzustossen, in das Wohnzimmer zu flüchten und die Schlafzimmertür zu verriegeln. Er hämmerte stundenlang gegen die Tür. Warum er die Fenster nicht zerschlug, weiß ich nicht. Ich weinte, den Zettel mit der Telefonnummer vor mir, konnte aber nicht anrufen. Alles wird gut. Ich liebe Dich, Robert. Was ist nur mit Dir geschehen?

20. Mai
Heute fuhr ein Einsatzwagen des Sondereinsatzkommandos durch unsere Strasse und forderte alle auf, die Häuser zu verlassen und „Infizierte“ zu melden. Infizierte? War Robert ein solcher Infizierter? Im Hintergrund hörte ich ihn wieder gegen die Schlafzimmertür schlagen. Was auch immer mit ihm nicht stimmt, ich gebe ihn nicht auf. Durch einen Spalt in der Jalousie sah ich den Wagen das versiegelte Nachbarhaus passieren. Ein Kind der Nachbarn brach aus dem Keller. Wie lange hatte es alleine dort ausgeharrt? Es rannte auf den Wagen zu und sie haben es erschossen. Einfach erschossen. Wie einen tollwütigen Hund. Was ist hier nur los? Ich will ans Meer. Mit dir, Robert.

3. Juni
Die Geräusche aus dem Schlafzimmer werden schwächer. Die Lebensmittel gehen zu Ende. Wie lange soll ich das hier noch durchhalten? Ich erinnere mich an die Nacht vor fünf Wochen. Es war so schön. Ich glaubte Robert, glaube ihm immer noch, wir schaffen das. Das ist alles nur ein böser Traum. Musste mich mehrmals übergeben.

15. Juni
Ich habe keine Kraft mehr, seit zwei Tagen nichts gegessen. Mir ist nur noch übel. Das S.E.K. hat am Anfang unserer Strasse begonnen die Häuser aufzubrechen. Ich höre Schüsse. Keine Schreie. Ich lehne an der Schlafzimmertür. Spüre, wie Robert sich an der anderen Seite der Tür bewegt. Kein Atmen, nur Stöhnen. Es geht ihm schlecht. Ich sag ihm, dass ich schwanger bin. Dass ich ihn liebe.

2 Jun
sie sin schon Nachbarhas Hab Schlafzimerschlüssel .. I ch kom me Robert .__ liebe ._ Dichh ..__.

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Tag der Veröffentlichung: 09.09.2012

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