Cover

Schon seit Tagen rannte meine Familie wie wild durch Haus, aber ich verstand immer noch nicht, was los war. Ja und ich, ich bin Emil, ein schwarz-weißer Kater.
"Mensch, Emil, jetzt geh doch mal aus dem Weg!", schimpfte da schon wieder mein Frauchen. Ja ja, ist ja schon gut. Denen konnte man es aber auch nie Recht machen. In letzter Zeit stand ich ständig im Weg, niemand streichelte mich und manchmal vergaßen sie sogar, mir mein Futter in den Napf zu füllen. Wirklich, sehr freundlich, muss ich schon sagen. Ich tappte also wieder zurück in meinen Korb und schloss kurz die Augen.
Doch da kam schon wieder jemand vorbei geschneit, diesmal die Tochter. Sie war meist am nettesten zu mir, aber diesmal sah es nicht so aus, als wäre sie wegen mir da. "Mensch, wo ist denn dieser blöde Fotoapparat nur?", murmelte sie vor sich hin. Tja, woher sollte ich das denn schon wissen?!, dachte ich genervt. "Ach, da ist er ja!", sagte sie erfreut und war auch schon nicht mehr zu sehen. Na super, und was ist mit mir? Ich bin wohl unsichtbar, oder was? Was war denn überhaupt los mit denen? Ständig suchten sie irgendetwas, stopften ihren halben Kleiderschrank in irgendwelche Taschen und letztens hatte ich mein Herrchen sagen hören, ob denn noch genug Sprit im Auto sei. Also irgendwas lag da in der Luft, das spürte ich ganz genau. Nur was?? Ah, da kam schon wieder das Mädchen herein. Fröhlich sang sie etwas vor sich hin. "Mensch Emil, das wird so toll!", oh wow, jemand sprach mal wieder mit mir!. "Du kannst es dir wahrscheinlich gar nicht vorstellen: Die ganze Zeit Sonne, Meer und süße Jungs! Das wird ein richtig cooler Urlaub!" Sie nahm mich hoch und ich schnurrte vergnügt. "Ja, und du kommst mit, Emil! Du kommst natürlich mit nach Italien!"
Aha, das war es also. Urlaub in Italien. Naja, wenigstens parkten sie mich nicht wieder bei Tante Gred, so wie im letzten Jahr. Mich grauste es heute noch, wenn ich daran dachte. Sie setzte mich wieder ab und ging in die Küche. OK, Urlaub in Italien. Puh, das musste ich erstmal verdauen.

Am Tag der Abreise stellte meine Familie alle Taschen in den Flur und steckten mich in meine Box. "So Leute, jeder schnappt sich seinen Koffer und alles was er sonst noch tragen kann und dann geht es los.", sagte mein Herrchen. Jeder packte sich also voll, aber- niemand dachte an mich! Sie schlossen einfach die Tür hinter sich und ließen mich allein! Aber ich dachte, ich sollte mitkommen? Und vor allem, wenn sie es sich doch anders überlegt hatten und ich hier bleiben sollte, warum zum Teufel hatten sie mich dann in diese blöde Box gesteckt? Ja ja, manchmal kann das Leben eines Katers schon verwirrend sein. Vielleicht musste ich mich einfach bemerkbar machen! Ich wollte gerade schon extra laut miauen, da hörte ich von draußen jemanden rufen :"Man Leute, wir haben den Kater vergessen!" Kurz darauf wurde die Tür wieder aufgeschlossen und mein Frauchen nahm mich endlich mit. Na bitte, geht doch!
Im Auto rappelte es ziemlich und in dieser blöden Box war wie gesagt nicht viel Platz. Die ganze Zeit fühlte ich mich wie in einem Gefängnis. Meine Familie hingegen spielte vor lauter Freude geradezu verrückt. Die ganze Zeit drehte das Mädchen die Musik laut auf und sang -ziemlich schief- jeden Text mit. Der Junge drückte auf irgendeinem kleinen Ding mit Knöpfen und Bildschirm herum. Naja, der sagte auch sonst sowieso nie so viel. Ich wusste zwar nicht ganz genau wie weit es bis nach Italien war, aber ich hatte durch einige Gespräche aufgeschnappt, dass es wohl sehr lange dauern würde. Na super. Ahh, jetzt hielt das Auto auf einmal und ich konnte erkennen, dass wir auf einer Raststätte waren. Alle stiegen aus und ich war mal wieder allein. Erst jetzt sah ich, dass das Gitter der Box ziemlich morsch war. Wenn ich vielleicht ein wenig dagegen stupste...? Sollte ich es wagen? Oder lieber doch nicht? Ach komm schon, No risc, no fun!, dachte ich mir und gab dem Gitter einen wirklich nur ganz kleinen Stoß. Doch es sprang sofort auf. Wow, es klappte! Vorsichtig schlich ich mich durch das Auto nach vorne zu einem geöffneten Fenster. Schwupp-diwupp, 2,3 Hopser und draußen war ich. Ja, es hatte geklappt! Ich war endlich raus aus dieser scheiß Box und somit auch aus dieser Irrenanstalt. Daran, irgendwann wieder zurückzukommen, dachte ich in diesem Moment gar nicht, sondern lief einfach blindlinks los, um die Gegend ein wenig zu erkunden.
Sofort kamen mir ein paar Menschen entgegen, die mich ziemlich verblüfft anguckten. Was denn, etwas noch nie eine Katze an der Tanke gesehen? Ich lief einmal ganz um das Gebäude herum, sah mir alles gründlich an und fand das alles sehr interessant und aufregend. Endlich mal was anderes. Dann fiel mir ein, dass mein Familie vielleicht weiter fahren wollte, und ging zum Parkplatz. Doch wo war das Auto? Ich kannte es doch ganz genau, ein großer, silberner Wagen mit diesen Lichtern vorne und hinten. Aber ich konnte ihn einfach nicht entdecken. Er war weg. Shit.

Na super, Emil! Echt toll gemacht! Das hast du dir jetzt nun wirklich selbst zu zuschreiben! Was sollte ich denn jetzt am besten machen?, fieberte ich. Ich stand hier mutterseelenallein auf einer Raststätte, ohne meine Familie! Ich war vollkommen verloren! HILFE!! Ganz ruhig bleiben, Emil, ganz ruhig bleiben!, dachte ich mir. Erst jetzt merkte ich, wie doof diese Idee mit dem Abhauen gewesen war. Wie konnte ich nur denken, dass ich rechtzeitig (und unbemerkt) in das Auto zurück kommen sollte oder gar das sie auf mich warten würden?? Dummer Kater, dummer, dummer Kater! Ich hatte schreckliche Angst und fing auch gleich zu fiepen an. Ah, da kam jemand, und zwar geradewegs auf mich zu! "He, kleines Kätzchen, was machst du denn hier? Hat dich deine Familie etwa einfach vergessen?" Naja, so ungefähr dachte ich still. Au ja, jetzt wurde ich auch noch gestreichelt, super! "Na komm, wollen wir doch erstmal sehen, ob wir was leckeres zu essen für dich finden, hm?!" Na klaro, wer sagt denn schon zum Essen Nein??! Der Mann nahm mich hoch und ging mit mir in den kleinen Shop. Er kaufte eine Tüte meiner Lieblingsleckerchen (hey, woher wusste er das denn jetzt auf einmal?) und trug mich wieder nach draussen. "So, dann lass es dir mal schmecken!" Oh ja, das schmeckte aber wirklich gut! Ich schlang ihm regelrecht aus der Hand, bis er sagte: "So, meine kleiner, jetzt ist aber genug!" Och mann. "Tja, und was machen wir jetzt mit dir?", fragte er. "Nimm mich mit, nimm mich mit!, betete ich im Stillen. Ich werd auch ganz lieb sein und überhaupt nichts anstellen, versprochen! "Hm, vielleicht sollten wir dich erstmal mitnehmen...Na komm, ich werd dich mal meiner Frau vorstellen."
Seine Frau sah zwar wie ein absolutes Modepüppchen aus, war dann aber doch ganz nett. Ganz ehrlich: Sie passte überhaupt nicht zu ihm, aber auch wurscht. Jedenfalls wurde ich wieder reichlich gestreichelt und umsorgt (was will man mehr?) und kurzerhand mitgenommen. Ach, was war ich froh, dass ich diesesmal nicht in dieser blöden Box eingesperrt war, die sich dann sowieso als total schrott herausstellte. Eigentlich war meine Familie ja auch ein bisschen selber Schuld, oder? Wenn sie mich erst nicht so vernachlässigt hätten, wäre ich wahrscheinlich gar nicht so beleidigt gewesen und nicht abgehauen. Und hey, sorry, aber Dummheit wird nun mal bestraft, wenn man einfach das Fenster auflässt. Aber da kam mir noch ein ganz anderer Gedanke: Würden sie wohl schon bemerkt haben, dass ich fehlte? Wahrscheinlich nicht, die waren bestimmt mal wieder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ach Mensch, irgendwie war das grade alles ziemlich vermurkst. Wo fuhren diese beiden eigentlich mit mir hin? Manchmal ist es schon doof, das man als Katze nicht sprechen kann. Jedenfalls nicht die Sprache der Menschen. Aber verstehen, das kann ich sie wohl. Wieder einmal eines dieser verwirrenden Dinge im Leben einer Katze. Der Mann hatte mich auf seinem Schoß, seiner Frau fuhr und rätselte zwischendurch immer "Also, ich frag mich ja echt, wie das Kätzchen an diese Tankstelle kommen ist. Man vergisst doch nicht einfach so schnell sein Haustier..."
"Vielleicht ist sie ja ausgebüchst", sagte ihr Mann. Ha, Bingo, meine Lieber!, dachte ich mir.
"Obwohl du mir dafür eigentlich viel zu lieb aussiehst, mein Kleiner!" Wenn du wüsstest...

Nach etwa einer Stunde Fahrt wurde ich schlagartig hundemüde. Der Mann, Gerhardt (so hatte ihn seine Frau genannt) legte mich auf den Rücksitz zwischen ein paar Decken (was ich bei meiner Familie ja nie gedurft hatte) und ich war in null komma nix eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, hatte das Auto angehalten. Nanu? Wo waren die denn? Ich reckte meinen Kopf, bis ich aus dem Fenster gucken konnte und erblickte wieder einmal das Panorama einer Raststätte. Hoffentlich blieben die nicht allzu lange weg, ich musste nämlich mal ganz dringend Pipi und Hunger hatte ich auch. Blöd. Nach einer halben Ewigkeit, wie es mir schein, hörte ich endlich die Stimmen der beiden. Die ein Autotür wurde aufgerissen und jetzt konnte ich sogar ganz deutlich hören, dass die beiden sich stritten. Anscheinend ging es um mich.
"Nein, Gerhardt, wir können die Katze doch nicht einfach mit in den Urlaub nehmen. Sie gehört uns nicht, wir wissen nicht mal ihren Namen und ganz ehrlich: Ich habe mir meinen entspannten Sommerurlaub eigentlich nicht mit so einer nervigen Katze an der Backe vorgestellt!" "Aber Gabi, du verstehst das ja gar nicht! Sie ist allein, wurde vielleicht sogar ausgesetzt, willst du das das Tier stirbt? Das wird es nämlich tun, wenn wir ihm nicht helfen!" "Ja ja, das Kätzchen tut mir ja auch Leid, aber reicht es nicht, wenn wir sie bei irgendeinem Tierschutz abgeben?" "Oh nein, meine Liebe, ich denke wir haben beide letztens diesen Artikel über solche Tierschutzvereine gelesen und wissen, wie schrecklich das für so ein kleines Kätzchen sein muss! Außerdem spüre ich, dass sie sich bei uns wohlfühlt!" "Trotzdem: Ich will dieses Vieh nicht mit im Urlaub haben!" Bitte, wie hatte sie mich grade
genannt? Hatte sie gerade im Ernst Vieh zu mir gesagt? Boahr, das ging aber nun echt zu weit! Und was mich gerade wie gesagt auch sehr beschäftigte: Ich musste mal aufs Klo! Wie als könnte der Mann meine Gedanken lesen, sah er mich an und sagte: "Na komm, ich glaube du musst mal grad raus." Ah, endlich mal wieder jemand, der mich verstand. Nachdem ich also mein Geschäft verrichtet hatte und mit ihm wieder zum Auto zurück gehen wollte, bekam er auf einmal einen ganz traurigen Blick und sagte:" Du, ich hab dich ja eigentlich ganz lieb gewonnen, aber meine Frau, die hat was gegen Katzen, weißt du?!" Na und, dachte ich, dann schieß sie doch einfach in den Wind! Die ist doch sowieso blöd, merkst du das denn gar nicht?! Und vor allem: Du stehst total unter ihrer Fuchtel! Ich wollte bei ihnen bleiben, der Mann war so nett und umsorgte mich, als wäre ich schon immer sein eigenes Tier gewesen.
"Ich glaube, ab hier musst du deinen eigenen Weg nach Hause finden, kleiner Kater.", sagte er und strich mir noch einmal über den Kopf.
"Machs gut und pass auf dich auf." Und somit ließ er mich alleine stehen, stieg ins Auto und war weg. Ich würde ihn nie vergessen.

Na super, und was mache ich jetzt schon wieder allein? Ich wartete eine Weile für der Tür des Shops, aber irgendwie bemerkte mich hier keiner. So Emil, dachte ich mir, du hast gehört was er gesagt hat: Du musst einfach deinen eigenen Weg nach Hause finden. Tja, zu Hause ist da dann aber auch niemand. Im Klartext hieß das also: Ich musste nach Italien. Aber wie sollte ich DAS denn bitte anstellen? Gerade als ich anfangen wollte, fieberhaft zu überlegen, rollte ein neuer LKW auf den Parkplatz. Erst erschrak ich mich schrecklich, bis ich dann realisiert, dass die riesen Katze auf der Plane nur aufgemalt war. Lag bestimmt an der Sonne, dass ich schon solche Gespenster sah. Aha, es war also ein LKW mit Katzenfutter. Und auf einmal kam mir DIE Idee. Im Nachhinein glaube ich, dass es wohl der beste Einfall in meinem ganzen Katzenleben gewesen war und das ich ohne diese Tat jetzt gar nicht mehr wäre. Wie wär es denn, wenn ich einfach auf den LKW aufspringen würde? Ich hätte immer reichlich zu futtern, kam sicher und heile in Italien oder jedenfalls etwas in der Nähe an und ich würde das natürlich alles so anstellen, das niemand mich bemerkte. Der Fahrer stieg aus, ging zur Toilette, gerade war niemand auf dem Parkplatz...JETZT oder nie, Emil!, dachte ich mir, sprintete zum LKW und hüpfte so leise wie es eben ging unter die Plane. Mmmhh, das roch aber schön nach Katzenfutter hier! Ich legte mich erstmal zwischen ein paar Kisten hin und machte eine kleine Verschnaufspause.
Nach einiger Zeit hörte ich Schritte, dann wurde auf einmal die Plane ein wenig geöffnet. So ein Shit! Jetzt nur gut verstecken und schön ruhig bleiben. Der Blick des Fahrers schweifte über die Kisten, er guckte gerade genau in meine Richtung...und ließ die Plane wieder sinken. Puh, was war das knapp, Emil! Ganz schönes Glück gehabt. Und da ging auch schon ein Ruck durch das Fahrzeug. Ich bekam erstmal ganz schönen Schiß. Es ging durch einige Kurven - zum Glück rutschten die Kisten nicht- und dann legte der Fahrer wieder mehr an Tempo zu. Das hieß also, wir waren auf der Autobahn. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte ich mir. Aber wohin denn auch zurück?
Ich weiß nicht wie es kam, aber irgendwie musste ich wohl eingeschlafen sein. Der LKW fuhr immer noch und ganz, ganz vorsichtig lugte ich aus der Plane hervor. Es war bereits Nacht und auch ganz schön kühler geworden. Wie gut, dass ich jetzt nicht auf irgendeiner Landstraße herumgurken musste, sondern mich in einem schön warmen, bis zur Decke mit Katzenfutter gefüllten LKW befand. Apropos Katzenfutter, Hunger bekam ich auch langsam.
Ich machte mich an eine der Kisten ran und fing an, dran zu nagen, bis ich sie aufgerissen hatte. Jetzt nur noch die Tüte kaputt reißen - Mh, war das köstlich! Wie als hätte ich mein Leben lang noch nichts gegessen.
Hoffentlich war mein Schmatzen nicht zu laut. Als ich es für genug empfand, ging ich noch einmal zur Plane und schaute heraus. Vielleicht konnte ich ja an irgendwelchen Anhaltspunkten erkennen, wo wir waren.
Da sah ich ein Schild. "Brenner Autobahn 2km" stand dort. Hm. Noch nie gehört sowas. Hoffentlich waren wir nicht in einer völlig falschen Richtung. Also zog ich meinen Kopf wieder ein. Wo meine Familie jetzt wohl war? Und wenn sie schon bemerkt hatten, dass ich fehlte, was haben sie dann wohl als erstes gemacht? Waren sie vielleicht zurück zur Tankstelle gefahren und hatten dort nachgefragt? Auf einmal vermisste ich sie ganz schrecklich. Hier im LKW war es zwar schön warm und Futter hatte ich auch, aber ich fühlte mich einfach schrecklich einsam. Ich glaube, ich hatte meine Familie noch nie so sehr vermisst.
Auf einmal merkte ich, wie der LKW eine Steigung hinauf fuhr. Oh-oh, jetzt rappelte es doch ein bisschen und der LKW schwankte. Hilfe, das sollte doch noch nicht mein Ende sein! Wahrscheinlich war der Fahrer eingeschlafen und jetzt würden wir gleich im Graben landen. Doch da fasste er sich wieder und brachte uns sicher den ganzen Berg hinauf. Bitte, bitte fahr bis nach Italien, bitte, bitte!, hoffte ich im Stillen. Und weil ich nicht wusste, was ich anderes machen sollte, legte ich mich wieder hin und döste ein wenig. Nach etwa einer Stunde lugte ich noch einmal nach draußen. Jetzt war es bereits wieder hell und ich sog die frische Morgenluft ein. Wieder vermisste ich meine Familie.

Nach nochmal einer halben Ewigkeit, wie es mir schien, hielt der LKW endlich. Wir waren mal wieder an einer Raststätte. Ich schaute mir die Leuchtschrift der Tankstelle an. Irgendwie war das alles so eine komische Sprache..hey, und zwar Italienisch! Wir waren in Italien! Jippi-ja-jey!
Nach kurzer Zeit fuhren wir auch schon weiter, immer weiter nach Italien und immer näher zu meiner Familie.
Nach gar nicht allzu langer Fahrt hielt der LKW schon wieder. Nanu?, dachte ich. Was ist denn jetzt los? Wir haben doch vorhin erst gehalten. Und da kapierte ich: Wir waren angekommen! Ich lugte aus der Plane und konnte das wunderschöne Panorama Italiens erblicken. Nur wo in Italien wollte meine Familie eigentlich hin? Ich konnte mich an etwas wie Gardasee erinnern. Aber so ein Schild erkannte ich hier nirgendwo. Und einen See schon gar nicht. Mist, gleich würde der Fahrer kommen, um die Kisten auszuladen, dachte ich und sprang unbemerkt aus dem LKW. Schnell versteckte ich mich in einem Gebüsch und wartete, bis der LKW wieder weggefahren war. Okay, jetzt war ich schon 3. mal irgendwo in der Pampa abgesetzt. Ich ging erstmal eine lange Straße entlang und wartete vergeblich auf noch einen LKW. Nur PKWs kamen ab und zu vorbei, sonst war es hier sowieso sehr verlassen. Irgendwann kam mir dann eine andere Katze entgegen. Aber ob die wohl deutsch konnte? Naja, versuchen kann man's ja mal. "Hallo, Kumpel! Wohin des Weges?", fragte aber da schon die Katze selbst. Okay, das mit der Sprache hatte sich dann wohl geklärt. "Ich versuche, zum Gardasee zu kommen. Kennst du dich hier aus?", antwortete ich. "Aber klar, und zwar in und auswendig. Ich kann dich gerne zum Gardasee begleiten." "Mensch, das wär aber toll." "Na dann ma los, wir haben noch so einiges vor uns. Wo genau solls denn hingegen?" Hm, ja, das war eine gute Frage. Erinnere dich Emil, irgendwas müssen deine Besitze doch erwähnt haben. Irgendwas. Und da wusste ich es. "Torbole! Ja genau, sie wollten nach Torbole!"
"Oh ja, schön dort, kann ich dir sagen. Da laufen lauter so heiße Kätzchen rum." Wir lachten. Und gingen los. "Wie heißt du eigentlich?", fragte er mich. "Emil, und du?" "Ich bin Karlo."
Und so begab ich mich auf den letzten Teil meiner Reise - mit Karlo.

Schon nach etwas einer Stunde konnte ich nicht mehr. "Bitte, lass uns ne Pause machen, ja?!" "Na gut, Kumpel, aber nicht zu lange. Hast du eigentlich Durst?" "Oh ja, und wie!" "Na dann komm, ich weiß wo man immer was bekommt!" Wir gingen von de Straße ab durch einen Wald, bis wir eine Lichtung erreichten. Dort prankte ein wunderschöner Bauernhof und man hörte schon das Gezeter der Hühner. "Und wenns sein muss, können wir heute Nacht auch hier schlafen, bis wir weiter gehen.", sagte Karlo.
Als wir an den Fenstern des Hauses angekommen waren, fing Karlo mit einem lauten Gezeter an. Wir mussten nicht lange warten, sofort kam die Hausherrin mit einer großen Schüssel Milch heraus. Mh, köstlich, und nett war diese Frau auch noch. Sie streichelte uns, gab uns Leckerlis und lud uns sogar ins Haus ein. Sie breitete eine Decke für uns aus und widmete sich wieder einer Strickarbeit. Da kamen ihre Kinder herein und wir wurden laut und auf italienisch bewundert. Mensch, Leute, lasst uns doch mal schlafen, wir wollten jetzt nicht spielen. Anscheinend hatte ihre Mutter auf einmal ein Machtwort gesprochen, denn alle Kinder gingen brav hintereinander die Treppe hinauf und hörte und sah die nächste Zeit nichts mehr von ihnen. Es wurde Abend und die Mutter kochte, wobei dann auch die Kinder wieder herunter kamen. Ich konnte mich nur noch an den Geruch der Suppe erinnern, denn dann fielen mir die Augen zu.
Als ich wieder aufwachte, wusste ich so gleich nicht, wo ich war - bis ich Karlo neben mir sah, der auch gerade seine Augen öffnete. Im Haus war es noch ganz still. "Komm, lass uns weiter, dann sind wir heute noch da!", sagte Karlo und ganz leise schlichen wir uns duch die angelehnte Terrassentür.
Die nächste Zeit gingen wir durch einen Wald, der schön viel Schatten bot. Karlo war wirklich ausgesprochen nett und erzählte mir von Italien. Er war mein erster richtiger Freund. Nach einigen Stunden und einigen Rastpausen, sagte er endlich: "So, und gleich können wir auch schon den See sehen." Oh ja, und da sah ich ihn - tiefblau glitzernd lag er dort inmitten der Berge. So etwas schönes sah man wirklich nicht alle Tage. "Ich muss hier jetzt leider in eine andere Richtung, aber ich kann mir vorstellen, dass du den Rest auch noch alleine schaffst. Pass auf dich auf, Kumpel." Und so verschwand er wieder zwischen den Büschen. "Werd ich machen, Kumpel. Und danke nochmal für deine Hilfe!", rief ich ihm noch nach, bevor ich mir einen Weg durch die Häuser nach unten an den See suchte.
Die anderen Katzen, die mir hier bewegten, waren wirklich hübsch - feurige Italienerinnen eben. Aber einige sahen auch abgemagert und einfach schrecklich aus. Naja, so ist da Leben. Ich kam an vielen Restaurants, Hotels und vor allem Pizzerien vorbei. Doch nirgendwo fand ich meine Familie. So langsam verlies mich schon die Hoffnung. Bei einer Pizzeria setzte ich mich kurz in die Sonne. Da hörte ich au einmal Stimmen. "Mensch, guck mal Mama, die Katze da sieht doch wirklich aus wie unser Emil!" Hey, das gab es doch gar nicht! War das ein Traum?? Da saß meine Familie beim Pizza essen und das Mädchen erkannte mich sogar! Ich hatte sie gefunden! Ich hatte sie gefunden! "Ach Mesch Kinders, ihr seht doch alle schon Gespenster! Der Emil ist weg und damit Basta. Wir können verdammt noch mal nichts dran ändern..." Aber während der Vater noch weiter redete, kam das Mädchen schon zu mir gelaufen und kniete sich zu mir. "He Emil, bist du das?", flüsterte sie. Ja, ich bins doch! Ich bins doch!, versuchte ich ihr gedanklich zu versichern. Sie nahm mich hoch und ich fing an zu schnurren. Sie ging mit mir zum Tisch zurück und da sagte auf einmal auch die Mutter: "Also Leute, wenn das nicht der Emil ist, dann fress ich nen Besen!" "Sach ich doch!", setzte das Mädchen trotzig hinzu und ich schmieg mich noch näher an ihre Schulter. "Aber wie bist du denn bloß hierher kommen, mein Kleiner? Das kann ja eigentlich gar nicht sein?" "Es ist aber nun mal unser Emil, Leute und anscheinend hat er seinen Weg wohl irgendwie gefunden. ich bin jedenfalls froh, dass wir ihn wieder haben." Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so froh, meine Familie zu sehen. Und wie ich hierher gekommen bin, das erratet ihr nie, Leute, dachte ich noch.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen Papa, weil er mir so toll geholfen hat. Und für Silke

Nächste Seite
Seite 1 /