"Was war das denn nun?", frage ich mich, als ich die Tür schloss, an der ich dir eben noch einen letzten Kuss ins Treppenhaus zuwarf. Woher solltest du wissen, dass ich dir eine Minute später folgte, nur um einen Blick noch auf dich zu erhaschen, bevor du in dein Auto stiegst. Den Rucksack geschultert, selbstbewussten Schrittes, klare Richtung. Um die Ecke an der Straße lugend stehe ich, weil nicht glaubend. Die Auseinandersetzung mit mir, dass du nun fort bist, erfordert diesen letzten Abgang. Gedankenwirbel lassen mich schwindeln. Wohin soll ich denn nun damit? Dein Auto setzt sich in Bewegung. Und ich stehe da noch immer, Bewegungsarmut ist das richtige Wort. Wenn Worte meine Sprache wären…Langsam und achtsam setze ich mich in Bewegung, versuche mit mir Schritt zu halten, aber es ist mehr ein Trott, der mich zurück in meine Heimat treibt. Heimat in der Trutzburg meiner vier Wände. Schutz, pass auf mich auf.
Im Treppenhaus angekommen spielen die eben noch zugeworfenen Küsse ihr Spiel mit mir. Über die Bande hin und her, zack, einlochen. Ich eile die Stockwerke hoch, raus aus dem Trott. Aufschließen, zuschließen, angekommen. Und dann riecht es nach dir. Wage kaum zu atmen. Und wieder ereilt mich die Frage, "was war das denn nun?". Zwei Tage. Nur zwei Tage. Ein Nichts in Relation gesetzt zum Leben. Wie kann ein Nichts so einen Nachklang hinterlassen? Weg vom Nichts zum Alles? Back to reality. Räum erstmal auf. Schaffe Ordnung, um die innere Unordnung leichter zu tragen. Du hast so gekleckert mit dem Kaffee, den du mir ans Bett brachtest. Ein halbes Glas Rotwein steht da, ich mag nicht mehr daran nippen. Ich schütte es weg, es passt nicht mehr dorthin, wo es stand. So wie gerade Nichts seinen Platz hat. Oder Alles? Gedankenverloren gieße ich die Blumen und möchte, dass du mir zusiehst. Du mochtest das, warum eigentlich?
Ich grinse vor mich hin, in einer eigenartigen Dümmlichkeit. Verfalle in Hektik, um mich abzulenken. Was nichts bringt. "Hach, kennst du dich nicht selbst", murmele ich vor mich hin? Lass' es einfach zu, Zulassen. Vom Aufmachen zum Zulassen. Gehe ins Schlafzimmer, zieh' alles ab, es riecht nach Öl, es riecht nach dir, nach Liebe, nach Lust, nach Hingabe, nach Zweisamkeit, nach Selbstvergessenheit. Ich lasse es einfach so, schließe die Tür, wie hinter dir. Soll ich die Tür hinter mir auch schließen? Das wäre wie Potenzial verschwenden. Mich verschwenden? Verschwendet haben? Verschwenden, wieder ein Wort….wenn Worte meine Sprache wären. Ein bisschen Sonnenuntergang jetzt auf dem Balkon. Ein Tee, der mich an dich erinnert. Eine Melancholie, die ihren Ausdruck sucht. Nicht zu teilen mit dir, du magst keine verschwurbelten langen Geschichten. Und doch schreibe ich sie für dich, weil ich sie mag, weil ich dich mag. Gedankenfülle, die mich leben lässt.
Leben, nicht konsumieren, nicht abhaken was war, den Nachhall erfühlen, nicht ruhelos weiterzueilen, nein. Verharren und intensiv aufnehmen, was da passiert war, in nur zwei Tagen. Verharre ich, in meiner Stille.
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2020
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An das Leben, das Er-leben und für Dich.