Der Kapitalismus ist am Wegsterben. Wo stirbt er hin? Sollten wir in der Besenkammer ein wenig trauern oder doch "Das Kapital" von Marx lesen? Die Köpfe stecken im Sand fest. Ein Bischof weiß Rat. Man kann wieder zu vernünftigen Zuständen kommen, denn man merkt, so geht es nicht weiter, sagt er und und bei jeder seiner Bewegungen zucken die Blitze.
Unbegrenztes Schrumpftum
„Meine Damen und Herren! Sehen Sie mich?“
Aus dem Auditorium, das in einer Besenkammer Platz genommen hat, meldet sich vielstimmig das positive Feed Back.
„Danke. Ich bin heute zu Ihnen gekommen, mit kleinen Schritten, um Ihnen zu beweisen: Es geht auch so.“
Beifälliges Murmeln und Kopfnicken.
„Bitte, lassen Sie sich noch etwas Zeit mit dem Abnicken.
Ich habe den Grund meines Hierhertippelns noch nicht einmal genannt: Ich und die Meinen haben ein völlig neuartiges, geradezu revolutionäres Programm aufgestellt, ein nie gehörtes, ein selbstlimitierendes Programm ohne Geruch und Geschmack, ja: ohne Farbe.“
Irritierte Unruhe macht sich im Auditorium breit; einige Zuhörer zweifeln zutiefst daran, bei der richtigen Veranstaltung zu sein - oder gar überhaupt noch da zu sein - , andere sehen sich empfindlich in ihren Vorurteilen getäuscht und um ihr lebenslanges Seichtdenken betrogen.
„Zur Essenz unseres neuen Gedankenguts gehört die Erkenntnis: Weniger ist mehr. Entschuldigung, ein Unwort: ‚mehr‘. Wird nicht mehr vorkommen.
Angefangen mit den Wenigerverdienenden bis zu Minijobs und Mindestlöhnern, vom Minimativ über die heiße und ungeile Jugend bis zur Aussage: ‚Ich gönne mir auch sonst nichts‘, von Brillen Wenigmann bis zu Hugo Tagelöhner – einmal ganz abgesehen von den schon bisher unter Wert behandelten Haus- und Putzfrauen - : Die Klientel, an die wir uns wenden, ist eine unendliche.“
Die Unruhe im Saal nimmt konvulsive und eruptive Ausmaße an. Frau (nicht Putz-, nicht Haus-) denkt sogleich an ein Jahrtausend-Erdbeben, bremst sich dann aber ein und dimmt ihre Besorgnis herunter auf ein alternativloses Sekundenereignis. Gerade im öffentlichen Äußern kurzsichtiger Statements hatte sie es in letzter Zeit zu großer Fertigkeit, ja Kunst, gebracht. Dies gab ihr abgrundtiefe Sicherheit im Falscheinschätzen von Situationen, wobei sie aber doch an ihrem eigenen Gedankenfetzen ‘… ja, Kunst..‘ hängenblieb. Gehört das Komma zwischen die beiden Worte, ist das nicht zu viel Bejahung, die zu einer Bedeutungsinflation des Wortes (und nicht nur) ‚Kunst‘ führen könnte? Inflation, um Gottes Willen! D e flation, D e eskalation, D e menz!
Unbewußt (und deshalb ungeheuer sympathisch) rutscht ihr das letzte Wort über die Lippen und generiert tosenden Beifall in der Kammer. Unmittelbar nach diesem akustischen Mißgeschick tauchen vor ihrem inneren Auge Bilder auf, wie: die unten ausgedünnte und nach oben geblähte Alterspyramide, die saturierten Rentner auf ihren Parkbänken, die weißhaarigen Eintänzer auf den Kreuzfahrtschiffen und, wie ein kurzer und äußerst schmerzhafter Blitz, der – Gott sei’s gepfiffen – sofort wieder verblaßt, auch der Graue Panther, das Tier des Jahres.
„Laßt uns, taumelnd, mit Freude und Dankbarkeit in die Altersarmut gehen, Arm in Arm – ich nicht, ich habe einen anderen Termin -, um in der gnädigen Demenz zu enden, einem Zustand seliger Unwohlhabenheit und absoluter Resistenz gegen Konsumanreize.
Ich danke Ihnen.“
Cecilia
Der Ethikfresser
Auch das noch – Der Kapitalismus steht vor dem Aus
Dabei bemühen sich doch weiß Gott alle vorhandenen elitären Inkompetenzen um einen respektablen Auftritt vor dem dumpfbackigen Wahlvieh, welches jeden Tag aufs Neue augenrollend und kopfschüttelnd dem Medienrummel zu folgen versucht. Vergeblich, denn die Krisennach-
richten überschlagen sich. Inzwischen weiß man, dass die Märkte stets nervös reagieren und die Anleger mit ihren Maklern immer seltener zufrieden sind. Die armen Anleger! Am Ende ist ihre Kohle wieder verzockt und sie wissen nicht ein noch aus.
Ein Normalverdiener, auch ein Hartz IV – Empfänger ist viel gelassener, die Börsennachrichten, die täglich vor allen anderen Weltneuigkeiten dem unschuldigen Fernsehbürger offeriert werden, gehen ihnen, man verzeihe den harten Ausdruck, gelinde am Arsch vorbei. Sie haben andere Sorgen. Hierzulande steigen die Strompreise und den Rest fressen Mieten und Heizkosten. Nun, man kommt zurecht und konsumiert dennoch, sodass auch Handel und Wandel lebt. Noch!
Ganz anders die Ackermänner und Co., sie scheinen sich um ihre Beteiligung am Schuldenschnitt zu sorgen oder fürchten sie nun die totale Verstaatlichung? Die Linken haben es frech beschlossen. Das wäre ja nun das wirkliche Aus des Kapitalismus. Apropos: die Banken haben so furchtbar wenig Kapital, heißt es. Sie sind schwer notleidend, wie man allerdings auch in der ganzen Welt weiß. Sie fallen also durch den Stresstest. Die Armen! Man muss sie retten. Meine Güte auf die paar Milliarden kommt es nun keinem mehr an, ob 200, 400 oder 2000 Milliarden. Merkozys wird’s schon richten. Sie sind sich ja nun wieder zugetan, auch Berlibärsconi drängelt sich schon mal vorsorglich an Barroso heran. Er ist auch bedürftig. Na gut. Das weiß man längst.
Ein Gipfel jagt den anderen und was kommt hinten raus? Auch das weiß man bereits vorher. Nichts. Man ist genauso ratlos wie vorher und orakelt ein wenig im großen Team herum. Regenschirme werden allerdings zur Aufmunterung verteilt. Für jeden einen.
Dabei hat’s der Erzbischof Marx schon sehr weise gesagt:
„Man merkt, so geht es nicht weiter.“
Das Bistum Aachen hatte Geld bei der pleitegegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers angelegt. Und es hat viel Geld verloren.
Dabei hat der wissende Erzbischof als Weihbischof in Paderborn persönlich ein paar Regeln für die Börse verfasst und schon zu Zeiten vor der Internetblase gewarnt.
Auf diesen Kapitalismus ist einfach kein Verlass mehr. Man hätte vielleicht doch mehr beten sollen und sich auf die Gebote besinnen müssen, wenigstens auf das Zehnte:
„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.“
Ob dieses nun geholfen hätte? Sicher ist das nicht, doch der Erzbischof Marx sieht Möglichkeiten, er sagt:
„Man kann wieder zu vernünftigen Zuständen kommen, ohne dass der Staat etwas genau festlegt.“
Somit ist der Kapitalismus, vorausgesetzt er meint ihn, wenn er von vernünftigen Zuständen spricht, doch noch zu retten und das ganz ohne Staat. Unsere Euroexperten, unsere Staatsmänner und –Frauen sollten sich das mal durchdenken. Vermutlich hat der Papst etwas im Hinterkopf, wenn schon Herr Schäuble da nichts hat, so wie er selber sagte. Doch was?
Dennoch nichts ist verloren, alles ist offen, was wissen wir nicht genau aber der Kapitalismus ist noch nicht gestor-
ben, auch wenn ein rätselhaftes Geld-Sterben in Deutschland zu beobachten ist.
Mit dem liebsten Spielkameraden des Menschen wurden grauenhafte Experimente angestellt – Spekulationen, Verschleuderungstests, das Verbrennen im großen Stil. Immerhin konnte verhindert werden, dass das arme Wesen verfüttert wurde. Ein alter Indianer-Häuptling hatte darauf hingewiesen, dass man es nicht essen kann. Man wird das auf den Gipfeln zur Kenntnis nehmen müssen.
Gute Nacht!
Helga
Letztes Bulletin
„Nein, es geht ihm gut, noch. Danke der Nachfrage.“
Aber. Moment mal. Woher kommt diese Empathie, dieses Mitleid(en)? Wohl ein verkappter Roter. Knallrot?
Als Kind hatte ich ein kleines Tamagochiungeheuer, jetzt haben wir einen ungeheuren Kapitalismus. Fast minütlich fordert er seinen Fraß. Seine Exkremente verpesten Stadt, Land, Fluss. Er hat seinen glibberigen Leib über alles gestülpt, sich globalisiert, wie man so schön sagt. Er hat seinen glibberigen Leib über alle gestülpt, ob sie wollten oder nicht. Das Vakuum, das durch den Niedergang anderer Ideologien entstand, er hat es mühelos ausgefüllt, „ausverleibt“ sozusagen.
Unsere armen Politiker, die um ihr Überleben rudern, halten sich verzweifelt an Worten fest : ‚Markt‘, ‚Wachstum‘, ‚allgemeiner Wohlstand‘. Andere sind längst untergegangen und kein Hahn kräht danach.
„Wie, ein Hahn? Her damit!“
„Es ist der letzte auf Erden.“
„Umso besser, komme ich in’s Guiness-Buch-der-Rekorde.“
Die Wesen haben vor lauter Besorgnis den Kopf in den Sand gesteckt. Ihre Hintern ragen unbeaufsichtigt und unschuldig in die Luft. Was da alles passieren kann!
„Dem angeklagten Vergewaltiger kann kein Vorwurf gemacht werden; es bot sich ihm ein Bild ungeahnter Auswahl, manche Wesen hatten sogar kurze Röcke an. Freispruch wegen Nachvollziehbarkeit des ungezügelten Vernichtungs-Rausches.“
Cecilia
Recherchiert von Helga:
Er breitet die Arme aus, als wollte er die Journalisten zu seinen Füßen segnen; redet er über globale Herausforderungen, seine Hände formen eine Kugel in der Luft. Sieben Fernsehkameras und ein gutes Dutzend Fotografen sind da; bewegt sich der Münchner Erzbischof, zucken die Blitze.
Erzbischof Marx im Interview "Kapitalismus ist ein Ethikfresser!"
26.11.2008, 09:41
sueddeutsche.de:
Hat es in den vergangenen Jahren einen Primat der Ökonomie gegeben, der unberechtigt war?
Marx:
Die sehr einseitige Orientierung an Kapitalinteressen in der Wirtschaft hat mich sehr beunruhigt. Die Börsennotierung - und damit die Kapitalorientierung - hat ein zu großes Gewicht bekommen. Als ich mitbekommen habe, dass viele Unternehmen 25-prozentige Renditen einfahren wollen, da musste ich sagen: "Halt, Freunde, das wird so nicht gehen! Dann stimmt ja auch der Wettbewerb nicht mehr."
sueddeutsche.de:
Sind 25 Prozent Renditeerwartung Gier?
Marx:
Gier ist erst mal eine persönliche Eigenschaft. Ich kann in die Seele des Einzelnen nicht hineinschauen. Aber es gibt Systeme, die das Schlechte, die Gier, die Maßlosigkeit befördern und andere, die korrigierend eingreifen.
sueddeutsche.de:
Das nennen Sie "strukturelle Sünde".
Marx:
Manche Systeme sind so organisiert, dass sie dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich schnell gegen den anderen zu wenden und so zu sündigen. An solchen Strukturen kann man nicht mitbauen. Wenn unsere Wirtschaft so wäre oder ich in einem Betrieb arbeiten müsste, wo ich mich nicht an die Zehn Gebote halten kann, dann müsste ich als Christ sagen: Dagegen muss ich kämpfen, das ist inakzeptabel.
sueddeutsche.de:
Ist es Sünde, sein Geld an solchen Plätzen anzulegen, wo die Zehn Gebote nicht gewährleistet sind?
Marx:
Als Christ muss ich auch Verantwortung für mein Geld übernehmen - und es nach bestem Wissen und Gewissen anlegen; es kann dann nicht nur um die Rendite gehen. Sicher ist das für den Einzelnen manchmal schwer durchschaubar, aber jeder muss sich um Informationen bemühen. Und es geht um Vertrauen demjenigen gegenüber, dem ich mein Geld anvertraue.
sueddeutsche.de:
Hat die katholische Kirche selbst schlechte Erfahrungen mit dem Finanzkapitalismus gemacht?
Marx:
Als Weihbischof in Paderborn habe ich ein paar Regeln für die Börse verfasst und schon zu Zeiten der Internetblase gewarnt. Da hieß es: "Du darfst nicht so kritisch sein gegenüber diesen Spekulationen. Da können auch die einfachen Leute mal schnell reich werden." Spätestens da wusste ich, dass ich recht hatte. Das kann nicht funktionieren. Für mich als Bischof ist es nicht egal, wo und wie wir unser Geld anlegen, bei allen Unwägbarkeiten, die das komplexe Wirtschaftsleben mit sich bringt.
sueddeutsche.de:
Kann man als Verantwortlicher eines Bistums einfach sagen, wir verzichten auf einen Teil der möglichen Rendite?
Marx:
Selbstverständlich. Ich habe im Bistum Trier und auch jetzt in unserem Erzbistum den Fachleuten Orientierungen für die Geldanlagen gegeben. Wir müssen glaubwürdig dafür stehen können, was wir tun. Wir sollten auch nicht hochspekulativ anlegen. Also legen wir konservativ an: Langfristig denken! Nachhaltig denken! Ethisch denken!
sueddeutsche.de:
Pater Anselm Grün aus der Abtei Münsterschwarzach hat mit russischen und argentinischen Staatsanleihen viel Geld verloren. Das wäre Ihnen nicht passiert?
Marx:
Ich weiß nicht, was er gemacht hat. Ich will auch nicht ausschließen, dass man Fehler machen kann in einem stark vernetzten Finanzmarkt. Aber hochspekulative Anlagen sind für mich immer mit einem Fragezeichen versehen. Die Kirche sollte sich daran nicht beteiligen.
sueddeutsche.de:
Das Bistum Aachen hatte Geld bei der pleitegegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers angelegt.
Marx:
Ich kann das nicht beurteilen. Aber als Lehman Brothers nicht gerettet wurde, wusste ich, diese Krise wird noch eine Riesendimension annehmen. Man weiß, wie verzweigt diese Bank war, wie sehr weltweit verknüpft - das wird auch für Anleger, die nie hochspekulativ tätig waren, Auswirkungen haben.
sueddeutsche.de:
Sie haben in Ihrem Buch die Banker zur Umkehr aufgerufen. Ist schon jemand ihrem Ruf gefolgt und hat im Zuge der Finanzkrise Abbitte bei Ihnen geleistet?
Marx:
Wenn das geschehen wäre, würde ich Ihnen das nicht sagen. Jeder muss das selbst überlegen. Es gibt keine Kollektivschuld, weder in einem Land noch in einem Berufsstand. Die Umkehr kommt durch die Umstände selbst und durch Einsicht. Man merkt: So geht es nicht weiter. Wir müssen alle überlegen: Haben wir den Bogen nicht überspannt? Als ich vor Bankkaufleuten und Bankmanagern gesprochen habe, habe ich gemerkt, wie sehr auch sie unter diesem Druck leiden. Man darf auch nicht vergessen: Dieser Druck - immer mehr Rendite! - ist auch von den Aktionären her gewachsen.
sueddeutsche.de:
Es hat sich doch kein Banker dagegen gewehrt!
Marx:
Ich sehe hier ein Wechselverhältnis, das alle betrifft. Alle müssen realistischer sein und klären, wie eine verantwortliche Marktwirtschaft aussehen soll. Natürlich: Ohne Gewinne geht es nicht. Aber wenn man eine Firma schließt und dabei sagen muss: Wir haben 15 Prozent Rendite, wir brauchen aber 25 Prozent, deswegen machen wir die Firma dicht, dann muss ich sagen, das ist nicht mehr die Marktwirtschaft, wie ich sie mir vorstelle und die ökonomisch vernünftig ist.
sueddeutsche.de:
Womit wir wieder bei der Gier wären. In Ihrem Buch schreiben Sie, es würde ausreichen, wenn ein Manager das Zwanzigfache eines durchschnittlichen Arbeitereinkommens verdient. Das wären rund 600.000 Euro im Jahr. Ist es ethisch korrekt, wenn der Staat einen solchen Maximallohn vorschreiben würde?
Marx:
Das ist im Grunde auch eine Frage des Marktes. Aber es gibt ja die Regeln der Billigkeit, auch im BGB. Die sind da offensichtlich überschritten. Insofern kann ich verstehen, wenn der Staat ein Dach darüber legt, wenn er bestimmte Eckpunkte nennt. Es ist ein wesentlicher Knackpunkt gewesen, dass man die Lohnstrukturen von Managern mit falschen Anreizen versehen hat, die die alleinige Orientierung an der Kapitalrendite gefördert haben.
sueddeutsche.de:
Der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann müsste also den Großteil seines Einkommens abgeben?
Marx:
Man kann wieder zu vernünftigen Zuständen kommen, ohne dass der Staat etwas genau festlegt.
Der Kapitalismus und die armen Banker
Der Kapitalismus
muss Kapital bewegen,
er will es ja nicht.
Ob mit oder ohne Segen,
die Märkte sind nur verwegen,
die Banker doch nicht.
Der Schrei nach vernünftigen Zuständen bleibt. Doch was ist vernünftig?
Tag der Veröffentlichung: 02.11.2011
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