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Trauernde Wetter

Nebel geformt in trauernden Wettern. Auf Blätter schrieb ich Verse. Jetzt liegen sie auf welkem Laub. Farbige Szenen auf nasser Erde. Schwarze Rabenkrallen saugen Verdorbenes auf und aus. Der Wald spiegelt Fragmente eines Wunschbildes. Haut atmet den fahlen Abend. Erstickt fast an Splittern, die das Herz ummauern. Ritzen Wunden, tief darunter. Tückisch umschmeichelt der Bach seine Ufer. Das eine, an dem ich stehe, löst sich. Wie ein blinder Passagier verstecke ich mich in mir. Dort höre ich dich rufen. Lautlos so fern. Laufe los, stolpere über Nervenstränge, drohe zu versinken in Blutleere. Den zugewucherten Gleisen folge ich. Zwischen Trauerweiden und moosbewachsenen Felsen. Lass mich. Ankommen, wo ich nie war. Da will ich sein.

Der Himmel mein Dach

Traumbegegnung endlich. Entfernung ohne Abstand. Im Wachen ereilt mich der Himmel, mein Dach. Ruhig schwärzt die Nacht den Strand. Hinter jedem Stern ein Blühen. Perlglanz pflücke ich. Der Stunden viele Zeit schweigt mir Wahrheit. Schemenhaft werfen leichte Federzeichen deine Wesen zu mir. Wir leben und lieben uns. Bin so. Zärtlich lachend halle ich in deine Weite. Der Schlaf legt sich in meinem Kopf zur Ruhe. Herzhälften ineinander. Im Sonnenaufgang deine Hände.

Seitenlos

Vom Hirnstamm fehlt die Seite. Komme mir vor wie halbiert, Verbindung nach oben unterbrochen. Oder nach hinten? In die Sprachlosigkeit tauche ich ein und stolpere gegen Gedanken. Von Blattwerk überwuchert gräbt sich der Weg aus dem Nichts. Verlaufen die Spuren hinter dem steilen Abhang. Am Anfang stand die Angst, an der Gabelung wartet die Furcht. „Freiflugticket käuflich zu erwerben“, lese ich auf dem Schild vor dem Abgrund. Bin schon immer frei geflogen. Werde nichts kaufen. Koste es, was es wolle. Über dem Lauf das freie Schweben der Entscheidung. Jetzt und hier. Und unwiederbringlich löst das Wenn, das Aber ab.

Buch des Lebens

Wachspapier in Händen. Blind schlagen sich Seiten. Erlebtes klebt und schreit. Nacht wird mir beim Blättern. Frivol tanzen Buchstaben, ranken wie Efeu um Geschichten. Vergeblich ruft die Frage, hallt nach in ihrer Bitterkeit. Sperre mich aus den Gedanken, die mich abwärts tragen. Das einsame Tal des Vergessens. Zum Absturz bereit? Müde des Lesens möchte ich ruhen. Doch ein bunter Reigen in den Zeilen hält mich. Leere Blätter flimmern vor den Augen. Warten auf Leben, das die Mauer bricht. Etwas führt mir die Hand beim Eintrag. Etwas bahnt sich Weg in mir, setzt ein Zeichen und weiß um die Vollendung. Lege es aus der Hand, geöffnet, und atme still in mich.

Das dritte Auge

Schwebend in Trance. Der Traum greift in südliche Weiten des inneren Auges. Das Dritte heute. Sieht, wie ich nie sah. In der Ferne der kalte Wind an der Küste. Trauernde Weiden bedecken mich mit dir. Ruhend und warm. Bedrücke dich nicht. Grabe aus. Nichts ist zerstört, alles Bestand. Tränen fallen nicht mehr. Sie fliegen und tränken dir Leben. Miteinander verknüpft schwinden die Ufer des Sees. Und ich, ich bin dir Steg.

Wieder.sehen

Ging der Traum der letzten Nacht in mir verloren? Nahm meine sanfte Hand von dir. Ihn zu schützen und zu bewahren, den Morgen am Fenster. In Dunkelheit rieselt die Sanduhr und ich drehe mich noch einmal nach dir. Und dem Wieder-sehen.

Wohin es fühlt

Sieh wie die traumzeitlose Nacht unsere Wellen zusammenwogt im rauschenden Takt der Verlockung. Ohrenbetäubend legt sich die flüsternde Zartheit auf meine Haut, sehe die Erkenntnis am Klang der Berührung die schaudernd verspricht. Wohin es fühlt verliert Bedeutung, denn richtungslos verläuft die Wesensspur durch weissen Sand in tiefe Wasser. Geruch von nährender Sonne des Tages treibt uns bebend in die Strömung der Sinnlichkeit. Komm mein Liebster und fasziniere mich mit der Offenbahrung eines Flügelschlages von Unsterblichkeit - im nie mehr enden wollenden Augenblick der Verschmelzung unserer Sinne.

Damals und danach

Wie weich der Atem ist in meinem Nacken. Wie nahe, wie vertraut. Ich drehe mich nicht zu dir um, ich will den Augenblick auskosten. Diesen einen, auf den ich so lange gewartet habe. Und immer wusste, er kommt, holt mich ein, überholt mich. Ich spüre, wie du dich neben mich setzt und von hinten deine Arme um mich schlingst. So ruhig alles, so ruhig wird mir. Jahre in einem Moment vereint. „Liest du“? fragst du leise. „Ja“, und ich berühre deine Hände, deine Schenkel. „Ja, und ich lese das Leben heraus, das uns niemals trennte. In der Schatzkammer unseres Dachbodens.“ In jedem Wort ist es vereint. So geschah es in mir. Vorsichtig nehme ich die Kerze und im warmen Schein erkenne ich dich. Als ob du nie weg warst, als ob, als ob...! „Ich muss gehen“, flüsterst du mir zu. Jeder Antwort beraubt, sehe ich dir nach. Briefe in deiner Hand. Die Stufen knarzen nicht. Dein Handy. Du hast es vergessen. Die Kerze verlöscht. Ich bleibe stumm.

Bin dir König

Bin mir gut und bin dir König. Festes Gespann. Deine Haare sind Wind. Höre die Weite rufen und ich eile. Gegen die Nacht und die Vergänglichkeit. Es frischt. Ich würde so gerne. Worte sind fliegend. In das Geheimnis hinein sterbend lache ich dir zu. Sieh mich an und du wirst alles getan haben. Fordere mich. Vom Himmel werde ich dir singen. Fahrstuhl in den Keller. Mit jedem Sturz tiefer. Fangen kann ich, gelernt, von dir. Du sprichst von Hitze und Luzifer. Der ist kurz vor mir gestorben. Wenn ich es bin. Vorsicht mit dem Unverständnis. Ich verstehe. Auch wenn ein Schwarz in mir bohrt. Ich spiele dir die Farben zu.  Wehrhaft gegen das Tropfen von der Decke. Ich täusche mich nicht und tausche. Mich gegen dich.

Eisgrau fühlt gut

Es flockt in mir. In meiner schwarzen Ecke fühlt es sich bunt. Ich sehe so kalt, weil die Hand greift. Wehre ab, einmal und noch einmal. Ist es eine Hand? Will ich das? Denke mich zurück um hundert Jahre. Wohin es fühlt, versuche zu ergründen. Angst ist weg, Neugier? An meiner Träume Seite dein Gesicht. Fraglos und nicht mal verwundert. Verbiete dir, mit mir zu kommen. Das Beil ist blutig und zerteilt. Liebe mich in deine Gedanken, wie wundes Licht, das mich nicht mehr erreicht. Eisgrau sehe ich, möchte die Augen öffnen. Gelingen liegt im Gestern. Und doch, und doch. Noch spüre ich, höre ich. Dich flüstern. „Ja, ich lass’ dich ziehen, komm an, bei dir.“ Wie gut du mir bist, wie gut. Und immer warst.

Impressum

Texte: Susan de Mar
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Der Liebe zur Prosa, der Liebe zum Wort, der Liebe zu allem, was mich lebt.

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