Kapitel 1
Langsam verschwand die rotglühende Sonne hinter den Baumkronen der großen Eichen, die den schmalen Feldweg umrandeten. Ein Meer aus Farben füllte den wolkenlosen Himmel, während Vogelgezwitscher fröhlich an mein Ohr drang. Eine ausgelassene Atmosphäre umhüllte mich und ließ meine Sinne schweben. Mit geschlossenen Augen ließ ich mich ins weiche Gras fallen, wo ich prompt von unserer Border-Collie-Mix Lady Sunny mit feuchten Küssen empfangen wurde. Erschrocken öffnete ich die Augen und blickte in weiche, schokoladenbraune Hundeaugen, die mich neugierig studierten. Ein Glücksgefühl, hervorgerufen durch das strahlende Wetter, dem leichten Wind, der Geheimnisse zu erzählen schien und der ausgelassenen Laune die Sunny ausstrahlte, durchzog meinen Körper und ließ mich jubeln. Mein Lachen breitete sich über die bunten Felder aus und Sunnys Bellen war lauter den je. Es war ein Tag, den man so schnell nicht vergaß, obwohl es einer wie jeder war, war er dennoch besonders. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus und versprach etwas Aufregendes. Ich wusste noch nicht, was mich erwarten könnte, doch ich freute mich umso mehr darauf. Etwas würde geschehen, etwas, was mein Leben verändern sollte.
Kapitel 2
Wie jeden Tag setzte sie ihr Leben fort, als wäre nichts gewesen, doch es war etwas, etwas, was sie schwer mitnahm. Doch sie sollte es sich aus dem Kopf schlagen, sie sollte sich ihn
aus dem Kopf schlagen. Was war schon so besonderes an ihm? Er war ein Junge wie jeder andere und doch war er besonders, besonders für sie. Während sie ihre Bettdecke wegzog, nahm sie ihr kleines geliebtes Handy in die Hand und checkte ihre SMS. Vier neue Nachrichten, versprach es ihr, doch keine einzige von ihm, von dem sie sich mehr als von jedem andere eine wünschte. Er hatte sich nicht gemeldet. Sie versuchte sich einzureden, dass sie ihn warten lassen sollte. Wie hatte Marie gesagt? Mach es ihm nicht zu leicht. Nein, dass würde sie nicht tun, zu mindest würde sie dies versuchen.
„Sophie, Maus? Bist du schon wach?“, erklang eine weiche Frauenstimme.
„Ja, Mama.“, rief sie erschrocken.
„Du musst dich beeilen, ich kann dich heute nicht mitnehmen. Ich muss den Laden aufmachen, also steh bitte auf.“, die sonst so liebe Stimme ihrer Mutter wirkte gestresst.
Sophie sah sich in ihrem Zimmer um. Es war klein, aber gemütlich und mit neuen weißen Möbeln von Ikea ausgestattet, für die ihre Mutter hatte hart arbeiten müssen. Sie führte einen kleinen Tante-Emma-Laden in der Innenstadt und schuftete von Morgens bis Abends für wenig Geld. Nicht viele Einwohner interessierten sich für die doch sehr schönen Kleinigkeiten, an denen ihre Mutter Tag und Nacht saß. Von selbstgeflochtenen Blumenkränzen bis hin zu kleinen Holzfiguren fand man alles in Ilkas Wunderkiste. Am liebsten hätte Sophie sich versteckt, in ihren großen rosa Kissen, die auf ihrem Bett verstreut lagen. Sie wollte nicht zur Schule, nicht zu Marie oder den anderen, die wie immer über das neuste quatschen mussten, den das neueste wäre das Drama, das sich zwischen ihr und Andy zugetragen hatte und das wollte sie bei weitem nicht noch mal durchleben. Sie wollte doch nur, dass alles wieder wie früher war, wo sie und Andy das Traumpaar waren.
Waren sie überhaupt mal ein Paar gewesen?
„Sophie. Komm!“, Ilkas Stimme klang jetzt schon nicht mehr gestresst, sondern Stinksauer. Sophie sprang von ihrem Bett und kramte die Sachen, die sie gestern getragen hatte, von einem großen Wäschehaufen zusammen und verschwand im Bad. Der große Spiegel zeigte ihr ein Selbstbewusstes Mädchen, welches die Trauer ins Gesicht geschrieben stand, doch sie wollte es sich nicht anmerken lassen. In wenigen Minuten war sie angezogen und geschminkt. Sie brauchte nie lange morgens. Passend zu Frühling trug sie ein helles, langes T-Shirt, eine kurze Jeanshose und eine schwarze Leggins drunter. Ein breiter Gürtel umrandet ihre Taille und betont ihre gute Figur. Das hellblonde Haar locker zu einem Zopf zusammen gebunden und den Pony quer über ihrer Stirn betrat sie den Flur um ihre schwarzen Ballerinas anzuziehen.
„Schätzchen, so willst du doch nicht ernsthaft zur Schule gehen?“, erklang eine dunkle, ruhige Stimme hinter ihr.
„Oma.“, ein Lachen strahlte über Sophies zarte Lippen. Ihre Laune konnte noch so schlecht sein, ein Wort ihrer Großmutter und ein Lächeln war auf ihre Lippen gezaubert.
„Das ist jetzt neuste Mode, Oma.“, erklärte sie der alten Dame.
„Du siehst wunderschön aus, kleine Lady.“
Sophie nahm ihre Oma in die Arme und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wangen, wofür sie sich selbst mit ihren fünfzehn Jahren nie zu Schade war.
„Hopp los, kleine Lady, du musst dich beeilen. Ilka ist schon gefahren. Du musst auch langsam los.“
Mit einem flüchtigen Lächeln verabschiedete Sophie sich von ihrer Oma, nahm im gehen ihre weiße Ledertasche und ihre schwarze Sweatshirtjacke und verschwand rennend aus der Tür.
Kapitel 3
Auch wenn der letzte Tag einer der schönsten in meinem Leben war, begann der heutige wie jeder andere.
Mein Wecker klingelte wie jeden Tag viel zu früh und riss mich aus meinen Träumen, doch noch schlimmer war Sunny, die mich wach lecken musste.
„Sunny, du Mistsau.“, rief ich gespielt sauer, musste aber bei ihrem Blick lachen.
Mit meiner rechten Hand drückte ich den piependen Wecker aus und ging ins Bad, wo der schwarze Pullover und die Jeans von gestern auf mich wartenden. Ich entschied mich aber statt für den Pulli für ein T-Shirt und meine geliebte grüne Sweatshirtjacke. Fertig angezogen und gekämmt ging ich runter in die Küche. Der Küchenwecker zeigte halb acht an. Früh genug um noch ein Brot zu essen.
„Guten Morgen, Lukas“, erklang die strenge Stimme meines Stiefvaters hinter mir.
„Morgen.“, erwiderte ich träge.
Nicht, das ich ein Morgenmuffel wäre, aber dieser Mann war der schrecklichste, den ich je kennenlernen musste. Er musste immer geschäftig und sehr wichtig klingen, was mir echt auf die Nerven ging.
Um ihn nicht länger aushalten zu müssen und mich vor einem ‚ernsthaften’ Gespräch zu drücken ging ich in den Flur, zog meine Chucks an, schwang mir meine Tasche auf den Rücken und machte mich auf den Weg zur Schule.
Ein neuer aufregender Tag stand mir bevor.
Kapitel 4
Marie stand schon an der Tür zu Klasse und empfing Sophie mit einem breiten Lächeln, das sich immer mehr in eine traurige Grimasse verwandelte.
„Sag nicht, er hat sich immer noch nicht gemeldet?“, Marie klang gleichzeitig enttäuscht und vorwurfsvoll.
Was dachte sich dieses Arsch eigentlich?
Sophie brachte nicht mehr als ein leichtes Schütteln zustande, doch mehr musste sie auch nicht. Sofort nahm Marie sie in dem Arm.
„In der Pause reden wir weiter.“, kündigte sie an. Dann kam auch schon Misses Baker, die Amerikanische Englischlehrerin und bat die beiden Mädchen in die Klasse und begann den Unterricht.
Der erste Block Englisch verging wie in Zeitlupe für Sophie. Kaum erklang die Schulglocke schon sprang Marie neben ihr auf und führte sie zu den Bänken auf dem Schulhof. Die Sonne schenkte ihnen ihre ersten Strahlen, auch wenn sie Sophies Herz nicht berühren konnten.
„Ich verstehe nicht, wie er so was mit dir abziehen konnte.“ Maries schlechte Laune stieg ins unermessliche. Scheinbar machte es ihr Spaß sich über Andys Art aufzuregen. Mehr als das Beziehungschaos aus Sophies Leben hatte sie nicht.
„Also noch mal von Anfang an.“, begann sie zum gefühlten hundertsten Mal.
„Zuerst schreibt er dir einfach eine SMS, in der er sagt, wie toll er dich findet seid er dich das erste Mal auf dem Fußballspiel gesehen hat. Dann trefft ihr euch zwei, drei Mal und dann macht der direkt mit dir rum?“, sie machte eine kurze, dramatische Pause.
„Und jetzt sagt er, du bedeutest ihm nichts. Du warst nur zum Spaß.“ Sie schüttelte energisch mit dem Kopf.
„So ein Vollidiot.“, sagte sie bestimmt.
Sophies Blick hatte sich mehr und mehr gesenkt, nun starrte sie traurig auf ihre Ballerinas.
„Und was machen wir jetzt um es diesem Idiot heimzuzahlen?“, fragte Marie sie.
Der Schulhof hatte sie bereits gefüllt, doch Sophie nahm nichts mehr wahr. Ihr Blick, gerichtet auf den Boden unter ihr, wurde immer abwesender.
Leicht schüttelt sie den Kopf. Nein, sie wollte es ihm nicht Heimzahlen.
Sie wollte ihn zurück.
Kapitel 5
Alex’s Stimme dröhnte an mein Ohr. Er berichtete mir, wie er am Wochenende eine heiße Mieze, so wie er sie nannte, abgeschleppt hatte. Ich konnte sein Angeberisches Getue nie leiden, dennoch war er mein bester Freund. Dafür gab es nur einen Grund, man konnte sich, egal in welcher Situation vollständig auf ihn verlassen. Ich ließ meinen Blick über den vollen Schulhof schweifen. Die kleinen fünf oder vll. auch sechst Klässler spielten in der Mitte des Schulhofes Fußball. Die besonders coolen standen zwischen den Bäumen und rauchten, doch das was ich am meisten suchte, fand ich nicht. Wo war sie, sie mit den blonden Locken, der Engel, der mir meinen Verstand raubte.
Ich fand sie auf einer Bank sitzend mit gesenktem Blick. Sie schien nicht besonders glücklich, was war geschehen? Was war aus meinem fröhlichen, immer gutgelaunten Engel geworden?
Tim stupste mich an und zeigte auf seinen neuen IPod, den er zu seinem siebzehnten Geburtstag bekommen hatte. Ich nickte leicht, doch nahm nichts wahr. Für mich zählte nur mein Engel.
Texte: Alle deutschen Rechte liegen bei mir, der Autorin.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch widme ich einem Jungen, dem ich mein Herz geschenkt habe, der dies aber noch nicht bemerkt zu haben scheint. Er spielt die Hauptrolle in diesem Roman, auch wenn wahrscheinlich nicht alles über ihn stimmt.
Ich hoffe er wird wie Lukas in diesem Roman auch mal für mich den Retter in Not spielen und mich aus meiner auswegslosen Situation holen.