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1
Es ist Herbst. Der Sommer ist langsam vergangen und die Bäume bedecken den Weg mit einem orange, gelben Teppich aus Laub. Es weht ein kalter starker Wind und die Sonne schickt schwache Strahlen durch die graue Wolkendecke. Einst brachten sie Wärme, doch jetzt scheinen sie nutzlos geworden zu sein. Hastig geh ich durch die Straßen der Stadt. Ich fühle mich frei und doch kann ich nur einen bestimmten Weg gehen. Mit dem Ziel klar vor Augen gehe - ja renne ich schon fast, um meinem Ziel immer näher zukommen. -„Pass doch auf wo du hin läufst. Du Pisser!“ faucht mich ein junger Mann an. Er ist ungefähr in meinem Alter. Er trägt eine kaputte grüne Bomberjacke und verwaschene blaue Jeans. Er sieht so erbärmlich aus mit seinen verwahrlosten Sachen und seiner schwarz grauen Baseballkappe, die über seinen Haaren ruht um den darunter befindenden Läusen ein zu hause zu geben. Erbärmlich wie er da steht. Seine Augen sind genauso verwaschen wie seine Jeans. Ausdruckslos. Leer. In einer Hand hält er ein Bier. Ein Säufer in meinem Alter! Egal.
„Sorry“. Kommt es flüchtig und leise aus meinen Mund und schon setzte ich meinen Weg fort. Ein Schauer kalten Ekels flog über meinen Rücken als ich an ihm vorbei ging und sein, nach Alkohol riechender, Gestank mir entgegen kam. Erbärmlich. Widerlich! Ein paar Meter später war ich dann auch schon am Ziel meines Weges angekommen. Vor mir erhob sich ein schmuckvoller Laden. Golden Flowers. Ein Blumenladen für die höhere Klasse des Volkes. Und zu dieser Klasse gehörte ich natürlich auch. Mein Vater besitzt eine fünf Sterne Hotelkette in der Schweiz und auf Mallorca. Er verdiente damit Millionen. Mein ganzes Leben lang war ich umgeben von Luxus und Reichtum. Mein ganzes Leben war vorherbestimmt und ich werde niemals zu den Verlieren, sonder nur zu den Gewinnern gehören, denn das Leben ist eine Gameshow und ich bin der Gewinner. So dachte ich immer. „Entschuldigen sie mein Herr.“ Drang es an mein Ohr. Neben mir stand eine alte, in Lumpen bekleidete, Frau. Ihre ganze Erscheinung war abstoßend. „Entschuldigen sie mein Herr, aber hätten sie vielleicht etwas Geld für eine alte kranke Frau?“ Krächzte die Alte und zog dabei an meinen teuren schwarzen Ledermantel. Wieder durch fuhr mich dieser Ekel. So gut wie zahnlos lächelte sie mich an, die paar Überbleibsel ihre Zähne waren gelb und schief. „Lassen sie mich in Ruhe.“ sagte ich und stieß die Alte von mir weg. Sie stolperte ein paar Schritte rückwärts, ruderte mit ihren Armen, dann rutschte sie von der Bordsteinkante ab und fiel rücklings auf die Straße mitten hinein in eine große Pfütze, die wahrscheinlich ein Überbleibsel der letzten Nacht war, in der es in Strömen goss. Fluchend und pitschnass saß sie nach wenigen Sekunden in der Pfütze. Sie glich einem Baby, das sich über das Wasser in der Wanne beschwerte. Ich ließ sie fluchen und betrat hastig den Laden. Dieser war wohl erwärmt und überall sah man wunderschöne Blumen aus aller Welt in tausendfachen Farben. Ihre Düfte waren überwältigend und durchfluteten den ganzen Raum. „Guten Tag Herr Kaiser“ sagte eine liebliche Frauenstimme. Ihre Besitzerin kam gerade aus dem kleinen Raum hinter der Kasse. Ihre Gestalt war göttlich. Langes schwarzes Haar umrundete ihr Gesicht und ihre Augen, von so strahlendem blau, blickten in meine Richtung. „Einen wunderschönen guten Tag meine Dame“ antwortete ich etwas geschwollen.
„Ist der Strauß schon fertig?“ fragte ich im Anschluss.
„Ja“ erwiderte die Liebliche und ging wieder in den Raum hinter der Kasse. Einem kurzen Moment später kam sie wieder heraus und präsentierte den Strauß. Er bestand aus rot leuchtenden Rosen und dazwischen waren vereinzelt blaue Veilchen. Er schien liebevoll angefertigt worden zu sein. Eine weiße Seidenschleife mit goldenen Lettern rundete den Anblick ab. Er war wirklich wundervoll schade nur, dass ich ihn an meiner Geliebten verschwenden muss. Schoss es mir durch den Kopf. „Gefällt er ihnen?“ fragte die Gute nach einer Weile und ich nickte nur mit den Kopf. Dann ging ich zur Kasse um zu bezahlen. Als ich nun direkt vor dieser schönen Frau stand, überfiel mich der süße Duft ihres Parfums. Sie roch nach purer Erotik! Und scheinbar schien sie meine Blicke richtig zu deuten, denn in diesem Augenblick nahm sie mein Hand und flüsterte leise „Ich habe da noch etwas für sie“ in mein Ohr, dann gingen wir beide in den Raum hinter der Kasse. Und wie gesagt sie hatte meine Blicke richtig gedeutet denn in diesem Raum befand sich ein blaues ledernes Sofa. Wir setzten uns und bedecken uns gleich darauf gegenseitig mit Küssen.

Ja ich bin ein Siegertyp und ich bekomme immer was ich will. Nachdem wir den One Nightstand beendet hatten zog ich mich an, bezahlte den Strauß plus Trinkgeld und verließ den Laden wieder. Vor der Tür zündete ich mir eine Zigarette an und bemerkte mit erstaunen das es schon dunkel geworden war. „Entschuldigen sie mein Herr“ drang auf einmal eine krächzende Stimme an mein Ohr. Zuerst wusste ich nicht woher sie kam, doch dann erkannte ich die Alte wieder. Sie saß noch immer in der Pfütze und sie war noch immer durchnässt. Aber wenigstens benahm sie sich nicht mehr wie ein kleines Baby. „Entschuldigen sie mein Herr, aber wären sie wohl so freundlich und würden einer alten kranken Frau hier raus helfen“ sprach die Alte und ihre dunklen Augen blickten mich starr an. „Hilf dir doch selber“ sagte ich etwas schärfer als ich eigentlich wollte. „Nicht mal das kannst du tun“ sagte die Alte ohne den Blick von mir zu wenden. „Ich habe keine Hand frei“ erwiderte ich und zeigte ihr in der einen Hand den Strauß und in der andern die Zigarette. „So dies ist dir also wichtiger. Nun gut, aber wenn die Rosen zu welken beginnen wirst du alles was dir lieb und teurer ist Stück für Stück verlieren“ sprach die nasse Alte und lachte laut und schrill. „Wie meinst . . .“ setzte ich an, als in jenem Moment ein großer Lastwagen in die Straße ein bog. „Schnell kommen sie da raus“ schrie ich die Alte an „Nur wenn du mir hilfst“ sagte die und dann lachte sie abermals. Der Laster kam immer näher. Große grelle Lichtkegel schienen auf die Straße. „Los kommen sie“ forderte ich die Alte auf „Nur wenn du. . .“ zu spät der Lastwagen fuhr in jenem Moment in voller Geschwindigkeit an mir vorbei. Eine riesige Welle wurde von den Reifen aufgeschleudert und überflutete mich. Völlig verwirrt sah ich auf die Straße während der Lastwagen nach Irgendwo verschwand. Die Alte war nicht mehr da. War sie jemals da gewesen? Fragte ich mich während ich einen Schritt auf den Gehweg machte. „Pass doch auf! Keine Augen im Kopf du Pisser!“ wie Stunden zuvor wurde ich von einem jungen Mann angerempelt. Wie Stunden zuvor war es der Selbe mit einem Bier in der Hand. Wie Stunden zuvor drang abermals ein leises „Sorry“ aus meinen Mund und er ging weiter seiner Wege.
Zufall? Fragte ich mich erneut.

Hilfe suchend blickte ich mich um. Die Frau hatte scheinbar den Laden geschlossen, denn auch er war nun dunkel. Meine Augen wanderten von der Eingangstür und der Straße hin und her, doch die alte Frau war nirgends zusehen. Das einzige was ich sah waren fünf rote Rosenblätter, die zwischen der Tür und mir auf den nassen Boden lagen. Zufall? Wiederholte ich in Gedanken und ging nach Hause.

2
Dieser Tag hatte mein ganzes Leben verändert. Als ich nach zu Hause ankam stand auf einmal die Frau aus dem Laden in meinem Wohnzimmer und unterhielt sich aufgeregt mit Lisa meiner Freundin. Für ihr hatte ich den Strauß Rosen anfertigen lassen, denn heute war unser zwei Jähriges Jubiläum. Und im nächsten Jahr wollten wir heiraten. -„Ah da bist du ja endlich“ sagte Lisa und an ihrem Blick erkannte ich, dass sie kurz zuvor geweint haben musste. Ein paar Tränen schmückten noch immer ihre Wangen. Die Frau aus dem Blumenladen sah mich nur an. Hatte sie meiner Frau etwa von vorhin erzählt? Doch gleich darauf bekam ich die Antwort, als Lisa auf mich zu kam und mir eine saftige Ohrfeige verpasste.
Ja sie hatte ihr davon erzählt. „Wie konntest du nur?“ fragte meine Freundin und abermals fing sie an zu weinen, doch das hinderte sie nicht daran mir noch ein Ohrfeige zu verpassen, diesmal härter als zuvor. Verwirrt ging ich ein paar Schritte zurück und erblickte mit Schrecken, dass wieder fünf oder mehr rote Rosenblätter auf den Fußboden lagen. War das immer noch ein Zufall. Mein Verstand sagte ja doch mein Herz wusste es. Ich hatte gerade meine Freundin für immer verloren, wegen einer Lust von einer bzw. zwei Stunden. Zwei Jahre waren für`n Arsch für zwei Stunden Spaß. -„Geh und lass dich hier nie wieder blicken“ schrie meine Freundin hysterisch und stolpernd stürmte aus den Raum in die dunkle Nacht hinaus. Lies meine Freundin und fast Frau hinter mir. Lies zwei Jahre hinter mir und fünf oder mehr rote Rosenblätter. Ein paar Meter vom Haus meiner Freundin entfernt, holte ich mein Handy aus der Tasche und bestellte ein Taxi. Als ich damit fertig war, holte ich wie Stunden zuvor meine Zigaretten raus und steckte mir eine an. Ich wartete eine halbe Stunde bis mein Taxi kam, in der Zwischenzeit hatte es wie in der Nacht zuvor zu regnen begonnen. Zufall? Das Taxi kam und brachte mich, bis auf die Haut durchnässt, was die Wellen des Lastwagens zuvor nicht geschafft hatten machte nun der Regen, zum Haus meiner Eltern. Noch immer mit dem Rosenstrauß in der Hand stieg ich kurze Zeit später aus dem Taxi aus, bezahlte den Fahrer plus Trinkgeld und ging auf mein Haus zu. Abermals wurde ich von einem betrunkenen jungen Mann angerempelt. „Pass doch auf du Pisser“ lallte der er. Es war der selbe Mann dem ich am Tag schon zwei Mal zuvor angerempelt habe, doch diesmal kam ich nicht so glimpflich davon. Diesmal erkannte der Junge mit der kaputten grünen Bomberjacke und der verwaschenen Jeans mich wieder.
„Du schon wieder“ zischte er und eh ich mich versah hatte ich auch schon seine Faust in meinem Magen. Keuchend und gebeugt stand ich da und der Junge setzte so gleich fort. Abermals traf mich ein Schlag in die Magengegend, dann hob er die andere Hand, in der sich eine Bierflasche befand und schlug mir diese über den Kopf. Mir wurde schwarz vor den Augen und ich fiel zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, spürte ich die Kälte der Nacht.

Es hatte dem Kerl nicht nur gereicht mich nieder zuschlagen, nein scheinbar hatte er auch noch Gefallen an meinen teuren schwarzen Ledermantel gefunden und ihn kurzerhand mitgenommen. Am Ende meiner Kräfte stand ich auf, nahm den Rosenstrauß in die Hand und ging in Richtung Eingangstor. Da wo die Rosen gelegen hatten lagen jetzt nur noch zehn oder mehr lose rote Rosenblätter.

3
Dieser Tag… Nein die hässliche Alte hatte an nur einem Tag mein Leben zerstört. Am darauf folgenden Tag bekam ich Besuch. Es war nicht wie ich es eigentlich erwartet hatte meine Freundin, die gekommen war um mit mir zu reden, sonder die Polizei. In der Nacht in der ich von diesem betrunkenen Jungen überfallen würde, würde dieser kurze Zeit später mit einer Wunde am Kopf in das städtische Krankenhaus gebracht. Die Wunde blutete sehr stark und der Junge starb an den Folgen einer Blutvergiftung. Wer er war wusste die Polizei bis Datum noch nicht aber sie haben den schwarzen teuren Ledermantel untersucht und meine Brieftasche gefunden, die sich in der Innentasche befand. Ich wusste nicht was ich sagen sollte und das war auch sinnlos. Laut der Polizei gab es in der vergangenen Nacht ein Kampf zwischen mir und Ihm. Das stimmte. Er fügte mir mit der Bierflasche am Kopf eine leichte Verletzung zu. Das stimmte auch. Daraufhin bin ich aus gerastet und habe Ihm die selbe Bierflasche über dem Kopf gezogen so, dass eine große blutende Wunde entstand. Das stimmte nicht. Als ich dies vollbracht habe wurde ich ohnmächtig. Dies stimmte nur zu Teil. Er kam schneller wieder zu sich und klaute mir aus Rache meinen schwarzen teuren Ledermantel. Zum Teil stimmte auch dies. Dann lief er verletzt durch die Gegend, bis er zum Krankenhaus kam. Wenn die Polizei das sagte stimmte es wahrscheinlich. Dort erlag er kurze Zeit später einer Blutvergiftung, zugeführt durch der Funde an seinem Kopf, die ich ihm wiederum zugefügt hatte. Auch dies Stimmte nur zu Teil. Dennoch die Anklage lautete: ungewollter Totschlag und ich müsse mit aufs Revier kommen um meine Aussage zu machen. Entsetzt ging ich in mein Zimmer um mich frisch zumachen und anzuziehen. Als ich wieder runter kam, standen die Polizisten am Glastisch, der sich in der Diele befand. „Schicke Rosen haben sie da Herr Kaiser. Schade, dass sie schon anfangen zu welken“ sagte einer der Polizisten. Ich ging zum Tisch und wahrhaftig drei Rosen waren schon vollkommen ohne Blätter. Wie viel waren es doch gleich zehn? Sollte das alles wirklich nur ein Zufall sein oder hatte die Alte was damit zu tun? Die Polizei brachte mich aufs Revier, wo ich meine Aussage machte, dann rief ich meinem Vater an und dieser versicherte mir, dass er mir den besten Anwalt besorgen würde den man für Geld kaufen konnte.

4
Doch der Anwalt war eine Null, als es zur Verhandlung kam sagte meine damalige fast Frau aus, dass ich wüten aus dem Haus gegangen sei und auch der Taxifahrer bestätigte, dass ich völlig verwirrt und wütend im Taxi saß und er mich zum Haus meiner Eltern brachte, im Rückspiegel habe er dann gesehen, wie ich einen Anderem anrempelte, fuhr jedoch weiter, da sein nächster Auftrag bereits über Funk eingegangen war.
Meine Chancen waren nicht gerade gut, doch dann rief der Staatsanwalt einen weiteren Zeugen auf. Es war die alte Frau scheinbar war sie doch noch im leben. Voller Mitleid gab sie ihre Aussage wieder, doch in ihren Augen sah ich Hass, sie blickte starr in meine Richtung. Und was sie zum Schluss sagte besiegelte mein Grab. -„Er ist diesem armen Kerl an diesen Tag schon einmal begegnet und hat ihn angerempelt. Ich sehe es noch deutlich vor mir wie der Arme leise Sorry gesagt hat und dieser Kerl hier hat ihn einfach zur Seit geschubst wie etwas vor dem er sich abgrundtief ekelte.“ Beendete sie ihre Aussage. Der Richter ließ wegen dieser Umstände keine Gnade walten und verurteilte mich für drei Jahre Gefängnis wegen Totschlag. Ich der sonst immer gewann hatte verloren, wegen einer Aneinanderreihung von unglücklichen Zufällen.

5
Drei Wochen sitze ich hier jetzt schon im Gefängnis. Gerade brachte mir einer der Wachmänner ein Geschenk und einem Brief in meine Zelle. Im Brief steht, dass mein Vater vor zwei Tagen gestorben war, scheinbar konnte er die Schande nicht ertragen, und sein gesamtes Vermögen an meine Freundin vererbt hatte, weil sie ja nun nichts mehr habe. Und dies sei auch noch meine schuld. Der Brief war von Miss Fischer. Sie war die Putzfrau meiner Eltern.
In der unteren Ecken des kurzen Briefes stand:
Ps: ich hoffe diese Rose wird dir einwenig Licht in dein Herz bringen sie ist die letzte die von dem großen schönen Rosenstrauß noch übrig geblieben ist. Mit freundlichen Grüßen A Fischer. Ein weiterer Zufall? Die Rose stand in einer billigen Plastikvase und gerade verlor sie eines ihrer wunderschönen roten Blätter. Sie beginnt zu welken und alles was ich so sehr liebte hatte ich bereits verloren, das einzige was mir noch bleibt ist mein Leben und gerade verlor die Rose ein weiteres Blatt. Hätte ich der Alten doch nur etwas Kleingeld gegeben.

-Ende-
J.T.S. November 2006

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.12.2008

Alle Rechte vorbehalten

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