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Nervös trommelte LaRudca mit seinen uralten Fingernägeln auf den uralten Stuhlehnen des uralten Thrones in seiner uralten Residenz. Lediglich das Knurren seines Magens konnte das klackernde Geräusch noch übertönen. LaRudca, oder auch Rudi, wie ihn die Dorfbevölkerung ehrfürchtig nannte, hatte seit Wochen nichts zwischen die Zähne bekommen, keinen Bissen.
„Warum ?!“ rief er in den riesigen Saal. „Warum müssen meine Ahnen denn nur am Arsch der Welt wohnen ?“. Das Gemäuer warf seine Worte hundertfach wieder. Arsch der Welt…Arsch der Welt…Arsch der…“Ja ! Ich hab’s kapiert“ schrie Rudi aufgebracht. „Und wo bleibt denn nur Ingor, dieser Trottel ?“ wütete er weiter. „Erst entführt er den jungen Arzt aus der Herberge, indem er ihm eine Plastiktüte über den Kopf stülpt und sechs Stunden den Berg raufschleift. Und dann kommt er mir mit ‚Ach ja, sie dürfen ja nichts von Toten…‘ ach ja, ach ja, häddäddäddä…dieser hirnlose Hilfstroll.“
Rudi stürmte zum Fenster, riss es auf und schrie die Winternacht an : „Ingooor ! Wo steckst duuu ?!“
„Hie…hier, Meister“ kam es flüsternd aus der Schneeverwehung unter dem Fenster.
„Was zur Hölle glaubst du, was du da tust ?!!“ Rudi war kurz vor einem Kollaps.
„Schneehasen jagen, Meister“ kam es wieder recht zögerlich. Zuviel Information. Rudi platzte der riesige, rote Kragen. In einem Wutanfall, der jeden Werwolf in die Flucht geschlagen hätte, stieß er auf seinen Lakaien herab, packte ihn am Schlafittchen und riss ihn in den Thronsaal.
„Was du da tust ! Was du da tust !“ schrie ihn Rudi wiederholt an „Ist nicht entschuldbar ! Nicht entschuldbar !“
„Aber Meister. Schneehasen sind Lebewesen aus Fleisch und Blut ... Blut“
Rudi’s Gesichtsausdruck wandelte sich schlagartig.
“Mein lieber, treuer Ingor.“ zwitscherte er „Teurer Gefährte, guter Freund, Retter in der Not, herzensguter Wohltäter…“
„Bitte. Meister. Was sollen die Leser denken.“ Selbst dem Troll fiel die übertriebene Heuchelei auf. Mit einem blitzschnellem Satz und einer ebenso schnellen Gemütswandlung stürzte der Meister auf wenige Zentimeter an seinen Diener heran.
„Wo ist das Vieh ?!“ zischte er fordernd.
„Nirgends.“
„Wie ?! Nirgends ?!“ Rudi’s aschfahles Gesicht begann sich wieder zu röten.
„Na nirgends halt. Hab keins gefangen.“
„Hast keins gefangen, wie ?! Nicht eines, oder ?!“ Rudi zitterte am ganzen Leib, sein Gesicht lief gefährlich hellrosa an, seine Augenlider zuckten und Mund, wie auch Wut, schäumten.
„Aber ich hab das hier !“ Ingor hielt seinem Meister stolz etwas unter die Nase, dass fast hörbar die letzte Sicherung in Rudi’s Hirnstamm zerbröseln lies.
„Eine Dose ?! Eine DOSE ??!!“
Der Troll würde jetzt lieber mit einer Todesfee in glühender Lava ringen, als hier zu sein.
„EINE KEKSDOSE ???!!!“ explodierte Rudi.
„Aber ich sollte doch das…“ versuchte sich der Troll zu verteidigen.
„DAS GEPÄCK !!! Das GEPÄCK des Arztes solltest Du holen !!!“
( kurzer Break : Rudi hatte Ingor tatsächlich nochmals zur Herberge geschickt, um die Sachen des Arztes zu holen, in der Hoffnung darin vielleicht einige Blutproben oder ähnliches zu finden ).
„Bin ich denn nur von Idioten umgeben !!!“ tobte der Schlossherr.
„Es reicht mir mit dir.“ wandte er sich zu dem armen Ingor, der gar kein gutes Gefühl hatte, als sich sein Meister mit flinken Fingern eine Serviette umband.
„Lunchtime ! Muahaha !“ kreischte Rudi irre, stürzte sich auf seinen Diener und rammte ihm die Hauer in den Hals. Bitter rann ihm der faulige Saft die Kehle hinunter.
„Oh meim“ nuschelte er „Trohbut ! Ihf Flödmam…“
Rudi erkannte den Fehler in seinem Wahn leider zu spät. Die Welt stand plötzlich still und alles um ihn herum schien sich in Zeitlupe zu bewegen. Vampire leben ( und sterben ) halt für’s Drama. In diesem kurzen Moment der Schwerelosigkeit fiel sein Blick auf die Keksdose des Arztes, die langsam aus Ingor's Hand glitt, den Deckel verlor und ihren Inhalt im Thronsaal verstreute. Mit seinem Diener im Mund ging LaRudca zu Boden und hauchte inmitten von hunderten kleinen Blutampullen, die der Arzt wohl zum Schutz während seiner Reise in dem Blechbehälter verstaut hatte, sein letztes Gebet. „Cheife.“

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Tag der Veröffentlichung: 17.01.2012

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