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Ich stehe am Rande einer Klippe.
Über mir ziehen weiße Wolken an einem violettfarbenen Himmel vorbei.
Unter mir befindet sich das Meer, das mit schäumenden kristallklaren Wellen gegen das Gestein schlägt. Ich höre das rhythmische Rauschen des Wasser, welches für mich wie ein Lied klingt. Gesungen in einer Sprache die mir fremd und doch vertraut erscheint.
Eine kühle Brise kommt auf und weht den Duft von frischen Wiesentau zu mir.
Ich atme tief ein, breite meine Arme aus, gleich einem Vogel und doch weiß ich jetzt schon, dass ich nicht wie jener fliegen, sondern fallen werde. Hinein in das Meer.
Ein letztes Mal denke ich an sie und vor meinem geistigen Augen erscheint jene Frau.
Ein weiß schimmerndes Kleid bedeckt ihren lieblichen Körper. Ihre Haut ist so bleich wie
Elfenbein, ihr Haar so schwarz wie die Nacht, ihre Lippen so rot wie tausend schöne Rosen und ihre mandelförmigen Augen erstrahlen in einem hellen Grün. Sie lächelt sanft und ich lächle zurück, dann lasse ich mich nach vorne fallen und während ich hinab in die rauschenden Wellen stürze höre ich wie sie meinen Namen ruft. „Steve.Oh Steve. Mein geliebter Steve!“
Ihr Stimme engelsgleiche Stimme begleitet meinen Fall, doch plötzlich wird jene Stimme zu einem quälenden Lärm. Ich stürze weiter hinab, doch unter mir hat sich das Meer in eine pechschwarze Leere verwandelt. Ich sehe grotesk verzerrte Grimassen mit weit aufgerissenen Augen und Mündern. Sie strecken ihr mit Lumpen bedeckten Arme nach mir aus. Der Lärm schwillt an.
Meine Ohren schmerzen und mein ganzer Körper wird von unzähligen Stromstößen durchflutet. Ich falle. Ich stürze.
Die schwarze Leere kommt immer näher.
Nur noch wenige Minuten.
Lauter und immer lauter wird der Lärm und jetzt schreie ich. Schreie aus Angst und Verzweiflung. Versuche den Lärm zu übertönen. Ich reiße mein Mund so weit auf wie es nur geht und mein Schrei wird zu einem Gebrüll unartikulierte Laute. Doch all das hilft nicht gegen jenen wahnsinnigen Lärm, welcher die ganze Welt und mich ausfüllt und zu zerreißen droht. Ich strecke mein Arme nach vorne so als wolle ich das was auf mich zukommt weg drücken. Der Lärm schwillt weiter um das tausendfache an und gleich, gleich werde ich von der Leere verschlungen. Ich spüren schon die Hitze die von ihr empor kommt. Immer mehr verzerrte Geistergesichter tauchen auf und strecken ihr Arme und Klauen nach mir aus.
Wo ist sie nur geblieben? Die Frau in dem weiß schimmernden Kleid.
Warum rettet sie mich nicht vor dieser, dieser Hölle?
Nur noch wenige Sekunden.
Mit aller Kraft die mir noch geblieben ist versuche ich das mir drohende Unheil aufzuhalten.
Ich strecke meine Arme aus und brülle wie besessen. Meine Fingerspitzen berühren schon die Leere und ich spüre wie die Klauen der Geister an mir zerren. Ich schaffe es einfach nicht sie von mir fern zu halten. Und gerade als ich dabei war mit dem Kopf voran in die Leere einzutauchen höre ich etwas. Ich konzentriere all meine Gedanken darauf und plötzlich erwache ich noch immer brüllend in meinem Zimmer. Das Geräusch welches mich vor den Klauen und der Leere gerettet hatte war die schrille Melodie meines Handys.Es war nur ein Traum.
Ich spüre kalten Schweiß auf meiner Haut und noch immer kann ich den langsam verhallenden Lärm und das aufgebrachte Stöhnen der Geister hören. Mein Kopf schmerzt leicht, offenbar habe ich ihn mir, während ich panisch versuchte aus den Traum zu erwachen, irgendwie am Geländer meines Bettes gestoßen. Mit einer zitternden rechten Hand greife ich nach dem Handy.
Es ist sechs Uhr und ich schalte die Melodie der Weckfunktion ab.Ich warte ein paar Minuten, damit sich mein Atem verlangsamt und mein Puls wieder normalisiert, dann steige ich aus den Bette aus und währe fast gefallen, da sich meine Beine verkrampften jedoch gelang es mir mich vorher noch hinten fallen zu lassen, so das ich mehr schlecht als recht auf den Seitenrand meines Bettes saß. Oh Gott der Tag fängt ja gut an, dachte ich versuchte erneut aufzustehen.
Diesmal gelang es mir und ich ging hinüber zu den kleinen Tisch auf dem sich eine leere Tasse, mein Asuspc, ein gut gefüllter Aschenbecher und eine angebrochene Schachtel Pall Mall befand. Meine Hände hatten inzwischen aufgehört zu zittern. Ich nahm eine Zigarette aus der Schachtel, steckte sie mir in den Mund und suchte mit den Augen nach dem Feuerzeug. Als ich es unter den bemalten und beschrieben Blätter fand nahm ich es in die und zündete mir die Zigarette an, wobei ich gleich den ersten Rauch kräftig inhalierte und damit meine Lunge füllte. Sekunden oder gar Minuten verstrichen in denen ich einfach nur dastand und Zug um Zug das tödliche Gift der Pall Mall in mich aufnahm und durch die Nase wieder ausstieß. Dabei lese ich mir ohne es überhaupt zu merken den Spruch der in dicken schwarzen Lettern auf der Packung gedruckt war durch.
>>RAUCHEN IN DER SCHWANGERSCHAFT SCHADET IHREM KIND<< verkündete die Botschaft und leise sage ich zu mir „Na ja zum Glück kann ich nie schwanger werden und ob ich jemals ein Kind haben werde steht auch noch in den Sternen“ dann drücke ich die Zigarette in den eh schon viel zu vollem Aschenbecher aus und gehe in den hinteren Teil meines Zimmer in dem sich meine >>Küche<< befand. Sie bestand lediglich nur aus einem Toaster, einem Schrank mit zwei Herdplatten sowie einer Spüle über der sich der Boiler und ein Spiegel befand und -dem wohl wichtigsten Gegenstand für einen guten Morgen- der Kaffeemaschine. In weiser Voraussicht hatte ich sie schon soweit vorbereitet, dass ich nur noch auf den kleinen Knopf drücken brauchte, damit sie das bitter schmeckende und Kräfte weckende Gebräu zubereitete. In der Zwischenzeit während die Maschine ächzt und dampft putze ich mir die Zähne und hole neue Sachen plus Unterwäsche aus den Kleiderschrank und hänge sie über einen Stuhl. Alles im allem würde es wohl doch ein ganz normaler Tag werden, schlechter Traum hin oder her der graue Alltag hatte wie gewohnt von mir Besitz ergriffen und ich vollführe so wie die Tage zuvor mein morgentliches Ritual.
Welches aus mindestens zwei Tassen Kaffee, einer weiteren Zigarette, sowie dem duschen, abtrocknen und anziehen besteht. Rund zwanzig Minuten später befinde ich mich schon auf den Weg zur Bushaltestelle, dort angekommen rauche ich meine nächste Zigaretten und warte auf den 146er Bus. Ja es schien wirklich ein Tag wie jeder andere zu werden, aber war dieser erst einmal geschafft würde der Nächste jedoch ein wenig anders verlaufen. Denn morgen ist Samstag und noch dazu mein Geburtstag. Außer mir warteten noch vier andere Personen auf den Bus. Zwei Jugendliche zu denen ich mich mit meinen Zwanzig Jahren auch noch zählte, eine alte leise vor sich her plappernde Frau mit ungepflegten zottigen Haaren und ein Mann in einem grauen Anzug und kurzgeschorenen Bürstenschnitt mit einem Aktenkoffer in der Hand. Automatisch stufe ich letzteren in die Kategorie Bänker ein. Ich erwartete sogar, dass gleich sein Handy, welches er in einer Tasche am Ledergürtel trug, klingeln würde und ihm die Stimme am andere Ende die neusten Börsen und Aktienkurse sagen würde, damit er sich während der Fahrt ins Büro schon mal überlegen konnte welche sie verkaufen und welche sie behalten würden. Und ungelogen just nachdem ich daran dachte klingelt tatsächlich das Handy. Hastig sah Herr Bänker auf seine Uhr, brummte leise, zog das Handy aus der Tasche und drückte auf einen der Knöpfe.
„Hallo?“
„Hallo Marie.“ eine kurze Pause „Nein meine Frau hat nicht angerufen. Warum auch, schließlich denkt sie ich wäre seit Gestern in München auf der Messe.“ Okay mal wieder hat mich meine Menschkenntniss getäuscht. Der Mann der wohl bemerkt hatte, dass er viel zu laut sprach wurde leiser. Ich schaue währenddessen nach links und versuche den herannahenden Bus zu erblicken. Vergeblich. Offenbar würde er sich um einige Minuten verspäten, aber ich werde es dennoch rechtzeitig zur Arbeit schaffen. Ich denke daran noch eine Zigarette zu rauchen entscheide mich aber dagegen, als ich mit einem Mal die Stimme der Alten vernahm. „Wo bleibt denn nur der blöde Bus? Hey sie!“ Ich drehe mich um. „Können sie mir vielleicht sagen wie spät es ist? Ich muss nämlich dringend nach Hause Peter, Mary Ann und Paul warten schließlich auf mich, das ich ihnen ihr Frühstück bringe.“ Sie zeigt mit ihrer linken, faltigen Hand auf die große, volle, blauweiß gestreifte Plastiktüte. „Die Biester spielen nämlich verrückt, wenn sie nicht bald was zu essen bekommen und dann zerkratzen sie mir wieder die teuren Möbel.
Oh ja, das sind schon kleine Racker.
Eigentlich sollte ich sie aus den Schloss werfen, wo ich doch allergisch gegen Katzenhaare bin, aber ich bin doch nicht herzlos. Wo sollen sie denn hin? Sie haben doch nur mich. Nur mich. Können sie mir vielleicht sagen wie spät es ist junger Mann?“ Ich ziehe mein Handy aus der Jackentasche und sehe nach. „Kurz nach halb acht.“
„Was so spät schon? Oh Gott sie werden wieder die ganzen Zimmer verwüsten und die schicken Möbel zerkratzen. Ich habe in meinen Schloss nämlich keine Türen müssen sie wissen. Sie können in jeden Raum außer in den Keller. Ich selber hasse den Keller er ist so finster und dieser Gestank dort unten. Nein die Falltür habe ich mit einem dicken Schloß versperrt, aber die andern Räume sind offen. Ich habe nämlich keine Türen, ich hasse Türen. Warum soll ich in meinen eigenen vier Wänden die Zimmer und Räume mit Türen verschließen? Ich bin doch kein Einbrecher oder Gauner.“ Jetzt zeigt sie mit ihre Linken auf einen entfernten Hügel. Nur wage erkenne ich darauf die Umrisse eines großen Gebäudes. Es könnte tatsächlich eine Art Schloss sein. Aber ich bezweifle, dass die alte darin Wohnt. Obwohl wenn ich es mir recht überlege, es könnte auch ein Krankenhaus oder eine Anstalt sein. Und wenn es tatsächlich so etwas war, dann konnte ich mir schon vorstellen, dass die Alte dort wohnt. Nur würde es da dann ganz bestimmt Türen geben welche die man nur von Außen (für die >>schwierigen<< Patienten) und welche die man von Innen und Außen öffnen konnte. „Dort oben steht mein Schloss.“ ihr Blick verharrt einige Sekunden auf das Gebäude, dann senkt sie ihre Hand und gleichzeitig auch ihren Kopf und sieht zu Boden „Früher als ich noch jünger und nicht so kaputt war bin ich immer mit den Fahrrad runter in die Stadt um einzukaufen. Damals lebte mein Mann noch, aber das ist lange her. Jetzt hab ich nur noch mein drei Kleinen.“ Ihr Anblick stimmte mich traurig und etwas in mir wollte ihr glauben. Wollte glauben, dass das dort auf den Hügel wirklich ein Schloss war. Dass die alte Frau wirklich dort drinnen wohnte und , dass jetzt drei kleine Katzen kurz davor waren die teuren Möbel zu zerkratzen. Dann schaute sie auf und unser Blicke kreuzen sich. Ihre Augen sind glasig, wässrig und ihr Gesicht mit den vielen Falten wirkte schlaff und Müde. „Junger Mann?“
„Ja?“ frage ich. „Können sie mir vielleicht sagen wie spät es ist? Peter, Susann und Paul warten sicherlich schon darauf, dass ich ihnen ihr Frühstück bringe. Sie haben doch sonst Niemanden.“
Abermals sehe ich auf mein Handy. „Gleich viertel vor acht. Der Bus hat wohl Verspätung, aber ich bin mir sicher er ist gleich da“ Die alte Frau schaut die Straße hinunter und ich mache es ihr nach . Autos kommen und fahren an uns vorbei und nach etwa zehn, fünfzehn Meter von der Haltestelle entfernt kommt der Bus. „Sehen sie da kommt er auch schon“ sage ich und sehe die Frau mit einen, hoffentlich netten, Lächeln an. Sie senkte nur den Kopf und begann wie Minuten zuvor leise vor sich hin zu reden. Der Bus hält kurz darauf an und öffnet die Tür. Der Bänker der seine Frau offensichtlich betrog und die Jugendlichen steigen ein. Ich gehe auch zur hinteren Tür, drehe mich aber noch mal zu der Alten um die keine Anstalten machte um aufzustehen. „Wollen sie nicht einsteigen?“ frage ich sie worauf sie ihren Kopf hebt. „Nein das ist der Falsche. Ich fahre immer mit den Andern, der hält nämlich genau vor meinem Schloss. „Ach so.“ sage ich und steige ein. Während der Bus losfährt und ich mich auf die hinteren Plätze setze schaue ich aus dem Heckfenster. Ja der andere Bus wird sicherlich gleich kommen und sie nach Hause zu ihrem Schloss dort oben auf den Hügel bringen, wo Peter, Susann auch bekannt unter den Namen Maryann und Paul auf sie warteten, damit sie ihnen ihr Frühstück brachte. Der Bus biegt in die nächste Straße ein und bringt mich stattdessen zur Arbeit. Die alte Frau, oder besser gesagt die Haltestelle in der sie saß verschwindet aus meinen Blickfeld.
Es war das erste und letzte Mal, dass ich die alte Frau sah.

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Tag der Veröffentlichung: 31.12.2008

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