Cover

Dichter - Träumer - Mörder




Ich nagle Thesen an die Stirn
fräse Vakuum ins Hirn
vernäh das Lid mit wirrem Zwirn

Ich quetsch die Luft aus jeder Röhre
wenn ich das Seelenhaus zerstöre
und den Verstand verrecken höre

Ich schäl das Herz bis auf die Kammern
unterrichte Schreien, Winzeln, Jammern
werd jeden off'nen Arsch zuklammern

Ich rühre in den Eingeweiden
werd aus Verzweiflung noch ein Mahl bereiten
und fülle in der Leidenschronik alle leeren Seiten

Drum schlage ich Dir wortgewand
Dein Alltagsruder aus der Hand
und lenke Dich vor meine Wand

Farben




Kunterbunt die Wiese riecht
Schwarzgelb der Salamander kriecht

Schneeweiß kleine Häschen hüpfen
Silbern Spinnchen Netze knüpfen

Leuchtend grün die Tannen wachen
Goldene Strahlen durch Blätter lachen

Rotweiße Pilze tellergroß
Dunkelgrau verwest ein Kind im Moos

Ich, die Flocke




als kleine flocke tanz ich munter
im dezemberdunst die strasse runter
möchte durch die wipfel fliegen
ein wenig bei den spatzen liegen
mit dem nordwind weiterreisen
um ein stubenfenster zu vereisen
losgelöst im wintertanz verschneien
einer kinderkappe glanz verleihen
doch man verweigert mir die landerechte
bin spielball höherer mächte
meinen weg bestimmen andere elemente
und ich finde in der gosse links vom rinnstein
mein leises ende

Angst




Wenn Abendsonne
voller Wonne
mit dem Horizont vereint
in die Dämmerung weint
zeugt blutig Rot
von ihrem Tod

Am Ende dieser Herrlichkeit
steht der Beginn der Dunkelheit
diese kriecht wie schwarze Ratten
verschlingt das Licht und auch den Schatten

Was übrig bleibt ist Finsterniss
die Angst gebiert und Ängste frisst

Die Abwesenheit der Momente




tiefgründig grau
lastet des menschen selbst
im herz erfroren
splitterndes blau
heiß hat die liebe
den kleinen tod erschaffen
ratenzahlung inklusive
für die lust am triebe
gefangener stolz und leere wände
erinnerungen ins nichts gepint
der lärm der stille
schreit vom ende
geborgtes lachen
verkaufte träume
falsche trauer
echte tränen
verschlossene türen
dunkle räume
verbrannte seele
erloschene gedanken

SEX




blau geädert
glänzend nass
rot pulsierend
weiß gedehnt
tropfend sauer
gelblich schäumend
prickelnd kupfern
zuckend wässrig
gräulich wabernd
fließend schwarz

Zuviel des Guten




bleibt der tod auf ewig kalt ?
müssen wunden immer bluten ?
wird man nur zum ende alt ?
ist das nicht zuviel des guten ?

bleibt die erde immer blau ?
ersäuft das meer in seinen fluten ?
ersticken wir am bunten grau ?
ist das nicht zuviel des guten ?

haben wir das spiel verloren ?
kann man liebe nur vermuten ?
werden wir allein geboren ?
ist das nicht zuviel des guten ?

Abgrund




ich gehe vor mir, dreh mich nicht um
ein meter noch, vielleicht auch zwei
ein gedanke noch, vielleicht auch nicht
ein schritt zu weit, dann wär’s vorbei
in tiefer nacht wär wieder licht
da steh ich nun, die angst im nacken
ich will mir helfen, von hinten packen
auf mich zeigen, um hilfe schrein
ich stoss mich runter und lass es sein

weg




müden schrittes schreitet man
vorbei an rosenfeldern
das ende krümmt der horizont
weg aus dieser welt
wer immer dort am ende wohnt
wer immer dieses ende hält
das geleit, der schutz, die mauer
einfach weg ohne ersatz
das endgültige, der schmerz, die trauer
sind die wegbegleiter
selbst sich nährend wie verzehrend
dieses pferd braucht keinen reiter
aus wunden werden narben
aus tristem grau erblühen farben
am weg verteilt die puzzleteile
mit denen vernunft den geist besiegt
auch wenn das eine teil das fehlt
am ende dieses weges liegt

das Mädchen




sie hat längst vergessen
wie die liebe schmeckt
das tape ihrer kindheit gelöscht
stop, rewind, eject
salzig verbrennt ihre kehle
mutters blinde augen
plus vaters dunkler schoss
geteilt durch eine kleine seele

zwei dekaden später
säuselndes gezwitscher
dann nur ‘ne Vögelei
geduld, gefühle, gewissen
liebe, leben, längst vorbei
das nest voll spatzen
leere blicke, stumme schnäbel
hunger schnürt die kehle zu
auf mutters kalter hülle
gehen sie zur letzten ruh

der Junge




gefangen, verkettet, angeleint
lacht er stumm über sich selbst
wenn jemand für ihn weint

der vater sitzt, der junge auch
ein leben lang, der vater nicht
nicht für den tritt in einen kleinen bauch

DU HAST KEIN RÜCKGRAT, KIND !
wieso hast du’s mir dann gebrochen ?
wie verlogen doch erwachsene sind

kehrt vater heim, ist es wohl besser
ihm zu verzeihn, gesteht er sich
und streichelt seinen schatz, ein messer

An den Verfasser




Sieh die Erde.
Sie wird verpestet.
Sieh das Vieh,
wird krank gemästet.
Sieh die Wälder,
wie sie brennen.
Sieh die Glauben
nichts anerkennen.
Sieh die Menschen,
wie sie hassen.
Sieh die Opfer,
die verblassen.
Sieh die Frau.
Sie lügt.
Sieh den Pfaffen.
Er betrügt.
Sieh den Mann,
wie er mordet.
Sieh die Gesellschaft,
wie sie hordet.


Sieh den Vater,
wie er schändet.
Sieh die Unschuld.
Sie verendet.
Sieh die Ernte.
Sie verdirbt.
Sieh das Kind,
dass langsam stirbt.
Sieh den Bettler.
Auch er hat Hunger.
Siehst Du das Leid?
Die Not? Den Kummer?


Die Welt sieht auf,
Dich zu verstehen.
Fang endlich an,
die Welt zu sehen.

ich, der querulant




siedend pansch ich wortsalat
schmiere ihn ins pergament
begeh gedankenhochverrat
und mime feingefühltalent

verletztem stolz die wunden lecken
ordnungspläne wild zerreissen
empathie lass ich mir schmecken
um sie häufchenweise klug zu scheissen

ich lad mein rufmord-spießgewehr
mein schalk bricht jedem nacken das genick
zerrede dauerfeuernd gegenwehr
jedes hirn bekommt sein fick

doch nach einer kampfspottoffensive
find ich den abschiedsbrief der lieben
versteh ja leid- und leitmotive
nur „arschloch“, denke ich, wird groß geschrieben

der kleine wahnsinn


Ich lieg im Dunkel auf der Lauer.
Nage leis an deiner Mauer.
Bring dich zum schwitzen.
Schlüpf durch die Ritzen.
Säg am Stamm.
Blas den Kamm.
Flüster Bilder.
Werde wilder.
Denken
lenken.
Säe Nebel.
Ziehe Hebel.
Mahlende Kiefer.
Nägel auf Schiefer.
Silouhette in der Nacht
Marionette die wild lacht.
Im Auge das Weiße
hock ich ganz leise
in deinem Nacken.
Krieg dich zu packen.
Alk und Drogen. Psychologen.
Ich verzeihe und
SCHREIE !

Du


Ich sehe Dich
Flüchtig
Ich rufe Dich
Wortlos
Ich berühre Dich
Heilig
Du siehst mich
Nichtig
Du rufst mich
Tonlos
Du berührst mich
Eilig
Ich will Dich sehen
Richtig
Ich will Dich rufen
Kopflos
Ich will Dich berühren
Selig
Du musst mich sehen
Wichtig
Du musst mich rufen
Atemlos
Du musst mich berühren
Ewig
Ich öffne Deine Fenster
Doch Du siehst mich nicht
Ich öffne Deine Tür
Doch Du hörst mich nicht
Ich verstell Dir Deinen Weg
Doch Du berührst mich nicht
Glas das splittert
Da siehst Du mich
Holz verwittert
Da hörst Du mich
Der Weg entgittert
Da berührst Du mich
Ich packe Dich
Siehst Du mich ?
Ich schrei Dich an
Hörst Du mich ?
Ich schüttel Dich
Spürst Du mich ?
Du willst nicht sehen
Mich nicht hören
Nicht berühren
Du willst nur gehen

Toter Winkel




Die Katzen hat sie noch gefüttert
Durch die Fenster fällt kaum Licht
Das Klingelschild ist längst verwittert
Das Herz schlägt schon seit Wochen nicht

Sein Hut verfilzt und speckig
So leer wie auch sein Magen
Ende November, ihm geht’s dreckig
Der Hut klingt erst an Weihnachtstagen

Still kaut er auf dem Pausenbrot
Hat nichts mehr zum Vermissen
Die Heimat zerbombt, die Eltern tot
Keiner will davon hier etwas wissen

Sie nimmt den Teddy in den Arm
Zieht brav die Decke auf‘s Gesicht
So haucht es Papa sauerwarm
Dann hört Mama ihr Geheimnis nicht

Müde ruht er in seinem Stolz
Musste lebenslänglich dafür sparen
Im Käfig aus Stein und Fachwerkholz
wartet er auf Besuch seit Jahren

Er war jung und hatte Träume
Verließ die Mutter und den Vater
Doch niemand bot ihm warme Räume
Träumt nun ewig, die Nadel noch in kalter Ader

Nicht weit von Alltag, Arbeit, Leben
Leiden Alte, Junge, Mann, Frau, Kind
Und wir müssen der Erkenntnis uns ergeben
Wir können sehen und sind doch blind

Herbstoffensive


Blattsoldaten
stossen vom Himmel
Chlorophyllkompanien
im Humusgewimmel

Tarnfarben decken
Wucher und Saat
sauerstofffeucht
vermodert der Staat

Schon kriechen Nebel
aus finsteren Gräben
Stille bezeugt
abwesendes Leben

Vom Grenzland des Forst
in Gräulsilhouette
mahnen Birkenstockleichen
und Weidenskelette

Dunkel droht Westen
dem blutroten Osten
während am Flur
die Wälder verrosten

Wurm

 Gelegt in Tales dunklem Flur

Tief im modernd Widerholz

Kriecht ein Würmlein nachtbenetzt

Dürstend fahl nach Anfangs Ende

Bohrt sich windend durch Morast

Frisst und leidet, träumt erblindend

Sieht der Tannen Kinder nicht

 

Morgen trübt gelebtes Fleisch

Stille dünstet aus der Kälte

Deckt die Gräber mit Vergessen

Wipfel wanken überheblich

Grinsen trocken todgeweiht

Laben sich am Weltenhumus

Weben Mutters Leichenkleid

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.01.2012

Alle Rechte vorbehalten

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