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Hallo, mein Name ist Jamie Blackbird, genannt Blackie!
Ich bin eine Amsel – auch Drossel genannt – und lebe in einem wunderschönen grünen Park.
Im Gegensatz zu meinen Kollegen, die damit zufrieden sind, ihre Liedchen zu schmettern und Futter zu suchen, bin ich sehr neugierig.
Der Park, in dem ich lebe, gehört zu einem „Regierungspräsidium“, sagen die „Federlosen“ d.h.die Menschen .
Meine Freunde und meine Familie verstehen mich leider überhaupt nicht. „Lebe Dein Leben und halte dich aus den Angelegenheiten der „Federlosen“ heraus“, predigen sie mir immer wieder.
Aber es ist doch öde, immer nur Regenwürmer und Mücken zu suchen! Oder?
So sehr musikalisch bin ich leider auch garnicht.
Habe Kollegen, die sich sogar an Beethoven orientieren. Ne, aber nicht mit mir!
Trotzdem versuchte ich, meinen Job zu machen und suchte an einem schönen Sommerabend meine Stamm-Regenrinne auf, um mein abendliches Ständchen zu singen.
Dann hörte ich ein grausiges Getschilpe. Kam mir sehr bekannt vor. Das sind doch diese gräßlichen gelben Wichtigtuer, die meinen, dass sie die besten Sänger der Welt sind.
Tatsächlich. - Ich hatte richtig getippt. In einem Käfig auf dem Fensterbrett meines „Stammhauses“ saß so ein Kanare und schrie sich bald die Kehle aus dem Hals.
Genervt setzte ich mich neben den Käfig und fragte ihn, warum er sich denn so aufregt.
Er war noch immer völlig aufgelöst und erzählte: „Ich habe gehört, dass meine Menschen einen Anschlag planen!“.
Im Gegensatz zu uns nennen die domnestizierten Vögel die Federlosen „Ihre Menschen“. Kann ich nicht verstehen – aber egal.
„Was für einen Anschlag?“, fragte ich streng. „Na die wollen die Chefin mit einer Bombe hochsprengen!“, keuchte er.
„Chefin, was für eine Chefin?“. Der Gelbe schaute mich an, als ob er mich für total minderbemittelt hält und sagt: „Die Kanzlerin, wen sonst?“
Jetzt wurde mir klar, dass diese eingesperrten Vögel in mancher Hinsicht um einiges mehr wussten als wir. - Peinlich! - Ich hatte nicht mal eine Ahnung, was eine Kanzlerin ist.
„Wen?“, fragte ich vorsichtig, „na die Frau, die dieses Land regiert“, meinte der Gelbe schon um einiges ruhiger.
„Und wie kommst Du auf diese Idee?“, fragte ich schliesslich, um wieder ein wenig überlegen zu wirken. „Die haben mit diesem komischen Kästchen (Handy) gesprochen, und mein junger Mensch
meinte, „wir müssen was tun, um die zu schocken!“
„Was wollen sie machen?“, meine Frage. „Er sagte etwas von einem Brief oder so“, meinte der Kanare ein wenig unsicher. „Ein Brief „ höhnte ich, „damit fliegt noch keiner in die Luft, es sei denn, er ist ein Vogel“. Ein guter Witz von mir – oder?
Tweety war da anderer Meinung. „Die wollen sie in die Luft sprengen, glaub es mir!“
„OK, ich werde etwas unternehmen“, versprach ich großspurig und machte mich davon, ohne diesmal „meinen Job zu machen“, das heisst mein Liedchen zu trällern.

Gustave, unsrer Ältester schaute mich streng an und meinte „du schlamperst in letzter Zeit ganz schön rum!“. „Ich habe andere Probleme, es geht schliesslich um unser Land!“, antwortete ich ein wenig aggressiv. „Wir sagen doch immer, dass du dich aus den Problemen der „Federlosen“ raushalten sollst!“, schimpfte er und ich machte mich beleidigt davon.
Nach einer Weile merkte ich, dass mich jemand verfolgte. „Jetzt warte doch mal, halte an!“, rief jemand hinter mir her. Es war eine ausgesprochen hübsche Amseldame mit leuchtenden Augen.“Ich bin Hedwig, du darfst Hedy zu mir sagen“, erklärte sie und blinzelte mir zu.
Um mich war es geschehen. - Hedy erzählte mir, dass sie es grossartig fände, wie ich mich einsetzte und sie mir auf jeden Fall zur Seite stehen würde. Sofort begannen wir Pläne zu schmieden, was zu tun sei.
„ Zunächst müssen wir herausfinden, wie dieser Attentäter aussieht“,
meinte Hedy sehr vernünftig. Also machte ich mich mal wieder zu meinem „Stammhaus“ auf, nicht um zu singen, sondern um spionieren.
Glücklicherweise stand Tweety wieder auf der Fensterbank und er war froh, mich zu sehen.
„Wie sieht dein Mensch denn aus?“, fragte ich. Der Gelbe schaute mich ein wenig ratlos an. „Wie die jungen männlichen Menschen halt aussehen“, meinte er schliesslich. „Das bringt mich nicht weiter“, erklärte ich.
„Du musst in das Haus reinkommen, hier gibt es ein Bild von ihm“, sagte der Kanare wichtig.
„Ich in dieses Haus, das geht garnicht!“, schrie ich entsetzt. Im Leben nicht würde ich jemals in so einen Kasten hineingehen.
Tweety schaute mich traurig an. „Anders geht es nicht“, sagte er ratlos. „Meine Menschen sind alle fort, du brauchst also keine Angst zu haben“, fügte er hinzu. OK. Augen zu und durch. Ich flog in dieses dunkle Loch, sprich Wohnung, hinein. Tatsächlich stand dort ein Bild von einem jungen Mann. Er hatte gelbe Haare und ganz blaue Augen. Angestrengt versuchte ich, mir dieses Bild einzuprägen.

Die nächsten Tage verbrachten Hedy und ich damit dieses Haus zu observieren.
Hedy versorgte mich mit allerlei Leckerbissen, damit ich bei Kräften blieb.
Endlich! Dieser gelbhaarige „Federlose“ verliess das Haus und hatte etwas in der Hand, dass wie ein Brief aussah. Vorsichtig stupste ich Hedy an, die wohl ein kleines Nickerchen machte.
„Da ist er“, flüsterte ich. Ehe ich es verhindern konnte flog Hedy im Sturzflug auf ihn zu und riss ihm den Brief aus der Hand.
So war das nicht vorgesehen. Sie sollte sich doch nicht in Gefahr begeben. Ich war hier schließlich der Held. Sofort legte ich einen Blitzstart hin und nahm Hedy den Brief aus dem Schnabel. So schnell wie ich konnte flog ich in Richtung Spree und liess ihn in das Wasser fallen. Gespannt schaute ich nach unten. Nichts geschah. Klar, das Wasser verhinderte ja, dass der Sprengstoff in die Luft ging.
„Ich bin ein Held!“, schrie ich. „Wir haben die Kanzlerin gerettet!“
Heute noch sprechen meine Kinder und Enkelkinder darüber, wie Hedy und ich die Chefin dieses Landes gerettet haben.
Das ist doch wirklich ein ganz grossartige Tat oder nicht?

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Texte: Cover-Photo by eiskristall - Christa Philipp
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2011

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