Bärenhunger, bärenstark, bärig, einen Bären aufbinden, Haare auf der Brust wie ein Bär…Meister Petz hält so oft Einzug in Euren Sprachgebrauch und doch wisst Ihr so wenig über ihn. Doch, doch, ich sehe, dass Du nickst. Ich könnte Dir jetzt soviel über dieses wundervolle, stolze Tier erzählen, aber weisst Du was ? Ich zeige es Dir einfach. Ja, ich zeige es Dir. Wie ? In den Zoo ? Nein, nein. Wir fliegen zu seinen Familien. Wir… was, wie fliegen ? Na, ich nehm Dich an die Hand und wir fliegen los. Ganz einfach. Du glaubst mir nicht ? Pass auf, warum lange reden ? Komm, gib mir Deine Hand und dann geht es los. Ja, aus dem Fenster. Wo lang denn sonst ? Nein, Du musst keine Angst haben. Ich pass auf Dich auf. Dir kann nichts passieren. Obwohl… he, bleib hier. Ich wollte doch eigentlich nur sagen, dass es wahrscheinlich ein wenig frisch werden könnte, zieh Dir lieber eine Jacke über, ich warte hier… Hallo ? Bist Du soweit ?… Hallo ? Oh, da bist Du ja, schön. Ich dachte schon Du… ja, ja, jetzt geht es los. Was ? Wie ? Wie Superman ? Ja, genau, wie Superman ! Auf, auf und davon ! Ha ha ha ! Jetzt wo wir hier auf dem Fensterbrett stehen, ist Dir schon ein wenig mulmig, nicht wahr ? Kann ich ver- stehen. Du kannst die Augen ruhig schließen. Wie wir jetzt abheben ? Magie ? Nein. Superkräfte ? Ich Superman, ha ha. Nein, nein, nein. Die Kraft dafür schlummert in Dir. Doch, glaub mir ruhig. Schließ deine Augen und wünsch Dir einfach abzuheben. Ach was, nicht wünschen, ich bin ja schließlich auch kein Dschinni. Stell es Dir einfach nur vor. Wir stehen hier, schließen die Augen und fliegen los. Ha ha, ja, super ! Du kannst die Augen jetzt wieder öffnen. Siehst Du das ? Dieses winzige Netz unter uns, mit den vielen bunten Flecken ? Das ist Deine Stadt ! Wir fliegen hoch über ihr. Und ? Hast Du Angst ? Nein, oder ? Das ist gut. Magst Du noch ein wenig herumschwirren ? Einige Dinge entdecken, die Dir sonst entgangen sind in dem Gewussel unter uns ? Sieh nur ! Deine alte Schule. Woher ich das weiß ? Ich kann es sehen. Ich meine, natürlich kann ich es jetzt gerade sehen, aber ich sehe es auch in Dir. Ich sehe, wie Du Deine alte Schule siehst und denkst, sieh da, meine alte Schule. Kurios, oder ? Hast Du in der Schule etwas über Bären gelernt ? Nein, oder ? Nicht viel ? Gut, dann sag mir doch mal, wo Bären leben ? Am Nordpol ? Aber dort leben doch die Pinguine. Am Südpol ? Am Südpol leben die Pinguine ? Bist Du Dir sicher ? Ha ha, natürlich bist Du Dir sicher ! War nur ein Test. Am Nordpol. Genau. Der mächtige Eisbär. Was für ein Tier. Aufgerichtet kann er eine Größe von fast 4 Metern erreichen. 4 Meter ! Fast so hoch wie ein Doppelstockwagen ! Und das bei knapp einer Tonne Lebendgewicht. Selbst der König der Tiere hätte nicht den Hauch einer Chance. Kannst Du Dir das vorstellen ? Kannst Du Dir auch vorstellen wieviel Platz und vor allem wieviel Futter solch ein Koloss benötigt ? Und der Platz wird von Tag zu Tag geringer. Er schmilzt. Das Land des Königs der Könige schmilzt einfach weg. Wir könnten es uns ansehen. Was denkst Du ? Nein ? Warum nicht ? Ah ja, Minus 50 Grad. Ja, doch, ein gutes Argument. Da fragt man sich doch, warum die Arktis eigentlich schmilzt, oder ? Ich weiß es nicht, Du weißt es nicht, der Bär weiß es nicht. Nur geht es uns alle was an, nicht wahr ? Wusstest Du eigentlich, dass Arktis vom griechischem Arktos kommt, was soviel wie Bär bedeutet ? Oder auch Land unter dem Bären. Dem Grossen Bären, ein Sternzeichen. Siehst Du, ihr habt sie sogar in den Himmel gezeichnet. Ihr müsst die Bären echt mögen. Also gut, die Arktis ist als Reiseziel eher ungeeignet. Wohin soll es dann gehen ? Wo auf der Welt könnten sich denn noch Bären verstecken. Was meinst Du ? Alaska ? Aber ja. Alaska. Gar nicht mal soweit von unserem vorherigem geografischem Thema entfernt. Aber schon ein wenig wärmer, das ist gut. Fällt Dir denn auch ein passender Bär zu Alaska ein ? Eisbären wurden dort zumindest nur in den seltensten Fällen gesichtet, ausser im Zoo vielleicht, ha ha. Wie war das ? Grizzly‘s ? Hm, Grizzly‘s sagst Du ? Das waren doch diese, diese Braunbären. Aus Amerika, Nord- amerika. Ja. Ja, okay. Könnte schon sein, dass es in Alaska auch Grizzly‘s gibt. Gut gemacht. Eins Plus. Und als Auszeichnung für diese hervorragende Leistung gibt es eine Studienreise nach Alaska. Jetzt sofort. Sieh nur, dort unten, die französische Grenze. Der Atlantik ist nicht mehr fern. Übrings auch die Heimat einiger Seebären. Was ? Du kennst nur die Seebären auf den Schiffen ? Ach, die Kapitäne und Matrosen ! Ha ha ha ! Guter Witz. Muss ich mir merken. Aber der Luftweg nach Alaska über den Atlantik kann auch ganz schön rauh und lang werden. Weißt Du, Du wirst uns direkt dort hinbringen. Einfach so, mit einem Fingerschnippen. Glaube mir, Du hast die Macht, die Kraft dafür. Ich bin nur hier, um Dich ein wenig zu führen, Dir Vertrauen zu geben. Los, schliess wieder die Augen und schon sind wir da. Und dann zeige ich Dir noch einen Bären. Einen majestätischen, auch sehr mächtigen Bären. Wie, Du kannst Dir Alaska nicht vorstellen ? Beim Fliegen hat es doch auch geklappt. Ach so, Superman, hatte ich fast vergessen. Hast Du denn nie Filme über Alaska gesehen ? In der Schule auch nicht ? Hm, aber Superman kennst Du. Pass auf, wie auch bei Superhelden ist in Alaska alles größer, gewaltiger. Stell Dir einfach endlose Wälder vor. Mächtige, glasklare Gebirgsströme. Gigantische Bergmassive. Imposante Gletscherzungen, die teilweise bis zum Meer reichen. Und genauso beeindruckend ist dort auch mancher Bär. Also ? Hast Du es ? Jaaa ! Perfekt ! Wir sind da. Du bist Klasse. Sieh Dir das an. Wir fliegen direkt über das Kenai Gebirge. Und dort, siehst Du dieses… hey, was ist ? Du kannst die Augen ruhig aufmachen, ich bin doch bei Dir. Nichts kann passieren. Komm schon, Du würdest echt was verpassen. Na bitte ! Gut so. Und, habe ich Dir zuviel versprochen ? Wunderschön ? Wusst ich’s doch. Du solltest mir mehr vertrauen, schließlich kennen wir uns ja schon eine kleine Ewigkeit. Siehst Du dieses breite, strahlende Band, dass sich durch die Berge dahin schlängelt ? Wie eine Autobahn für Riesen ? Das ist ein Gletscher. Und weißt Du, wie dieser Gletscher heißt ? Was ? Bären- gletscher ? Du hast geraten, oder ? Aber weisst Du was ? Du hast Recht. Das ist tatsächlich der Bear Gletscher. Und er mündet direkt in einer wunderschönen Meeres- bucht. Da ! Da vorne ist sie schon. Vielleicht sehen wir dort auch schon unseren ersten Bären. Mal sehen. Vielleicht an einem Flusslauf. Dort jagen sie meistens. Bitte ? Du hast was ? Einen, einen Panther gesehen ? Oh nein, glaube mir, wir müssten schon über die Hochebenen Afrika’s fliegen, um einen Panther zu Gesicht zu bekommen. Aber okay. Gehen wir Deiner Entdeckung auf den Grund und fliegen nochmal ein Stück zurück. Ein Panther, also ehrlich, Du bist’ne Maus. Wa ha ha ha ha. Ich werd nicht wieder. Warum ich lache ? Ich habe Deinen Panther entdeckt. Aber gut, die Farbe stimmt ja schonmal. Aber das, Herzchen, ist ein Schwarz- bär. Und die zwei kleinen Knäule dahinter sind wohl die Jungen. Da sollten wir uns nicht zu nahe heran wagen. Bären sind eigentlich sehr scheu und flüchten vor dem Menschen, bei einem Muttertier mit Jungen kann das aber schon anders aussehen. Sie würde ihren Nach- wuchs mit dem Leben verteidigen und natürlich in allem eine Bedrohung erkennen. Deswegen gehen wir jetzt nur so nah ran, dass Du Dir die Unterschiede zwischen einem Panther und einem Schwarzbären einprägen kannst. Gut ? Gecheckt ? Dann kann es ja weiter gehen. Unsere nächste Station ist eine Inselgruppe ganz in der Nähe, der der Bär, den ich Dir noch zeigen möchte, seinen Namen zu verdanken hat. Einen Hawaiibär ? Hallo, ganz in der Nähe ! 7000 Kilometer sind nicht gerade ganz in der Nähe. Zudem gibt es auf Hawaii bis auf einige Vögel und Fledermäuse nun wirklich keine Bären. Ja, ja, die Insel da vorne ist unser Ziel. Nein, ich verrate noch nichts. Vielleicht kommst Du ja noch selber drauf. Ich denke auch, dass wir einen Ursus Arctos Middendorffi, sein lateinischer Name, ziemlich bald entdecken werden, denn klein ist er wahrlich nicht. Oh, sieh nur, Inuit beim Fischen. Aber wir suchen ja einen Bären. Was ? Ach so, Inuit ? Eskimos. Ja, genau die. Sie fragen ? Ich wusste gar nicht, dass Du Inuktitut beherrschst. Nein, wir sollten sie bei ihrem hartem Tagwerk nicht stören. Komm, wir fliegen etwas weiter in das Landesinnere der Insel. Fjorde, Flüsse, Wälder. Sehr gut. Es kann nicht mehr lange dauern. Vielleicht landen wir einfach mal. Was hältst Du davon ? Angst ? Was habe ich Dir vorhin gesagt. Na ? Dort drüben am Ufer des Flusses mit dem kleinen Wasserfall in der Mitte könnten wir Glück haben. Warum lachst Du ? Du hast Dir gerade vorgestellt, wie in den Trickfilmen die Bären die Fische aus der Luft fangen ? Da gibt es nichts zu lachen, das ist keine Erfindung irgend- welcher Geschichtenerzähler. Die Bären jagen die Fische tatsächlich so. Warte nur ab. Wir sollten uns vielleicht ein wenig hinter den Büschen dort verstecken. Wie gesagt, Bären sind eigentlich recht scheue Tiere. Während wir hier warten, kannst Du mir ja erzählen, welche Bären Du noch kennst ? Blaubären ? Ha ha, wie witzig. Aus dem Fernsehen ? Aha, da siehst Du mal wieder, dass man an Bären einfach nicht vorbeikommt. Und schon gar nicht an dem, der dort drüben gerade aus dem Wald wankt. Wahnsinn, oder ? Du kannst den Mund wieder zu machen. Darf ich vorstellen, das größte an Land lebende Raubtier der Erde, der Kodiakbär. Da kann wirklich nur noch sein Kollege vom Nordpol mithalten. Schauen wir mal, ob er Glück bei der Jagd hat. Jetzt sieh Dir das an ! Er stellt sich auf die Hinterbeine. Jetzt hat er die Höhe eines Elefanten. Gigantisch, oder ? Scheinbar hat er Witterung aufgenommen. Es kann durchaus sein, dass er uns gerochen hat. Ob wir nun sein Mittag sind ? Nein, keine Angst. Aber es kann durchaus sein, dass… ah ja, schade. Siehst Du ? Er zieht sich zurück. Den sehen wir so schnell nicht wieder. Ich denke auch, dass es für heute genug Aufregung war, oder ? Was ? Einen Panda ? Ach komm, den solltest Du Dir wirklich im Zoo anschauen. Freilebende Pandas gibt es nur in geringer Zahl in irgendeinem kleinen Gebirge im Herzen von China. Das wäre jetzt wirklich die Nadel im Heuhaufen. Aber ich möchte Dir tatsächlich noch einen Bären vorstellen. Dazu müssen wir aber wieder zurück zu Dir nach Hause. Gib mir Deine Hand und dann einfach an zu Hause denken. Das dürfte ja hier in der rauhen Wildnis Alaskas nicht so schwer fallen. Wow ! Das ging schnell. Konntest es wohl gar nicht erwarten nach Hause zu kommen ? Das Fenster steht auch noch offen. Gut, rein mit uns. Die Jacke kannst Du jetzt sicher ausziehen. Durch den Flur, hinten links. Leise, dass Du niemanden weckst. Los, öffne vorsichtig die Tür. Siehst Du ihn ? Dort in der Ecke vom Bett. Einer der schönsten, wich- tigsten und kuscheligsten Bären der Welt. Knopfauge. Woher ich das weiß ? Nach der langen Reise, die er hinter sich hatte, den vielen Händen, die ihn drückten, den vielen Tränen, die er trocknete, ist er mit nur einem Auge auf einem Trödelmarkt gelandet. Und jemand hat das andere mit einem Knopf ersetzt. Das warst Du. Und Du warst es auch, der mir diesen Namen gegeben hat.
Ich schlage die Augen auf. Es ist dunkel. Noch immer drücke ich fest eine weiche, kuschelige Stoffpfote und das schwache Mondlicht zaubert einen kleinen Stern auf den Knopf, der mich über einer drolligen Schnauze anstrahlt. Du bist nicht der letzte Bär, den ich gerettet habe. Ich schliesse meine Augen und wieder ist es der Mond, der nun einen kleinen Stern in die Träne zaubert, die mir die Wange hinunterläuft und von der kleinen Stoffpfote bereitwillig aufgenommen wird.
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2012
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