Cover

1

Jacky liegt auf seiner Decke auf dem Sofa und träumt. Neben ihm sitzt sein Frauchen und krault ihn sanft hinter dem Köpfchen. Er genießt es. In letzter Zeit schläft er sehr viel mehr als früher und unterbricht seine Nickerchen nur kurz, um etwas Wasser zu sich zu nehmen, oder wenn sein Frauchen unbedingt mit ihm hinaus gehen will. Doch das gefällt ihm gar nicht, er hat seit mehreren Monaten Schmerzen in den Hinterbeinen und neuerdings auch im Rücken.

Jacky spürt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, dass eine Änderung bevorsteht.

Außerdem  fühlte er sich kraftlos und ist immerzu müde. Je älter er wird (und er ist inzwischen sehr alt), desto öfter träumt er von der Zeit, als er noch ein Welpe gewesen war und sein Leben noch so schön einfach und unkompliziert war. Wie auch an diesem Morgen...

 

2

 

Jacky erwachte und blinzelte verschlafen in die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster hereinschienen und einen rechteckigen Fleck auf dem Boden hinterließen. Er gähnte lange und ausgiebig, stand auf und schüttelte sich, wobei er fast das Gleichgewicht verlor. Dann tapste er mit unbeholfenen kleinen Schritten einfach darauf los, auf der Suche nach neuen Abenteuern.

Seine Mutter Amy hob nur kurz einmal den Kopf und blickte ihrem Sprössling hinterher,  bevor sie wieder die Augen schloss. Sie wusste, dass ihm hier nichts geschehen würde und versuchte lieber, noch etwas Ruhe zu finden, bevor auch ihre anderen vier Welpen erwachten. Denn dann hatte sie keine ruhige Minute mehr und würde ihre ganze Kraft brauchen.

Jacky war inzwischen durch den Flur ins Wohnzimmer gelangt, wo er erst einmal stehen blieb und der Natur freien Lauf ließ. Dann wackelte er weiter, das Häufchen hinter sich überhaupt nicht beachtend. Viel interessanter für ihn waren die großen Blumentöpfe in der Ecke und die Palmwedel, die bis zum Boden herunterhingen. Er lief zu ihnen und schnupperte an dem größten Blatt. Vorsichtig nahm er es zwischen die Zähnchen und zog daran. Es raschelte. Jacky ließ los und das Blatt schnellte schwankend in seine ursprüngliche Stellung zurück. Der kleine Welpe stellte den Kopf schief und spitzte die Ohren. Dieses Spiel gefiel ihm. Mutig geworden biss er wieder zu und zog stärker. Dieses Mal riss ein Stückchen Blatt ab, Jacky purzelte rückwärts und fiel auf seinen Po. Wütend stand er wieder auf, spuckte das Grünzeug aus und schnappte erneut nach dem Palmwedel.

Er kämpfte ganze zehn Minuten lang und zerfetzte dabei jedes Blatt, soweit er herankam. Dann verlor er das Interesse daran und wandte sich wichtigeren Dingen zu. Zuerst marschierte er zum Sofa und suchte unter dem Tisch nach Krümeln, fand aber nichts. Aus Frust versuchte er, das Tischbein anzunagen, fand aber keinen rechten Gefallen daran und schlenderte zum Schrank hinüber. Dort setzte er sich hin und schaute hinauf. Riesig groß stand der Schrank vor ihm, stumm, bedrohlich. Jacky stand auf, schüttelte sich und spazierte weiter.

Nach und nach wurden seine Geschwister nebenan munter. Jacky hörte sie nebenan laut schmatzen, nachdem sich Amy zu ihnen gelegt hatte. Sofort ließ Jacky alles stehen und liegen und lief, so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen zurück ins Bad, wo der große Wurfkorb in der Ecke stand. Mit etwas Mühe überwand er die niedrige Schwelle am Eingang und stürzte sich voller Elan ins Getümmel. Er drängelte und schubste so lange, bis er einen der begehrten Plätze an Mutters Zitzen bekam. Dann lag er still, schloss die Augen und genoss die warme Milch.

Er war vier Wochen alt und glücklich. Alles drehte sich ums Schlafen, Trinken oder Herumbalgen mit seinen Geschwistern. Ihn störte es auch nicht, dass kurze Zeit später das Frauchen nach Hause kam und über das Durcheinander im Wohnzimmer schimpfte. Für ihn war die Welt noch in Ordnung.

So vergingen die Tage. Die Welpen wuchsen heran und wurden immer unternehmungslustiger...

 

Erschrocken blickte Jacky nach oben. Er befand sich mit seiner Schwester Lisa im Schlafzimmer. Um sie herum waren die Reste einer Packung Papiertaschentücher gleichmäßig verteilt. Vor ihnen stand das Frauchen, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und redete strafend auf sie ein. Jacky wusste nicht, was das Frauchen von ihnen wollte. Aber er vermutete, dass es irgendwas mit diesem neuen Spielzeug zu tun hatte, das sie vor Kurzem unter einem Stuhl gefunden hatten. Vorsichtshalber spuckte er das Stückchen Zellstoff aus, das noch aus seiner Schnauze hing und versuchte, mit seinem großen treuen Hundeblick unschuldig zu schauen. Aber es half nichts. Er wurde, wie auch Lisa, im Genick gepackt, empor gehoben, ins Badezimmer getragen und mit ein paar mahnenden Worten wieder in den Hundekorb zurückgesetzt. Dann stellte das Frauchen ein Gitter vor den niedrigen Eingang, sodass Jacky und seine Schwester nicht mehr hinaus konnten. Gleich danach kamen auch noch Sissy, Lori und Pepe in den Korb. Jacky protestierte lautstark gegen diese Behandlung. Er hasste dieses Gitter, das das Frauchen vor ein paar Tagen mitgebracht hatte und ihn in seiner Bewegungsfreiheit einengte. Er wollte lieber herumtollen und die Welt erobern. Nur Lisa rollte sich in einer Ecke zusammen und schlief ein. Mit der Zeit beruhigten sich auch die anderen Geschwister, kamen zu ihr und kuschelten sich aneinander, ehe sie einschliefen. Nun herrschte endlich wieder Ruhe.

Es klingelte an der Haustür. Amy lief in den Flur und bellte aufgeregt. Das Frauchen kam aus dem Schlafzimmer, wo sie zuletzt mit dem Staubsauger hantiert hatte. Sie stellte das Gerät in den Flurschrank, sperrte Amy zu ihren Jungen in das Badezimmer und ging dann die Tür öffnen.

Amy stand angespannt, hielt den Kopf halb schief und ließ keinen Moment die Badtür aus den Augen.

Jacky hörte eine fremde Männerstimme, die sich mit dem Frauchen unterhielt, erst im Flur, dann aus dem Wohnzimmer. Kurze Zeit später öffnete das Frauchen die Badezimmertür, aber nur so weit, dass sie hineinschlüpfen konnte, ohne, dass Amy ihr nach draußen entwischen konnte. Als sie an den Korb trat, sprangen Jacky und seine Geschwister freudig auf, aber das Frauchen griff sich nur Sissy und ging wieder hinaus. Nach einer Weile brachte sie die kleine Hündin wieder zurück, nachdem sie sich von dem fremden Mann verabschiedet und ihn zur Haustür begleitet hatte.

 

Dann kam das Wochenende, Frauchen blieb zu Hause und so durften Jacky und seine Geschwister sich frei in der Wohnung bewegen. Natürlich gab es da wieder viel zu entdecken. Die 5 Welpen untersuchten wie gewöhnlich alles, krabbelten in jede Ecke, untersuchten jeden Winkel und hinterließen hier und da ihre kleinen Pfützen. Jacky, der ja immer hungrig war, suchte bei Zeiten seine Mutter auf, um zu säugen, aber Amy sprang auf die Sitzbank in der Küche und entzog sich so seinem aufdringlichen Betteln. Schließlich waren die Welpen inzwischen so groß, dass sie feste Nahrung zu sich nehmen konnten und sie auch mehrmals am Tag bekamen. Nur hin und wieder erlaubte Amy ihren Jungen noch das Säugen, aber es tat ihr weh, wenn die Kleinen mit ihren Zähnchen so energisch zubissen. Jacky stand noch einen Moment vor der Bank und schaute sehnsüchtig zu seiner Mutter hoch. Doch dann trollte er sich und trabte mit seinen kurzen Beinchen ins Wohnzimmer. Dort traf er auf Lori und Pepe, die sich gerade um einen Zipfel der Sofadecke stritten, die bis zum Teppich herunterhing. Beide zerrten mit aller Gewalt an dem Stück Stoff und schafften es Zentimeter für Zentimeter, die Decke vom Sofa zu ziehen. Jacky stürzte sich kampfesmutig ins Getümmel, doch Pepe fühlte sich gestört und drängte ihn zur Seite. Dieses ließ sich Jacky wiederum nicht gefallen und im Nu war eine handfeste Balgerei im Gange. Natürlich nur spielerisch, um die Kräfte zu messen, aber ihr Knurren und Bellen hörte sich doch sehr gefährlich an. Nun mischte sich auch noch Lori in den Kampf ein, biss Jacky erst in sein rechtes Hinterbein, dann in den Schwanzstummel und wollte absolut nicht mehr loslassen. Wütend drehte sich Jacky um und versuchte, seine Schwester zu erwischen, doch die war schlau genug, um an seinem Schwanzende zu bleiben. Deshalb konnte er sie nicht erreichen, so sehr er sich auch anstrengte. Ein paar Mal drehte er sich im Kreis, aber da Lori etwas größer und stärker war, zog sie ihn einfach mit ruckartigen Bewegungen rückwärts mit sich.

In diesem Moment klapperte das Frauchen in der Küche mit dem Fressnapf und alle Streitigkeiten waren im Nu vergessen. Gemeinsam trabten sie in die Küche. Jeder wollte der Erste am Napf sein, denn das sicherte die größten und besten Brocken. Jacky freute sich schon, denn er lag eine Hundelänge vor den anderen beiden, als er zur Küchentür kam, aber dann sah er enttäuscht, dass Lisa schon vor ihnen da war. Sie war ja aus dem Flur gekommen, der näher als das Wohnzimmer war, hatte also einen kürzeren Weg und somit den Wettlauf gewonnen.

 

In den nächsten Tagen ging es ziemlich lebhaft in der Wohnung zu. Immer wieder klingelte das Telefon und zweimal kamen auch fremde Menschen vorbei, die sich die kleinen Hundebabys anschauten und sich einen davon aussuchten. So fanden Pepe und Lisa schnell eine neue Familie, mussten aber noch eine Weile bei der Mutter verbleiben, da sie erst sieben Wochen alt waren.

 

An einem Nachmittag hatte Jacky dann ein Abenteuer, das er so schnell nicht vergessen würde. Natürlich hatte es mit seinem Wissensdrang und seiner Fressgier zu tun, zwei Eigenschaften, die bei ihm sehr ausgeprägt waren und ihm nun fast zum Verhängnis geworden wären.

Nach seinem ausgiebigen Nickerchen stöberte er gerade unter der Sitzecke der Küche herum. Er hatte einen kleinen Käfer entdeckt, der wohl durch das Fenster gekommen und dahin verschwunden war. Und neugierig, wie Jacky war, krabbelte er hinterher. Amy lag auf der Bank und beobachtete Frauchen, die in die Küche kam und den Kühlschrank öffnete, um eine Flasche Saft herauszuholen. Sie griff sich ein Glas, goss den Saft hinein und stellte ihn zurück in den Kühlschrank. Sie trank das Glas leer, stellte es in die Spüle und schlug beim Vorbeigehen die Kühlschranktür zu, ohne noch einmal hineinzusehen. Jacky hatte inzwischen die ergebnislose Jagd auf das Insekt aufgegeben und sich, ohne von Frauchen bemerkt zu werden, in den Kühlschrank begeben. Dort roch es so verführerisch nach leckerem Futter, sodass er nicht widerstehen konnte. Doch nun saß er hier drinnen fest, die Tür war zu, es war stockdunkel und sehr kalt. Er kam sich verlassen vor und jaulte leise. Doch niemand hörte ihn. Zum Glück hatte Amy alles beobachtet und schlug Alarm. Frauchen kam in die Küche zurück und blieb verwundert neben dem Herd stehen.

„Was hast du denn, Amy?“

Sie hockte sich nieder und streichelte die Hündin, die immer noch ganz aufgeregt zitternd vor dem Kühlschrank stand.

„Komm hör auf, es gibt noch kein Futter.“

Sie stand auf und wollte die Küche verlassen, doch Amy winselte noch eindringlicher als vorher und kratzte an der Tür. So wurde das Frauchen neugierig, schob Amy zur Seite und öffnete den Kühlschrank.

„Oh, nein!“

Was sie da sah, verschlug ihr fast die Sprache. Der kleine Welpe saß zusammen gekauert auf der unteren Glasplatte und schaute mit großen Augen zitternd zu ihr auf. Schnell nahm sie ihn heraus und wickelte ihn in ein Handtuch. Dann setzte sie sich auf die Eckbank, stellte Jacky vor sich auf den Tisch und rubbelte ihn ordentlich, sodass ihm wieder warm wurde. Obwohl er trotz der kurzen Zeit bereits stark unterkühlt war, erholte er sich verhältnismäßig schnell und behielt nur noch kurze Zeit einen Schnupfen.

 

Am Abend kam dann wieder Besuch, ein Mann klingelte an der Haustür.

„Guten Tag, mein Name ist Schiller. Ich habe heute mit ihnen telefoniert.“

„Ja, kommen sie doch herein, Herr Schiller. Ich habe sie schon erwartet.“

„Danke. Meine Tochter hat am Freitag Geburtstag und sie wünscht sich schon immer einen kleinen Hund. Dieses Jahr wollen wir ihr diesen Wunsch erfüllen.“

Sie betraten das Wohnzimmer.

„Bitte, nehmen sie doch Platz. Einen Kaffee oder Tee?“

„Nein danke. Ich habe nicht viel Zeit. Ich habe gleich noch einen Termin. Eigentlich wollte ich mir die Welpen nur erst einmal ansehen. Natürlich würde ich dann am Freitag mit der ganzen Familie kommen, damit sich Julia selbst einen aussucht. Vorausgesetzt, wir haben dann noch eine Auswahl.“

„Ja, im Moment haben wir noch zwei freie Welpen. Die anderen sind alle schon versprochen. Ich bringe sie ihnen einmal her.“

Frauchen stand auf und holte aus dem Bad Lori und Jacky.

„Eine Hündin und einen Rüden. Was wollten sie denn?“

Der Mann überlegte kurz. „Das ist uns eigentlich egal. Wir wollten ja nicht züchten. Was meinen sie denn, was für uns besser ist? Der Hund sollte gut zu erziehen sein, aber auch wachsam. Da ist doch bestimmt ein Rüde besser?“

„Nicht unbedingt. Eine Hündin ist oft wachsamer als ein Rüde. Da spielt der Mutterinstinkt eine Rolle, oder besser gesagt der Beschützerinstinkt einer Mutter. Auch wenn sie nie geworfen hat, ist dieser Instinkt doch vorhanden. Jedenfalls bei den meisten Hündinnen. Manche Hündinnen werden dann scheinträchtig, und wenn es schlimm

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 25.05.2016
ISBN: 978-3-7396-5707-3

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /