Es war ein wunderschöner Wintertag wie aus dem Bilderbuch, nur leider viel zu warm.
Nein, Blödsinn, das kann ich so nicht bringen. Wobei ? Muss man immer vernünftig sein ? Die Anderen würden schon Augen machen. Also gut.
Es war ein wunder…
Schluss jetzt ! So geht’s nicht. Ich mach mich ja zum Gespött Aller. Allerdings muss man ja nicht immer Ernst vorschicken, der kann auch mal’ne Pause vertragen. Na dann.
Es war…
NEIN ! Jetzt ganz im… ah, Ernst, schön, dass Du kommst, gerade schrieb ich über Dich. Was hast Du denn da bei Dir ? Oh, wie schön, eine Schreibblockade. Bitte ? Ach, Du musst schon wieder los. Eine Karnevalsitzung ? Na dann viel Spaß, Ernst. Ich komme hier schon ohne Dich klar. Gut, als Erstes müssen Blockadebrecher her. Aus dem TV feuert aber nur Stumpfsinnstakkato, das Radio quäkt hundertfach Melodieblaupausen, zum Lesen gibt's nur Rechnungen, der Rotwein ist kalt und das Nutella- glas ist auch schon wieder leer. Also nichts wie raus.
Ich öffne schwungvoll die Haustür, die Sonne schlägt mir ins Gesicht und ich die Tür wieder zu. Raus aus den Boots, rein in die Chucks. Daunen gegen Zipper getauscht, Beanie gegen Basecap, kann losgehen. Moment ! Sonnenbrille ! Wo ist meine Sonnenbrille ?! Ohne Sonnebrille geht hier nix, schon gar nicht ich raus. Im Handschuh, der fleckenstarrend von der letzten Schlacht im Schnee zeugt, werde ich schließlich fündig. Mit den Bügeln auf den Ohren kommt Dunkelheit über mich. Und Schmerzen. Verliehen vom Türblatt durch das Verfehlen der Türklinke. Aber die Brille sitzt noch, ich lache der Sonne entgegen und sie mir ins Gesicht. Wir verstehen uns. Ich und die Sonne. Nur Inspiration liefert sie mir im Moment nicht. Dafür aber Licht, Wärme, Serotonine, Dopamine, Hautkrebs… nein, think positive.
Vorbei am Schmelz winterlichen Familienstellens meiner Kinder balanciere ich über Bob, den Bock- schlitten meines Jüngsten, der wie selbstverständlich an der engsten Stelle des Gartenweges geparkt wurde. Ein wenig wehmütig blicke ich zurück und erinnere mich an die wilden Ritte in den drei Kilometer entfernten Kinder- garten. Sein Renntier war ich. Frechheit eigentlich. Und dann noch die Diskussion über die Namensgebung der Rodelkiste. Einem Fünfjährigen zu erklären, warum sein Schlitten unbedingt Rosebud heissen müsse, ist ebenso utopisch, wie Schneeglöckchen jetzt Anfang Januar. Ich erblicke das florale Gebimmel an der Rasenkante und beschliesse, meinen Sohn am Nachmittag nochmals zu einer Namensdebatte herauszufordern. Allerdings ahne ich das Ergebnis jetzt schon vorher. Bockschlitten, Bobschlitten, Bob, Basta. Kindliche Logik kann so entwaffnent sein.
Das glänzend feiste Bleichgesicht Väterchen Frost’s auf der Garageneinfahrt blickt mich nun eingefallen aschfahl an und nässt aus unzähligen Asphaltwunden. Grausame Sonne. Warum tust Du das ? Ich ergebe mich dem Drang ihr direkt ins Antlitz zürnen. Warme, weiche Strahlen schmeicheln mir. Ja. Ist ja gut. Das Fräulein macht ihre Sache hier auf der Erde schon ganz ordent- lich. Nur wäre es schön, wenn sie sich mit dem frostigen Gevatter mal bei der wöchentlichen Verteilung des Temperaturniveaus etwas besser absprechen würde. Wir Menschen können ja schließlich auch nicht unseren täglichen Kalorienbedarf innerhalb von zehn Minuten verpulvern. Yes, we can, brummelt mein Magen und lenkt meinen Blick auf die Kultstätte der Tempovöllerei in unserer Strasse. Debil grinsend fordert mich der Clown zu einem Duell. Verstand gegen Verlangen. Vernunft gegen Genuss. Hunger gegen… Guten Tag. Ihre Bestellung bitte. Verdammt, er hat schon wieder gewonnen. 154 : 1. Und das eine Tor hat auch nur eine angehende Gastritis geschossen. Zahlreiche –nine und –xide betäuben den Gedanken, heute noch Sinnvolles zu texten und schicken eine kleine, wehrlose Idee auf die Strafbank. Mit erhabenen Cholesterin und Blutzucker halte ich beim Verlassen des Sündenpfuhls inne und starre ungläubig auf meine rechte Hand. Eis ?! Ich rufe mir das morgendliche Kalenderblatt ins Gedächtnis : „Montag 2. JANUAR. Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war. Mark Twain“. Recht hast Du, Mark. Vanillegeschmack. Lecker.
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2012
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