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Inhaltsbeschreibung:

 

 

Jeannie Myers

Meine Gaststätte, die Pandora’s Box, die ich zusammen mit meiner Freundin Lydia betreibe, steht auf dem Spiel. Von vielen Seiten wird ihre und meine Existenz bedroht. Ich weiß schon fast nicht mehr, wie ich meine Tochter Debbie ernähren soll. Zum Glück kommen mir die Biker des Devil’s Neighbors MC zur Hilfe, um einem gemeinen Erpresser das Handwerk zu legen. Dabei komme ich Blade näher, der mein Herz schon lange höher schlagen lässt. Doch meint er es wirklich ehrlich mit mir oder wird er mir das Herz brechen, wie Debbies Vater es einst getan hat?

 

Vorwort

 

 

 

 

Fiktive Personen können – sofern dies im Plot nicht vorgesehen ist – weder krank noch schwanger werden.

Im echten Leben gilt Safer Sex (Kondome etc.).

 

 

1. Schwierigkeiten

 

 

 

 

Jeanette Myers

Wie weist man den Filialleiter der größten Bank von Beavers in North Carolina zurück, bei der man um die $40.000 Schulden hat?

Unsicher schaue ich auf die Theke vor mir, die ich gerade abwischen wollte. Der letzte Besucher meiner Kneipe, der Pandora’s Box, die ich zusammen mit meiner Freundin Lydia betreibe, war gerade gegangen, als Jake Miller gekommen ist, vermutlich, um mich hier abzupassen.

»Ich … ich …«, beginne ich, doch er unterbricht mich.

Er sieht mich nachsichtig an. Mit seinem dunklen Haar und den grünen Augen ist er sehr attraktiv, aber einfach nicht mein Typ. »Ich weiß, dass das alles recht plötzlich für Sie kommt. Gehen Sie einfach mal mit mir essen, entspannen Sie sich und lassen Sie sich von mir verwöhnen.«

Ich schlucke. Es fällt mir schwer, ihm wehtun zu müssen. »Ich habe nicht vor, eine Beziehung einzugehen«, sage ich.

Irritiert sieht er mich an und lockert den Knoten seiner dunkelblauen Krawatte. »Es ist wegen Debbie, nicht wahr? Natürlich wollen Sie ihr nicht irgendeinen Typen als Stiefvater vorsetzen. Das ist verständlich. Wie lange liegt Ihre letzte Beziehung zurück?«

Eine richtige Beziehung? Jahre, aber das geht ihm schließlich nichts an. Außerdem duzt mich der Typ einfach, obwohl ich ihm das nicht angeboten habe.

»Das tut nichts zur Sache. Ich bin nicht bereit für eine Beziehung.«

»Ich kann warten«, versichert er mir und streichelt die Oberseite meiner Hand, die noch immer auf dem Lappen liegt. Ohne weiter darüber nachzudenken, entziehe ich ihm meine Hand, denn ich mag seine Berührung nicht. Es ist Zeit für direktere Worte.

»Es tut mir sehr leid, aber ich fühle mich in dieser Hinsicht nicht zu Ihnen hingezogen.«

Seine Gesichtszüge verhärten sich. »Sie haben mir noch keine richtige Chance gegeben. Lernen Sie mich erstmal kennen.«

Ich bin mir jedoch absolut sicher, dass er nicht mein Typ ist. Das weiß ich einfach. Gut, damals mit Debbies Vater hatte ich mich verschätzt gehabt, aber da war ich auch noch jung und naiv gewesen.

Wenn ich Jake Miller date und mit ihm essen gehe, dann wird er gewisse Erwartungen an mich haben, die ich niemals erfüllen werde. Die Sache ist also nur aufgeschoben. Es ist auch gerade für ihn besser, ich beende das, bevor er Gefühle für mich entwickelt.

Langsam schüttle ich den Kopf. »Ich weiß so etwas gleich. Ich denke nicht, dass wir zusammenpassen. Sie werden ganz sicher bald eine Frau finden, die über solch ein Angebot sehr erfreut sein ...«

Wieder unterbricht er mich. »Ich will aber Sie!« Der Tonfall erinnert mich an Debbie, als sie noch gewesen jünger war, und ein Spielzeug nicht bekommen hatte, das sie gewollt hatte. Der Herr verträgt also keine Zurückweisung. Vermutlich ist er sie auch nicht gewohnt.

»Sie sind herzlos«, spricht er weiter. Seine Augen blitzen kalt und seine Stimme ist wie klirrendes Eis. »Das werden Sie noch bereuen, Sie …« Er bricht ab, als die Vordertür aufschwingt.

»Hi, Jeannie, wie weit bist du?«, erklingt eine Frauenstimme.

Erleichtert erblicke ich Lydia, meine Freundin und Geschäftspartnerin.

»Ah, Miss Hensley, ich bin hocherfreut, Sie zu sehen«, begrüßt er sie.

»Mister Miller wollte gerade gehen«, sage ich.

»Soll ich Sie zur Tür begleiten?«, fragt Lydia freundlich.

»Das ist nicht nötig.« Jake Miller erhebt sich von dem Barhocker und geht zur Tür. Dort dreht er sich um.

»An Ihrer Stelle würde ich mir das nochmal überlegen«, sagt er und verschwindet.

Lydia schließt die Vordertür hinter sich ab. »Was wollte der denn?«

»Mich daten.«

Erstaunt starrt sie mich an. »Und du hast ihn zurückgewiesen?«

»Er ist nicht mein Typ.«

»Das ist mir klar, aber wir könnten dadurch Ärger bekommen.«

Enerviert starre ich sie an. »Denkst du, ich schlafe mit ihm nur aus Angst, dass er unseren Kredit platzen lassen könnte? Glaubst du wirklich, er ist derart mies? Außerdem geht das so einfach auch wieder nicht.«

Lydia streicht sich eine rote Haarsträhne aus der Stirn. »Seine letzten Worte und vor allem der drohende Unterton geben mir aber trotzdem zu denken.«

Da muss ich ihr allerdings beipflichten, denn das riecht tatsächlich nach Ärger. Wir sind beide knapp bei Kasse. Den Kredit haben wir für den Erwerb dieser Kneipe aufgenommen, die recht günstig, aber auch renovierungsbedürftig gewesen ist. Vieles haben wir selbst gemacht und für diesen Traum unsere letzten Ersparnisse zusammengekratzt.

Die Pandora’s Box ist derart schön und gut gelegen, dass sie sich eigentlich lohnen müsste und gut angelaufen ist sie ja tatsächlich, sogar noch besser als erwartet. Wir haben bereits in den vierzehn Monaten seit der Eröffnung einen Teil unserer Schulden zurückzahlen können. Ursprünglich waren es immerhin $50.000 gewesen und jetzt sind es nur noch um die $38.000.

Zum Glück hatten wir die Kneipe wirklich sehr günstig bekommen. Die meisten Renovierungsarbeiten haben wir selbst bewerkstelligt. Zum Glück ist Lydia Elektrikerin, was uns viele Kosten erspart hat, und sie weiß auch sonst einiges übers Handwerk.

Um die Schulen so schnell abzubezahlen, haben wir allerdings wirklich an fast allem gespart: am Essen, an unserer Kleidung und an der Einrichtung. Bis auf ein wenig Familienschmuck von meiner Mom, einigen Möbeln und meinem doch ziemlich betagten Auto besitze ich nicht mehr viel.

Aber das Wertvollste ist ohnehin unbezahlbar: meine Freunde und meine zehnjährige Tochter, die ich mit achtzehn bekommen habe. Mein damaliger Freund hatte mich noch während der Schwangerschaft verlassen, was damals verdammt bitter gewesen ist. Aber mittlerweile habe ich kapiert, dass es an ihm und nicht an mir gelegen hat.

In all den Jahren hat er ständig seine Freundinnen gewechselt, nie geheiratet und auch, soweit ich weiß, keine anderen Kinder bekommen, obwohl er beinahe neun Jahre älter ist als ich. Kurz vor dem Umzug habe ich ihn das letzte Mal gesehen, doch ist nicht anzunehmen, dass sich seitdem viel bei ihm geändert hat.

Einer der Gründe für meinen Umzug war ja gewesen, ganz aus seinem Dunstkreis zu verschwinden. Um Debbie hat er sich nie wirklich gekümmert, nur sporadisch Unterhalt bezahlt und sich nur mit ihr abgegeben, wenn er gerade mal Bock hatte, was selten genug der Fall war. So habe nicht nur ich, sondern auch Debbie darunter gelitten. Auf solch einen Vater kann sie wirklich verzichten, das hat sie selbst irgendwann erkannt. Manchmal ist ein Schnitt die beste Lösung.

»Männer bringen doch nur Probleme«, sage ich nachdenklich.

Lydia kaut auf ihrer Unterlippe. »Nicht alle sind so.«

»Mit deinem Rocker läuft es also recht gut?« Neugierde steigt in mir hoch.

»Sie nennen sich Biker, Liebes. Und ja, Bolt ist verdammt nett und zuvorkommend, auch wenn man das vielleicht nicht denkt, wenn man ihn noch nicht so gut kennt.«

Bolt ist ein Schrank von einem Mann, groß und breit mit langem, dunklen Haar und einem Vollbart. Auf mich macht er im Allgemeinen einen gutmütigen Eindruck, auch wenn er, wenn es sein muss, mit den Fäusten ganz schön austeilen kann.

Ich pfeife durch die Zähne. »Wow, gleich den Presi hast du dir angelacht.«

»Mir ist es egal, ob er der Presi oder irgendein anderer vom Club ist. Ich mag ihn sehr. Und sie sind gute Kunden.«

Tatsächlich hat sich die Pandora’s Box in den letzten Monaten in eine Bikerbar verwandelt. Wir sind eine Anlaufstelle für verschiedene Clubs, unter anderem Bolts Devil’s Neighbors, aber auch den Frauen-MC Devil’s Daughters. Meinem Wissen nach haben die aber nichts mit dem Teufel am Hut, sondern finden die Namen einfach cool. Gelegentlich kommen auch Banshee Raiders, aber die sind eher auf Stunk aus, wenn sich jemand des konkurrierenden MCs hier aufhält. Soweit ich weiß, ist unsere Stadt Fawnty dem Gebiet der Devil’s Neighbors zugehörig und die Leute verfechten gewisse Revierkämpfe.

 

Am nächsten Morgen klingelt mein Telefon gegen 11:00 Uhr. Meine Kneipe öffne ich erst gegen 5 p.m. Also habe ich noch ein wenig Zeit. Diese Handynummer ist mir unbekannt. Aber da sie angezeigt wird, gehe ich dran, was ich bei unbekannten Anrufern nicht mache, da es sich dabei meist um Werbeanrufe handelt.

»Und wie hast du dich entschieden, Jeannie?«, fragt der Mann am anderen Ende der Leitung.

Verdammt, das ist Jake Miller. Also ist er noch nicht bereit, aufzugeben. Woher hat er meine Privatnummer, die ich nicht im öffentlichen Verzeichnis eintragen habe lassen? Da dämmert es mir: Er muss in meinen Bankdaten rumgeschnüffelt haben. Das beunruhigt mich jetzt doch sehr.

»Wie kommen Sie an meine Privatnummer?«, frage ich trotzdem, denn schließlich darf er Firmendaten nicht für private Zwecke nutzen.

»Hast du dich entschieden, Jeanette?«

Er geht nicht mal auf meine Frage ein, denke ich grimmig.

»Da gibt es nichts zu entscheiden. Ich habe meinen Standpunkt bereits gestern Abend hinreichend deutlich gemacht. Mehr gibt es von meiner Seite aus dazu nicht zu sagen.«

»Wie du willst.« Mit diesen Worten legt er auf.

Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Seine Worte haben so kalt geklungen und irgendwie drohend. Das kann nichts Gutes bedeuten.

Vielleicht hat Lydia doch recht damit, dass der Typ nach Ärger riecht. Ob ich zur Polizei gehen sollte? Aber im Moment ist noch gar nichts geschehen, die würden also nichts unternehmen und mich vielleicht noch für hysterisch halten. Schließlich habe ich keine Beweise. Aber die Handynummer und die Uhrzeit notiere ich mir trotzdem in meinem Notizbuch und zusätzlich noch den Wortlaut des kurzen Telefongesprächs.

»Mami, ich habe Hunger«, vernehme ich Debbies Stimme.

Schnell ziehe ich mir meinen weinroten Satin-Kimono über und eile in die Küche, wo meine Tochter bereits ungeduldig auf mich wartet. Ich fühle mich wie eine schlechte Mutter, da ich aufgrund meines Jobs bis spät in die Nacht hinein arbeiten muss und daher zumindest am Wochenende so lange schlafe. Andererseits ist das in den anderen Jobs auch nicht so viel besser.

Während der Woche ist es hart, sie für die Schule fertig zu machen. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als früh aufzustehen, egal, wie lange die Kneipe offen gehabt hat.

Trotzdem bereue ich nichts, denn hiermit habe ich mir einen lange gehegten Traum erfüllt. Ich wollte schon immer eine eigene gemütliche Kneipe besitzen, wie mein Opa eine gehabt hatte, bevor diese verkauft worden ist, was ich heute noch bedaure.

Mein Opa war ein irischer Einwanderer gewesen und bei diesen hat die Pub-Kultur einen besonderen Stellenwert. Auch ich lege Wert auf die Unterhaltung durch kleine Live-Bands, bevorzugt aus dem Irish-, Metal-, Rock- und Folk-Bereich.

Ich bin stolz auf das, was Lydia und ich in der kurzen Zeit schon erreicht haben. Unsere Kneipe ist ein Magnet für alle möglichen Leute geworden. Bald werden wir unsere Schulden abbezahlt haben – falls nicht Mr. Miller uns größeren Ärger machen wird. Aber warum sollte er das tun? Auch andere Männer haben Absagen erhalten und sind nicht gleich deswegen durchgedreht.

Ich nehme mir Blätterteig, Quark, Reibekäse und Kochschinken aus dem Kühlschrank. Den Blätterteig rolle ich auf dem Backbleck aus, heize den Ofen vor und schneide den Schinken rasch in kleine Stückchen. Dann zerteile ich den Blätterteig, gebe etwas Quark, Schinken und geriebenen Käse dazu, falte ihn zu Taschen, die ich auf das Blech lege und schiebe dieses anschließend in den Ofen.

Die weinrote Einbauküche mit den mittelgrauen Arbeitsflächen habe ich vom Vorbesitzer übernommen. Zum Glück ist sie recht gut erhalten, sodass ich sie nicht habe austauschen müssen. Nur die Mikrowelle war derart versifft gewesen, dass ich sie ersetzt habe. Und der Toaster ist auch neu, weil mein alter beim Umzug runtergefallen und kaputtgegangen ist.

»Mami, wann ist das Essen endlich fertig?«

»In etwa zehn Minuten.« Das müsste sie doch längst wissen, da es nicht das erst Mal ist, dass ich die Käse-Schinken-Taschen zubereite, aber offenbar denkt sie, durch Nachfragen würden sie schneller fertig werden …

»Hat Dad mal wieder angerufen?«

Überrascht sehe ich sie an. »Schon seit einem halben Jahr nicht mehr. Warum fragst du?« Nervös sehe ich sie an. Sie wird doch diesen Hallodri hoffentlich nicht vermissen? Schließlich weiß sie genau, warum wir den Kontakt abgebrochen haben.

»Nur so. Meine Freundinnen haben alle einen Dad: Marion, Becca, Conny und sogar Petra. Die hatte lange keinen, aber jetzt wieder einen.«

Petras zuvor alleinerziehende Mutter hat kürzlich wieder geheiratet, was bei Debbie jetzt offenbar ein großes Thema ist.

»Kriege ich auch wieder einen Dad?«, fragt Debbie.

Ich schlucke. Meine Tochter wünscht sich eindeutig eine richtige Familie. Bisher habe ich gedacht, ihr den Vater ersetzen zu können, aber offenbar geht das nicht wirklich.

Habe ich einen Fehler begangen, indem ich Mr. Miller abgelehnt habe? Immerhin scheint er nett zu sein, hat einen Job und sieht gut aus. Andererseits liebe ich ihn nicht und fühle mich überhaupt nicht zu ihm hingezogen. Aber ist Debbies Glück nicht wichtiger?

Als es an der Tür klingelt, stürmt Debbie aus der Küche, um sie zu öffnen. Sie begrüßt Lydia stürmisch, die samstags öfters zum Frühstück – oder sollte man das lieber Brunch nennen? – vorbeischaut. Eigentlich hat sie ja einen Schlüssel für Notfälle, aber im Normalfall klingelt sie aus Höflichkeit.

»Hi, ihr Süßen«, begrüßt Lydia uns und marschiert in die Küche.

Ich grinse sie frech an. »Dass du heute mal nicht bei deinem Lover bist.«

»Die haben heute ein Clubmeeting. Da sind Frauen nicht zugelassen.«

»Ach, tatsächlich nicht? Aber ansonsten seid ihr für den Bierausschank gut genug. Bei mir bekommst du dafür wenigstens etwas bezahlt.«
»Das mit dem Bierausschank ist relativ. Das tun meistens die Prospects. Gönne den Jungs doch den Spaß und den Zusammenhalt.«

»Das gönne ich ihnen ja auch.« Ich schenke Lydia eine Tasse Kaffee ein und stelle sie vor ihr hin.

»Wann heiratet ihr?«, fragt Debbie Lydia.

Ich verdrehe die Augen. Immerhin kennen die beiden sich noch nicht so sehr lange.

Lydia schenkt meiner Tochter ein Lächeln. »Im Moment nicht. Bolt und ich sind erst seit drei Monaten zusammen, aber wenn wir was planen, seid ihr die Ersten, die es erfahren.«

»Mr. Miller hat bei mir angerufen.«

Meine Freundin sieht mich erstaunt an. »Wann?«

»Heute Morgen etwa gegen elf Uhr.« Ich erhebe mich, um die Blätterteigtaschen aus dem Ofen zu holen. Das Blech stelle ich auf dem Herd ab und hole drei Teller aus dem Schrank. Auf jeden Teller lege ich zwei große Blätterteigtaschen und serviere diese anschließend.

»Was wollte er?«, will Lydia wissen.

»Er hat gefragt, wie ich mich entschieden habe, aber ich habe meine Entscheidung ja bereits früher getroffen.«

Es passt mir nicht, dass Debbie bei diesem Gespräch dabei ist, aber das lag mir einfach auf der Seele. Ich musste es loswerden. Debbie isst gerade eine Blätterteigtasche und schüttet ihren Tee rein. Auf unser Gespräch scheint sie nicht besonders zu achten.

»Wie hat er reagiert?«, will Lydia wissen.

»Er sagte nur: Wie du willst. Aber es hat so kalt geklungen und irgendwie drohend.«

»Ich habe dir doch gesagt, dass der Typ mir nicht ganz geheuer ist. Außerdem steht deine private Telefonnummer ja gar nicht im Telefonbuch. Er muss in deinen Unterlagen rumgeschnüffelt haben.«

»Worüber redet ihr?«, fragt mich Debbie.

»Nur über einen Bekannten.«

Debbie, die mit dem Essen inzwischen fertig ist, springt auf, stellt ihren Teller und ihre Tasse in die Spüle und verschwindet in ihrem Zimmer. Sie will jetzt ihre Hausaufgaben machen, da sie für den Nachmittag etwas mit ihrer Freundin Marion ausgemacht hat. Das soll mir alles recht sein. Ich bin froh, mit Lydia ungestört reden zu können.

»Denkst du, ich hätte sein Angebot annehmen sollen?«, frage ich zweifelnd.

Erstaunt sieht sie mich an. »Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel? Ich dachte, der ist nicht dein Typ?«

»Debbie wünscht sich eine Familie. Du weißt, dass das mit Kurt niemals möglich gewesen ist.«

Lydia nickt. »Jaja, dieser Hallodri, der nur von einem Tag auf den anderen lebt. Der Typ ist viel zu nervös und er hat immer Angst, was zu verpassen. Dass der keinen guten Vater abgibt, liegt wohl auf der Hand.«

»Ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich hätte wohl niemals mit ihm schlafen sollen.« Damals ist uns das Kondom abgerutscht. Die Pille vertrage ich überhaupt nicht, und die Spirale hat man zu jener Zeit einer Frau, die noch niemals geboren hatte, noch nicht eingesetzt. Über NFP gab es nicht nur keine Aufklärung, sondern die Ärzte rieten einem sogar noch mit erhobenem Zeigefinger davon ab.

»Das weiß man oft vorher nicht. Auch auf mich hat er immer sehr nett gewirkt«, sagt Lydia.

»Ja, er ist auch nett, aber verantwortungslos. Dieser Banker ist da schon anders.«

»Aber du liebst ihn nicht«, stellt Lydia fest.

»Das nicht, aber vielleicht kann ich mich an ihn gewöhnen.«

»Er ist doch gar nicht dein Typ. Du stehst doch überhaupt nicht auf diese Anzugtypen.«

Womit sie allerdings recht hat … Eigentlich stehe ich total auf Blade, aber bei dem habe ich wohl keine Chance. Er sieht einfach zu gut aus, und ich fühle mich in seiner Nähe doch etwas befangen, obwohl ich sonst nicht schüchtern bin. Bei solchen Typen – das weiß ich ja noch von Kurt – gibt es meistens einen Haken.

»Aber meine Tochter …«, sage ich.

»… wird auch nicht glücklicher, wenn sie sieht, dass ihre Mom ihretwegen in einer lieblosen Beziehung rumhängt«, vervollständigt Lydia den Satz. »Wenn du Pech hast, fühlt sie sich eines Tages vielleicht noch schuldig dafür, dass du dieses Opfer für sie auf dich genommen hast. Außerdem gebe ich euch keine zwei Jahre bis zur Scheidung. Und danach ist alles noch viel schlimmer, falls sie sich tatsächlich an diesen Typen gewöhnt oder Erwartungen reingesteckt haben sollte.«

Ich beiße in meine Blätterteigtasche, aber richtigen Appetit empfinde ich nicht. »Was soll ich dann tun?«

»Erstmal abwarten. Soll ich dir was sagen?«

Ich nicke.

»Kurt hat dir aus Gedankenlosigkeit das Herz gebrochen, aber an Miller ist irgendwas seltsam. Mit dem Typen stimmt was nicht, das sagt mir meine Intuition.«

»Kurt war ein verantwortungsloser Egomane.« Nur leider fällt es mir schwer, ihn zu vergessen, da Debbie im Gegensatz zu meinem hellen Haar sein dunkles und auch seine Nase und Mundpartie geerbt hat. Zum Glück hat sie einen anderen Charakter und doch so einiges von meiner Mutter, wie etwa die blauen Augen.

Lydia nickt. »Ja, das war er. Aber ich traue diesem Miller nicht über den Weg. Er hat irgendwas Schmieriges an sich. Ich möchte ihm nachts nicht allein im Dunkeln begegnen.«

»Jetzt übertreibst du es aber. Du hast doch als Erste gemeint, ich solle an den Kredit denken.«

»Der Kredit ist nicht alles. Wenn uns niemand einen Strich durch die Rechnung macht, haben wir den in voraussichtlich drei Jahren abbezahlt.«

Damit hatte Lydia Recht – vorausgesetzt, es kommt nichts Größeres dazwischen.

 

 

2. Attacke

 

 

 

 

Jeannie

Da es über der Kneipe keine Wohnung gibt, muss ich jeden Abend zur Arbeit laufen. Der Weg ist nicht weit, sodass ich auf diese Weise Benzin sparen kann. Außerdem genieße ich die Spaziergänge an den Sommerabenden. Der Wind weht aus den Gärten einen Hauch von Flieder und anderen berauschenden Blütendüften zu mir herüber.

Plötzlich kommen Motorradfahrer angebraust. Zuerst denke ich, es handelt sich um die Devil’s Neighbors oder die Devil’s Daughters, doch als sie näherkommen, sehe ich, dass die Patches andere Farben haben. Dann erkenne ich das große Rückenpatch des Banshee Raiders MC aus Fawnty, das eine Banshee zeigt, die auf einem Bierfass durch die Nacht reitet. Was zur Hölle wollen die hier?

Sie halten in einigem Abstand von mir an, öffnen ihre Soziustaschen und bewerfen mich plötzlich mit Eiern und Tomaten.

»Ich habe euch doch nichts getan«, sage ich, doch sie hören nicht auf, sondern lachen höhnisch.

»Ist es nicht feige, das einer Frau anzutun«, rufe ich außer mir. »Wo bleibt eure Bikerehre?«

»Wo bleibt deine Ehre, den Mann zurückzuweisen, auf dessen Kosten du lebst?«, fragt mich einer der Typen.

Verärgert stemme ich die Hände in die Hüften. »Ich lebe nicht auf die Kosten eines Mannes. Verdammt nochmal!« Sicher handelt es sich um eine Verwechslung, was die Sache meiner Ansicht nach nicht besser macht. So etwas sollte keiner Frau widerfahren.

»Und was ist mit deinen Schulden, Alte?«, fragt mich einer der Burschen mit gehässiger Stimme.

Meine Schulden? Die können damit wohl nur Jake Miller meinen.

»Ist Jake Miller einer von euch?«, frage ich, auch wenn mir das eher unwahrscheinlich vorkommt.

»Nein, aber deswegen lassen wir ein Unrecht trotzdem nicht durchgehen.«

»Ein Unrecht?«, frage ich aufgebracht. »Unrecht fügt ihr mir zu. Mein Shirt ist ruiniert und ich kann mir kein neues leisten. Das ersetzt ihr mir. Außerdem finde ich das mies und feige.«

»Sollen wir ihr den Arsch versohlen für solche Frechheiten?«, fragt einer der Typen, ein Dicker mit Strubbelbart.

Ich laufe schnell weiter, da ich mich unbehaglich fühle. Am Ende macht der Idiot noch seine Drohung war, und das wäre verdammt demütigend. Die Kerle folgen mir ein Stück weit. Die Pandora’s Box ist von hier aus näher als mein Zuhause. Daher renne ich in diese Richtung. Ich bin verdammt froh, als ich sie endlich erreiche, hastig aufschließe, hinein eile und sofort hinter mir abschließe.

Schweratmend und mit klopfendem Herzen lehne ich mich mit dem Rücken gegen die schwere Steinwand neben der Tür. Ob sie versuchen werden, gewaltsam hier einzudringen?

Dann versucht jemand, mit einem Dietrich die Tür zu öffnen.

»Ich rufe die Polizei an«, schreie ich und sehe mich nach irgendetwas um, das ich notfalls als Waffe verwenden kann, während ich mit zitternden Händen mein Handy aus meiner Tasche krame.

Mein Schlüssel steckt noch im Schloss. Eigentlich müsste er verhindern, dass jemand eindringen kann, zumindest, wenn er nur versucht, das Schloss zu öffnen.

Aber dann würden die die Tür

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: 2016 Scarlett Draven
Bildmaterialien: Andrei Yishnyakov/Fotolia, thonie321/Fotolia
Cover: 2017 Scarlett Draven
Tag der Veröffentlichung: 23.10.2017
ISBN: 978-3-7438-3752-2

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