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Es war eine Sensation! Die Erlassung des neuen Gesetzes in der Hauptstadt B. des kleinen Landes K. sorgte für Aufsehen und Furore im ganzen Ländchen und über seine Grenzen hinaus, auch im Ausland. Niemand im Ausland wusste Genaueres, nur dass es sich bei dem neuen Gesetz um ein ganz außerordentliches und einmaliges Gesetz handelte, das die Freiheit, Arbeit und Freizeit der Bürger des Landes anbetraf. Die Regierung des Landes K. machte nur verworrene Andeutungen und die Bürger des Landes verrieten nichts, sie waren stolz auf dieses Gesetz und wollten es für sich bewahren. Es war nun mal ein verschwiegener, kleiner Staat, der sich gerne von dem Rest der Welt abschottete. In den ausländischen Medien wurden eifrig Vermutungen angestellt und gerätselt und geraten, um was es sich denn genau handeln könne. Ohne Bestimmtes zu wissen, bezeichneten die ausländischen Medien das Gesetz als „Gesetz der Freiheit!“ und taten so, als wüssten sie bestens Bescheid über die Bedeutung und alle Einzelheiten des Gesetzes. Auf sozialen Medien, im Internet, zeigte die rege Anteilnahme von Menschen aus der ganzen Welt an der Diskussion über das „Gesetz der Freiheit“ des Landes K., dass Millionen von Menschen rund um den Globus dieses Gesetz befürworteten und die Bürger von dem Land K. sehr darum beneideten. Viele behaupteten dort, sie würden das Geheimnis des Gesetzes kennen, niemand von ihnen hatte aber eigentlich wirklich Ahnung von dem Gesetz, über das soviel geschrieben, argumentiert und diskutiert wurde. Allerlei Theorien wurden aufgestellt, die mit der Zeit immer phantastischer wurden. Mit der Erlassung dieses Gesetzes bekam der kleine Staat K. Weltruhm, und sein Namen und die Namen jedes einzelnen seiner Regierungsmitglieder wurden in der ganzen Welt genannt und in den Mittelpunkt gerückt. Manche Länder vermuteten in dem Gesetz der Freiheit etwas Vorbildliches, Visionäres, sogar Revolutionäres, ein Gesetz der Zukunft und wahren Demokratie, das unglaubliche, bisher unbekannte Möglichkeiten eröffnen könne. Andere Länder und deren Regierungen, insbesondere diktatorischer Staaten, sahen eine Gefahr in dem bloßen Klang des Namens „Gesetz der Freiheit“ und in seiner Wirkung. Mit Sorge nahmen sie die Beliebtheit, das rege und positive Interesse, das bald von Millionen von Menschen für dieses Gesetz kundgetan wurde, zur Kenntnis. Sie drohten dem Land K. mit Konsequenzen und Sanktionen, würde das Gesetz nicht zurückgenommen werden, und da das nicht half, schickten sie Geheimagenten, um zu erfahren, um was es sich denn nun eigentlich genau beim Gesetz der Freiheit handelte und wie man dieses Gesetz und seine Urheber bekämpfen könnte. Spion 0007, ein Agent unter dem Decknamen „Herr Hansen“, war ein kleiner, wendiger Mann mit Brille, die nur seiner Verkleidung diente, denn er hatte keine Augenschwächen. Im Gegenteil, seine Sinne waren geschärft, in dem untersetzten Körper steckten ungeahnte Fähigkeiten und Kräfte. Ein gefährlicher Mann. Mit dem Flugzeug landete Herr Hansen in der Hauptstadt B. Schnell verließ er das Flugzeug, Er trug die Verkleidung eines aus dem Urlaub Heimgekehrten, einschließlich Hawaihemd, Spitzbart und Bierbauch. Die Geheimorganisation seines Landes hatte ihm einen gefälschten Ausweis mitgegeben, der ihn als Bürger des Landes K. auswies. Man glaubte, das würde am wenigstens Aufsehen erregen, da die Zollbeamten zurzeit gegenüber Ausländern besonders argwöhnisch waren. Sein Auftrag war klar und unmissverständlich. Spionage, alle Einzelheiten über das Gesetz herauszufinden und im Speziellen den Urhebern des neuen Gesetzes auf die Spur zu kommen und sie mit allen Mitteln dazu zu zwingen, die Gesetzgebung rückgängig zu machen. Herr Hansen war einer der besten Geheimagenten seines Landes. Kein Auftrag war ihm bisher misslungen. Er war fest entschlossen, auch diesen Auftrag zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Sehr bald aber wurde ihm klar, dass das Land anscheinen auf sein Kommen vorbereitet war. Schon in der Schlange zum Flughafen-Zollamt wurde sein Versuch, ins Landesinnere zu kommen fürs erste blockiert. Der Zollbeamte wirkte äußerst gelangweilt und müde und machte seine Arbeit langsam und schläfrig. Und als die Reihe an Herrn Hansen kam, musterte der Zollbeamte Herrn Hansen interessiert von oben bis unten und dann peinlich genau seinen Ausweis. „Sie sind Bürger dieses Landes?“ - „Ja“, log Herr Hansen. - „Gut, was haben Sie im Ausland gemacht?“ - „Oh, ich war dort nur auf Ferien, zum Vergnügen.“ - „Aha, nehmen Sie das.“ der Zollbeamte drückte ihm den Körperscanner in die Hand. „Meine Kollegen werden Sie in die Arbeit einweisen. Ich komme abends wieder. Bis dann!“ Der Beamte verschwand zusammen mit den nach draußen eilenden Menschen. Herr Hansen sah ihm verblüfft hinterher. Ein Kollege des verschwundenen Beamten gesellte sich zu Herrn Hansen, hieß ihn willkommen in der neuen Arbeit und zeigte ihm, was er zu tun hatte. Herr Hansen hielt den Mund und machte wie er angewiesen wurde. Er wollte um alles in der Welt nicht auffallen. Viele Stunden stand er am Zollamt und kontrollierte die hereinkommenden Passagiere. Endlich tauchte der Beamte wieder auf. „Ich hoffe, Ihnen hat meine Arbeit gefallen?“ Herr Hansen fletschte die Zähne und nickte zerknirscht. „Na, dann einen schönen Abend noch. Ihr Gepäck wartet auf Sie!“ Herr Hansen verließ den Flughafen eilig und setzte sich in ein Taxi in Richtung Hauptstadt. Der Taxifahrer musterte seinen Passagier immer wieder verstohlen von der Seite. „Sie waren im Ausland?“ - „Ja.“ bestätigte Herr Hansen. „Sie haben sich vergnügt, ja?“ - „Ja, warum?“ fragte Herr Hansen lauernd. „Nun, ihre Kleidung, die Bermudashorts und das Hawaihemd, außerdem das Souvenir auf ihrem Kopf, der Schweizer Hut mit den kleinen Abzeichen und Wappen. Nicht zu vergessen ihr runder Bauch.“ - „O ja, ich war in den Alpen, Ski gefahren bin ich und hab mich eben vergnügt. Die Schweizer Küche ist wirklich lecker, richtig geschlemmt habe ich.“ - „Aha, geschlemmt?“ Der Taxifahrer fuhr bei diesen Worten von der Straße ab, parkte auf einem Parkplatz und stieg aus. Den Kopf nochmal ins Auto steckend, sagte er. „Sie können sicherlich Auto fahren?“ - „Ja.“ - „Übernehmen Sie, wir treffen uns wieder hier so morgens gegen 8.00.“ Der Taxifahrer verschwand Richtung Autogaststätte. Herr Hansen sprang aus dem Auto und lief ihm nach. „Sind Sie verrückt geworden! Ich werde doch nicht für Sie die ganze Nacht Taxi fahren!“ Der Taxifahrer blieb stehen und drehte sich um. Mit Erstaunen im Blick fragte er: „Sie sind doch ein Bürger des Landes.“ - „Ja“ „Na also, dann kennen Sie ja auch unsere Gesetze!“ - „Ja“ log Herr Hansen. „Warum benehmen Sie sich denn so? Wollen Sie etwa dem Gesetz zuwiderhandeln oder gönnen Sie mir etwa die Pause nicht? Vielleicht können wir das mit den Beamten da klären.“ Eine Polizeistreife fuhr gerade langsam an den beiden vorbei. „Nein, halt.“ sagte Herr Hansen leise. „Ist ja schon gut. Es war nicht so gemeint. Natürlich mache ich es, wie das Gesetz es verlangt.“ Herr Hansen fuhr die Nacht hindurch Taxi. Am nächsten Tag zur selben Zeit übergab er, völlig übermüdet, dem Taxifahrer das Auto und ließ sich von ihm zur Hauptstadt fahren. Dort mietete er sich in einem Hotel ein. Völlig übermüdet kroch er ins Bett, wurde aber gleich darauf von dem Zimmermädchen geweckt, das ihm ein Tablett mit Essen reinbrachte. „Sie haben es gut,“ lachte die junge Frau, „im Bett liegen und essen und Fernsehen schauen oder schlafen, den ganzen Tag lang. Das würde ich auch gerne.“ Herr Hansen guckte sie nur böse an. „Ich wollte schlafen.“ - “Sagen Sie,“ sagte das Zimmermädchen „Sie sehen arbeitslos aus, wie jemand, der gerade aus den Ferien gekommen ist. So braungebrannt und lässig gekleidet. Habe ich recht?“ -„Ja“, sagte Herr Hansen genervt. „Aus den Ferien. Den Alpen. Schweiz, Käse, Hut, Skifahren.“ - „Oh!“, stieß das Zimmermädchen glücklich aus. „Dann werde ich jetzt eine Weile ausruhen, im Bett liegen und Fernsehen schauen und Sie machen derweil meine Arbeit. Ach, ist es nicht schön,“ fügte sie fröhlich hinzu. „Irgendwann, ganz plötzlich kann es sein, ist es Feierabend! Ich liebe mein Heimatland! “ Herr Hansen rührte sich nicht vom Fleck und konnte erst durch das Auftauchen eines Polizeibeamten aus dem Bett gebracht werden. Er entschuldigte sich wiederholte Male und beteuerte, es sei alles ein Missverständnis gewesen. Den Rest des Tages arbeitete er im Hotel als Zimmermädchen. Den Tag darauf arbeitete er als Blumenverkäufer auf der Straße, dann als Kellner in einem Café, bevor er für zwei Wochen morgens bei der Müllabfuhr und abends bis in die Nacht hinein als Zeitungsverkäufer in einem Kiosk am Bahnhof schuften musste. Zum Spionieren blieb keine Zeit. Immer wieder hatten wildfremde Menschen ihn gefragt, was er gerade getan hatte, wenn sie ihm irgendwo begegnet waren, und immer wieder war er seiner Deckstory treu geblieben: Hatte behauptet, er sei ein Mitbürger, der im Urlaub gewesen war. Die Reaktion auf diese Geschichte war immer dieselbe gewesen. Er musste arbeiten! Der arme Spion verstand die Welt nicht mehr. Endlich, eines Nachts, in der Funktion eines Nachtwächters in ein Museum verbannt, stahl er sich ungesehen und heimlich aus dem Museum davon und machte sich auf den Weg zum Regierungsgebäude, um dort einzubrechen und seine Spionage zu beginnen. Da stellte sich ihm plötzlich ein Polizist in den Weg. Er deutete auf die Museumsuniform, die Herr Hansen gezwungenermaßen angezogen hatte. „Warum sind Sie nicht bei der Arbeit? Man hat Sie dort vermisst!“ Der Spion sagte nichts, er war zu müde und erschöpft, um irgendwie Widerrede zu geben oder sogar Wiederstand leisten zu können. Er ließ sich willenlos abführen und machte bei der Polizeiwache ein Geständnis. Ja, er habe in der Funktion eines Museumswächters seinen Posten verlassen. Er landete im Gefängnis und vor dem Richter. Zu Rede gestellt für sein Verbrechen, geriet der heimliche Spion außer sich und wollte voller Wut schreiend wissen, welches dummes Gesetz ihn andauernd dazu zwang, die Arbeit anderer faulen Tunichtguts dieses verruchten Landes übernehmen zu müssen! Ausrufe von Empörung und Verwunderung gingen durch den Gerichtssaal. Der Richter sah ernst und gleichfalls tadelnd drein. „Machen Sie uns doch nichts vor! Als Bürger unseres Landes wissen Sie das doch nur allzu gut! Sie, Herr Hansen, haben das neue Gesetz des variablen Feierabends gebrochen! Nicht der gute Bürger, der Sie darum gebeten hatte, seine Arbeit als Nachtwächter zu übernehmen, ist faul gewesen. Vielmehr Sie, Herr Hansen, Sie waren gerade aus dem Urlaub gekommen, wie Sie ihm und nun auch der Polizei versichert haben, und saßen tatenlos herum, in Hawaishorts und Sonnenbrille, als der Herr Sie darum bat, für ihn einzuspringen, damit er einen verdienten Feierabend machen könnte. Infolge Paragraf 206 des Gesetzes des Feierabends, auch genannt das Gesetz der Freiheit, hatte er dazu das Recht, das Recht auf Feierabend, und Sie, Herr Hansen, waren verpflichtet zu arbeiten.“ Als der Angeklagte das hörte, fing er wie wild, ja wie ein Verrückter, an zu lachen und lachte immer noch, als man ihn zurück in seine Zelle sperrte. Der Spion 0007, unter dem Decknamen Herr Hansen, kam erst Jahre später aus dem Gefängnis frei und in sein Heimatland zurück.


Impressum

Texte: spreemann
Tag der Veröffentlichung: 19.02.2012

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Widmung:
We are all Anonymous!

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