Dresden, 16, April 1789
Nachts um halb zwölf Uhr
Liebstes bestes Weibchen!
Liebes Weibchen, ich habe eine Menge Bitten an Dich -
1. bitte ich, dass du nicht traurig bis
2. dass Du auf Deine Gesundheit achtest und der Frühlingslust nicht traust
3. dass du nicht allein zu Fuße, am liebsten aber garnicht zu Fuße ausgehst
4. dass Du meiner Liebe ganz versichert sein solllst - keinen Brief habe ich Dir
noch geschrieben, wo ich nicht Dein liebes Portrait vor meiner gestellt hätte. -
Ultimo bitte ich Dich, in Deinen Briefen ausführlicher zu sein. -
Nun lebe wohl, Liebste, Beste! -
Ich küsse und drück Dich 1095060437082 mal
und ich bin ewig Dein treuester Freund
Auszug aus einen Liebesbrief Mozarts an seine Braut
Mit siebzehn fing Julia ihre Ausbildung zur Köchin an.
Das war ihr Traumberuf, weil sie für ihr Leben gerne kochte und Rezepte
ausprobierte.
Die meisten ihrer Freundinnen stellten ihre Entscheidung in Frage und meinten:
"kochen - wie langweilig! Für was gibt es Mc Donalds und Burger King?"
Jule stand voll hinter ihrem Entschluss und war glücklich, dass sie einen Ausbildungsplatz in einem renomierten Hotel mit Restaurant fand.
Zunächst ließ sich die Arbeit in der großen Hotelküche allerdings alles andere an als
so romantisch, wie sie sich vorgestellt hatte.
Die Einrichtung bestand größtenteils aus Edelstahl und alles blinkte und blitzte.
Sie war erst mal zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass das so blieb.
Mit der Zeit durfte Julia sich dann doch am Schnibbeln und Kochen beteiligen und die
Arbeit begann ihr immer mehr Spaß zu machen.
Zudem arbeitete der Sohn des Hoteliers, auch als Koch und er gefiel ihr
ausgesprochen gut.
Zunächst hatte sie nicht den Eindruck, dass Stefan sie überhaupt bemerkt hatte.
Wenn er mal ein Wort an sie richtete, nur um sie herumzuscheuchen oder auf ihre
Fehler hinzuweisen.
Nach eineinhalb Jahren fand die Zwischenprüfung statt, die Julia mit Bravour bestand.
Da alle recht gut abgeschnitten hatten, gingen sie am Samstag Abend zum Feiern in die
Disco.
Mit allem hätte sie gerechnet, nur nicht dort Stefan in die Arme zu
laufen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Als sie aus den Toiletten kam
prallte sie frontal auf einen Mann.
Der hielt sie fest, schaute sie verdutzt an und umarmte sie schließlich.
Julia hatte ihn natürlich inzwischen längst erkannt und fand diese Umarmung
sehr angenehm. Als er sich dann auch noch runterbeugte und ihr
einen Kuß aufdrückte, glaubte sie zu träumen. Sie bemerkte schon, dass der Kuss recht
alkoholisch schmeckte und Stefan nicht mehr ganz nüchtern war.
Ziehmlich abrupt liess er sie dann los und verschwand nach einer gemurmelten
Entschuldigung.
Obwohl Julia erst gegen Morgen heimkam, war an Schlaf nicht zu denken.
Ständig dachte sie an Stefans Umarmung und seinen Kuss und kam schließlich zu dem
Ergebnis, dass er wohl zuviel getrunken hatte und garnicht mehr richtig wusste,
was er tat. Zwar hatte sie am Sonntag ausnahmsweise frei, wäre aber am liebsten
trotzdem zur Arbeit gegangen, nur um ihn zu sehen.
Am Montag ging sie mit weichen Knien zur Arbeit.
Zu ihrer großen Enttäuschung - oder vielleicht auch Erleichterung - war Stefan
nicht da.
Ersten zwei Stunden später kam er betont lässig in die Küche geschlendert.
Stellte sich hinter Julia und sagte leise: "kommst du mal raus, ich muss mit dir
reden!"
Julia wurde es sofort schlecht und sie trottete wie ein begossener Pudel hinter ihn
her.
Draussen wirkte er dann längst nicht mehr so lässig.
"Eigentlich sollte ich mich wegen Samstag entschuldigen und sagen, dass du es
vergessen sollst. - Aber das will ich nicht! Ich habe mich total in dich verliebt!",
sagte er und sah selber überrascht aus.
Die nächsten Wochen und Monate kam sich Julia wie auf "Wolke sieben" vor.
Ihre potentiellen Schwiegereltern waren mit Stefans Wahl durchaus einverstanden.
Er war immerhin schon fast dreißig Jahre alt und hatte schon ein beachtliche Reihe an
Freundinnen hinter sich.
Als sie nahezu ein Jahr zusammen waren, zog Julia zu ihm.
Allerdings stellte sich bald heraus, dass es nicht so günstig ist, fast rund um
die Uhr zusammen zu sein. Bei der Arbeit und in der Freizeit.
Dass Stefans Eltern völlig hinter ihr standen, schien ihn eher zu stören.
Als sie ihn schließlich sogar drängten: "Nägel mit Köpfen zu machen" - sprich zu
heiraten, zog er sich immer mehr von ihr zurück.
Ute, von der Rezeption, warnte Julia dann, dass Stefan etwas mit einem Zimmermädchen
am laufen habe.
Dass zu dieser Zeit die Prüfungen bevorstanden, machte die Situation nicht gerade
besser.
Julia packte ihre Sachen und zog zunächst in ihr altes Mädchenzimmer bei ihren
Eltern.
Es spricht für ihre Stärke, dass sie mit Auszeichnung die Prüfung bestand.
"Was hast du?" Fassungslos schaute Julia Moni an.
"Ich dachte, du bist meine Freundin!"
"Ja, gerade deswegen. Du kannst dich doch nicht den Rest deines Lebens
verkriechen".
Julia war total sauer. Ein halbes Jahr war seit ihrer Trennung von Stefan
vergangen.
Sie hatte einen neuen Job gefunden und war in eine kleine Wohnung
gezogen.
Von Männern wollte sie vorerst garnichts mehr wissen.
Und nun hatte Moni hinter ihrem Rücken ein Blind-Date für sie abgemacht.
"Du, der Josh ist super nett. Er hat ein Foto von dir gesehen und will dich
unbedingt kennenlernen!"
Moni streckte Julia ein Foto hin. Groß, blond und blauäugig. Absolut nicht ihr
Typ, dachte Jule.
"Jetzt treff dich halt mal mit ihm, kann doch nichts passieren!", bohrte Moni.
Schließlich gab Julia nach.
Als sie sich dabei ertappte, dass sie sich vor dem Treffen, sorgfältig zurechtmachte,
musste sie doch grinsen.
Sie hatten vereinbart, dass Moni zunächst bei diesem Treffen dabei sein sollte.
Moni wirkte aufgeregter als Juli und Joshua, die sich angrinsten, als ob sie sich
schon jahrenlang kennen würden.
Nach der Vorstellung, gab bei den beiden so etwas wie einen "Aha-Effekt"!
Später meinte Moni nur: "Ihr hättet mich garnicht dabei gebraucht, ich kam mir
komplett überflüssig vor!"
Tatsächlich verstanden sich die beiden so gut, dass sie Moni völlig vergessen
hatten.
Sie trafen sich täglich und Julia wußte auf einmal garnicht mehr, warum
sie große blonde Männer unattraktiv gefunden hatte.
Julia war in dieser Beziehung etwas altmodisch.
"Mein Dad hat damals bei Opa um Mums Hand angehalten, ich finde das so
romantisch!"
Diesmal war es nicht im Stadtgarten, sondern beim Seenachtsfest.
Josh hatte sich mit Julias Vater zurückgezogen.
Nachdem die beiden nach eineinhalb Stunden immer noch nicht zurückkamen
machte Jule sich heftig Sorgen.
"Die werden sich doch nicht streiten!", meinte sie ängstlich.
Die Mutter lächelte nur beruhigend "die beiden doch nicht!".
Schließlich kamen sie einträchtig grinsend wieder und erzählten, dass sie
noch ein Bierchen gestemmt hätten. Jule fand das nicht sehr lustig.
Josh hatte geplant, seinen Antrag beim Feuerwerk vorzubringen.
Allerdings zeigte sich, dass das kein gutes Timing war, denn so ein Feuerwerk
ist mit einigem Krach verbunden. Außerdem standen plötzlich Joshs Freunde
um sie herum.
Nichts geschah!
Julia wurde immer unruhiger und saurer.
Dad grinste und Mum amüsierte sich auch köstlich.
So ging der Abend zu Ende, ohne dass Josh zum Zug kam.
Auf dem Parkplatz vor Julias Wohnung, saßen sie schweigend im Auto.
Wenn es sonst immer etwas zu reden gab, waren sie jetzt völlig verstummt.
"Alles blöd gelaufen!", seufzte Josh endlich. "Eigentlich wollte ich dir das
hier geben und dich fragen, ob, ob - na du weißt schon!" Damit reichte er
Julia ein Schmuckkästchen. Julia öffnete das Etui und plötzlich prustete sie los.
Josh schaute sie beleidigt an. "Gefällt er dir nicht?", fragte er frustriert.
"Wenn ich wüßte, wie er aussieht, könnte ich es sagen", kicherte sie.
Josh schaute in das Kästchen. - Es war leer.
Ach du Schreck. Er fasste in die Hosentasche.
"Ich wollte ihn dir ja anstecken!". Nun konnte auch er sich nicht mehr vor Lachen
halten.
So war Julias Verlobung vielleicht nicht die romnatischste aber auf jeden Fall die
lustigste.
Es war ein wunderschöner Sommertag.
Julia stand in ihrem Brautkleid vor dem Spiegel. Ihre Mutter zupfte hier und
dort noch ein wenig herum und meinte schließlich: "Alles perfekt, du siehst
sehr schön aus!"
Dann wurde sie ein wenig blass und drückte die Hand auf ihren Bauch.
"Alles ok?", fragte Jule besorgt.
Sie hatte schon seit einiger Zeit beobachtet, dass es ihrer Mum nicht so
gut ging.
Doch die Mutter nickte nur und sagte: "Ist halt die Aufregung, die schlägt mir
immer auf den Magen. Du kennst mich doch."
Der Tag flog dahin wie ein Traum.
Foto-Session im Stadtgarten. Die Trauung und dann das Fest in einem gemütlichen
Landgasthaus an einem kleinen See.
Am nächsten Tag brachen die beiden zu ihrer Hochzeitsreise nach Griechenland auf.
Wie alles Schöne, ging dieser Urlaub viel zu schnell herum.
Wieder zurück, rief Julia bei ihren Eltern an.
Der Vater war am Telefon. Das war seltsam, denn gewöhnlich ging immer die
Mutter dran.
Er hörte sich bedrückt an.
"Jule, ich muss dir was sagen. Eure Mutter ist in der Klinik. Könnt ihr herkommen?"
Eine halbe Stunde später waren die beiden bei Julias Eltern.
Dort erfuhren sie, dass die Mutter zwei Tage nach der Hochzeit ins Krankenhaus musste
und die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs lautete......
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2012
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