Zurück von einer langen Reise. In allen Erdteilen Heimat gesucht, gefunden, verloren. Ich nehme mich mit nach Hause. Nach Hause? Mich? Von vertrauter Hand geführt finde ich mich auf dem Dachboden wieder. Alles ist da und noch mehr. Flut von Erinnerung. Ich streife mich ab. Irgendetwas ist neu, anders, fremd und doch...In der alten Truhe liegt der Staub vieler Jahre und der Gedanke an die Vergangenheit. Neben vielem Kram sehe ich ein Handy. Wie kommt es hierher, wer war hier, wer kennt diesen mystischen Platz, außer Dir und mir? Ich schalte es ein. Eine Nachricht blinkt: „Wenn du mich suchst, wirst du alles wiederfinden. Wenn! Mach dich auf die Reise.“ Sie ist noch nicht alt, nur einige Monate. Mein Herz hämmert im Takt der alten Uhr. „Wo bist du, wo?“ frage ich, in das Licht des Mondes, als ob dort Antwort sei, wie damals.
"Wer weiß schon, wo er hingehört", leuchtet das Display auf.
Fast ehrfürchtig halte ich das Telefon in Händen. Zeichen setzt du. Immer setztest du Zeichen. Noch heute höre ich dich sagen: „Schau genau, schau hin, wenn du sehen willst!“ Und ich schloß die Augen. Und sah. So manches Mal auch hindurch, bis auf den Grund deines Wesens. Und du sagtest: „Hör genau, hör hin, wenn du verstehen willst!“ Und ich verstand. Den Grund deines Wesens. Deine Zeichen. Was verstehe ich im Heute? Wann hörte es auf, das Sehen und das Verstehen? Wann verlor ich dich auf der Reise?
Gefangen in tausend Erinnerungen, sehe ich mich auf unserem Boot. Die Stürme, ohne dich, aushaltend. Mein eigener Kapitän, weil du fehltest, in meiner Freiheit. Freiheit, ohne dich? Ein wertloses Gut. Ich gehe zurück in die Tage auf dem Wasser. Ich schrieb. Meine Liebe nieder. Briefe. Unendliche Gedanken. Weißt du noch, die Flaschenpost? Aufgeregt durchwühle ich die Kiste und zerschneide meine Hand an dir. Scherben, viele kleine Scherben. Wie mein Leben. Wohin ging ich? Ob du geweint hast, damals?
Erschrocken blicke ich auf das Display. „Sie haben eine neue Nachricht.“ Ein kalter Hauch der Ahnung weht, Wissen? Es durchzittere mich, als ich lese: „Wer weiß schon, wo er hingehört“. Und das Bild formt sich in mir. Sechs Buchstaben werden Vision.
Als ich ging um unseren Traum zu leben, nahm ich den Proviant deiner Worte mit. Aufgaben teilten wir, Visionen. Uns und die Welt, im Blick der Eroberer. Du warfst den goldenen Stein, ich fing ihn. Wir liebten uns hinter den Bahngleisen. Wieder und wieder. Dichtes Gebüsch von Liebesschwüren. Lachend in der Nacktheit unserer Wünsche. „Geh’ los“, sagtest du. Und meine Welt begann hinter der nächsten Ecke. Tausend Meilen von dir. Beim Blick aus dem Dachfenster sehe ich überwucherte Schienen. In mir das Meer der Zukunft. In Vorbereitung.
Der Ozean zog mich in seinen Bann. Mit jeder Welle wartete ich auf dich und sorgte mich um dein Loslassen. Das Boot war groß genug, Segel gesetzt. In azurblauem Wasser badete ich mein Herz in Erwartung. Wann immer ich an Land ging, war Post von dir da. „Mein Herz, es dauert nicht mehr lange. Hab Geduld. Sehe und Höre, für mich. Immer deine Liebe, C.“ Und die Tage waren zahllos in ihrer Einfalt, wie ich. Ich traf Menschen, Männer. Sie waren so gleich, mir gleichgültig. Ich begrub sie nach nach sinnlosem Tanz. Weggespült, weil ich sah und hörte, in allen Sprachen, nur nicht deiner. Am Meeresgrund fand ich dich, wieder und wieder. Dorthin zog es mich. Wohin gehörst du? „Was ist geschehen, was?“
Und ein Blinken holt mich zurück: „Es war ein Fehler mich zu melden.“ Blut tropft auf das Handy. Ich vergaß.
Deine Zeichen, nach so vielen Jahren. Du grausamster aller Spieler. Wütend schleudere ich das Handy und fange mich gleichzeitig mit ihm auf. Felsgeschürfter Untergang. Erstickend an Wunden, ab- und aufgetaucht. Heimat in der Brandung, vertrauter Sturm. Du hast gefangen, wie immer. Wie damals, als dein Bleiben über meinen frisch gekehrten Teppich heizte und sich verlor.
Im Sand liegend, malte ich dir Zeichen auf den Rücken. Geliebtes Kinderspiel. Wir zeichneten die Route in jedes Korn. „Die Wüste“, sage ich, „mein Herz, in die Wüste.“ Und du lächeltest verträumt in den Himmel. Graue Wolken zogen auf. Wie konnte ich sie ernstnehmen im Schutz deiner Arme? Ich vergaß, zu sehen, zu hören. Die ersten Tropfen, zurück aufs Schiff. Du trocknetest mein Haar.“Morgen,“ sagst du, „morgen segeln wir weiter, wohin du willst.“ Unser Boot tanzte wild auf den Wellen. Und wir im gleichen Takt. Gewitter umfing. Aber meine Angst verlor sich in deiner. Und ich schlief, schlief, schlief, bis zum Erwachen. Am Grund, ohne dich.
Die Erinnerung lässt mich weiter in der Kiste suchen. Die Ruhe breitet sich aus. Gelerntes, in mir. Gepflanztes, durch mein Leben. „Wer einmal den Boden verlor...“ lächelte ich vor mich hin. Gereizt bin ich. Aber. Ich weiß, dass dir mein Loslassen immer Halt war. So wie mir. Ich höre und spüre dich. Du singst: „You don’t know...“! Und mein Lächeln wird zum Grinsen. Versuch' es doch gar nicht erst. Sie, bei denen ich war, wissen mehr als du denkst. And so do I. Und mit ruhigem Blick lese ich deine neue Nachricht. „Erinnert einer....“ . Und ich weiß, es trennen uns nur wenige Meter.
„Alle deine Nachrichten sind Schwachsinn,“ schrieb ich dir zurück. Nachricht erhalten, am..., um...! Dein Ru(h)m kleckert, du bemerkst es nicht. Wie nie. Niemals du bemerktest. Nicht wollend. So nahe im Morgengrauen. Trauernde Wut. Im Kerzenlicht entleerte ich die Kiste vollends und finde eine Tür. Ein Bündel von Briefen. Nie abgeschickt. In alle Teile dieser Welt. An S. Und unsere Weltkarte daneben, vollgemalt mit Linien aller Himmelsrichtungen. Du warst also dabei, die ganze Zeit. Könnte ich nur Schreien. Fühle mich wie damals, unter Wasser, kein Atem.
Auf der endlosen Fahrt zu deinem Kontinent. Ich malte dein Bild mit Wasserfarben. Es verschwimmt. Ich ging an Land, wann immer ich Boden spürte. Keine Post mehr. Das Verlorene in mir krankte. Wie du. Und schrie, wie du. Deine Verzweiflung lag in meiner Welt. Ich litt, wie du. Wer versorgte meine Wunden? Immer die letzte Zahl im Spiel der Verlierer. Kraftlos erreichte ich die Küste, endlose Strände und Dünen der Einsamkeit. Dort bettete ich mich neben dich in deine Wunden. Endlich. Wähnte mich angekommen.
Warmes Sonnenlicht auf dem Dachboden. Ich schlief ein. Erschöpft von deiner Nähe. Im Halbschlaf hörte ich noch ein Flüstern, oder im Traum? Ein Vogel schrie. Oder war ich es? Nein, kein Schlaf. Alles sucht mich heim, wenn ich die Augen schliesse. Ich beginne, die Briefe zu lesen. Ein Abgrund, tödlich in seiner Existenz. Ich höre dich...und beginne zu verstehen und zu sehen. Und bekomme deine Nachricht: „Reise ins...“
Deinen Namen vergessen? Deine Lieder, die in mir singen? Vergangenheit und Zukunft verschwimmen vor meinen Augen. You don’t know. Wie konntest du mich so untergehen lassen?
„Hau ab“, brüllt es in mir, „zurück ins outback“. Luft abgeschnürt. Ich konnte nicht mehr atmen. Aber ich mußte die Muschel holen. Schatten an der Oberfläche, grinst. Haltbar wollte ich, haltlos sah ich und trieb. In der zweiten Reihe fand ich dich, unter Stühlen. Lugtest hervor auf meine Bühne. „Meine, hörst du!“ Ich wollte nicht erwachen, nie mehr. Wozu? Mein Halt. Mein Boden. Alles rauschte an mir vorbei. Geliebtes Meer, das ich anfing zu hassen. Ich fand die Muschel. Ohne Atem. Aber ich war. Und wollte Sein. Für dich, noch immer. Wer sonst könnte mich durch die Wellen tragen? „Achte auf dich“, hörte ich mich sagen, bevor du im Nebel untergingst.
Nur der Mond wirft fahles Licht auf alles was ich in Händen halte. Spürbar, deine Anwesenheit. In meinem schönsten Kleid werde ich weinen. Die Tränen aller Jahre, die ich dich treiben ließ. Loß-liess, um mich zu suchen und dich finden zu lassen. Warum blinkt es nicht in meiner Hand? Die schwerste Reise?
Endlich deine Nachricht: „Zu gehen war Freiheit, abzutauchen war Freiheit, wiederzukommen ..."
Verzweiflung als letzte Instanz? Aufgeben, hinein, kein heraus. Fragte schon einmal, „wohin geht er, der Mut, wenn er sich verlässt“. Keine Antwort. Aus klein wird winzig, die letzte Kurve hemmt. Bemitleide dich, aber nicht mich, ich gehe...
Weite Dünenwanderung, mich an meiner Seite. Bin mir Geborgenheit im Nichts. So wie ich, füllt es. Lebe bei Bedouinen. Lerne ihre Sprache und Weisheit. Sie ist mir Geist. Jede Nacht träume ich mir alle Sterne herbei. Mehr Wunsch als Wahrheit. Egal. Das Bahngleis ist überwuchert, ich sehe. Deine Liebe, ein gebogener Pfeil, der treffen wollte. Aber, Ziel verfehlt? Rede ich? Und gehe weiter. Lange Monate mit meinen treuen Begleitern. Bedou-Augen fragend? „Bleib! Wie Keine.“ Der Wind fegt über das Korn. Und in mir immer noch Saat. Die du gelegt. Zeltstädte tun sich auf für mich. Neues Jahr...ich erinnere an deine Frage. „Wissen die...“, ich lache. Ich fliehe...weiter...in den Tag, in die Hitze.
Deine Briefe sind vollgefühlt mit Liebe. Die Weltkarte, sie bringt mich um den Verstand. Ich hole sie aus meinem Rucksack, vollgemalt mit Erinnerung an unsere Wege und einer Leuchtspur. Lass mich das Gegenstück finden und ich glaube. Lass mich! Aufhören, das Hören. Aber es ist. Und ich sehe, Millionen Lichter. Deine Nachricht, „kann das Ende nicht finden“, zaubert ein Lächeln. Kleine Schritte in unser Haus. 3 Zimmer mit Dachboden. Wir bauen.
Bin ich in dieser Realität gelandet, weil ich unsere Träume nicht aushielt? Wohne auf dem Dachboden. In deinem anderen Leben lesen. Im Werden. Solange ich deinen Schlafsack habe. Du schreibst von Schmerz und Qualen, eingepackt in Glanzpapier. Wunder Liebe in Erstarrung. Bodenlos vernetzt du dein Denken. Das habe ich schon immer geliebt an dir. Damit tauchtest du in das Herz meiner Welt. Freiheit wolltest du verstehen, doch legtest du deine Erwartung auf den Weg. Wie oft sagte ich...
Ein ganzes halbes Jahrzehnt verging zwischen den Dingen. In Hitze und Taumel rief er: „Versenge ihn aus dir.“ Am Tag gelang es, nachts erfror ich die Ahnung. Trotzdem er-trugen mich seine dunklen Augen. Er liebte in mich, Bruder meines Geistes. Nichts war wie Gestern. Täglich lebte ich ruhiger rückwärts. Sie räucherten Reinheit in mich. „Dein Finden wird mir Bestreben sein, ein Leben lang, und du wirst.“ Seine letzten Worte, bevor ich verließ. Eine Heimat, die er mir war. Und die Seinen. Wegweiser. Menschen, die um die Freiheit wussten. Und verstanden. Nomaden der Wüste mit der Weisheit der Geschichte. Erfüllt auf dem Weg löste ich mich. Um nach Hause zu reisen. Um das Ende zu finden. Um dein Leben zu nehmen. Im Los-lassen dein Halt.
Wieso atmest du so schwer auf der Treppe? Der Zweifel liegt darin. Genug warst du dir nie, doch für mich mehr als das. In deiner Gefangenschaft ist ein mörderisches Schwert. Ich wehre die Klinge ab, die mir nur eine Falte schneidet. In die lache ich dich. Du hinderst dich. In jeder Richtung bleibe ich. Frei bin ich, bei uns. Wie du. Lehre dich, was mir gelehrt wurde. Deine Augen glänzen im Dunkel. Ich lese und schreibe deine Worte: „Zu gehen war Freiheit, abzutauchen war Freiheit, wiederzukommen ....im Los-lassen dein Halt." - Senden -
Texte: Susan de Mar
Tag der Veröffentlichung: 26.08.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle, die den Mut haben, Liebe in Freiheit zu leben und auszuhalten.
Für diejenigen, die der Mut verließ.