1. kapitel
,,Wie weit ist es noch?'' Fee's kleiner Bruder zog zitternd den zerschlissenen Umhang fester. Die Gesichter der beiden waren schon fast so weiß wie der Schnee, der über der Landschaft lag. Vereinzelnde Flocken fielen immer noch von dem bewölkten Himmel. Was sollte sie ihm antworten? Fee wusste es selbst nicht. Anders als die anderen Kinder hatte sie nie irgendeine Art von LandKarten in der Hand gehabt. Sie liefen schon fast vier Tage, frierend und ungeduldig, endlich in einer neuen Stadt anzukommen. Der Hunger hatte
sie fortgetrieben, aus der kleinen Stadt, in denen die Leute nichts für Arme übrig hatten. Ganze 8 Jahre hatte sie es dort ausgehalten, mit der Zeit auch ein paar Jugentliche mit dem gleichen Schicksal getroffen, die hatten ihr auch den Namen gegeben. Fee. Eigentlich hieß sie Liz, doch Fee konnte diesen Namen noch nie ausstehen. Fee passte, fand ihr Bruder und sie selber auch, viel besser zu ihr. Sie hatte ein spitz zulaufendes Ohr und war auch sonst sehr zierlich. ,, Ich weiß nicht. Aber weit kann es nicht mehr sein.'' Damit log sie nicht. Ihr kleiner Bruder Matt vergrub seine Hände unter dem Stoff.,, Fee!'' Er blieb stehen. ,, Ich kann nicht mehr! Mir tut alles weh!'' Seine dunkelbraunen Augen verrieten, das er wirklich fast am Ende war. Fee hielt inne. Sie hatte eigentlich auch keine Kraft mehr zu laufen, aber wenn sie jetzt hier blieben, würden sie erfrieren.
Sie seufzte. ,, Komm her! Ich nehm dich auf meinen Rücken!'' Fee lächelte Matt zu versichlich an. Er erwiderte es träge. ,,Danke'' Fee bückte sich um Matt aufspringen zu lassen. Er hielt sich mit letzter Kraft an Fee's Schultern fest. Sie war überrascht, wie schwer er für seine 7 Jahre war. Vielleicht lag es aber auch, das sie diese zusetzliche Last noch mehr schwächte. Matt legte nach einer Weile, seinen Kopf auf ihre Schulter. Fee lächelte, obwohl ihr nicht danach zu mute war. Die untergehende Sonne tauchte die verschneite Landschaft in ein warmes orange. Links von Fee waren bis zum Horizont Felder und ein paar einzelnde kahle Bäume. Zu ihrer Rechten sah es nicht anders aus, bis auf die Bahngleise, denen sie jetzt schon Tage folgten. Bis jetzt waren sie nur an Dörfern vorbei gekommen, in denen es nichts groß zu stehlen, geschweige denn einen Unterschlupf gab. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Fee spürte Matt's ruhigen Atem. Er war eingeschlafen. Sie strich sich eine brungelockte Haarsträhne aus dem Gesicht und lief weiter, in der Hoffnung, jeden Moment am Horizont etwas zu entdecken, eine Stadt oder auch nur eine Scheune. Lange würde sie das nicht mehr aushalten.
-
Tatsächlich, nach einigen Stunden zeichneten sich am Horizont die umrissen eines Hauses ab. Sie wurden immmer deutlicher, je näher sie ihrem Ziel kam.
Sie beschleunigte mit jedem Atemzug ihre Schritte. Neue Hoffnung entstand, als Fee die Rauchschwaden der Schornsteine sah. Die Stadt schien auch nicht alzu groß zu sein, aber vielleicht hatten sie hier bessere Chancen.
,, Matt!'' Fee's Stimme klang aufgeregt. Matt hob seinen Kopf. ,,Hm?'' ,, Matt, wir sind da! Siehst du? Die Stadt!'' Der Junge richtete sich kerzengerade auf. Scheu betrachtete er die Häuser. ,, Was, wenn sie uns wieder nicht wollen?'' Fee seufzte. ,, Wir bekommen das schon irgendwie hin. Doch richtig glauben, tat sie an ihre Worte nicht.
2. Kapitel
Jayden trat in die Kälte. Er fror nicht,
er trug einen wärmenden Wintermantel. Die Straße war leergefegt. Wahrscheinlich
hatte die Kälte die Menschen in ihre Häuser vertrieben. Zugegeben, Jayden ging auch nicht freiwillig raus. Er sollte diesen vergilbten Brief abschicken, den seine Mutter ihm heute Morgen in die Hand gedrückt hatte. Es wurde schon dunkel, als Jayden die schmale Straße einbog, in der sonst nie jemand war. Doch dieser Weg war viel kürzer, auch wenn er an den verfallenen Häusern vorbei führte, über die so manche Geschichte erzählt wurde. Die meisten hier waren Abergläubisch, Jayden hielt das für Schwachsinn. Der Boden mit einer dünnen Schicht Eiskristallen überzogen.
Texte: Melanie Delon
Tag der Veröffentlichung: 06.12.2009
Alle Rechte vorbehalten