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Wie eine graue Schlange windet sich die Bundesstrasse durch Tannen und Kiefern. Das Tal, dass sich vor ihnen ausbreitet, scheint nur der Himmel am Horizont zu begrenzen. Es würde noch eine halbe Ewigkeit dauern, bis sie endlich bei dieser doofen Treckershow waren, dachte Jacob bei sich und trat trotzig vor den Beifahrersitz. Seine Mutter, die vor sich hindöste, schreckte hoch.

"Martin! Wie fährst du denn?!"
"Das frag mal lieber Deinen Sohn."
"Jacob?" wandte sie sich nach hinten.
"Nix..." maulte dieser.
"Schatz, ich weiss, Dir ist sicher langweilig, aber für Deinen Vater ist diese Landmaschinenmesse sehr wichtig und ich bin mir sicher, dass wir zwei dort auch unseren Spaß haben können."
"Kannst du hinter kommen und kuscheln?"
"Beim nächsten Halt setz ich mich zu dir, versprochen." lächelte sie den kleinen Trotzkopf an.
"Wie lange werden wir denn noch unterwegs sein ?" fragte sie ihren Mann. Dieser zuckte mit den Schultern "Diese endlosen Wälder nehmen einem jegliches Gefühl für Entfernungen. Zeit und Raum verschwimmen. Kann nichts erkennen, die Sinne schwinden..." Er sackt am Lenkrad zusammen.

"Lass den Quatsch, Martin." kicherte seine Frau und stiess ihm einen Finger in die Rippen.
"Ich denke, in zwei Stunden sollte es geschafft sein. Oder was denkst du, Partner?!" Er blickte kurz zu seinem Sohn. Aber Jacob nahm keine Notiz von der Frage und sah aus dem Wagenfenster.

Das satte Grün der Nadelriesen am Strassenrand schimmerte in der Mittagssonne wie die Stoppeln der Wiese hinter ihrem Hof, wenn Großvater sie gerade gemäht hatte. Jacob stieg der Geruch des geschnittenen Grases in die Nase. Er liebte diesen Duft. Auf der Suche danach kurbelte er ein wenig die Scheibe herunter. Frisch geschlagenes Holz, Baumharz, Kiefernadeln, Tannentriebe, feuchtes Moos, Waldbeeren, Pilze. Jacob war überwältigt vom sommerlichen Bukett des Waldes. Er hatte einen zweiten Lieblingsduft!

Aber ging das denn? Zwei Lieblingsdüfte? Schließlich hatte er ja auch nur ein Lieblingskuscheltier, einen Lieblingscomic, einen Lieblingsfilm, eigentlich kann ja immer nur einer der Gewinner, der Favorit, sein Favorit sein. Er hielt seine Nase direkt an den Fensterspalt. Opa's Wiese - Sommerwald, Opa's Wiese - Sommerwald, Opa's ...

"Jacob?! Träumst du? Papa hat Dich was gefragt."
"Ja, wie, weiß auch nicht ..." etwas verwirrt, aber vorwiegend verärgert über die Störung seiner Geruchsstudie, verdrehte Jacob die Augen und liess sich heftig in den Sitz plautzen.
"Ich habe vor circa zehn Minuten die Werbetafel eines Rasthauses gesehen, dass da noch 20 Kilometer entfernt war, müsste also bald auftauchen. Dort legen wir einen kleinen Boxenstopp ein. Okidoki, Cowboy?!" beruhigte ihn sein Vater.
"Hmm ..." Der Gedanke an eine kalte Coke und das Kuscheln mit Mama stimmte Jacob versöhnlich und er schenkte Papa ein etwas verkniffenes Lächeln.
"Doris, siehst du mal bitte auf der Karte nach der Richtung. Dort vorne ist eine Gabelung."
"Puh, ich und Kartenlesen. War noch nie eine gute Pfadfinderin. Warte ..."
Er nahm ein wenig das Gas zurück.
"Warte ..."
Die Tachonadel arbeitete sich langsam zurück. 70. 60. 50.
"Gleich ..."
Mittlerweile hätte eine Radwandergruppe sie abhängen können.
"Ich hab's gleich ..."
"Doris, noch einen Gang tiefer und wir fahr'n rückwärts ..."
"Links!! Nein, rechts!! Nein ... Martin, ich ..." flehte seine Frau verzweifelt.
"Also gut, schau ich halt nach." schnaufte Martin forsch und legte eine Vollbremsung hin, die aber auf Grund des Tempos eher einem Ausrollen glich. Trotzdem herrschte seine Frau ihn sofort an "Bist du wahnsinnig?!! Du kannst doch nicht mitten auf der Straße anhalten!!"
"Oh stimmt, ich fahr sofort rechts ran. Direkt ins Unterholz oder lieber die Böschung hinunter? Nicht, dass uns noch ein Eichhörnchen über den Haufen rennt. Die Biester sind unberechenbar." grinste er sie an.
"Jetzt sei nicht albern. Ich meine es ernst." Seiner Frau war nicht zum Scherzen zumute. "Denkst du denn überhaupt nicht an Deinen Sohn?!"
"Liebling, ich bitte Dich. Wir haben seit Stunden keinen Menschen, geschweige denn ein Auto gesehen. Sieh doch ..." er tippte auf den Rückspiegel, in dem sich die graue Schlange im endlosen Grün verlor.
Zwischen den Beiden schob sich ein rotblonder Wuschelkopf nach vorne. "Geht's jetzt endlich weiter? Ich muss mal."
"Klar, Chef, wir starten durch!" Sein Vater nahm wieder die Fahrt auf und wählte instinktiv den rechten Weg.
"Sicher dass ...?!" Doris wollte kurz Zweifel bezüglich der Wegwahl vorbringen, aber vertraute dann einfach darauf, dass ihr Mann schon wüßte, was er tat. Auch Jacob war froh, dass es nach dem unfreiwilligem Zwischenstop wieder weiter ging, denn der blasse Junge, der ihn aus dem Dickicht angestarrt hatte, war irgendwie unheimlich.

Die Musik aus dem Autoradio konnte das fluchende Gemurmel, das die Fahrt schon seit einer Stunde begleitete, kaum noch übertönen.
"Martin, bitte ... der Junge." zischte Doris.
"Nimmt dieser verfl... Wald denn kein Ende?! Und wo ist das verd... Rasthaus?! Verf... nochmal!!!" Martin schlug aufs Lenkrad.
"Soll ich nochmal in die Karte ..."
"Die Karte, die KARTE, DIE KARTE!!! Wäre doch dein Interesse für diese versch... Karte vor einer Stunde so groß gewesen!!!"
"Jetzt hör aber auf! Du hast Dich doch hier als Mister Kompass aufgespielt und die Route gewählt."
"Mama, Papa, ich muss wirklich ganz dringend." Jacobs kleine Notlüge von vorhin, um schnell weiter zu kommen, ist mittlerweile drückende Realität geworden.
"Also gut, ein wenig frische Luft tut uns sicher allen gut."
Martin lenkte den Wagen soweit es ging auf den Randstreifen und hielt an. Jacob fröstelte, als er ausstieg. Zum späten Nachmittag kühlten die langen Schatten den Wald schnell aus.
"Jacob, Schatz, zieh dir bitte Deine Jacke über."
"Och Mama, ich pinkel nur schnell und hüpf dann gleich wieder ins Auto, okay?!"
"Aber renn bitte nicht zu weit in den Wald, hier guckt dir bestimmt keiner was ab."
"Alles klar, Mama."
"Und schnupper nicht noch an jedem Baum," rief ihm sein Vater hinterher "ich will nicht auch noch die Messe verpassen, wenn es schon kein Mittag gab."
"Nee, geht schnell." Jacob sah sich nach einem geeigneten Baum für sein Geschäft um. Zu dünn, zuviel Unterholz. Dort wachsen Pilze dran, das geht nicht. Als er eine abgestorbene Kiefer auserwählt hatte, war er doch etwas weiter vom Auto entfernt, als es Mama sicher lieb war. Was solls, er musste hier und jetzt und war ja auch gleich fertig.

In das befreiende Plätschern mischte sich das Starten eines Motors. Mann, die habens aber eilig. Jacob drückte heftig, um schnell zum Ende zukommen. Das Motorengeräusch steigerte sich etwas, nur um sich daraufhin langsam zu entfernen. Was soll das denn? denkt sich Jacob, während er mit dem Reissverschluss kämpft. Will Papa mal wieder witzig sein? Zunehmend beunruhigt machte sich Jacob anfangs laufend, dann panisch rennend zurück zum Haltepunkt, nur um in die Rücklichter und die starren Augen des blassen Jungen zu blicken, der nun auf dem Rücksitz des Wagens seiner Eltern saß.

Merken sie denn gar nicht, dass ich nicht da bin?! Jacob schossen die Tränen in die Augen. Sie kommen sicher gleich zurück, ich muss nur hier warten, dachte er verzweifelt. Vielleicht bringen sie den Jungen zu seinen Eltern?! Aber Mama hätte doch wenigstens hier warten können?! Haben sie mich verwechselt?! Mit diesem Jungen?! Das alles war zuviel für Jacobs achtjährigen Verstand. Von Weinkrämpfen geschüttelt schlug er am Straßenrand auf die Knie. 

Jacob wusste nicht, wie lange er dort gekauert hat, aber als er seinen tränenverschleierten Blick wieder aufrichtete, begann die Dämmerung schon das Wiesenstoppelgrün in ein Asphaltstraßengrau zu verwandeln und der Wald verschmolz mit der Straße zu einer nebligen, dunklen Wand.

Was, wenn niemand zurück kommt?! Wenn keiner hier hält?! Wenn er die Nacht alleine in diesem riesigen, endlosen Wald verbringen müsste?! Sicher wäre er am nächsten Morgen tot! Dann würden sie schon sehen, was sie davon hätten! Dann würden s i e sich die Augen ausheulen!

Das trotzige Aufbäumen war nur von kurzer Dauer, der Gedanke an die hereinbrechende Nacht, ließ Jacob schnell wieder spüren, dass er doch nur ein Kind war. Hätte er doch nur auf Mama gehört und die Jacke angezogen, wäre er doch nur netter gewesen und hätte nicht so rumgemault, hätte ... Jacob hatte schon keine Tränen mehr ... hätte er doch nie das Auto verlassen. Er übergab den kümmerlichen Rest Cornflakes vom Morgen auf seine Schuhe und brach erneut zusammen. Der Asphalt gab noch ein wenig gespeicherte Wärme ab, so dass Jacob sich bereitwillig am Straßenrand in die Umarmung eines Dämmerschlafes begab. 

Als er wieder erwachte, glaubte er zunächst, immer noch zu träumen. Obwohl er die Augen geöffnet hatte, war nur undurchdringliches Schwarz vor ihm. Er rieb sich die Augen, aber so sehr er sich mühte, er war wach und es blieb dunkel. Vorsichtig tastete er nach dem Boden. Er spürte die rauhe Oberfläche der Straße und die Erinnerung schlug ihm ins Gesicht. Seine Eltern, das Auto, der Wald, der ... Junge. Wieder füllten sich seine noch blinden Augen mit kleinen Rinnsalen. Nein, er musste bei klarem Verstand bleiben, dachte Jacob erstaunlich erwachsen, wischte sich die Tränen weg und richtete sich auf. Ganz sicher würden sie längst nach ihm suchen. Schon bald ist er von einer ganzen Armada Polizeifahrzeuge umringt, sie würden ihm Decken und heißen Kakao bringen und er könnte sich endlich in Mamas Arme kuscheln.

Jacob richtete seinen Blick nach oben. Gerade heute verbargen sich Mond und Sterne hinter einer dichten Wolkendecke. Langsam begannen seine Augen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und er konnte schemenhaft die Wipfel der Bäume erkennen, die ihn von allen Seiten einschlossen. Auch sein Hörvermögen erwachte und er nahm die Geräusche wahr. Jacob liebte den Klang der Natur. Vogelzwitschern, Grillenzirpen, Bienensummen, Bachplätschern. Nur nachts waren die Geräusche anders. Jacob stand ganz still, traute sich kaum zu atmen. Der Wald hüllte ihn in eine unheimliche Geräuschkulisse, angefüllt mit Ächzen, Knurren, Knacken. Und seine Phantasie lieferte auf der schwarzen Leinwand, die ihn umgab, die Bilder dazu. Er zitterte am ganzen Leib, weniger der Kälte wegen, nein, er hatte Angst, abgrundtiefe, scheußliche Angst. Er hielt sich den Mund zu. Bloss nicht schreien, sonst würden die Geräusche ihn finden. Aber er will ja gefunden werden, nur nicht von hungrigen Bären oder Wölfen oder Schlimmeren.

In seiner Verzweiflung suchte er in den Schatten, die er nun erkennen konnte, nach einem Versteck. Ein Strauch, Unterholz, eine Baumhöhle, irgendwas, bitte. Er drehte und wandte sich in alle Richtungen und blickte plötzlich in zwei glühende Augen. Jacob war wie gelähmt, konnte nicht schreien, nicht denken, nicht weglaufen. Die Augen kamen näher. Jacob wurde schwindlig und er stürzte rücklings auf die Straße. Das war sein sicheres Ende. Er würde die Besinnung verlieren und das Tier, oder was auch immer sich hinter diesen unheimlichen Augen verbarg, würde ihn bei lebendigem Leib zerreißen. Oder ihn überollt ein Auto. Ein Auto?! Jacob setzte sich auf. Ja, natürlich, ein Auto. Keine Augen. Keine Bestie. Nein, seine Rettung, das Ende des Alptraumes, ein Auto!

Er sprang auf die Füße. Der Größe der Lichter und dem Motorengeräusch nach zu urteilen, war es noch zwei, zweieinhalb Kilometer entfernt. Jacob trat ein wenig zur Seite auf den Grünstreifen. Nicht, dass ihn der Fahrer übersieht und sein Retter ihm den Tod bringt.

Noch zwei Kilometer. Den Tod bringt. Was, wenn es kein Ritter in strahlender Rüstung ist?

Noch anderthalb Kilometer. Was, wenn es jemand ist, der kleine Jungs kaputtmacht? Jacob tratt einige Schritte zurück.

Noch einen Kilometer. Mama sagte, dass es die tatsächlich gibt. Wie der, der letztes Jahr den Jungen aus dem Pfadfindercamp kaputtgemacht hat.

Noch achthundert Meter. Steige nie zu einem Fremden ins Auto. Ja, Mama, versprochen. Jacob drückte sich an den Baum, den er hinter sich spürte.

Noch fünfhundert Meter. Aber er musste doch hier weg. Was sollte ... was konnte er riskieren?

Dreihundert Meter. Die Lichter brannten in seinen Augen. Ob er ihn schon gesehen hatte? Der Pick Up wurde langsamer.

Einhundert Meter. Oh nein, sicher hat er ihn gesehen. Jacob stellte sich sein sabberndes, schmutziges Grinsen vor. Er versteckte sich jetzt hinter dem Baum.

Fünfzig Meter. Konnte er da ein Gewehr an der Ladefläche erkennen?

Zwanzig Meter. Eine Schaufel? Stricke?

Zehn Meter. Eine fleckige Plane?

Der Wagen hielt an. Jacob rannte so schnell es nur ging in die finsteren Eingeweide des Waldes. Keinen Blick zurückwerfend und durch einige Stürze gebremst, entfernte sich der Junge immer weiter von der Straße.

Dort verließ der Polizeibeamte seinen Wagen und leuchtete mit seiner Magelite in die Böschung. Ihm war, als hätte er etwas gesehen. Ein Tier? Oder war es ein Kind? Der Dienst am Staudamm hatte ihm wohl etwas zugesetzt, auch war es schon spät geworden. Wieder im Wagen schaltete er das Radio ein, goss sich Kaffee nach und fuhr weiter.

Keuchend stürzte Jacob auf den feuchten Waldboden, Nadeln stachen in seine Handflächen, Moder drang durch seine Kleidung. Mit jedem seiner pfeiffenden Atemzüge regenerierte sich seine Kondition und sein Puls begann zu sinken. Nur um kurz darauf wieder in die Höhe zu schießen, denn die Angst, die Ungewissheit, das Verlorensein war nun fast greifbar. Durch seine Flucht hatte sich Jacob komplett von jeglicher Zivilisation abgenabelt und die ächzende Dunkelheit machte ihm zweifellos klar, dass es keine zweite Chance geben würde. Schlafen, dachte sich Jacob, ich muss versuchen zu schlafen, bei Tageslicht wäre es ein Leichtes hier raus zu kommen. Doch der Weg dorthin war noch ein langer, dunkler Alptraum, an dessen Beginn sich ein kleiner, blasser Junge auf einem Bett aus fauligem Unterholz, Pilzen und Nadeln zusammenzog, den Daumen in den Mund nahm und an seine Mama dachte.

Kälte kroch wie ein Raubtier, das Witterung aufgenommen hatte, durch den Wald, auf der Suche nach Wärme, die sie nehmen und Gefühle, die sie erstarren lassen konnte. Und sie war nicht die einzige, die heute Nacht auf der Suche war. Etwas anderes kam mit ihr. Etwas, dass älter war als dieser Wald, älter als das Land, auf dem er wuchs, älter als der Mensch, der sich dieses Land Untertan gemacht hatte. Beide wetteiferten durch Tannenwipfel, fauchend, peitschend, haltlos. Bis sie ein leises Klopfen vernahmen, schwach pulsierende Wärme, ein Herz schlug unter den Wipfeln, ausgesetzt, verloren, allein. Nahrung. 

Das Rauschen, dass Jacob vernahm und aufkommendem Wind zuschrieb, schien näher zu kommen. Er kniff die Augen zusammen, zog die Beine soweit es ging an seinen Körper, sein Herz raste und die Geräusche machten einen gewaltigen Schritt auf ihn zu. Etwas berührte seinen Fuß. Jacob zeriss es innerlich, er biss auf seinen Daumen, bis er Blut schmeckte. Die Berührung kroch sein Bein hinauf, bald würde sie sein Gesicht erreicht haben. Ohnmächtig schlug Jacob danach, was zur Folge hatte, dass die Berührung ihn packte. Eine eiskalte Hand umschloss seinen dünnen Unterarm. Jacob riss die Augen auf und blickte direkt in die fahle, verzerrte Fratze des Jungen.

Jacobs kleiner Verstand entgleiste vollends. Schreiend, wild um sich schlagend, sabbernd, greinend, riss er den Nachtmahr umher, der schrill kreischte. Entsetzen, Wahn, Verzweiflung trieb diesen wilden Reigen voran, in dessen Verlauf Jacob einige Wortfetzen wimmern konnte. "Mei ... Mama ... hast ... du ... getan"

Im Antlitz des gespenstischen Jungen formte sich ein kleiner Kreis.

"Ooooo ...."

Der dunkle Schlund wuchs parallel zur Lautstärke der Intonierung.

"OOOooo ...."

Jacob konnte sich losreisen und taumelte einige Schritte zurück.

".... ooooOOOT"

Der Junge hob seinen Arm und wies auf Jacob. Es formte sich wieder ein gurgelnder Laut. Jacob rannte los, er wollte nichts hören, vernahm nun aber doch allzu deutlich, was dieser Spuk ihm klagte

"TOOOOT!!!"

Jacob drückte sich die Handflächen auf die Ohren, konnte aber diesen Misslaut nicht ausblenden.

"Toooot!" dröhnte es in seinem Kopf.

"Toooot!" schrillte es von dem Jungen, der sich zwar immer weiter entfernte, jedoch in Jacobs Kopf weiter zu spuken schien.

"Tot! Tot! Tot!" Schwindel riss Jacob zu Boden, kollabierende Körperfunktionen nahmen ihm die Sinne. Endstation.

Den nächtlichen Alptraum hinter sich gebracht, stolperte Jacob ziellos mit leerem Blick durch endlose Tannenreihen. Er fühlte nichts, er dachte nichts, er hoffte nichts. Tot.

Die Strasse. Ein Auto. Seine Eltern. Verändert, aber seine Eltern. Sie saßen im Auto. Jacob öffnete wortlos die Hintertür und stieg ein. Sie nahmen keinerlei Notiz von ihm. Zwischen ihnen hing am Rückspiegel ein Bild von Jacob mit 7 Jahren im Pfadfindercamp. Seine Mutter stieg aus und legte Blumen an der Stelle nieder, an der sich vor einem Jahr einer der Campaufseher der geschändeten Leiche ihres Sohnes entledigt hatte. Als sie wieder losfuhren, sah Jacob einen Jungen aus dem Wald rennen, der ihn weinend anstarrte.

Armer Jacob, dachte er sich, diese Nacht wird furchtbar.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.01.2012

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