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Alle Rechte beim Autor! ©spreemann 2008


Die Fotos sind von:

B.Shaw

Die Fotos sind von den Fotografen zum kommerziellen Gebrauch freigegeben worden.


Erster Teil: Der Mann mit den zwei Gesichtern.

1.

Jim Wilson saß mit dem Rücken zur Wand in der Gefängniszelle. Sein Rücken war steif und schmerzte. Er merkte es kaum. Müde schweifte sein Blick durch die Gitter zum Schreibtisch des Sheriffs. Er hörte ihn laut schnarchen. Dieses Schnarchen zu hören, reizte den Gefangenen. Es war als wollte der Sheriff ihn durch sein unbekümmertes Schnarchen höhnen. Als wollte er damit sagen: Jim Wilson du bist fertig. Deine Tage sind gezählt. Vor dir braucht niemand mehr Angst zu haben.
Jim Wilson wusste nur zu gut, dass er diesmal wirklich am Ende war.
Er hatte es lange nicht einsehen wollen, doch warum sollte er sich jetzt noch was vormachen. Das Spiel war aus und vorbei. Sein ganzes Leben sah er in seinem Inneren Revue passieren, wie er da saß im Dunkeln, halb betäubt vor Müdigkeit. Es erschien ihm wie ein einziges, langes Poker Spiel. All die Jahre hatte er mit dem Tod um sein Leben gepokert.
Es war ein gutes Spiel gewesen, es hatte ihm Spaß gemacht. Jeden Tag hatte er Karten ausgeteilt bekommen, es waren nur selten gute gewesen. Oft war Jim Wilson mit schlechten Karten da gestanden. Er hatte schummeln müssen, um sich zu retten, um durchzukommen. Aber sein starker Überlebenswille hatte ihn immer durchgebracht.
Doch jetzt war die Reihe an ihn gekommen. Morgen, wenn die Sonne diese dreckige Kleinstadt aufweckte, würde man ihn hängen. Jim Wilson spürte ein leichtes Zittern durch seinen Körper gehen. Er war sich nicht sicher, ob die Kälte daran Schuld war oder die Angst vor dem Tod. Bisher hatte er immer gemeint er kenne Angst nicht. Dieses Gefühl was er jetzt empfand, war neu für ihn. Unbekannt. Er dachte an die unzähligen Revolver Duelle in seinem Leben. Wie oft hatte er nicht in eine Pistolen Mündung gestarrt. Aber niemals hatte er gefühlt wie jetzt. Spannung zwar, aber niemals Angst. Aber das war anders gewesen damals, all die vergangenen Male hatte er seinen Revolver in Reichweite gehabt. Nur ein paar Sekunden hatte er gebraucht, um die Waffe schussbereit in der Hand zu haben.
Der Gefangene vermisste seinen Revolver. Fühlte sich nackt ohne ihn, ausgeliefert, verloren. Er fluchte einen langen, befreienden Fluch.
Es fehlte noch, dachte er bei sich, dass er jetzt zu einem winselnden, zitternden Angst Bündel werden würde, ohne Kontrolle über seine Nerven. Sein rechtes Bein war eingeschlafen. Wilson stand auf und humpelte hastig hin und her, um die Lähmung abzuschütteln.
Vielleicht auch um alle diese schlechten Gedanken zu vertreiben. "Verdammt", fluchte er erneut, warum war er auch vor einem halben Jahr dieser Bande beigetreten? Er hatte doch ahnen sollen, dass das nicht gut gehen würde. Hätte es in den Gesichtern dieser Halunken sehen sollen, dass er ihnen nicht trauen konnte. Diese verruchte Bande! Der kleine, hinterhältige Mexikaner, der immer mit einer Gitarre herum lief und mit zwei Colts am Gürtel. Der junge, stotternde Ire mit seinem abscheulichen roten Harren. Das einzige was der gelernt hatte, war anderen Menschen die Gurgel mit seinen Messern durchzuschneiden! Van Kimper, der alte Hund, der Alkohol runterschüttete als wäre es Wasser. Und all die anderen. Alles Pack, menschlicher Abschaum!
So wie er selbst, grinste Jim Wilson und ging in Gedanken noch einmal die letzten Monate durch. Sie hatten Banken überfallen, bis sie soviel Geld gehabt hatten, dass sie wohl die reichsten Männer Amerikas gewesen waren. Sich in einer Bar nach der anderen rumgetrieben, getrunken bis zum Umfallen und die Huren hatten um sie geschwirrt, wie die Fliegen über einem blutigen Kadaver. Niemand hatte es gewagt der Tucson Bande, wie man sie genannt hatte, in die Quere zukommen. Die es versucht hatten, waren auf dem Friedhof gelandet, mit Blei im Körper. Jim Wilson grinste noch breiter als er sich an den Sheriff in Prescott erinnerte. Wie sie in das Sheriffbüro geritten waren und den Sheriff gezwungen hatten sie zur Bank der Stadt zu begleiten. Halb nackt, nur noch mit Stiefeln und Hut bekleidet, hatten sie ihn vor sich hergetrieben. Wie dämlich waren die Blicke der Bürger gewesen, als ihr Sheriff in diesem Aufzug durch die Straßen gestolpert war! Ein nackter Mann, der um sein Leben bettelte. Als er versucht hatte zu fliehen, hatten sie ihm in die Beine geschossen. Auf dem Boden war er weiter gekrochen, eine blutige Spur hinterlassend.
Über Jim Wilsons Gesicht huschte ein dunkler Schatten. Tief in seiner schwarzen Seele fühlte er, in der Gewissheit dass er bald sterben würde, Reue über all die sinnlose Brutalität, die er zusammen mit dem Rest der Tucson Bande begangen hatte.
Am Schluss war es dann aber doch schief gegangen. In Scottsdal hatte man auf sie gelauert. Eine ganze Armee. Drei oder vier von der Bande hatte es sofort erwischt. Der Rest, auch Wilson, hatte die Flucht ergriffen. Er war aber nicht weit gekommen, da sein Pferd von einer Kugel getroffen, unter ihm zusammengebrochen war. Die anderen hatten ihn, ohne sich noch einmal umzudrehen, im Stich gelassen. Er wünschte sich, er würde sie noch einmal wieder sehen. Ein letztes Mal, jedem von ihnen eine Kugel geben zur Vergeltung. Bevor man ihn selbst hängen würde. Hätte er doch nur seinen Revolver, dann würde er sich hier schon freischießen können! Wütend stieß er mit dem Fuß gegen den Krug Wasser, den man ihm am Abend zuvor hingestellt hatte. Das tönerne Gefäß rollte polternd über den Boden. Das Schnarchen des Sheriffs hörte abrupt auf. Wilson beobachte ihn aus zusammengekniffenen Augen. Der Erwachte streckte sich gähnend, nahm die Füße vom Tisch und schaute zu Wilsons Zelle rüber.
"Wie geht es unserem Gefangenen?", erkundigte er sich spöttisch. Wilson antwortete nicht. Der Mann mit dem Stern auf der Brust zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gemächlich im Stuhl zurück.
"Na, wie war denn deine letzte Nacht? Gut geschlafen oder hast du vor Angst nicht schlafen können? Vielleicht hast du dir sogar in die Hosen gemacht?" Er lachte ein lautes, wieherndes Lachen. Wilson umklammerte die Gitterstäbe hart mit den Händen. Dem Sheriff gefiel die Situation. "Weißte", grunzte er in Richtung seines Gefangenen. "Wenn ihr Schufte gehängt werden sollt, ist es plötzlich aus mit eurem Mut."
"Gib mir eine Zigarette", zischte Wilson. "Und halt die Klappe!"
"Eine Zigarette, was willst du damit", lachte der Sheriff höhnisch. "Du bist ein toter Mann und Tote rauchen nicht!"
Im gleichen Augenblick ging die Tür auf und drei Männer betraten das Sheriffkontor. Der eine, ein groß gewachsener hagerer Mann, war Marschall Brett Stone.
Er hatte das Aufgebot in Tucson geleitet. "Holt ihn raus", befahl er. "Es ist soweit."
Wilson hörte es und wieder ging dieses eklige Zittern durch seinen Körper. Er ahnte nun, dass dieses Gefühl, das sich seiner bemächtigt hatte, wirklich Angst war.
Der kalte Schweiß brach ihm aus. Jim Wilson, was bist du doch nur für ein erbärmlicher Feigling, murmelte er bei sich. So hatte er sich seinen Tod nicht vorgestellt. Eigentlich hatte er nie wirklich über den Tod nachgedacht. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass es ihn irgendwann einmal erwischen würde, aber dann in Form einer Kugel. Nicht auf so einer niedrigen Art. Sollte er, Jim Wilson gefürchtet und bekannt, mit einem Strick um den Hals vom einen Galgen hängen, wie ein dreckiger Vieh-Dieb?! Das hatte er nicht verdient.
Die Zellen Tür wurde geöffnet. Der Marschall grinste Wilson an und entblößte dabei seine gelben, vom Tabak gefärbten Zähne. "Es ist Zeit zum Sterben", verkündigte er. "Zeit für dich zur Hölle zu gehen!"
Wilson wollte sich seine Angst nicht ansehen lassen. "Da kommen wir alle mal hin", erwiderte er lässig, doch ein leichtes Beben in seiner Stimme verriet, wie es mit ihm stand.
Die Männer nahmen ihn in ihre Mitte und gingen raus auf die Straße.
Es war ein frischer, klarer Morgen. Noch sehr früh, aber schon einige Menschen waren auf der Straße. Viele von ihnen waren extra so früh aufgestanden, um Wilson hängen zu sehen.
Das war ein Schauspiel, das man sich nicht entgehen lassen wollte. Die Festnahme von Wilson, Mitglied der gefürchteten Tucson Bande, hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Über die Bande hatte in der letzten Zeit viel in den Zeitungen gestanden. Nicht weiter verwunderlich, da ihre brutalen Streifzüge durchs Land sie berühmt gemacht hatten.
Der Name jedes einzelnen von der Bande waren in aller Munde. Männer, die mit dem Revolver so umgehen konnten wie sie, blieben nicht lange unbekannt. Wilson war die Nr. 1. Man nannte ihn auch "Sheriff Killer". Viele Männer mit dem Stern auf der Brust hatte er auf dem Gewissen. Mit jedem neuem, totem Sheriff hatte Jim Wilsons Name an Berühmtheit zugenommen. Das war ganz natürlich. Man hasste diese brutalen Männer, verabscheute sie, nannte sie schwarze Teufel. Aber tief im Inneren bewunderte man sie. Die Frauen phantasierten von ihnen, die Männer beneideten sie.
Man führte den Verurteilten zum Galgen, der mitten auf der Straße aufgerichtet war. Wilson hörte wie die Herumstehenden seinen Namen flüsterten. Viele gebannte Augen starrten ihn an. Mehrere Ausrufe wurden laut. Erst vereinzelt und unterdrückt dann lauter: "Henkt den Halunken! Das hat er verdient!" Wilson kümmerte sich nicht darum. Er war bereit. Sollten man ihn doch aufknüpfen. Wie er zum Marshall gesagt hatte: Zur Hölle kammen sie doch zum Schluss alle. Er wurde auf ein Pferd gesetzt, jemand legte ihm den Strick um den Hals.
Die versammelte Menge verstummte. Wilson spürte wieder dieses hässliche Zittern durch seinen Körper gehen. Diesen kalten Schauder der ihn frösteln ließ. Vielleicht hatte es ja verdient, kam ihm der Gedanke. Er hatte nie an einen Gott geglaubt. Nur von Einem war er sein schmutziges Leben lang überzeugt gewesen: Vergeltung. Irgendwann musste man für seine Untaten bezahlen. Einmal kam der Tag der Abrechnung. Einmal musste man seine Schulden begleichen.
Es war ihm als sähe er alle die, die von ihm eine Kugel zwischen die Rippen bekommen hatten noch mal vor sich. Ihre bleichen Gesichter starrten ihn aus der Dunkelheit seiner Erinnerung an. Jetzt sollten sie ihre Vergeltung bekommen. Ihm schienen die Minuten da oben auf dem Pferd wie eine Ewigkeit. Wie in einem Alptraum sah er die Menschen um sich stehen. Er sah junge Frauen zwischen ihnen, in feinen Kleidern. Spürte die Furcht, aber auch so etwas wie Neugierde in ihren Blicken.
Schöne Weiber und Alkohol das waren seine Freuden in diesem dreckigen Leben gewesen.
Warum liess man ihn warten? "Los!", rief er den Umstehenden zu. "Na macht schon!" Doch das Pferd unter ihm rührte sich nicht.
Da saß er nun mit dem Strick um den Hals. Tief im Inneren, hatte er

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: spreemann
Tag der Veröffentlichung: 27.05.2008
ISBN: 978-3-7309-0494-7

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